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Der Textilarbeiterstreik im Kreis Lennep fand zwischen dem 4 und etwa dem 14 November 1850 im Kreis Lennep im Bergischen Land statt Er ist ein Beispiel fur einen fruhen Arbeitskampf zur Zeit der Industriellen Revolution in Deutschland Betroffen waren mehrere Textilfabriken in den Burgermeistereien Lennep Luttringhausen und Radevormwald Nachdem Bitten und Petitionen an die Unternehmer und die Behorden keinen Erfolg gehabt hatten traten die Arbeiter in den Ausstand mussten den Streik aber schliesslich abbrechen Inhaltsverzeichnis 1 Strukturen 2 Organisationsbildung 3 Verlauf 4 Einzelnachweise 5 LiteraturStrukturen BearbeitenDer Ausstand steht in einer schon langeren Tradition von Arbeitskampfen in der Textilindustrie Es ging dabei nicht nur um Lohnerhohungen sondern man wandte sich auch gegen die Mechanisierung der Produktion aus Angst um die eigenen Arbeitsplatze Auch ging es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen Seit 1848 trat auch die Verkurzung der Arbeitszeit hinzu Das Bergische Land wies eine fur diese Zeit ungewohnliche gewerbliche Verdichtung auf Wahrend 1843 im Konigreich Preussen insgesamt 60 der Bevolkerung von der Landwirtschaft und nur 23 von einer gewerblichen Beschaftigung lebten waren Mitte des 19 Jahrhunderts im bergischen Land uber 75 gewerblich beschaftigt und nur 25 in der Landwirtschaft tatig Die betroffenen Fabriken stellten aus Wolle Tuch her Die Produktion war teils mechanisiert teilweise erfolgte sie von Hand Die Spinnerei erfolgte meist mechanisch wahrend die Weberei in Lennep selbst noch Handarbeit war In der Umgebung hatte allerdings bereits der Maschinenwebstuhl Einzug gehalten Teilweise wurden die Maschinen mit Wasserkraft und teilweise bereits mit Dampfmaschinen betrieben Die grosste der betroffenen Fabriken die Firma J Wulfing amp Sohn beschaftigte uber 500 Arbeiter Die anderen waren deutlich kleiner waren aber doch meist grosser als der Durchschnitt der Tuchfabriken in Preussen Die Betriebe wiesen einen betrachtlichen Anteil an weiblichen Arbeitskraften auf Die meisten Beschaftigten waren in der Gegend bodenstandig Sie wechselten meist nur zwischen Betrieben in der Gegend und wanderten nur selten ab Die Arbeiter lebten meist zur Miete und betrieben abgesehen von einem kleinen Garten kaum landwirtschaftlichen Nebenerwerb Ihre Wohnungen lagen oft in einer betrachtliche Entfernung zu den Fabriken was mit langen Arbeitswegen verbunden war Viele von ihnen waren fruher im Heimgewerbe tatig gewesen ehe die Durchsetzung der Industrie sie zum Wechsel in die Fabrik zwang Sie haben sich gegen die Mechanisierung der Produktion bereits 1848 beim Konig beklagt und auch 1850 war dies ein Thema Sie beklagten sich dass die Maschine nicht das Werkzeug des Arbeiters sondern der Arbeiter das Werkzeug der Maschine der Sklave der grossartigen Mechanik 1 ware Die Maschine wurde jede Geschicklichkeit entwerten und nur mechanisches Aufpassen verlangen Insgesamt spielte die handwerkliche Tradition im Bewusstsein der Beschaftigten noch eine wichtige Rolle Die Arbeitszeit lag bei etwa 14 Stunden am Tag Mit den Arbeitswegen waren die Beschaftigten taglich bis zu 16 Stunden unterwegs In Zeiten mit besonders zahlreichen Auftragen konnten die Arbeitszeiten auch deutlich langer sein Der Arbeitslohn war vergleichsweise niedrig dies wurde aber teilweise durch die dauerhafte Beschaftigung aufgewogen Dennoch lagen die Lohne haufig am Rande des Existenzminimums Organisationsbildung BearbeitenBereits wahrend der Revolution von 1848 49 existierte in Lennep ein Arbeiterverein der auch uber Filialvereine in Radevormwald und in Luttringhausen verfugte Er nahm am Kongress der demokratisch sozialen Vereine Anfang Mai 1849 in Koln teil und gab sogar eine eigene Zeitschrift heraus Der Verein wurde am Ende der Revolutionszeit zerschlagen Der in Luttringhausen und Radevormwald 1850 gebildete Wuppertaler Arbeiterverein stand in der Kontinuitat seines Vorgangers Weil er offenbar als unpolitisch angesehen wurde kam es zu keinem Verbot Grosse