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Dieser Artikel behandelt den Kriminalbeamten Zum Grafiker siehe Walter Pohlenz Grafiker Walter Pohlenz 31 Juli 1902 in Kiel 15 September 1978 in Bobingen Landkreis Schwabmunchen war ein deutscher Kriminalbeamter Er wurde vor allem bekannt aufgrund seiner Mitwirkung an der Ermordung Albrecht Hohlers im Jahr 1933 Hohler hatte 1930 den todlichen Uberfall auf den Berliner SA Mann Horst Wessel verubt Daraufhin war Wessel von den Nationalsozialisten zu einem ihrer Blutzeugen stilisiert worden Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Tatigkeit 1 1 Werdegang bis ins Jahr 1933 1 2 Die Ermordung Albrecht Hohlers September 1933 1 3 Weiteres Leben 2 Archivarische Uberlieferung 3 Literatur 4 EinzelnachweiseLeben und Tatigkeit BearbeitenWerdegang bis ins Jahr 1933 Bearbeiten Pohlenz war gelernter Autoschlosser Seit 1926 betrieb er in Berlin Niederschonhausen ein Autodroschkengeschaft In den 1930er Jahren schlug er die Kriminalbeamtenlaufbahn ein Am 1 Februar 1932 trat er der NSDAP bei Mitgliedsnummer 1 106 036 1933 wurde er Kriminalassistent bei der Geheimen Staatspolizei in Berlin in der er der Dienststelle III zugeteilt wurde 1 In dieser Stellung soll er den Ermittlungen von ostdeutschen Behorden in der Nachkriegszeit zufolge im Jahr 1933 ein schlimmer Folterer gewesen sein und sich insbesondere an verhafteten Kommunisten schwer vergangen haben So soll er Kommunisten die an der Felseneck Affare einem Zwischenfall im Januar 1932 bei dem bei einer Auseinandersetzung von Nationalsozialisten und Kommunisten in der Laubenkolonie Felseneck zwei Personen getotet wurden beteiligt waren teilweise sogar zu Tode gequalt haben 2 Nachkriegszeugnisse zeichnen das Bild eines skrupellosen Sadisten So sei er dabei gewesen wenn Haftlinge mit Lederpeitschen auf den nackten Korper geschlagen wurden oder wenn mit Stahlruten auf die Geschlechtsorgane von Gefangenen eingeprugelt wurde Er selbst habe angeordnet dass Gefangene ihren Urin vom Boden auflecken mussten Zudem habe er sich ein Vergnugen daraus gemacht Tatowierungen von Haftlingen mit Zigaretten wegzubrennen 3 Der Historiker Daniel Siemens kommt aus diesem Grund zu dem Ergebnis dass die nationalsozialistischen Gewaltorgien des Jahres 1933 ohne Gestalten wie Pohlenz nicht moglich gewesen waren Er habe fur die vielen Namenlosen gestanden die Herrschaftsarbeit geleistet hatten indem sie die Verfolgungspolitik des Regimes aktiv unterstutzten wofur sie mit einem bescheidenen sozialen Aufstieg belohnt worden seien Die Ermordung Albrecht Hohlers September 1933 Bearbeiten Der Kommunist und vielfach vorbestrafte Zuhalter Hohler 4 war in der Weimarer Republik wegen Totschlags an Wessel zu sechs Jahren Haft verurteilt worden Das Urteil hatte unter den Nationalsozialisten die Wessel sofort zum Martyrer erhoben Emporung ausgelost Im Herbst 1933 wenige Monate nach ihrem Machtantritt wurde Hohler aus der Strafanstalt Wohlau ins Gefangnis beim Polizeiprasidium am Berliner Alexanderplatz uberfuhrt um im Zuge der Neuaufrollung des Verfahrens erneut verhort zu werden Nachdem Hohler dort mehrere Wochen inhaftiert worden war wurde Pohlenz am Morgen des 20 September 1933 vom Chef des Geheimen Staatspolizeiamtes Rudolf Diels mit einem Entlassungsschein fur Hohler zum Polizeigefangnis geschickt Der Entlassungsschein ordnete die Ubergabe Hohlers an Pohlenz und seinen Begleiter den Hilfskriminalbeamten Willy Schmidt an Offiziell gab er als Zweck der Aushandigung des Gefangenen an die beiden Kriminalassistenten an dass diese ihn zuruck ins Gefangnis Wohlau transportieren sollten Tatsachlich diente die Ubergabe Hohlers an Pohlenz und Schmidt jedoch dazu die Voraussetzung fur die Ausfuhrung eines Rachemords der Berliner SA an Wessels Morder zu schaffen Nach der Ubergabe Hohlers an Pohlenz und Schmidt