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Eine Wegzugsbesteuerung ist die Besteuerung von Vermogenswerten auf Grund der Verlagerung des Wohnsitzes oder des gewohnlichen Aufenthaltes ins Ausland Ziel der Wegzugsbesteuerung kann es sein Kapitalflucht zu erschweren oder sicherzustellen dass die im Inland gelegten stillen Reserven auch im Inland steuerlich erfasst werden Inhaltsverzeichnis 1 Deutschland 1 1 Geschichte 1 1 1 Gesetz gegen die Steuerflucht von 1918 1 1 2 Reichsfluchtsteuer von 1931 1 2 Derzeitige Rechtslage nach dem Aussensteuergesetz 2 Frankreich 3 Osterreich 4 Schweiz 5 Das EuGH Urteil Lasteyrie du Saillant 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseDeutschland BearbeitenGeschichte Bearbeiten Gesetz gegen die Steuerflucht von 1918 Bearbeiten Kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges wurde ein Gesetz gegen die Steuerflucht 1 erlassen Es sah vor dass bei Wegzug ins Ausland die Einkommensteuerpflicht gegenuber dem Reich und den Bundesstaaten fur Reichsangehorige erhalten blieb ungeachtet der Tatsache dass diese weder einen Wohnsitz noch einen standigen Aufenthalt in Deutschland hatten 2 Das Gleiche galt fur ehemalige deutsche Staatsangehorige die nach dem 1 August 1914 eine fremde Staatsangehorigkeit erworben hatten und Staatenlose die seit dem 1 August 1914 ihren Wohnsitz in Deutschland hatten Das Gesetz erhielt stark ponalisierende Elemente So wurde die dem Bundesstaat geschuldete Einkommensteuer mit dem zweieinhalbfachen Betrage erhoben 3 Es gab eine gesetzliche Vermutung dass die Steuerbemessungsgrundlage mindestens der des Jahres entspreche das dem Jahr des Wegzuges vorausging Einen Monat vor Wegzug hatte der Steuerpflichtige dem Finanzamt Anzeige zu machen und ein Vermogensverzeichnis abzugeben 4 Das Finanzamt konnte in Hohe von 20 vom Hundert ab 1919 sogar in Hohe von 50 vom Hundert des Vermogens Sicherheit verlangen 5 In Verbindung mit der seit 1916 fur deutsche Staatsangehorige geltenden Pflicht bei Ausreise aus Deutschland bei der Ortspolizeibehorde zuvor ein Ausreisevisum zu beantragen das nur in Verbindung mit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes erteilt wurde war die Personenfreizugigkeit faktisch stark eingeschrankt Das Gesetz gegen die Steuerflucht und die Pflicht ein Ausreisevisum zu beantragen wurden 1925 aufgehoben Reichsfluchtsteuer von 1931 Bearbeiten Hauptartikel Reichsfluchtsteuer Die Reichsfluchtsteuer wurde 1931 6 eingefuhrt Anders als das Gesetz gegen die Steuerflucht erhielt dieses Gesetz die personliche Steuerpflicht nach Wegzug zwar nicht aufrecht nahm den Wegzug jedoch zum Anlass dem Steuerpflichtigen eine Steuer von 25 vom Hundert des vorhandenen Vermogens aufzuerlegen In Verbindung mit den seit 1931 geltenden Devisenverkehrsbeschrankungen und der 100 Mark Abgabe fur Auslandsreisen fuhrten diese Regelungen zu einer starken Beschrankung der Personenfreizugigkeit Ursprunglich sollte die Reichsfluchtsteuer die Steuerflucht Vermogender erschweren Die drastische Herabsetzung der steuerlichen Freigrenzen nach 1934 und die ab 1933 durch die Verfolgung von Juden und politisch Andersdenkenden einsetzende Fluchtwelle aus Deutschland machte die Reichsfluchtsteuer zu einem Instrument zur Ausplunderung politisch und rassisch Verfolgter Derzeitige Rechtslage nach dem Aussensteuergesetz Bearbeiten Hintergrund der Neuordnung des deutschen Aussensteuerrechts im Jahr 1972 war eine Debatte um Steuerflucht die der deutsche Kaufhaus Unternehmer Helmut Horten lostrat Horten war 1968 mit seiner Frau Heidi in die Schweiz ubergesiedelt und wandelte im selben Jahr seinen Kaufhauskonzern Horten von einer GmbH in eine AG um In den Folgejahren verkaufte er schrittweise seine gesamten Anteile fur 1 13 Mrd D Mark Hierauf fiel nach Schweizer Rechtslage keine Steuer an und in Deutschland war Horten nicht mehr steuerpflichtig Ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz bestand damals noch nicht hatte jedoch die Rechtsfolge nicht verandert da Art 13 Abs 5 DBA DE CH entspricht dem OECD Musterabkommen das Besteuerungsrecht