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Das Tintinnabulum lat fur Klingel Schelle auch ubersetzt mit Klangblech Schallblech oder profan mit Klapperblech oder Klappergehange ist ein Objekt der Bronzezeit Obwohl die Bezeichnung einvernehmlich in Richtung eines klingenden Instrumentes geht ist die eigentliche Verwendung bislang noch unbekannt Tintinnabulum vom Eichenborn Depotfund in Wallerfangen 1850 Quelle Skizze H Maisant 1971 Klapperblech Landesmuseum WurttembergIn einer der ersten Fundbeschreibungen von Viktor Simon 1851 Archaologe aus Metz wurde das Objekt noch mit crepitaculum lat fur Rassel Klapper beschrieben 1 Das Verbreitungsgebiet der Fundstellen erstreckt sich hauptsachlich uber einen Gurtel des mittleren bis zum nordwestlichen Europa wobei vollstandige geborgene Instrumente sehr selten sind insgesamt sind derzeit rund 20 Exemplare bekannt 2 In vielen Depotfunden sind lediglich einzelne Komponenten oder Fragmente von Klangblechen gefunden worden Bemerkenswert ist die Konzentration derartiger Funde im saarlandisch lothringischen Grenzgebiet Inhaltsverzeichnis 1 Zeitliche Einordnung 2 Material 3 Fertigung 4 Verwendung 5 Reproduktion des Eichenborn Tintinnabulums 2018 5 1 Der Eichenborn Depotfund 6 Literatur 7 EinzelnachweiseZeitliche Einordnung BearbeitenTintinnabula wurden in Westeuropa von der mittleren und spaten Bronzezeit bis zur fruhen Eisenzeit ca 1000 bis 500 v Chr belegt 3 der uberwiegende Teil wird in die Stufe Hallstatt B datiert und steht im Zusammenhang mit der Urnenfelderkultur 4 Material BearbeitenDie Bleche der Tintinnabula bestehen ausnahmslos aus Bronze Verwendet wurde uberwiegend echte Zinnbronze mit Zinnanteilen zwischen 2 bis 18 allerdings sind die Legierungen typischerweise teils wohl bewusst teils unbewusst mit weiteren Metallen versetzt wie z B Blei Zink Arsen Nickel usw Dies lag aber oft auch in der Verwendung ungeschiedener Rohmetalle welche schon eine naturliche Durchsetzung mitbringen 5 Auch innerhalb der Instrumente weisen die einzelnen Komponenten Grosse Scheibe kleine Scheiben Radialstab und Osen oft verschiedene Legierungverhaltnisse auf Die Bronzestabe sind meist etwas hoher legiert als die Scheiben dies konnte fertigungstechnische verschleissvorbeugende aber auch optische Grunde haben kann aber auch einfach mit den gerade verfugbaren Ausgangsmaterialien zusammenhangen 6 Die Legierung des Wallerfanger Eichenborn Tintinnabulums besteht beispielsweise aus Bronze mit Zinnanteilen von 7 96 bis 11 26 und 0 43 bis 0 87 Blei 7 Fertigung BearbeitenDer Grundaufbau der Tintinnabula ist erstaunlich gleich sie bestehen immer aus einer grossen vom Mittelpunkt aus kreisrund durchbrochenen Scheibe einem Radialstab mit einer ausseren meist grosseren und einer inneren Ose an welcher die beiden kleineren Scheiben aufgehangt sind Die kleinen Scheiben sind meist sozusagen eine Art Reduktion Miniatur der grossen Scheibe Grundsatzlich gibt es mehrere Fertigungstechniken bei den verschiedenen Klangblechen Die Hauptscheiben sind oft gegossen teilweise geschmiedet die Applikationen teilweise mitgegossen an bzw aufgegossen eine fruhe Form des Hartlotens bzw Feuerschweissens je nach Verwendung von Lot oder Flussmittel oder einfach genietet verdeckte Stabnieten Abgesehen davon fallen bis auf wenige Ausnahmen jedoch zwei besondere Gemeinsamkeiten auf 1 Die konzentrischen Rillen sind bei fast allen kompletten Instrumenten in gleicher typischer Anordnung aufgebracht drei leicht verzierte Felder durch Doppellinien begrenzt