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Die Trossinger Leier ist eine sechssaitige Leier aus einem alamannischen Adelsgrab des 6 Jahrhunderts aus der Musikstadt Trossingen im Landkreis Tuttlingen Diese nahezu vollstandig erhaltene Leier gilt als das besterhaltene Stuck unter den insgesamt 15 bisher bekannten fruhmittelalterlichen Exemplaren Sie ist in der Dauerausstellung des Archaologischen Landesmuseums in Konstanz ausgestellt Ein originalgetreuer Nachbau der Leier ist zusammen mit Nachbauten des Mobiliars aus der Grabausstattung im Museum Auberlehaus in Trossingen zu sehen 1 2 Trossinger LeierTrossinger Leier DetailTrossinger Leier bei der erstmaligen offentlichen Prasentation 2006 im Archaologischen Landesmuseum Baden Wurttemberg in Konstanz Im Hintergrund eine RekonstruktionNachbauten der Trossinger Leier Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 2 Fundgeschichte 3 Forschungsergebnisse und Rekonstruktion 4 Interpretation der Verzierung 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseBeschreibung BearbeitenDer Resonanzkorper der Leier hatte nach der Konservierung eine Gesamtlange von 803 mm die grosste Breite am Joch betrug 195 mm am Ansatz der Querstange 160 mm am Joch Der Resonanzkorper des Instruments ist lediglich 11 bis 20 mm dick Resonanzkorper Jocharme und Querjoch waren aus einem Stuck Ahorn gearbeitet Die zwischen 6 und 1 mm starke Resonanzdecke aus Ahorn war aufgeklebt und bei einer nachtraglichen Reparatur mit funf kleinen Eisennagelchen fixiert An den Ansatzen der Jocharme sind je ein und etwa mittig auf der Resonanzdecke 8 Schalllocher eingebohrt Dies ist der erste Nachweis von Schalllochern an einer Leier Von den 6 Wirbeln zum Spannen und Stimmen der Saiten bestehen vier aus Esche und zwei aus Hasel Der Saitensteg besteht aus Weidenholz Lederreste an den unteren Enden der Jocharme deuten auf eine Art Halteband hin Abnutzungsspuren und angeschliffene Kanten an einem der Jocharme zeigen dass das Instrument uber eine langere Zeit bespielt wurde Reste der vermutlich aus Darm bestehenden Saiten sind nicht erhalten Beide Seiten der Leier sind reichhaltig und nahezu flachenfullend mit Ornamenten beschnitzt Die Vorderseite des Resonanzdeckels ziert zudem eine bildliche Darstellung mit Menschen was fur diese Zeit Seltenheitswert besitzt Die Flechtbandornamente sind im Tierstil II ausgefuhrt Russpartikel in den eingeschnittenen Verzierungen zeigen dass die Schnitzereien schwarz gefarbt waren Vorderseite Der Resonanzdeckel zeigt zwei Gruppen von je sechs bewaffneten Kriegern in Seitenansicht welche aufeinander zuschreiten Die jeweils anfuhrenden Krieger umfassen mit ihren Handen eine vor ihnen aufrecht stehende Lanze an deren Tulle zwei rautenformige Wimpel an Bandern herabhangen Die Krieger tragen schulterlanges Haar das von einem Stirnband gehalten wird Die von einem Kinnbart gezierten Gesichter sind individuell gestaltet Die Manner sind mit knochellangen tunikaartigen Gewandern bekleidet unter deren Saume je ein Paar Fusse mit angedeutetem Schuhabsatz ragen Jeder Krieger halt auf der dem Betrachter abgewandten Seite eine mit der Spitze zu Boden gerichtete Lanze und auf der Schauseite zwei ubereinander liegende Schilde Ob damit eine Verdopplung oder Vervielfachung der dargestellten Krieger angedeutet werden sollte ist unklar da jedem Krieger nur ein Kopf eine Waffe und ein paar Fusse zugeordnet sind Uber den Kopfen der Gruppe befindet sich eine durch eine Linie getrennte flammenartige Verzierung Die Jocharme der Leier sind mit Flechtbandornamenten in Schlangenform verziert Ruckseite Der Resonanzkorper ist flachenfullend mit einem komplexen aus 44 Schlangen gebildeten Flechtornament verziert Die Jocharme zeigen in je drei Kassetten verschiedenen Flecht und Schleifenornamenten Fundgeschichte BearbeitenDas alamannische Graberfeld im