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Verbrechermenschen Untertitel Zur kriminalwissenschaftlichen Erzeugung des Bosen lautet der Titel eines zuerst 1984 im Campus Verlag Frankfurt am Main erschienenen Buches des osterreichischen Philosophen Peter Strasser in dem der Autor sich kritisch mit biologistischen taterorientierten Varianten der Kriminologie vor allem mit Cesare Lombrosos Konzept des Verbrechermenschen L uomo delinquente auseinandersetzt Im Jahre 2005 erschien das Werk in einer zweiten um ein neues Vorwort und ein abschliessendes Kapitel Das neue Kontrolldenken in der Kriminologie erweiterten Auflage Inhaltsverzeichnis 1 Ursprung des Begriffes Verbrechermenschen 2 Leitgedanken des Buches 2 1 Kapitel I Das Objekt der Kriminologie 2 1 1 Konfiguration der Motive 2 1 2 Verbrechenserklarungen und Strafkonzeptionen 2 1 3 Zur Konstitution des Objektes 2 1 4 Das Labyrinth der Kriminologie 2 2 Kapitel II Der Mythos als Wissenschaft 2 2 1 Homo Delinquens 2 2 2 Mythos als Wissenschaft 2 2 3 Logos des Bosen 2 3 Kapitel III Schattenspiele der Freiheit 2 3 1 Mythische Revivals 2 3 2 Freier Wille 2 3 3 Zur Pragmatisierung der Freiheitsfrage 2 3 4 Der Bos Kranke in der Kriminologie 2 3 5 Mythisches und Antimythisches am Freiheitsbegriff 2 4 Kapitel IV Resonanzen auf das Bose 2 4 1 Phanomenologisches 2 4 2 Methodisches 2 4 3 Ethik 2 5 Das neue Kontrolldenken in der Kriminologie 3 LiteraturhinweiseUrsprung des Begriffes Verbrechermenschen BearbeitenErstmals hat Cesare Lombroso seinem 1876 erschienenen Buch den Titel L uomo delinquente In rapporto all antropologia alla giurisprudenza ed alle discipline carcerarie gegeben Der Bestandteil L uomo delinquente kann wortlich mit Verbrechermensch ubersetzt werden In dem 1984 von dem osterreichischen Rechtsphilosophen Peter Strasser veroffentlichten Buch Verbrechermenschen Zur kriminalwissenschaftlichen Erzeugung des Bosen wird der Begriff erneut als Buchtitel verwendet Bereits durch die Wortwahl dem Zusammenfugen der Worte Verbrecher und Mensch wird deutlich dass Strasser sich u a mit den Lehren Lombrosos auseinandersetzt Durch die Verschmelzung der beiden Substantive grenzt Peter Strasser den Gegenstand seiner Betrachtung gegen Theorien der umweltbedingten Straffalligkeit Kriminalitatstheorien und wissenschaftlichen Analysen des normalen Menschen des Homo sapiens ab Leitgedanken des Buches Bearbeiten Ziel der vorliegenden Studie ist es am Modell einer der politische einflussreichsten Ordnungs und Disziplinierungswissenschaften unseres Jahrhunderts das Zusammenspiel von Vernunft Mythos und Moral zu untersuchen Strasser 2005 Seite 7 Er selbst bezeichnet im Vorwort sein Buch als zunachst unbeabsichtigt tendenziell destruktiv und definiert den im Buch verwandten Kriminologiebegriff als primar taterbezogen und auf die Atiologie des Rechtsbruches abgestellt Die erweiterte Neuauflage von 2005 enthalt zusatzlich zu dem ansonsten unverandert gebliebenen Buch ein Kapitel uber Strassers Beurteilung der neuesten Entwicklungen innerhalb der Kriminologie Kapitel I Das Objekt der Kriminologie Bearbeiten Konfiguration der Motive Bearbeiten In diesem Kapitel beschaftigt sich Strasser zunachst mit der Konfiguration der Motive Er stellt fest dass einem Tatmotiv sowohl eine kausale als auch eine moralische Dimension innewohnt Die kausale Dimension beschreibt die ausseren Umstande die zur Tat fuhren die moralische das in der Person liegende Bose das den Tater zur Bestie werden