unterbrochen von zwei undekorierten aber etwa gleich grossen Ringfeldern Die Verhaltnisse und die Anordnung der konzentrischen Linien sind verbluffend ahnlich waren es nur Dekorationen hatte es unendlich viele Moglichkeiten gegeben es liegt also nahe dass die Vertiefungen einen anderen Sinn hatten 2 Meist auf der 6 Uhr Position befindet sich ein Loch in der Regel etwas kleiner als der Innendurchmesser der kleinen Scheiben franz auch fenetre Fenster ein Begriff auf den wir spater nochmal zuruckkommen werden in leicht variierender Grosse Auch diese mysteriosen Locher sind bisher noch nicht schlussig gedeutet worden Die Grosse der Tintinnabula ist relativ verschieden die grossen Scheiben haben einen Durchmesser von ca 180 300 mm die kleinen zwischen 60 und 120 mm Das Gesamtgewicht variiert entsprechend zwischen 500 und 1100 Gramm Verwendung BearbeitenDie genaue Funktion dieser Objekte ist ungeklart Die Verwendung als reines Klanginstrument ist zwar naheliegend aber nicht belegbar da im Praxistest eindeutig festgestellt werden konnte dass das zusammengesetzte Objekt bei vertikaler Aufhangung nicht wirklich klingen kann da die Scheiben sich eigentlich nur behindern und den Schall gegenseitig absorbieren Der Klang ist eher ein blechernes Scheppern Auffallig ist dass sowohl die Grossenverhaltnisse der Komponenten als auch die Anordnung der Teile an sich oft im Verhaltnis 2 1 stehen und so das Prinzip der Oktave wiedergeben 8 Dies trifft entsprechend auch bei der Vermutung zu es konnte sich um Pferde oder Wagenschmuck handeln da viele Fundstucke mit Teilen von Wagen und Pferdegeschirren gefunden wurden 9 Eine Nutzung als Kultgerat wird ebenfalls erwogen Gunter Wegner sprach sie als Sonnensymbole an 10 nbsp Gebrauchsfahige Reproduktion des Eichenborn Tintinnabulums Quelle S Michelbacher 2018 Reproduktion des Eichenborn Tintinnabulums 2018 BearbeitenDas Eichenborn Tintinnabulum welches im Zusammenhang mit dem gleichnamigen Depotfund 1850 in Wallerfangen gefunden wurde als eines der imposantesten Vertreter seiner Art bot sich als Vorlage fur eine Reproduktion an Ziel war eine Reproduktion eines Tintinnabulums im Zustand des Vergrabens vor ca 3000 Jahren also im vermeintlichen Gebrauchszustand und nicht der Fundzustand Die 2018 angefertigte Reproduktion befindet sich im Historischen Museum Wallerfangen Das Original liegt seit 1868 im Musee d Archeologie Nationale in Saint Germain en Laye Der Eichenborn Depotfund Bearbeiten Das Tintinnabulum als Teil des bronzezeitlichen Hortfundes wurde im Herbst des Jahres 1850 von einem Bauern namens Anton Boos auf dem Grundstuck des Nikolaus Boos bei der Kartoffelernte in der Flur 22 Eichenborn entdeckt 11 Bereits 1851 wurde der Fundkomplex von dem Metzer Archaologen und bedeutenden Sammler Victor Simon eigentlich Charles Francois Victor Simon 1797 1865 12 publiziert und besprochen 13 Eine Beschreibung lautet recht poetisch klingend auf einem Hugel zwischen zwei Sumpfen nbsp Ausschnitt depot de vaudrevange Wallerfangen 1 im Musee d Archeologie Nationale in Paris St Germain en LayeFundbestandteileDer Fund bestand damals aus mindestens 63 Teilen darunter ein Schwert sog Morigen Typ das der Bauer beim Pflugen leider zerbrach 14 Arm und Beinringe vom Typ Wallerfangen 3 Lappenbeile darunter eines vom Typ Homburg 1 Tullenbeil 1 zweiteilige Bronzegussform fur Beile vom Typ Homburg 2 Phaleren 2 Trensen und 4 Osenknebel Typ Wallerfangen 2 Spiralscheiben verschiedene Beschlagteile und Drahtbronze sowie weitere teils nicht definierte Artefakte