wurde dieser in einem Polizeitransportfahrzeug in Richtung Frankfurt Oder gefahren Ihm schlossen sich zwei weitere Autos an in denen sich u a Diels und Karl Ernst sowie dessen Stellvertreter August Wilhelm Prinz von Preussen befanden Nach dreissigminutiger Fahrt hielt die Kolonne an einem Waldstuck Pohlenz und Schmidt holten den gefesselten Hohler aus dem Wagen Zusammen mit den Insassen der anderen Wagen begaben sie sich mit dem Gefangenen als Gruppe zu Fuss in den Wald an dessen Rand Ernst Hohler als Morder Wessels schalt Anschliessend gab er den Befehl das Feuer auf ihn zu eroffnen Nach den Schussen befreiten Pohlenz und Schmidt Hohler aus der Knebelkette Er wurde notdurftig vor Ort verscharrt In den offiziellen Berichten wurde wahrheitswidrig behauptet dass Pohlenz und Schmidt von einem SA Kommando auf der Landstrasse gestellt worden seien das sie mit vorgehaltener Waffe zur Ubergabe ihres Gefangenen gezwungen habe Anschliessend sei dieser spurlos verschwunden Die tatsachliche planmassige Kooperation von Pohlenz und Schmidt mit der SA bei der Ubergabe Hohlers in die Gewalt der SA wurde in dem Bericht verschwiegen Weiteres Leben Bearbeiten Pohlenz blieb bis 1945 im Polizeidienst Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Pohlenz in Berlin Adlershof wo er in einem Fahrzeuggeschaft tatig war 1948 heiratete er eine jungere Frau mit der er ein Kind bekam Zur selben Zeit geriet Pohlenz ins Visier der Behorden der SBZ DDR So wurde er bereits 1945 beschuldigt zwischen 1933 und 1936 in Berlin und Umgebung als Beamter der Gestapo durch mehrere selbstandige Handlungen Personen aus politischen religiosen oder rassischen Grunden verfolgt und gefoltert zu haben Es konnten mehrere Zeugen fur Pohlenz Schreckenstaten ausfindig gemacht werden Vom 19 Juni 1948 an sass Pohlenz in Potsdam in Untersuchungshaft Am 25 Juli wurde eine Meldung in die Presse gegeben in der mogliche Zeugen von Pohlenz Beteiligung an den an den Felseneck Kommunisten begangenen Folterungen sowie der Ermordung Hohlers aufgerufen wurden sich zu melden und dienliche Aussagen zu machen Am 22 Juli 1949 gelang es Pohlenz aus der Krankenzelle des Stadtischen Krankenhauses Potsdam Babelsberg zu fliehen wohin er wegen einer Syphilis Erkrankung wenige Tage zuvor verlegt worden war Dem Bericht der Volkspolizei zufolge verliess der zur Bewachung eingesetzte Polizeiwachtmeister Emil Kunzack den Zellenbereich mit einem anderen Haftling um einkaufen zu gehen Pohlenz der den Wachtmeister nach Angaben einer Krankenschwester mit Zigaretten und Lebensmitteln bestochen hatte blieb allein zuruck und verschwand Nachdem Kunzack von der erfolgreichen Flucht seines Gefangenen erfuhr floh er ebenfalls Die unter dem Codewort Tiger eingeleitete Grossfahndung blieb erfolglos Die Umstande legen es so Siemens nahe dass Pohlenz seine Flucht von langer Hand geplant hatte und eventuell auch Hilfe von alten Freunden im Polizei und Justizdienst erhalten hatte 5 Pohlenz setzte sich nach Westdeutschland ab wo er erneut straffallig wurde Seit 1950 sass er in Luneburg in Untersuchungshaft Am 27 September 1950 wurde er vom dortigen Landgericht wegen Diebstahls Betrugs und Urkundenfalschung zu zwei Jahren und zwei Monaten Gefangnis verurteilt Eine Einigung der Luneburger Staatsanwaltschaft mit der DDR Justiz uber die Bildung einer Gesamtstrafe nach den Paragraphen 79 und 74 des Strafgesetzbuches oder uber die Auslieferung Pohlenz nach Ost Deutschland nachdem er seine Haft in Celle abgesessen haben wurde kam nicht zustande 6 In dem von der Ost Berliner Staatsanwaltschaft ausgearbeiteten Strafantrag gegen ihn wurde eine Zuchthausstrafe von 15 Jahren gefordert Das Verfahren wurde jedoch bereits am 4 April 1951 vorlaufig eingestellt In dem Einstellungsbeschluss hiess es dass nach einer erfolgreichen Grossfahndung in ganz Deutschland bei