lasst In der Ursachenerforschung versucht die Kriminologie den Verbrecher wissenschaftlich empirisch in allen Facetten zu analysieren sie bedient sich dazu der Hilfe der Verbrecherbiologie pschychologie pathologie physiognomik und soziologie An dieser Stelle unterstellt Strasser der Kriminologie dass sie sich in Teilen der Forschung mit dem Ziel widmet der Kriminalpolitik zu dienen Verbrechenserklarungen und Strafkonzeptionen Bearbeiten Als Nachstes widmet sich Strasser Verbrechenserklarungen und Strafkonzeptionen Nachdem in fruheren Jahrhunderten der Verbrecher offentlich bestraft worden ist weicht bereits Ende des 18 Jahrhunderts die korperliche Bestrafung nach und nach der Freiheitsstrafe Aus dem autonom agierenden Verbrecher dessen Handlung als Ausdruck gottlicher Gerechtigkeit offentlich bestraft worden ist wird zunehmend ein Wesen ohne freien Willen das aufgrund seiner abnormen Personlichkeit handelt und therapeutischer Hilfe bedarf Diese Abnormitat spiegelt sich laut Lombroso dem Erstvertreter dieser Richtung u a in der Physiognomie wider Die verbrecherische Handlung selbst wird durch aussere Reize ausgelost Die Thematik der Willensfreiheit eines Verbrechers wird in der Kriminologie der Gegenwart kaum noch diskutiert Einen anderen Delinquentenbegriff hat die sog Defence sociale Hier wird der Verbrecher losgelost von seiner Tat betrachtet es reichen schon Indizien die ihn zu einem potentiellen Verbrecher machen um ihn unbegrenzt in Gewahrsam zu nehmen Ein weiterer Ansatz sich den Ursachen des Verbrechens zu nahern stammt aus der Psychologie Es wird versucht die Intentionen der Handlungen unter Berucksichtigung u a der individuellen Motive Wunsche Hoffnungen Wahrnehmungen und Bewusstseinslagen zu erforschen Nur im Ausnahmefall handelt der Verbrecher unter Zwang Auch die Psychoanalyse versucht sich den Ursachen fur Verbrechen zu nahern und hat sich des aus der Unterschicht stammenden Kriminellen angenommen und bei ihm Uberich Schwachen und lucken festgestellt die ihn zum Verbrecher werden lassen Eine abschliessende Losung fur eine Strafkonzeption bietet Strasser an dieser Stelle nicht an Zur Konstitution des Objektes Bearbeiten Unter dieser Uberschrift stellt Strasser zunachst als Objekt kriminologischen Diskurses die Erforschung von Ursachen Wesen und Wirksamkeit der Kriminalitat fest Dieses Objekt andert sich je nach Herangehensweise Allerdings ist fur ihn die naturalistische Methode die den Menschen als Biomaschine sieht genauso wenig Ziel fuhrend wie die intentionalistische die dem Tater einen freien Willen unterstellt und die Tat als solche nachvollziehen kann oder die moralistische die die verbrecherische Handlung als bose mit bosen Ursachen einstuft und als Einheit betrachtet Welche Sichtweise die Forschung jeweils fur adaquat halt hangt fur Peter Strasser davon ab wie auf Rechtsbruche reagiert werden soll mit klassischer Strafe bei intentionalistischer Betrachtung und Therapie bzw Resozialisierung bei naturalistischer Das Labyrinth der Kriminologie Bearbeiten Dieser Absatz geht zunachst auf die bereits angerissene Thematik der Automie des handelnden Verbrechers ein die fur die Art seiner Behandlung massgeblich ist Eine Moglichkeit die Autonomie im Handeln zu erkennen ist das Abstellen einer Handlung auf den Zwangscharakter dem sie unterliegt Eine abschliessende Beantwortung der Frage bleibt offen Die Autonomie ist aus dem Grund besonders wichtig weil von ihr die moralische Bewertung der