Stadtgebiet von Trossingen ist schon seit vielen Jahren bekannt es wurde immer wieder bei Bauarbeiten angeschnitten und untersucht Bei der Anlage einer Tiefgarage auf dem ehemaligen Gelande der Schreinerei Weiss stiessen Archaologen im Jahr 2001 auf Bodenverfarbungen die ein Grab anzeigten Das Grab wurde mit der laufenden Nummer 58 gekennzeichnet und freigelegt Da die Grabkammer ideale Bedingungen fur Holz und Textilerhaltung aufwies wurde es im Block geborgen Diese Notbergung erfolgte im Winter 2001 2002 durch Mitarbeiter der Archaologischen Denkmalpflege in Freiburg 1 Im Archaologischen Institut der Universitat Freiburg wurde es uber mehrere Jahre unter Laborbedingungen freigelegt und dokumentiert Bei Freilegung des merowingischen Adelsgrabes des etwa 40 jahrigen wohlhabenden Mannes mit 1 78 Meter fur die damalige Zeit ausgesprochen gross gewachsen 1 traten viele Grabbeigaben zu Tage Bett holzerne Feldflasche Teller Schalen Kerzenleuchter Stuhl Tisch Waffen sowie zahlreiche Textil und Lederfragmente Schwert und Reiterlanze lassen auf einen Krieger schliessen 1 Die Leier lag mit der Vorderseite nach unten in Armhohe auf der linken Seite des Toten Es ist nicht sicher ob die Leier so in das Grab gelegt wurde oder ob sie sich spater verlagerte An dem Holz des Instruments hafteten einige Textilreste Ob die Leier darin eingewickelt war ist noch Gegenstand von Untersuchungen Der Mann verstarb im Spatsommer des Jahres 580 Die dendrochronologische Untersuchung der schweren Eichenbohlen der Grabkammer lasst dies exakt bestimmen In seinem Grab ruhte der Tote in einem gedrechselten Rahmenbett das durch einen Dachaufsatz in einen geschlossenen Sarg verwandelt worden war Beim rechten Arm des Toten lag ein Schwert mit dem linken Arm hielt er die Leier Die Kleidung des Mannes war hochwertig Lederbesetzte Handschuhe eine wollene Tunika Leinenhose und Mantel Zur Bewaffnung gehorten eine Reiterlanze von erstaunlichen 3 60 Metern Gesamtlange ein Rundschild aus Erlenholz sowie eine Reitgerte und die Reste eines Sattels Auch Mobel wurden dem Grab beigegeben Neben dem Bett fanden die Archaologen einen Leuchter einen reprasentativen Stuhl und einen dreibeinigen Tisch Hinzu kommen eine gedrechselte Feldflasche in der sich Reste von Bier fanden eine gedrechselte Wurzelschale und eine geschnitzte Waschschussel Es sind Beigaben wie sie bei einem Gastmahl verwendet wurden 1 Forschungsergebnisse und Rekonstruktion BearbeitenDie Datierung der Leier erfolgte uber dendrochronologische Untersuchungen von funf Holzproben aus dem Grab drei Eichenholzbohlen und eines Buchendeckbretts der Grabkammer sowie des Kerzenleuchters Sie ergaben ubereinstimmende Falldaten der Baume um die Jahre 578 580 n Chr 3 Die Leier stammt also spatestens aus dem Jahr 580 aufgrund der Abnutzungsspuren an dem Instrument ist aber von einem fruheren Herstellungsdatum auszugehen Eine Begutachtung des Instruments durch den Harfen und Leierbauer Rainer M Thurau ergab dass die Leier voll spielbar war Exakte und handwerklich korrekte Nachbauten des Instruments befinden sich im Museum Auberlehaus in Trossingen unweit der Fundstatte sowie im Archaologischen Museum in Konstanz Weitere originalgetreue Repliken befinden sich im Besitz des Wiener Musikers Eberhard Kummer der sie als Solo und Begleitinstrument zum Beispiel zu Horaz Oden einsetzt sowie im Besitz des international bekannten Leierinterpreten Benjamin Bagby der das Instrument bei seinen Beowulf Interpretationen einsetzt Es handelt sich bei allen Leiern um beurkundete Nachbauten von Rainer M Thurau Wiesbaden die unter der wissenschaftlichen Betreuung durch Theune angefertigt wurden Weitere Nachbauten wurden von Ekkehard Sachs durchgefuhrt und deren Bauplan im Instrumentenbau Report Heft 42 43 veroffentlicht 4 Aufgrund des hohen musikgeschichtlichen Interesses an dem Fund gibt es