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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig Zum Raummass siehe Kubikzoll Der Wurfelzoll war eine vom Mittelalter bis ins 17 Jahrhundert regional vorkommende Form beziehungsweise Erganzung des Leibzolls mit dem sich alle Juden auch Frauen 1 2 freies Geleit durch Zollstellen erkaufen mussten Der Leibzoll war eine Geldzahlung wohingegen beim Wurfelzoll beim Uberschreiten von Zollgrenzen vergleichsweise wertlose Wurfel ubergeben werden mussten Auch ausserhalb des offiziellen Zollhandelns spielte er als beliebte antijudische Schikane eine Rolle Mittelalterliche Wurfel Inhaltsverzeichnis 1 Zeitliche und raumliche Einordnung 2 Formen 3 Deutungsversuche 4 Literatur 5 EinzelnachweiseZeitliche und raumliche Einordnung BearbeitenDie zeitlichen Ursprunge fur den Wurfelzoll sind unbekannt vermutet wird ein erstmaliges Vorkommen zum Ende des 13 oder Anfang des 14 Jahrhunderts 3 Die fruhesten schriftlichen Nachweise entstammen Urkunden aus dem Jahr 1378 als mehrere Lehnsherren Nassau Trier Mainz ihren judischen Untertanen den Wurfelzoll erliessen 4 In spateren Jahren gab es immer wieder zeitweilige Befreiungen und erkaufte Privilegien aber auch wenn der Brauch im 15 Jahrhundert aus der Mode kam blieb er bis zum 17 Jahrhundert vereinzelt in Anwendung manchmal sogar nach Abschaffung des eigentlichen Leibzolls Zahlreiche Belege weisen darauf hin dass sich der Brauch recht hartnackig uber die Jahrhunderte hielt Regional ist der Wurfelzoll neben den Erzstiften Mainz und Trier sowie Hessen 5 vor allem in Oberrheingebieten Schweiz Liechtenstein bis nach Reutte in Tirol nachweisbar 6 7 Formen BearbeitenDer Wert der Wurfel war sehr gering es ging um eine Art Trinkgeld gegenuber den Zollbeamten das dem normalen Leibzoll oft beigegeben wurde ihn zuweilen auch ersetzte 1 Es wurde wegen des geringen Werts auch nicht gegenuber dem Zollherrn abgerechnet 8 9 Die ursprungliche Funktion einer Zugabe zum Leibzoll mit dem Zollner sich ihre Wartezeiten durch das Wurfelspiel verkurzen konnten durfte sich in spateren Zeiten zu einer reinen Schikane oder Strafe entwickelt haben da die von den Juden in Folge mitgefuhrten Wurfel nicht nur wertlos sondern auch aus minderwertigem Material z B Papier hergestellt 9 waren In einzelnen belegten Fallen wurden statt Wurfeln Spielkarten verlangt 10 Der Kolner Autor Ernst Weyden bezeichnete den Wurfelzoll 1867 als eine der vielen vexatorischen Qualereien und nichtssagenden Spott 2 Umfang der Abgabe war haufig ein sogenannter Pasch gemeint war damit ein Satz von drei Wurfeln 11 Eine neben der offiziellen Variante des Wurfelzolls vorkommende wilde Form war der sogenannte Wurfelfrevel oder die Wurfelheischung bei dem Vertreter des einfachen Volkes haufig betrunkene junge Manner judische Reisende oder Passanten belastigten oder bedrohten und so die Herausgabe von Wurfeln erpressten 12 Erhielten sie diese nicht kam es nicht selten zu Misshandlungen 13 Juden setzten sich durchaus zur Wehr entweder handgreiflich oder auch juristisch belegt sind beispielsweise Verurteilungen der Tater zu Turmstrafen 14 15 Diese Form ist im Frankfurter Burgermeisterbuch von 1473 erstmals nachgewiesen und 1714 noch ausfuhrlich von Johann Jacob Schudt in seinem Werk Judische Merckwurdigkeiten dokumentiert Deutungsversuche BearbeitenQuellen zu den Ursprungen oder Grunden des Wurfelzolls scheinen nicht uberliefert Der Historiker Gerd Mentgen bietet verschiedene Deutungsansatze an Der auch bei anderen Autoren verbreitetste Deutungsversuch sind diskriminierende Bestrafungsakte fur die judische Beteiligung an der biblisch uberlieferten oder volkstumlich erganzten Passionsgeschichte Christi Sie lasst sich bei verschiedenen antijudischen Massnahmen finden etwa mit Verbindung zur Zahl 30 Anzahl Silbermunzen des Judaslohns Misshandlungen mit gluhenden Nageln Legenden zur judischen Beteiligung beim Schmieden von Kreuznageln usw 16 Hierzu passt die Interpretation des Wurfelzolls als Strafe fur das Verlosen Verspielen des Gewands Christi Sie ergibt sich aus einer Stelle im Evangelium nach Matthaus 27 35 Nachdem sie ihn