Handlung abhangt in die die kriminologische Forschung verstrickt ist Strasser vertritt die Auffassung dass die einzige Moglichkeit die Wertung bose von dem Verbrecher zu trennen und den Umgang mit ihm zu humanisieren darin besteht Handlung und Tater strikt voneinander zu trennen Einen solchen Versuch unternimmt der Etikettierungsansatz bei dem bestimmte Handlungen eines Individuums als Verbrechen bezeichnet werden Der naturalistische Ansatz trennt zwar die Handlungen nicht vom Handelnden versucht aber teilweise das Bose in jedem Menschen zu identifizieren oder den Verbrecher mit einem anderen Ausdruck zu belegen um ihn so der Wertung bose zu entziehen Strasser stellt am Schluss die nicht beantwortete Frage ob kriminologische Forschung ohne Wertung uberhaupt moglich ist Kapitel II Der Mythos als Wissenschaft Bearbeiten Homo Delinquens Bearbeiten In diesem Kapitel geht Strasser hauptsachlich auf den Erklarungsansatz Lombrosos ein In dem Abschnitt Homo Delinquens beschreibt er zunachst die Entdeckung die seine Lehre begrundet An dem Schadel des Raubers Vilella entdeckt er eine Hinterhauptsgrube die sonst nur bei niederen Saugern vorkommt Lombroso schreibt daraufhin Verbrechern bestimmte anatomische Merkmale an Gesicht und Korper sowie Unempfindlichkeit gegen Schmerz zu so dass sie anhand dieser Merkmale sowie Tatowierungen leicht erkennbar sind Da diese Merkmale angeboren sind und vielfach atavistischer Natur ist der Verbrecher fur Lombroso ein moralisch irrsinniges atavistisches Wesen in dem das Bose wohnt Diese Stigmata gelten nicht fur Frauen die generell als Verbrecherinnen geboren werden jedoch vom Mann leicht von Verbrechen abgehalten werden konnen Die grundsatzliche Einstufung der Frau entspricht dem christlich abendlandischen Weltbild in dem die Frau komplementar zum Mann die dunkle Seite die Unvernunft und Verfuhrung verkorpert Mythos als Wissenschaft Bearbeiten Der Abschnitt Zur Struktur des Mythos als Wissenschaft geht auf den philosophischen Hintergrund von Lombrosos Forschung ein Das archaische mythische Zuge tragende Wesen des Verbrechers hat demnach verschiedene Erscheinungsformen So teilt Lombroso verschiedene Gesichtskonturen unterschiedlichen Verbrechen zu Der Dieb unterscheidet sich bereits in der Physiognomie vom Morder Diese unterschiedlichen Merkmale haben fur ihn symbolischen Charakter die fur einen bestimmten Verbrechertypus stehen Jedes Merkmal reprasentiert wie im Mythos eine Spielart einer hier bosen Wesenseigenschaft Dadurch dass er versucht die individuellen korperlichen Merkmale kausal und funktional mit dem jeweiligen Delikt zu verknupfen wird die mythische Betrachtung zur wissenschaftlichen Analyse Logos des Bosen Bearbeiten In Der Logos des Bosen ordnet Strasser den Verbrecher in das Weltbild Lombrosos ein Dieser hat den Verbrecher als kulturelle Bedrohung konzipiert Jedoch nicht der Verbrecher selbst sondern das Bose dessen Macht er symbolisiert ist die Bedrohung fur die Ordnung Kommt man dieser Macht zu nahe besteht die Gefahr selbst von ihr ergriffen zu werden und ebenfalls bose zu werden Diese Argumentation bereitet den Boden fur die Defence sociale das praventive Wegsperren der Verbrecher die aufgrund der Forschung Lombrosos aufgrund ihrer Stigmata leicht erkennbar sind Durch das aktuelle Strafrecht das zunachst vom freien Willen des Taters ausgeht bis das Gegenteil bewiesen ist wird der Verbrecher entmythifiziert Er ist nicht grundsatzlich eine Bestie sondern nur wenn