inzwischen einige weitere jedoch grosstenteils kritisch zu betrachtende Rekonstruktionen des Instruments Nachbauten der Trossinger Leier werden beispielsweise in der Musik der Mittelalterszene eingesetzt Spielmann Michel alias Michael Volkel spielt eine 7 saitige Variation des Instruments Das Hildebrandslied aus dem 9 Jahrhundert interpretieren unter anderem die Gruppe Duivelspack und Knud Seckel mit einem solchen Nachbau 5 Die Leier kann mit der rechten Hand gezupft werden wahrend die linke das Instrument festhalt Eine Alternative ist mit den Fingern der linken Hand ungewunschte Tone abzudampfen wahrend die rechte Hand alle Saiten ahnlich wie bei einer Gitarre anschlagt Eine Variation dieser Methode ist das Dampfen und Zupfen wobei die Finger der linken Hand die die Saiten gedampft haben zum Zupfen von zusatzlichen Melodietonen verwendet werden Der klangliche Effekt ist vergleichbar mit dem Hammering auf einer Gitarre Interpretation der Verzierung BearbeitenEberhard Kummer vermutet dass bei der Verwendung des Instrumentes die Schlangen und Flechtornamente auf den Jocharmen dem Musiker zur Orientierung beim Spielen der Melodie gedient haben konnten da sie verschiedene Tonleitern anzeigen 6 Eberhard Kummer Zur Trossinger Leier Die Ritzzeichnungen auf dem rechten Arm in Aufsicht der Leier auf der Vorderseite dort wo der Steg sitzt sind gegliedert in ein Tetrachord von oben nach unten und ein Hexachord Das Tetrachord ist chromatisch bzw vierteltonig das Hexachord ausgehend vom obersten Schallloch d h in der Nahe der Wirbel diatonisch in den Abstanden T T ST T T Die Ritzzeichnungen beim Hexachord konnen beim Stimmen der sechs Saiten z B c bis a wertvolle Dienste leisten Am linken Arm sind die gleichen Ritzzeichnungen Schlangen angebracht Auch die Ruckseite hat Ritzzeichnungen gegliedert in zwei Tetrachorde und eine Sept die indischen Sruti nahekommen in etwa ausreichend um die beiden vedischen Haupttonarten darzustellen Literatur BearbeitenJutta Klug Treppe Einzigartige Funde und Einbauten aus Holz in merowingerzeitlichen Grabern in Trossingen In Schriften der Baar Nr 47 2004 ISSN 0340 4765 S 73 82 Barbara Theune Grosskopf Die vollstandig erhaltene Leier des 6 Jahrhunderts aus Grab 58 von Trossingen Ldkr Tuttlingen Baden Wurttemberg In Germania Nr 84 2006 ISSN 0016 8874 S 93 142 doi 10 11588 ger 2006 76461 Barbara Theune Grosskopf Mit Leier und Schwert Das fruhmittelalterliche Sangergrab von Trossingen Mit Beitragen von Britt Nowak Bock Christina Peek Manfred Rosch und Joachim Wahl Hrsg vom Archaologischen Landesmuseum Baden Wurttemberg Likias Friedberg 2010 ISBN 978 3 9812181 2 1 Barbara Theune Grosskopf Neu im Archaologischen Landesmuseum in Konstanz Das Leiergrab von Trossingen In Denkmalpflege in Baden Wurttemberg 40 Jg 2011 Heft 1 S 40 44 Volltext Ekkehard Sachs Bau einer alamannischen Leier nach archaologischem Vorbild In Wilhelm Erlewein Hrsg Instrumentenbau Report Nr 42 43 2014 S 7 16Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Trossinger Leier Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten a b c d e Florian Weiland Ein Abendmahl fur die Ewigkeit In Sudkurier vom 2 November 2010 Museum Auberlehaus Alamannen Barbara Theune Grosskopf Die vollstandig erhaltene Leier des 6 Jahrhunderts aus Grab 58 von Trossingen Ldkr Tuttlingen Baden Wurttemberg In Germania Band 84 2006 S 93 142 hier S 100 Musikinstrumente bauen Abgerufen am 12 Januar 2021 Hildebrandslied Knud Seckel Youtube Video S Wagner Vergleich Ubertragung und performatives Entdecken Die methodischen Ansatze Eberhard Kummers bei der musikalischen Wieder Erweckung eines musealen Artefakts der sog Trossinger Leier In Phoibos Nr 2 2009 S 75 92 Normdaten Werk GND 1172561052 lobid OGND AKS VIAF 7486154387122830970007 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Trossinger Leier amp oldid 235904790