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The Phantom Public A sequel to Public Opinion deutsch Die imaginare Offentlichkeit Eine Fortsetzung von Die offentliche Meinung ist eine Publikation des US amerikanischen Journalisten und Medienkritikers Walter Lippmann aus dem Jahr 1925 zur Rolle der politischen Offentlichkeit fur die Demokratie Lippmann vertritt eine Position des demokratischen Elitarismus Eine Funktionselite aus Experten bestimmt im Modell wie in der Wirklichkeit den politischen Prozess durch Politikberatung und Steuerung der offentlichen Meinung Hauptaussage der Monographie ist dass die inhaltliche und deliberative Definition der Demokratie als Partizipation der einzelnen Burger eine Idealisierung sei da die Offentlichkeit die in der Theorie den Willensbildungsprozess bestimme lediglich imaginar das heisst in der Vorstellung als Illusion Mythos und Phantom existiere Carl Bybee 1 kommentierte Lippmann sehe in der Offentlichkeit eine Fiktion und betrachte Regierung in erster Linie als Verwaltungsproblem das effizient gelost werden sollte so dass die Bevolkerung weiter ihre individuellen Ziele verfolgen konnte 2 Inhaltsverzeichnis 1 Kontext 2 Inhalt 3 Rezeption 4 Zitate 5 Siehe auch 6 Quellen 7 EinzelnachweiseKontext BearbeitenLippmann hatte am Beispiel der von ihm selbst mitgestalteten Kriegspropaganda des Ersten Weltkriegs und angesichts des Aufstiegs Benito Mussolinis ernuchternde Erfahrungen zur Manipulation der offentlichen Meinung sammeln konnen die er schon in seinem fruheren und bekanntesten Werk Public Opinion 1922 darstellte Das im Untertitel als Fortsetzung von Public Opinion gekennzeichnete Werk erregte aufgrund seines als kalt pessimistisch und zynisch wahrgenommenen Stils teilweise Missstimmung und Verunsicherung und blieb lange Zeit eher unbeachtet obwohl es als eine der klarsten und aufschlussreichsten Darstellungen Lippmanns gilt und in der Kritik der Prinzipien der Demokratie deutlich weiter geht als Public Opinion 3 John Dewey veroffentlichte eine beruhmt gewordene Erwiderung 4 The Public and its Problems 1927 in der er neben weitgehender Zustimmung zur Diagnose der Situation den Losungsansatzen Lippmanns teilweise widersprach 5 Demokratie sei nicht von jeher fiktiv sondern nur in der medial gepragten Massengesellschaft zeitweise verfinstert eine demokratisch orientierte Politik sei jedoch moglich da die Burger bildbar seien und am offentlichen Diskurs prinzipiell sinnvoll teilnehmen konnten wenn ein geeigneter kommunikativer Rahmen geschaffen wurde 6 Inhalt BearbeitenLippmann kritisiert das Verstandnis von Offentlichkeit das er in der zeitgenossischen Demokratietheorie vorzufinden meinte Dort werde angeblich 7 ein souveraner und umfassend kompetenter Burger vorausgesetzt S 21 Er kritisierte im Einzelnen die Vorstellungen das Volk sei eine Art Uber Individuum mit einem Willen und einem Bewusstsein S 160 ein Organismus der eine Einheit aus vielen einzelnen Zellen darstellt S 147 ein Steuerungsmechanismus S 77 eine beschreibbare Korperschaft mit festgelegten Regeln der Zugehorigkeit S 110 die Verkorperung universeller kosmopolitischer und interesseloser Wahrnehmungen S 168 169 und eine moralische Instanz S 106 Nach Lippmanns Auffassung ist die Offentlichkeit dagegen ein blosses Phantom eine Abstraktion S 77 eingefugt in eine falsche Philosophie S 200 die eine mystische Vorstellung von Gesellschaft zur Grundlage habe S 147 Demokratietheorien setzten voraus die Offentlichkeit konne die offentlichen Angelegenheiten kompetent steuern die Arbeit der Regierung sei Ausdruck des Volkswillens Gegen diese Idealisierung und Verschleierung der Realitat setzt Lippmann sein Modell zweier Klassen aus denen sich die Bevolkerung zusammensetzt Akteure und Zuschauer Insider und Outsider Akteure konnen exekutiv also sachgerecht und politisch kompetent handeln Grundlage dafur ist ihr Verstandnis grundlegender Sachverhalte Die Offentlichkeit als Zuschauer ist dagegen handlungsunfahig Niemand besitzt die kompetente Handlungsfahigkeit in allen Bereichen die dem Mythos des demokratischen