darunter 5 weitere kleine Scheiben z T an einer Drahtose die als Rasiermesser Anhanger oder als Wagenzubehor interpretiert werden Der Eichenborn Depotfund wird der spaten Bronzezeit Jungere Urnenfelderkultur Hallstatt B3 zugeordnet und fallt somit in die Zeit um 850 v Chr 14 In Wallerfangen und Umgebung wurden bisher mindestens vier bestatigte Hortfunde und mehrere Einzelfunde aus der Bronzezeit entdeckt 15 Unter anderem wegen fehlender Bestattungsmerkmale z B Urne Knochenreste usw handelt es sich beim Eichenbornfund wahrscheinlich um ein sogenanntes Weihedepot wofur auch das Vorhandensein eines Tintinnabulums spricht Besonders bemerkenswert ist die Tatsache dass passend zu den Lappenbeilen eine zugehorige Gussform in dem Hort platziert wurde Eine Verhuttung der Bronze im Fundgebiet ist wegen des Azuritbergbaus in Wallerfangen denkbar Moglicherweise waren in der Bronzezeit die Vorkommen dieses lokalen und als Azurit Blauerz Bergblau oder Kupferlasur bekannten Kupfererzes noch so reichhaltig dass sich dessen Verwendung zur tatsachlichen Kupferherstellung lohnte wahrend in romischer Zeit und in spateren Abbau Perioden lediglich das sogenannte Wallerfanger Blau als Farbpigment genutzt wurde Keltische Bergbauspuren sind bisher nicht belegbar dies mag wohl einerseits daran liegen dass reichhaltige Vorkommen noch im Tagebau an sog Ausbissen forderbar gewesen waren und somit nicht viel Infrastruktur hinterlassen hatten andererseits konnten fruhe Bergbauunternehmungen in spateren Perioden romisch gt Emilianus Stollen mittelalterlich Periode Saur Periode Paulshoffnung auch einfach uberpragt worden sein wie in vielen Wallerfanger Azuritbergwerken immer wieder geschehen 16 Durch Auswertung der Oxidationen auf dem Metall konnte nachgewiesen wurde dass die Objekte sehr lange Zeit in oder unter Wasser gelagert waren und dann wohl umgebettet wurden Warum dies geschah bleibt ein weiteres Ratsel FundverbleibDie Originale sind nicht in Wallerfangen verblieben Der Bauer Nikolaus Boos ubergab die ersten Funde sofort den damaligen Villeroy amp Boch Betriebsleitern Alexandre Bartholome Stheme de Jubecourt 1818 1889 und Auguste Jaunez 1799 1879 letzterer liess unmittelbar darauf eine Grabung durchfuhren denen beide Herren vorstanden Die Fundstucke schenkten sie Victor Simon einem Schwager Jaunez Nach dessen Tod und der damit verbundenen Sammlungsauflosung 1868 ersteigerte das Musee d Archeologie Nationale in Saint Germain en Laye rechtmassig den kompletten Depotfund dort wird er noch immer aufbewahrt Spater zog das Rheinische Landesmuseum Trier als fur den Bereich zustandige Institution in Erwagung Ruckforderungsanspruche gegenuber Paris geltend zu machen aber selbst zur Zeit des besetzten Frankreichs von 1940 45 sah man keine reale Chance den rechtskraftigen Kaufvertrag fur ungultig zu erklaren und die Stucke nach Hause zu holen 17 Bereits 1903 wurden in den Trierer Restaurierungswerkstatten sehr detailgetreue Repliken aus Gips gefertigt Wohl in den 1960er Jahren liess Reinhard Schindler damals Landeskonservator im Saarland noch einmal einige Repliken anfertigen die heute im Historischen Museum Wallerfangen ausgestellt sind Das Eichenborn Tintinnabulum wird wie auch die Armreife in der wissenschaftlichen Welt offiziell als Referenzstuck gefuhrt und ist entsprechend klassifiziert als Tintinnabulum Typ Wallerfangen Literatur BearbeitenUlrike Wels Weyrauch Die Anhanger und Halsringe in Sudwestdeutschland und Nordbayern Prahistorische Bronzefunde Abteilung 11 Band 1 C H Beck