dem Ansassigkeitsstaat zuweist Daher wird das AStG bzw insbesondere die Wegzugsbesteuerung des 6 AStG bis heute als lex Horten bezeichnet 7 8 Die deutsche Wegzugsbesteuerung ist seitdem in 6 des Aussensteuergesetzes geregelt Sofern eine naturliche Person die wahrend der letzten 12 Jahre mindestens sieben Jahre in Deutschland der unbeschrankten Steuerpflicht unterlegen hat i ihren Wohnsitz oder gewohnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt ii eine unentgeltliche Ubertragung auf eine nicht unbeschrankt steuerpflichtige Person oder iii einen Ausschluss oder die Beschrankung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Verausserung der Anteile herbeifuhrt werden die stillen Reserven in samtlichen Anteilen bis einschliesslich des Veranlagungszeitraums 2006 inlandische Anteile an Kapitalgesellschaften an denen der Steuerpflichtige in den vergangenen Jahren wenigstens zeitweise zu mindestens 1 beteiligt war bzw ist s 17 EStG besteuert soweit er im Zeitpunkt des Wegzuges noch Anteile halt Da kein Verkauf stattgefunden hat gilt als Verausserungspreis der gemeine Wert der Anteile zum Zeitpunkt des Wohnsitzwechsels Die Steuer kann auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen in sieben Jahresraten bezahlt werden Die Steuerpflicht entfallt wenn der Wegzug nur vorubergehend war und der Steuerpflichtige innerhalb von sieben bzw nach Antrag 12 Jahren ohne Verkauf der Anteile wieder nach Deutschland zuruckzieht und hierzu Absicht hatte Voraussetzung ist dass der Steuerpflichtige die vorubergehende Abwesenheit vor dem Wegzug bei seinem zuletzt zustandigen Finanzamt angezeigt hat 9 Dazu werden bei einem Wohnsitzwechsel in ein anderes Land die stillen Reserven erfasst und besteuert personliche Steuerentstrickung Es wird ein fiktiver Verausserungsvorgang angenommen Die meisten Doppelbesteuerungsabkommen weisen das Besteuerungsrecht fur Verausserungsgewinne dem Wohnsitzstaat zu Damit bestunde ohne besondere Regelungen die Gefahr dass ein Steuerpflichtiger vor dem Verkauf eines im Wert gestiegenen Wirtschaftsguts seinen Wohnsitz in ein anderes Land verlagert Beispiel Ein Steuerpflichtiger mit Wohnsitz in Deutschland erwirbt im Jahr 1990 einen Anteil von 50 wesentliche Beteiligung im Sinne des 17 EStG an einer deutschen GmbH fur 1 Mio Euro Am 1 Januar 2010 sei dieser Anteil 11 Mio Euro wert Wurde er diesen Anteil jetzt verkaufen musste er den Verausserungsgewinn von 10 Mio Euro versteuern Dieser unterliegt zu 60 dem personlichen Einkommensteuersatz im Rahmen des sogenannten Teileinkunfteverfahrens 3 Nr 40 lit c EStG Verlagert er jedoch vor dem Verkauf seinen Wohnsitz in ein anderes Land so wurde ohne besondere Regelung diese Wertsteigerung in Deutschland nicht mehr steuerlich erfasst Zwar wurde es zu einer beschrankten Steuerpflicht durch den Verkaufsvorgang kommen s 49 Abs 1 Nr 2 lit e EStG aber regelmassig wird das Besteuerungsrecht Deutschlands durch ein Doppelbesteuerungsabkommen ausgeschlossen Frankreich BearbeitenDie franzosischen Regelungen zur Wegzugsbesteuerung Art 167 bis des Code general des impots Allgemeines Steuergesetzbuch im Folgenden CGI wurden vom EuGH als EG rechtswidrig eingestuft siehe unten Sofern ein franzosischer Steuerpflichtiger Wohnsitz mindestens sechs der letzten zehn Jahre in Frankreich seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt sah Art 167 bis CGI eine Besteuerung bestimmter stiller Reserven bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften vor Im Gegensatz zur deutschen Regelung galt die franzosische Wegzugsbesteuerung erst bei Beteiligungsquoten von mindestens 25 die Anteile nahestehender Personen Ehegatten und nahe Verwandte werden dabei zusammengerechnet Allerdings sah die franzosische Regelung unter bestimmten Bedingungen eine Stundung der Steuer vor bis die stillen Reserven tatsachlich realisiert werden d h bis tatsachlich der Anteil verkauft wurde Sofern funf Jahre nach dem Wegzug noch kein Verkauf stattgefunden hat wurde die Steuer erlassen Osterreich BearbeitenIn Osterreich wurde eine Wegzugsbesteuerung 