Willy Achim Fiedler (* 23. Januar 1908 in Freudenstadt, Schwarzwald; † 17. Januar 1998 in Los Altos Hills, Kalifornien) war ein deutschamerikanischer Raketenexperte (Konstrukteur und Testpilot).
Leben Bearbeiten
Der Sohn eines Fotografen schloss 1932 sein Studium an der Technischen Hochschule Stuttgart als Diplom-Ingenieur ab und arbeitete als Flugbaumeister und Testpilot. Gemeinsam mit Erich Bachem nahm er an Segelflugwettbewerben in der Rhön teil.
Seine berufliche Laufbahn begann er bei der Ruhrtaler Maschinenfabrik Schwarz & Dyckerhoff GmbH, die Bachems Schwiegervater gehörte und wo er den Hochdecker Ru 3 entwarf. Danach arbeitete er bei der British Aircraft (1936) und der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt in Berlin. Etwa Mitte der 1930er Jahre absolvierte Fiedler eine Ausbildung zum „Flugbaumeister“, einem neugeschaffenen Beruf, der die Arbeit in Versuchsprogrammen von Industrie und Staat unter anderem als Testpilot vorsah und die er 1937 abschloss. 1938 wurde er Chefpilot der Mustererprobung bei den Fieseler-Werken in Kassel. Am 9. Juli 1941 führte er in Kassel-Waldau den Erstflug mit der Fi 256 V1 durch.
Im Zweiten Weltkrieg war er in Peenemünde maßgeblich an der Entwicklung der deutschen „Vergeltungswaffe“ V1 beteiligt und flog selbst die bemannte Flugbombe V1. Die von ihm geleitete Abteilung in Berlin-Schönefeld nannte sich Segelflug Reichenberg GmbH. In kürzester Zeit entstand die einsitzige Fi 103 (Reichenberg III). Die Erprobung wurde von verschiedenen Piloten wie Heinz Kensche und Hanna Reitsch übernommen.
1942 war er Mitbegründer der Bachem-Werke und 1944 entwickelte er zusammen mit Erich Bachem, nach einer Idee von Wernher von Braun von 1939, die Natter. Am 1. September 1944 wurde er mit dem Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes (mit Schwertern) dekoriert.
1948 emigrierte er mit seiner vierköpfigen Familie in die USA, um am United States Naval Missile Test Center in Point Mugu in der Raketenentwicklung zu arbeiten, zunächst zusammen mit Robert Lusser an der Republic-Ford JB-2 (Loon). Er diente als Berater bei der Regulus und der SM-62 Snark von Northrop.
Im Sommer 1955 besuchte er mit seinem Freund Sydney Sharp eine militärisch-industrielle Konferenz, bei der die US-Navy ankündigte, größere U-Boote bauen zu wollen, von denen gelenkte Raketen gestartet werden können. Das Thema, wie diese unter Wasser gestartet werden könnten, war noch nicht durchdacht. Fiedler schlug vor, sie mit Pressluft aus den Röhren zu schießen und danach die Raketenmotoren zu starten. 1956 wurde er von der Firma Lockheed engagiert, die gerade den Entwicklungsauftrag für die Mittelstreckenrakete Polaris erhalten hatten. Er arbeitete dort in der neu gegründeten Raketen- und Raumfahrtabteilung in Sunnyvale, wurde 1958 Chef-Wissenschaftler und half bei der Entwicklung der Polaris und Poseidon. 1973 ging er in den Ruhestand.
Verheiratet war er von 1937 bis zu ihrem Tod mit Greta E. Fiedler, geborene Lange (* 16. Juni 1914; † 22. August 1993, Töchter: Petra, Monika und Karen). In zweiter Ehe heiratete er Monica Lambrecht, Tochter von Herbert Wagner. Seine Aufzeichnungen ab 1933 lagern in den Hoover Institution Archives der Stanford University.
Literatur Bearbeiten
- Wilhelm Hellmold: Die V 1. Bechtle, 1993, S. 114, S. 151.
- Who’s who in world aviation and astronautics. Band 2, 1958, S. 158.
Einzelnachweise Bearbeiten
- (Memento vom 12. August 2014 im Internet Archive) ,
- Bestand Mafi Fiedler & Zimmermann GmbH & Co., Glatten. In: Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg. Abgerufen am 23. September 2023.
- Karlheinz Kens: Ruhrtaler Ru 3. In: Classic Scale: Historische Flugzeuge bis 1945. Band 1. Modellsport Verlag, Baden-Baden 2011, ISBN 3-923142-39-0, S. 119/120.
- Rolf Nagel, Thorsten Bauer: Kassel und die Luftfahrtindustrie seit 1923. Bernecker, Melsungen 2015, ISBN 978-3-87064-147-4, S. 118/119.
- Fieseler Fi 256. In: fliegerweb.com. 1. November 2014, abgerufen am 23. September 2023.
- Fieseler Fi 103 Reichenberg. Archiviert vom am 28. Juli 2012; abgerufen am 29. Januar 2012 (englisch).
- (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive)
- Rockets. Abgerufen am 15. September 2023 (englisch).
- ↑ Archiviert vom 8. März 2016; abgerufen am 12. März 2012 (englisch). am
- Overview of the Willy Achim Fiedler papers. (pdf) In: California Digital Library. Hoover Institution Archives, 2008, abgerufen am 23. September 2023 (englisch).
Personendaten | |
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NAME | Fiedler, Willy A. |
ALTERNATIVNAMEN | Fiedler, Willy Achim (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutschamerikanischer Raketenexperte |
GEBURTSDATUM | 23. Januar 1908 |
GEBURTSORT | Freudenstadt, Schwarzwald |
STERBEDATUM | 17. Januar 1998 |
STERBEORT | Los Altos Hills, Kalifornien |