Munchen 1978 S 123 125 Einzelnachweise Bearbeiten Victor Simon Memoires de l Academie nationale de Metz 1851 1852 Hrsg Academie nationale de Metz 33 Jahrgang Auflage Metz 1851 S 250 books google ca Jacques Gachina Jose Gomez de Soto Jean Roger Bourhis Cecile Veber Un depot de la fin de l Age du bronze a Meschers Charente Maritime Remarques sur les bracelets et tintinnabula du type de Vaudrevange en France de l Ouest In Bulletin de la Societe prehistorique francaise Band 105 2008 S 159 185 hier S 173 f Online nicht berucksichtigt wurde die Verbreitung von Rasiermesseranhangern die bisweilen aus kleineren Scheiben der Tintinnabula umgearbeitet wurden hierzu siehe Albrecht Jockenhovel Zu einigen Spaturnenfelderzeitlichen Bronzen des Rhein Main Gebietes In Herbert Lorenz Hrsg Studien zur Bronzezeit Festschrift fur Wilhelm Albert v Brunn Philipp von Zabern Mainz 1981 S 131 149 hier S 138 Reinhard Schindler Studien zum vorgeschichtlichen Siedlungs und Befestigungswesen des Saarlandes Paulinus Verlag Trier 1968 Rudolf Echt Der Grabschmuck der Keltenfurstin von Wallerfangen Aus dem Weiher in die Schatzkammer Begleitheft zur Ausstellung vom 27 April bis 8 Juli 2001 im Heimatmuseum Wallerfangen Verein fur Heimatforschung Wallerfangen 2001 Cecile Veber Metallurgie des depots de bronzes a la fin de l age du bronze final IXe VIIIe av J C dans le domaine Sarre Lorraine Archaeopress Oxford 2004 Stefan Michelbacher Auf einem Hugel zwischen zwei Sumpfen Das Tintinnabulum vom Eichenborn in Wallerfangen sowie Erlauterungen zur Reproduktion 2018 Cecile Veber Michel Pernot Etude technique de cinq objets du depot de Farebersviller Moselle In Revue d Archeometrie Band 24 Nr 1 2000 ISSN 0399 1237 S 5 12 doi 10 3406 arsci 2000 984 Gunter Ludwig Gedanken zur Verwendung des Wallerfanger Tintinnabulums dez 2019 Albrecht Jockenhovel Zu einigen Spaturnenfelderzeitlichen Bronzen des Rhein Main Gebietes In Herbert Lorenz Hrsg Studien zur Bronzezeit Festschrift fur Wilhelm Albert v Brunn Philipp von Zabern Mainz 1981 S 131 149 hier S 138 Gunter Wegner Die vorgeschichtlichen Flussfunde aus dem Main und aus dem Rhein bei Mainz Materialhefte zur Bayerischen Vorgeschichte Reihe A Fundinventare und Ausgrabungsbefunde Heft 30 Lassleben Kallmunz 1976 S 92 Theodor Liebertz Wallerfangen und seine Geschichte 1953 Zu Victor Simon siehe Auguste Prost Notice sur M Victor Simon et sur ses travaux In Memoires de l Academie imperiale de Metz Jahrgang 47 1865 1866 S 189 238 Online Victor Simon Memoire sur des antiquites trouvees pres de Vaudrevange In Memoires de l Academie imperiale de Metz Jahrgang 33 Teil 1 1851 S 231 258 Online Wolfgang Adler Gerd Weisgerber Wallerfangen In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 33 Walter de Gruyter Berlin New York 2006 ISBN 3 11 018388 9 S 143 149 hier S 144 Rudolf Echt Deponierungen der spaten Urnenfelderzeit Hohenbefestigung und Prunkgrab der Hallstattzeit in Wallerfangen Kr Saarlouis In Rudolf Echt Beitrage zur Eisenzeit und zur gallo romischen Zeit im Saar Mosel Raum Saarbrucker Studien und Materialien zur Altertumskunde Band 9 Habelt Bonn 2003 S 29 74 hier S 39 43 Gerhard Muller WALLERFANGEN Romischer Bergbau auf Azurit und die Produktion von agyptisch Blau 2010 Hans Peter Kuhnen Hrsg Propaganda Macht Geschichte Archaologie an Rhein und Mosel im Dienst des Nationalsozialismus Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier Nr 24 Trier 2002 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tintinnabulum Bronzezeit amp oldid 237774240