1992 eingefuhrt 27 6 Z 1 lit b EStG Besteuert wurde der Wertzuwachs von wesentlichen Beteiligungen mindestens 1 an Kapitalgesellschaften wenn der Anteilseigner ins Ausland gezogen ist Osterreich hat seine Regelung in Reaktion auf das EuGH Urteil zur franzosischen Wegzugsbesteuerung bereits 2004 angepasst Bei einem Wegzug in einen anderen EU oder EWR Staat wird auf Antrag die Steuer bis zur endgultigen Realisierung der stillen Reserven gestundet Im Zeitpunkt des Wegzugs werden nur die bis dahin gelegten stillen Reserven erfasst eine Steuer fallt aber erst beim tatsachlichen Verkauf der Beteiligung an Schweiz BearbeitenDie Schweiz erhebt keine Wegzugssteuer Das EuGH Urteil Lasteyrie du Saillant Bearbeiten Hauptartikel Lasteyrie du Saillant Entscheidung Mit Urteil vom 11 Marz 2004 Lasteyrie du Saillant hat der EuGH entschieden dass die franzosischen Regeln zur Wegzugsbesteuerung gemeinschaftsrechtswidrig sind Da die deutschen Regeln den franzosischen sehr ahnlich waren ging man davon aus dass auch die deutschen Regeln mit EU Recht unvereinbar waren Die EU Kommission hatte deshalb auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet und Deutschland formlich aufgefordert seine Wegzugsbesteuerung aufzuheben oder gemeinschaftsrechtskonform auszugestalten Der Deutsche Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates aus diesem Grunde 6 AStG durch das am 7 Dezember 2006 verabschiedete Gesetz uber steuerliche Begleitmassnahmen zur Einfuhrung der Europaischen Gesellschaft und zur Anderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften SEStEG geandert und bei Wegzug innerhalb der EU bzw des EWR eine zinslose Stundung der anfallenden Steuer bis zur tatsachlichen Verausserung der Beteiligung oder einer Wohnsitzverlegung in ein Land ausserhalb der EU bzw des EWR eingefuhrt Literatur BearbeitenJochen Ettinger Tobias Eberl Die deutsche Wegzugsbesteuerung nach der EuGH Rechtsprechung und wesentliche Gestaltungsuberlegungen im Zusammenhang mit einem Wegzug ins Ausland In GmbHR 2005 S 152 159 Siegfried Grotherr Neuerungen bei der Wegzugsbesteuerung 6 AStG durch das SEStEG In IWB 2007 Fach 3 Gruppe 1 S 2153 2174 Jens Kalbitzer Wegzugsbesteuerung nach 6 AStG Frankfurt a M 2012 Annekathrin Keller Die Fortentwicklung der Wegzugsbesteuerung nach 6 AStG Wiesbaden 2006 Matthias Koller Wegzugsbesteuerung und Entstrickung stiller Reserven im deutschen Steuerrecht Die Entstrickungsvorschriften nach alter und neuer Rechtslage sowie europarechtliche Wertung und Gestaltungsmoglichkeiten Hamburg 2007 Gerhard Kraft Kommentierung zu 6 AStG In Gerhard Kraft Hrsg Aussensteuergesetz AStG Kommentar Munchen 2009 Martin Lausterer Die Wegzugsbesteuerung nach dem Regierungsentwurf des SEStEG In BB Special 8 2006 S 80 87 Dietrich Ostertun Ekkehart Reimer Hrsg Wegzugsbesteuerung Wegzugsberatung Zivilrecht Steuerrecht Soziale Sicherung Munchen 2007 Gunther Strunk Bert Kaminski Kommentierung zu 6 AStG In Gunther Strunk Bert Kaminski Stefan Kohler Hrsg Aussensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar Loseblatt Bonn Berlin Stand 19 Erganzungslieferung Oktober 2009 Franz Wassermeyer Kommentierung zu 6 AStG In Franz Wassermeyer Hubertus Baumhoff Jens Schonfeld Hrsg Flick Wassermeyer Baumhoff Aussensteuerrecht Kommentar Loseblatt Koln Stand 60 Lieferung Juni 2007 Weblinks BearbeitenKommission fordert Deutschland zur Aufhebung der Wegzugsbesteuerung auf C 9 02 de Lasteyrie du Saillant Urteil des EuGHs vom 11 Marz 2004Einzelnachweise Bearbeiten Gesetz gegen die Steuerflucht RGBl 1918 951 958 1 Satz 1 des Gesetzes gegen die Steuerflucht 1 Satz 2 des Gesetzes gegen die Steuerflucht 4 des Gesetzes gegen die Steuerflucht 5 des Gesetzes gegen die Steuerflucht Reichsfluchtsteuer und sonstige Massnahmen gegen Kapital und Steuerflucht RGbl 1931 S 731 https www iww de pistb archiv aussensteuergesetz die wegzugsbesteuerung von horten bis de lasteyrie du saillant f42713 Martin Walser Ewig aktuell Aus gegebenem Anlass 6 AStG n F Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wegzugsbesteuerung amp oldid 235060053