Burgers entspricht Jeder gehort also bei unterschiedlichen Fragen zu den Zuschauern Individuen wechseln zwischen den Rollen hin und her S 110 Die Offentlichkeit ist jedoch meist stummer Zuschauer im Hintergrund S 13 weil Individuen sich meist nur fur ihre privaten Angelegenheiten und ihre individuellen Beziehungen interessieren und kaum fur die Themen die die Politik bestimmen woruber sie im Allgemeinen auch nur sehr wenig wissen Lippmann sieht eine besondere Aufgabe und Fahigkeit der Offentlichkeit darin in einem Moment sozialer Unruhen oder einer mangelnden Anpassung der Politik an die Lage der Gesellschaft die Ausubung der Staatsgewalt zu kontrollieren S 74 Die Offentliche Meinung reagiert auf politische Fehler der Regierung indem sie eine andere wahlt Sie schreitet jedoch auch hierein nicht aus eigenem Antrieb zur Handlung sondern wird von oppositionellen Insidern angeleitet die die Lage fur sie analysieren und bewerten konnen Die Offentlichkeit ist zur rationalen Entscheidung uber eine Krise nicht in der Lage Die Offentliche Meinung ist keine rationale Kraft Sie argumentiert untersucht erfindet verhandelt nicht und fuhrt nicht zu einer Losung S 69 Sie hat Macht uber die Insider nur durch Meinungsbildung zur Frage welche Gruppe besser geeignet ist das anstehende Problem zu losen Wenn Menschen Stellung zu den Absichten anderer nehmen dann handeln sie als Offentlichkeit S 198 Diese Kontrolle uber willkurliche Machtanwendung ist das Maximum dessen was man von der Offentlichkeit erwarten kann ihr besonderer Zweck Lippmann vertritt bewusst einen elitaren Standpunkt Er vertraut hauptsachlich in die Insider die Initiative zeigen organisieren verwalten und Probleme losen Sie sollten dabei von der Einmischung unwissender und aufdringlicher Outsider weitgehend frei bleiben S 198 199 Rezeption BearbeitenDen Hauptfehler der Argumentation Lippmanns sieht Eric Alterman 1999 in zwei unbegrundeten Annahmen Es wird vorausgesetzt dass Experten das politisch relevante Spezialwissen mit wissenschaftlicher Wertneutralitat durch die Kooperationsbereitschaft der Entscheidungstrager erwerben anstatt einen beiderseits forderlichen Kuhhandel zu betreiben in dem jede Seite der anderen gibt was sie mochte Weiterhin wird angenommen dass die Experten von sich aus die Interessen der Outsider also der Masse der Bevolkerung erkennen und fordern obwohl sie eng mit der herrschenden Politikerelite verbunden sind Lippmanns Theorie scheitert wenn diese Annahmen oder auch nur eine davon unzutreffend sind Aus dem Experten wird dann statt eines Vertreters der Demokratie ein Komplize ihrer Zersetzung 8 Wilfred M McClay konstatierte 1993 die anhaltende Aktualitat des Werks Lippmanns und seine wachsende Bedeutung fur die Zukunft The Phantom Public sei noch wertvoller weil gehaltvoller und aussagekraftiger als Public Opinion Bruno Latour verglich Lippmanns Werk 2008 mit Machiavellis Il Principe In seinem Prinzen des 20 Jahrhunderts der zu seiner Zeit nicht verstanden werden konnte erteile er den modernen Lesern eine Lektion in strengem Realismus Noch schmerzhafter als Machiavellis Einsicht in die Verbindung der Tugend virtu mit Gewalt violenzia Unberechenbarkeit fortuna und Gerissenheit astuzia sei Lippmanns Angriff auf die Idee von Volk Offentlichkeit und Reprasentation Er empfahl die Lekture besonders dem franzosischen Leser des 21 Jahrhunderts als Entgiftungskur denn gerade die hochgeschatzten Glaubenssatze zur Demokratie hatten nach Lippmanns Meinung dazu gefuhrt dass die Offentlichkeit zu einem Gespenst geworden sei Lippmann habe die Demokratie gerade deshalb entzaubert um sie vor den Demokraten zu retten so wie Macchiavelli die Republik bewahren wollte indem er dem Volk die Macht der Fursten erklarte Zitate Bearbeiten These various remedies eugenic educational ethical populist and socialist all assume that either the voters are inherently competent to direct the course of affairs or that they are making progress towards such an ideal I think democracy is a false ideal S 151 9 Diese verschiedenen Heilmittel eugenische padagogische