Ausfindigmachung Pohlenz Auslieferung an die DDR Behorden betrieben werden solle Daniel Siemens interpretiert dies als Versuch der politischen Fuhrung der DDR ein Hauptverfahren gegen Pohlenz gegen den Willen des Generalstaatsanwaltes des Landes Brandenburg zuruckzustellen um zunachst politischen und moralischen Druck auf den BRD Staat ausuben zu konnen Siemens mutmasst zudem dass Pohlenz als Kandidat fur einen Schauprozess in der DDR vorgesehen war Pohlenz profitierte in der Folge von dem gespannten Verhaltnis das zwischen den beiden nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten deutschen Staaten in den ersten Nachkriegsjahrzehnten bestand Eine juristisch eigentlich mogliche Verurteilung Pohlenz wurde nach Siemens von den Verantwortlichen in beiden deutschen Staaten verhindert um ein moralisches Faustpfand im Kalten Krieg zu gewinnen und der jeweils anderen Seite den Ermittlungserfolg zu versagen Die Bundesrepublik verweigerte Pohlenz Auslieferung an die DDR mit dem Hinweis auf ein bevorstehendes Gerichtsverfahren in West Berlin das aber nicht zustande kam Die Justizbehorden der DDR verlangerten die Fahndung nach Pohlenz zwar regelmassig zuletzt 1974 jedoch wurde er niemals wegen seiner Taten in den 1930er Jahren verurteilt Als die Staatsanwaltschaft Berlin im Jahr 1968 den Mord an Albrecht Hohler wieder aufnahm nachdem die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklarung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg 1960 Ermittlungen wegen SA Gewaltverbrechen aus dem Jahre 1933 angemahnt hatte bevor diese aufgrund der damals geltenden Verjahrungsfristen verjahrt sein wurden stiess sie auch auf Pohlenz den sie als einen der wenigen Uberlebenden des Vorgangs ausfuhrlich befragte In dem nachfolgenden Ermittlungsverfahren schilderte Pohlenz den Ermittlern die tatsachlichen von den amtlichen Berichten von 1933 erheblich abweichenden Umstande der Ubergabe Hohlers an die SA und beschrieb auch den Ablauf seiner Ermordung Da keine Beweise fur seine aktive Beteiligung erbracht werden konnten und die Beihilfe an einer Totungshandlung im Jahr 1933 zu diesem Zeitpunkt als Straftat bereits seit 1960 verjahrt war wurde er nicht unter Anklage gestellt Wahrend seiner letzten Jahre lebte Pohlenz in Wehringen bei Augsburg und zuletzt in Bobingen im Landkreis Schwabmunchen Archivarische Uberlieferung BearbeitenEin eigenstandiger Nachlass von Pohlenz hat sich nicht erhalten Das Bundesarchiv Koblenz verwahrt jedoch eine in den 1960er und 1970er Jahren von dem Verfassungsschutzer Fritz Tobias zusammengetragene Materialsammlung uber Pohlenz Biografie Wirksamkeit und insbesondere uber seine Verwicklung in die Ermordung von Albrecht Hohler Zsg 163 115 Daniel Siemens verweist in seiner Studie uber Horst Wessel in den Abschnitten in denen er Pohlenz Vita rekonstruiert zudem auf eine Reihe von Ermittlungsakten aus der Nachkriegszeit denen sich Informationen uber Pohlenz entnehmen lassen So liegen ihm zufolge einschlagige Akten im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Rep 161 ZC 19839 Bd 2 4 und 9 sowie im Landesarchiv Berlin C Rep 375 01 08 Bd 10058 A 16 und C Rep 901 Bd 569 sowie B Rep 058 Nr 6404 6406 6489 und 6490 7 Literatur BearbeitenDaniel Siemens Horst Wessel Tod und Verklarung eines Nationalsozialisten Siedler Munchen 2009 bes S 255 260 ISBN 978 3 88680 926 4 Einzelnachweise Bearbeiten Siemens Wessel S 256 Siemens Wessel S 255f Siemens Wessel S 256 Siemens Wessel S 99 123 Siemens Wessel S 256 Siemens Wessel S 257f Daniel Siemens Horst Wessel 2009 passim insb S 335 und 337 PersonendatenNAME Pohlenz WalterKURZBESCHREIBUNG deutscher KriminalbeamterGEBURTSDATUM 31 Juli 1902GEBURTSORT KielSTERBEDATUM 15 September 1978STERBEORT Bobingen Landkreis Schwabmunchen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Walter Pohlenz amp oldid 230432225