seine Tat dazu Anlass gibt Zur Entmythifizierung tragt daruber hinaus die Beweisaufnahme und wurdigung im Strafverfahren bei Durch die Unschuldsvermutung unterscheidet den Verbrecher nichts von anderen Menschen die Kriminalatiologie Lombrosos wird daher an dieser Stelle ausgehebelt Kapitel III Schattenspiele der Freiheit Bearbeiten Mythische Revivals Bearbeiten Hier stellt Strasser fest dass kriminologische Forschung ursprunglich das Ziel verfolgte das Verbrechen und den Verbrecher zu entmythifizieren Die Verbrechen werden als in jedem Menschen schlummernd definiert als sich darstellende Geisteskrankheit oder Zuschreibung durch die Gesellschaft Es entsteht u a der Psychopath ein Geisteskranker dessen Krankheit sich durch sein mitunter bestialisch mythisches verbrecherisches Verhalten aussert Sein Verhalten jedoch unterliegt dem freien Willen was den Verbrecher bose werden lasst und ins Reich der Mythen bringt Diese Auffassung wird u a in der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofes von 1966 deutlich die einen Tater dann fur seine Tat verantwortlich macht wenn sie Ausfluss eines Charaktermangels und nicht Folge einer Geisteskrankheit ist In der neueren Rechtsprechung wirken sich Charaktermangel strafmildernd aus Freier Wille Bearbeiten Liberum Arbitrium Fugitivum beschaftigt sich mit der Fragestellung inwieweit Menschen ihr Verhalten beherrschen konnen und wann sie keine freie Entscheidung mehr uber ihre Verhaltensweise treffen konnen Des Weiteren geht Strasser auf die Reaktionen der Umwelt auf unbeherrschte Verhaltensweisen ein Er fuhrt die Beispiele des Kleptomanen und des ruckfalligen Nichtrauchers an Dem Kleptomanen wird sein Diebstahl als Zwang angerechnet dem er sich nicht widersetzen kann Bei dem ruckfalligen Nichtraucher gibt es zum einen die Fraktion die zwar um den Umstand weiss dass er sich wie andere auch hatte beherrschen konnen jedoch Verstandnis dafur aufbringt weil seine Personlichkeitsentwicklung nachempfunden werden kann Sie verurteilt sein Verhalten nicht Die andere Fraktion z B ein Hausarzt verurteilt das Verhalten weil sie nur pragmatisch die negativen Folgen fur den Korper des ruckfalligen Nichtrauchers sieht Trotz intensiver Forschung ist es bisweilen nicht gelungen wissenschaftlich zu ergrunden wann eine Person die Herrschaft uber eine Handlung hat Wie so fragt Strasser abschliessend ist es moglich einen psychopathischen Verbrecher Handlungsfreiheit zu unterstellen den geisteskranken Verbrecher allerdings von Schuld freizusprechen weil er unter einem nicht abwendbaren Zwang gehandelt hat Zur Pragmatisierung der Freiheitsfrage Bearbeiten Unter dieser Uberschrift behandelt Peter Strasser die Frage welche staatliche Reaktion auf ein Verhalten unter Einbeziehung der Handlungsfreiheit des Taters sinnvoll erscheint Der o a Kleptomane ist kein geeignetes Objekt fur eine Strafe weil sie sein Verhalten nach Verbussung der Strafe nicht beeinflusst Ein psychopathischer Morder allerdings dem ein freier Wille unterstellt wird ist richtiger Adressat fur eine Strafe da sie sich auf sein Verhalten nach der Verbussung auswirkt Bei ihm wirken sich gemass der Theorie der Charakterschuld Vorwurf und Strafe und ihm damit zugefugtes Leid positiv auf seine Moralitat aus er fuhlt sich schuldig und verhalt sich kunftig Gesetzes konform Dass die Mehrheit der Gefangnisinsassen sich anders verhalt stellt diesen Ansatz in Frage Ein Teil der einsitzenden Delinquenten sieht sich als Opfer widriger