gekreuzigt hatten warfen sie das Los und verteilten seine Kleider unter sich 17 was in zeitgenossischen Abbildungen auch als Wurfeln um die Kleidung dargestellt wurde 18 Die Archaologin Tanja Potthoff wies in diesem Zusammenhang in ihrem Aufsatz 2015 darauf hin dass der Wurfelzoll mit am fruhesten im Trierer Raum nachweisbar ist wo die Heilig Rock Reliquie als ein Fragment der Tunika Jesu Christi verehrt wurde 19 Umgekehrt konnten sich manche Schikanen als Verhohnung judischer Brauche deuten lassen etwa solchen aus dem Purimfest Eine ahnliche Verbindung liesse sich laut Gerd Mentgen moglicherweise zu den wurfelartigen judischen Chanukka Dreideln herstellen denen womoglich von Aussenstehenden besondere Krafte zugeschrieben wurden Unter anderem begrundet der Historiker diesen Ansatz aus den zeitgenossischen Quellen zum Wurfelfrevel in denen haufig davon die Rede ist dass insbesondere Wurfel mit roter Beschriftung erpresst werden sollten 20 Schliesslich sei auch nicht auszuschliessen dass das auch bei Juden verbreitete Wurfelspiel das aus kirchlicher Sicht Teufelswerk war zu den Ursprungen des Wurfelzolls beigetragen haben konnte 21 Wurfelmacher als Handwerksstand sind auch bei Juden beziehungsweise in judischen Vierteln belegt der Nachname Wurfel Worpel oder Werfel kommt sowohl bei Juden als auch Christen vor 10 Literatur BearbeitenKarl Heinz Burmeister Der Wurfelzoll eine Variante des Leibzolls In Aschkenas Zeitschrift fur Geschichte und Kultur der Juden Band 1 1993 ISSN 1016 4987 S 49 64 doi 10 1515 asch 1993 3 1 49 Gerd Mentgen Der Wurfelzoll und andere antijudische Schikanen in Mittelalter und fruher Neuzeit In Zeitschrift fur Historische Forschung Band 22 Nr 1 Duncker amp Humblot 1995 S 1 48 JSTOR 43568624 Tanja Potthoff 78 Wurfel viele Facetten ein besonderer Zoll fur judische Reisende In Jurgen Kunow Marcus Trier Hrsg Archaologie im Rheinland 2015 Theiss Darmstadt 2015 ISBN 978 3 8062 3386 5 S 171 173 Einzelnachweise Bearbeiten a b Burmeister Der Wurfelzoll eine Variante des Leibzolls S 49 a b Ernst Weyden Geschichte der Juden in Koln am Rhein von den Romerzeiten bis auf die Gegenwart nebst Noten und Urkunden DuMont Schauberg Koln 1867 S 231 232 urn nbn de hebis 30 180011361002 Mentgen Der Wurfelzoll und andere antijudische Schikanen in Mittelalter und fruher Neuzeit S 4 im Konsens mit Burmeister Der Wurfelzoll eine Variante des Leibzolls Mentgen Der Wurfelzoll und andere antijudische Schikanen in Mittelalter und fruher Neuzeit S 2 Mentgen Der Wurfelzoll und andere antijudische Schikanen in Mittelalter und fruher Neuzeit S 11 Mentgen Der Wurfelzoll und andere antijudische Schikanen in Mittelalter und fruher Neuzeit S 4 Burmeister Der Wurfelzoll eine Variante des Leibzolls S 52 Werner Schiele Die rechtliche und soziale Situation der Juden im Main Taunus Kreis im 17 Jahrhundert In Kreisausschuss des Main Taunus Kreises Hrsg Zwischen Main und Taunus MTK Jahrbuch 2000 Online Version auf historische eschborn de a b Burmeister Der Wurfelzoll eine Variante des Leibzolls S 61 a b Burmeister Der Wurfelzoll eine Variante des Leibzolls S 62 Burmeister Der Wurfelzoll eine Variante des Leibzolls S 56 Caspar Battegay Naomi Lubrich Judische Schweiz 50 Objekte erzahlen Geschichte Hrsg Judisches Museum der Schweiz Christoph Merian 2018 ISBN 978 3 85616 847 6 Mentgen Der Wurfelzoll und andere antijudische Schikanen in Mittelalter und fruher Neuzeit S 5 6 Burmeister Der Wurfelzoll eine Variante des Leibzolls S 59 60 Mentgen Der Wurfelzoll und andere antijudische Schikanen in Mittelalter und fruher Neuzeit S 9 Mentgen Der Wurfelzoll und andere antijudische Schikanen in Mittelalter und fruher Neuzeit S 23 Die Kreuzigung In Evangelium nach Matthaus bibleserver com abgerufen am 13 Mai 2017 Burmeister Der Wurfelzoll eine Variante des Leibzolls S 64 Potthoff 78 Wurfel viele Facetten S 173 Mentgen Der Wurfelzoll und andere antijudische Schikanen in Mittelalter und fruher Neuzeit S 27 28 Mentgen Der Wurfelzoll und andere antijudische Schikanen in Mittelalter und fruher Neuzeit S 33 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wurfelzoll amp oldid 220327780