ethische basisdemokratische und sozialistische gehen alle davon aus dass entweder die Wahler von Natur aus kompetent sind den Lauf der Dinge zu lenken oder dass sie Fortschritte in Richtung auf dieses Ideal machen Ich denke Demokratie ist eine abwegige Idealvorstellung The fundamental difference which matters is that between insiders and outsiders Their relations to a problem are radically different Only the insiders can make decisions not because he is inherently a better man but because he is so placed that he can understand and can act The outsider is necessarily ignorant usually irrelevant and often meddlesome because he is trying to navigate the ship from dry land In short like the democratic theorists they miss the essence of the matter which is that competence exists only in relation to function that men are not good but good for something that men cannot be educated but only educated for something S 140 10 Der grundlegende und entscheidende Unterschied ist der zwischen Insidern und Outsidern Ihr Bezug zu einem Problem ist vollig verschieden Nur die Insider konnen Entscheidungen treffen nicht weil sie von Natur aus bessere Menschen sind sondern weil sie so positioniert sind dass sie in der Lage sind zu verstehen und zu handeln Der Aussenseiter ist unausweichlich ohne Kompetenz ohne Relevanz und oft lastig weil er sozusagen versucht das Schiff vom trockenen Land aus zu navigieren Kurz gesagt verfehlt der Aussenseiter ahnlich wie die demokratischen Theoretiker das Wesen der Sache das darin besteht dass Kompetenz und Funktion nur zusammen existieren Menschen sind nicht einfach gut sondern nur fur bestimmte Dinge gut geeignet sie sind nicht universell gebildet sondern nur fur bestimmte Angelegenheiten passend ausgebildet Siehe auch BearbeitenPropaganda von Edward Bernays 1928 Die offentliche Meinung von Walter Lippmann Originaltitel Public Opinion 1922 Quellen BearbeitenLippmann Walter Phantom Public A Sequel to Public Opinion New York 1925 Lippmann Walter Phantom Public A Sequel to Public Opinion Neuauflage mit einer Einleitung von Wilfred M McClay Library of Conservative Thought New Brunswick London 1993 ISBN 978 1 56000 677 0 Bybee Carl Can Democracy Survive in the Post Factual Age Journalism and Communication Monographs 1 1 1999 S 29 62 Steel Ronald Walter Lippmann and the American Century Transaction Publishers 1980 ISBN 978 1 4128 4115 3 Bruno Latour Bruno Einleitung zu Le public fantome par Walter Lippman Demopolis 2008 PDF Wright Benjamin F Five Philosophies of Walter Lippmann University of Texas Press 2015 ISBN 978 1 4773 0529 4 Einzelnachweise Bearbeiten Carl Bybee Abgerufen am 22 August 2016 amerikanisches Englisch Walter Lippmann and John Dewey In www infoamerica org Abgerufen am 23 August 2016 Ronald Steel Walter Lippmann and the American Century Mit Portr 2 Print Transaction Publishers 1980 ISBN 978 1 4128 4115 3 google com abgerufen am 22 August 2016 N Marres Material Participation Technology the Environment and Everyday Publics Springer 2016 ISBN 978 1 137 48074 3 google com abgerufen am 22 August 2016 Sandra M Gustafson Imagining Deliberative Democracy in the Early American Republic University of Chicago Press 2011 ISBN 978 0 226 31129 6 google de abgerufen am 22 August 2016 Peter Winkler Eine PR der nachsten Gesellschaft Ambivalenzen einer Disziplin im Wandel Springer Verlag 2014 ISBN 978 3 658 05183 9 google com abgerufen am 22 August 2016 Benjamin F Wright Five Public Philosophies of Walter Lippmann University of Texas Press 2015 ISBN 978 1 4773 0529 4 google com abgerufen am 22 August 2016 Eric Alterman Sound and Fury The Making of the Punditocracy Cornell University Press 1999 ISBN 0 8014 8639 4 google com abgerufen am 22 August 2016 Walter Lippmann The Phantom Public Transaction Publishers 2011 ISBN 978 1 4128 3823 8 google de abgerufen am 25 August 2016 Walter Lippmann The Phantom Public Transaction Publishers 2011 ISBN 978 1 4128 3823 8 google de abgerufen am 25 August 2016 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title The Phantom Public amp oldid 213368132