Umstande ein anderer Teil sieht die Strafe als Berufsrisiko Daruber hinaus fuhrt die Kriminalisierung einer Person vielfach zur sozialen Isolation was sich negativ auf die Resozialisierung auswirkt Wenn aber die Moral des einzelnen nicht durch Strafe geandert wird dann beruht eine Verhaltensanderung lediglich darauf den mit dem Wegsperren einhergehenden Freiheitsverlust und die Unannehmlichkeiten eines Gefangnisaufenthaltes zu vermeiden Auch diese Ausfuhrungen machen deutlich dass die Handlungsfreiheit des Menschen wissenschaftlich nicht fassbar und nur bedingt beeinflussbar ist Der Bos Kranke in der Kriminologie Bearbeiten In dem Abschnitt wird zunachst von Strasser festgestellt dass in z B dem deutschen Strafrecht Zurechnungsfahigkeit danach beurteilt wird ob der Tater aufgrund von gesetzlich festgelegten psychischen Defekten nicht dazu in der Lage ist sein Unrecht einzusehen Diese Defekte werden von Gerichtspsychiatern festgestellt und anhand verschiedener Punkte seiner Personlichkeit festgemacht wie z B fruhere Verhaltensweisen Schwere der psychischen Krankheit Verhalten vor der Tat Als unzurechnungsfahig werden viele endogen Geisteskranke anerkannt jedoch nicht die Psychopathen Sie werden als abnorm bezeichnet nicht als krank was sich hochstens strafmildernd auswirkt Die Ausgrenzung der Psychopathen hat fur Strasser pragmatische Grunde die z B darin liegen dass die Offentlichkeit typische Verbrecher bestraft sehen mochte die Justiz ein Absehen von Strafe nur in Ausnahmen gestatten will und Psychiater die Anstalten nicht mit unbehandelbaren Psychopathen fullen wollen Fur Strasser fusst die forensische Psychiatrie in dem von Platon entwickelten 3 Instanzen Modell der Personlichkeit in dem der Verstand als oberste Instanz den Willen als 2 Instanz lenkt der wiederum die 3 Instanz namlich die Triebe uberwacht Ausfalle der Vernunft fuhren demnach zur Unzurechnungsfahigkeit wahrend der Psychopath einen Defekt im Bereich des Willens hat was eine mangelhafte Triebkontrolle zur Folge hat jedoch sich nicht auf die Zurechnungsfahigkeit auswirkt Im Folgenden widmet Strasser sich der therapeutischen Kriminologie Dieser Ansatz entstammt der Psychoanalyse Der Verbrecher steht in einem unbewussten Kampf zwischen seinen Trieben und einem defekten Uberich was zur Folge hat dass das intakte Ich die Kontrolle uber die Handlungen verliert Es kommt zur Delinquenz Dieser Umstand wird als krank definiert und liefert einen Grund den Verbrecher bis zu seiner Heilung in eine Anstalt einzuweisen was im Einzelfall einen lebenslangen Aufenthalt bedeuten kann und den strafenden Charakter der Massnahme verschleiert Trotz der Pathologisierung des Verbrechers wird ihm unterstellt er sei fur seine Tat verantwortlich So uberlebt auch in dieser kriminologischen Bewegung das mythisch bose Wesen aus den Lehren Lombrosos Die therapeutische Kriminologie fusst fur Strasser vor allem in der bereits dargestellten Unwirksamkeit der Gefangnisstrafe und der dadurch durch die Therapeuten geschaffene Existenzgrundlage ihres eigenen Berufsstandes Zentraler Bestandteil der Therapie ist die vollige Analyse des Verbrechers die alte kranke Identitat muss aufgegeben und eine neue gesunde angenommen werden Mythisches und Antimythisches am Freiheitsbegriff Bearbeiten Der letzte Abschnitt des Kapitels befasst sich zunachst kurz mit der Entwicklung des Freiheitsbegriffes im abendlandischen Kulturkreis In der vorplatonischen Zeit sind die Handlungen von Menschen teilweise mythifiziert sie basieren auf dem Willen von Gottern oder Damonen die durch die Menschen wirkten Platon entwickelt das o a 3 Instanzen Modell das von dem Kirchenlehrer Augustinus in seiner Lehre vom liberum arbitrium fortgesetzt wurde und dem Menschen autonomes Handeln zubilligt als gottliches Geschenk und Ausdruck seiner Nahe zu ihm Dieser Freiheitsbegriff wird im Mittelalter dazu genutzt zweckfrei zu strafen da Missachtungen der von Gott gewollten irdischen Gesetze Gotteslasterung sind oder sogar ein Symbol fur einen Pakt zwischen Mensch und Teufel also dem Bosen darstellen Durch Beschaftigung der Kriminologie insbesondere der forensischen und therapeutischen Kriminologie mit dem Freiheitsbegriff entsteht das Zwitterwesen des Psychopathen der zwar krankheitsbedingt seine Triebe nicht unter Kontrolle hat aber noch uber einen freien Willen verfugt also noch bose sein kann Im Abschluss des Kapitels vermutet Strasser dass eine Ausgliederung des Bosen aus dem Verbrecher ihn zu einer Biomaschine ohne Wurde werden lasst so ihm mit dieser Ausgliederung gleichzeitig die Autonomie des Handelns genommen wird Kapitel IV Resonanzen auf das Bose Bearbeiten Phanomenologisches Bearbeiten Den ersten Abschnitt beginnt Strasser mit einer Analyse in welcher Weise Autobiografien von Verbrechern auf die Gesellschaft wirken Will er sich einem breiten Publikum verstandlich machen ist er gezwungen seine Darstellungen den Vorstellungen dieses Personenkreises anzupassen der den Verbrecher gern als verirrtes oder gestraucheltes Wesen mit im Grunde gutem Charakter sieht Dem Bildungsburgertum kann er sich auch als boser Asozialer zeigen dessen Handlungen die eines Psychopathen sind Wahrend dem verirrten Verbrecher Verstandnis und Wohlwollen entgegengebracht wird wird dem Psychopathen mit Hass Entsetzen und einer Abwehrhaltung begegnet jedoch auch mit der Faszination die das Bose mit sich bringt Als Beispiel fur die Biografie eines bosen Psychopathen fuhrt Strasser das 1978 erschienene Buch Der Minus Mann von Heinz Sobota an der dort sehr drastisch und bildhaft seine sinnlosen Gewalttaten beschreibt Jedoch verstosst Sobota durch die Art der Darstellungen gegen Regeln des Umgangs mit dem verbrecherischen Bosen So fuhrt die unasthetische Beschreibung und die Irrationalitat seiner Taten dazu dass sie der Leser nicht einordnen kann dass er die Gefahr sieht diese Form der Gewalt konne sich wie ein Virus ausbreiten und nicht mehr zu kontrollieren sein Methodisches Bearbeiten Strasser greift hier den Gedanken Friedrich Nietzsches auf dass man eine Sache umso besser erkennt aus je mehr Perspektiven man sich ihr nahert Nun leidet jede Perspektive also jede Methode der Erkenntnis unter Einseitigkeit die fur Strasser u a darin begrundet ist dass man Angst davor hat etwas Ungewolltes am Erkenntnisobjekt zu erkennen Das gilt auch fur die Kriminologie deren Methoden zur Erforschung des Verbrechens den Umstand das Bose konne in jedem schlummern lange Zeit aus Angst vor den Konsequenzen nicht in das Repertoire der Perspektiven aufgenommen haben Erst die Psychoanalyse wahlt diesen Ansatz Fur Strasser ist diese Erkenntnis unabdingbar um dem Bosen die Macht uber Mensch und Gesellschaft zu nehmen Ethik Bearbeiten Im Bereich der Ethik an der sich auch kriminologische Forschung messen lassen muss bemerkt Strasser einen Wandel Wahrend fruher abduktiv in alle Richtungen geforscht worden ist betreibt man heute mehr und mehr eine am Ziel orientierte Mainstreamforschung Die erforschte Wahrheit wird nur solange akzeptiert wie sie mit den von Strasser sog erkenntnisleitenden Interessen in Einklang steht die Kriminologie wird zum Vehikel von Politik und der aktuellen moralischen Anschauung Bereits zu Beginn der kriminologischen Forschung und der Betrachtung des Umgangs mit dem Verbrecher versuchen Kriminologen ihren Standpunkt adressatengerecht derart zu vertreten dass er sich in die jeweilige moralische Stromung einfugt Schon Beccaria fordert in seinem 1764 erschienenen Werk dei delitti e delle pene die Abschaffung der Folter der Todesstrafe sowie mildere Urteile Strasser vermutet dass Beccaria mit seiner Argumentation eine lebenslange Knechtschaft sei fur den Verbrecher eine weitaus grossere Qual als eine kurze Hinrichtung und wurde daruber hinaus abschreckender wirken die Argumente der damaligen Moralvorstellung anpasst um seine humanitaren Bestrebungen zu verdecken Durch die Umsetzung solcher Forderungen kann der humanitare Gedanke verwirkt werden der Verbrecher unter Umstanden trotz gut gemeinter Absicht der Forschung schlechter behandelt werden lasst als zuvor Das neue Kontrolldenken in der Kriminologie Bearbeiten Nachdem die vergangenen Jahrzehnte durch eine Humanisierung der Rechtsordnungen gepragt sind und eine Abkehr von den Theorien des geborenen nicht resozialisierbaren Verbrechers hin zu modernen Straf und Wiedereingliederungskonzepten stattgefunden hat bemerkt Strasser eine Ruckkehr zu den Lehren Lombrosos und seiner Anhanger Ursachlich fur die Renaissance der biologischen Erklarungsansatze in der Kriminologie ist fur ihn ein neues Ordnungsdenken Das ab Ende der 1960er Jahre vorherrschende humanistische Bild vom Menschen und daher auch dem Verbrecher ist einem naturalistischen Menschenbild gewichen in dem der Mensch immer mehr als Biomaschine betrachtet wird und damit einen Teil seiner Wurde einbusst Die bis weit in das letzte Jahrhundert reichende Unvereinbarkeit zwischen Natur und Geisteswissenschaft die sich auch in der Kriminologie widerspiegelt existiert in weiten Teilen nicht mehr Durch die immer weiter fortschreitende Forschung insbesondere im Hirnbereich hat der Mensch seine Sonderstellung verloren die Funktionsweise des menschlichen Gehirns wird mit der eines Computers verglichen Das neue Ordnungsdenken fusst einerseits in einer Ohnmacht gegenuber der Eigendynamik des globalisierenden Marktes die in der Ausmerzung antisozialer also auch verbrecherischer Verhaltensweisen einen Ausgleich sucht Andererseits nahrt die latente Angst der westlichen Welt vor Anschlagen Gewaltverbrechen und auch Auslanderkriminalitat das neue Ordnungsbedurfnis Literaturhinweise BearbeitenHare Robert D 1999 Without Conscience Huchzermeier Christian et al 2003 Psychopathie und Personlichkeitsstorungen Beziehungen der Psychopathie Checkliste nach Hare zu der Klassifikation der DSM IV bei Gewaltstraftatern in Monatsschrift fur Kriminologie und Strafrechtsreform MschrKrim 86 3 206 215 Strasser Peter 2005 Verbrechermenschen Zur kriminalwissenschaftlichen Erzeugung des Bosen 2 erweiterte Neuauflage Sack Fritz 1968 Neue Perspektiven in der Kriminologie in Fritz Sack Rene Konig Hg Kriminalsoziologie Frankfurt a M Wiesendanger Harald 1986 Verbrechermenschen Zur kriminalwissenschaftlichen Erzeugung des Bosen Buchbesprechung in Kriminologisches Journal 18 1 69 73 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Verbrechermenschen amp oldid 197267926