Hoffnungen setzte der Verein auf die Schaffung von Gewerberaten zur Verbesserung ihrer Lage die Handelsminister von der Heydt durch eine Verordnung ermoglichen wollte Tatsachlich kam es zur Grundung eines Gewerberates in Lennep In dessen Rahmen wurde ein Fabrikarbeiterausschuss gegrundet Dieser und der Arbeiterverein forderte Lohnerhohung Arbeitszeitverkurzung und Formen innerbetrieblicher Mitbestimmung Die Fabrikbesitzer waren unter sich uneins und haben auf die Forderungen daher nicht geantwortet Einige Unternehmer zumindest wollten den Arbeitern in einigen Punkten entgegenkommen konnten sich aber nicht durchsetzen Erst nach Beginn des Streiks antworteten sie dem Gewerberat ohne nennenswerte Zugestandnisse zu machen Etwas anders sah die Situation in Luttringhausen und Radevormwald aus Diese setzten keine Hoffnungen auf einen Gewerberat Sie vereinigten sich um auf gesetzlichem Wege eine Reform der den Arbeiterstand darniederdruckenden Verhaltnisse anzustreben 2 Jeden Sonntag sollte eine Arbeiterkonferenz aus Delegierten der sieben Fabriken der Umgebung zusammenkommen Es wurde ein regelrechter Vorstand gewahlt und Abordnungen an die Behorden entsandt Zunachst wollte die Konferenz ihre Forderungen den Arbeitgebern ubergeben um nach einer Ablehnung diese schriftlich bei der Regierung in Dusseldorf zur Entscheidung einzureichen Die Protagonisten haben die Bestimmungen der Gewerberatsverordnung insofern falsch gedeutet in dem sie glaubten dass die Regierung grundsatzlich bereits war in die Beziehungen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern einzugreifen Die handwerkliche Tradition wird darin deutlich dass sie eine Innung fur samtliche Tucharbeiter der Wuppertals anstrebten Diese sollte eine Unterstutzungskasse grunden Die Behorden haben die Genehmigung hinausgezogert so dass die Konferenz eine provisorische Kasse einrichtete Diese sollte auch zu Unrecht entlassene Arbeiter etwa bei einem Streik unterstutzen Am 3 September 1850 richtete die Konferenz Forderungen an die Arbeitgeber insbesondere zur Einschrankung der Sonntagsarbeit und fur einen zwolfstundigen Normalarbeitstag Neben weiteren Forderungen wurde auch die niedrigen Lohne im Verhaltnis zu den Preisen beklagt Dazu wurde als Beweis ein detailliertes Budget eines Haushalts vorgelegt Die Arbeiter forderten deshalb eine Lohnerhohung von 40 Ausserdem wurden statt Stundenlohnen feste Wochenlohne gestaffelt nach den unterschiedlichen Beschaftigungsgruppen gefordert Die Fabrikanten haben die Forderungen abgelehnt Danach wandten sich die Arbeiter an die Regierung in Dusseldorf Diese sandte zwar einen Kommissar in den Kreis Lennep Dieser kritisierte die Unternehmer fur ihre kompromisslose Haltung unternahm jedoch nichts weiteres Verlauf BearbeitenDer unmittelbare Ausloser des Streiks war am 26 Oktober die als ungerechtfertigt angesehene Entlassung eines Arbeiters in einer Fabrik in Krebsoge Die Arbeiter der Fabrik stellten daraufhin die Arbeit ein Der Fabrikant sperrte auch die Arbeitswilligen aus Am 3 November beschlossen die Arbeitervereine den Streik auf allen Tuchfabriken des Gebietes Dem Streikbeschluss vorangegangen waren intensive Diskussionen Den Beteiligten war klar dass die relativ schlechte Wirtschaftslage der Fabriken fur einen Ausstand nicht gunstig war Ausschlaggebend fur den Streibeschluss war dass man der Ansicht war dass Behorden und Fabrikanten nicht bereit seien den Arbeitern ihr Recht zu geben Die Zahl der Streikenden lag bei etwa 2000 Personen Andere Angaben sprechen lediglich von der Halfte an Teilnehmern Die Zahl der Beteiligten durfte jedoch grosser gewesen sein als bei den Streiks der Farbergesellen in Elberfeld in den Jahren 1855 und 1857 Der Regierungskommissar hatte vergeblich versucht die Leiter der Arbeitervereine von einem Streik abzubringen Dasselbe versuchte auch der Regierungsprasident in Dusseldorf zu dem die Arbeiter vor dem Streik noch eine Abordnung entsandt hatten Obwohl die Behorden durchaus Verstandnis fur die Forderungen der Arbeiter aufbrachten ging es ihnen erstmal um das Ende des rechtswidrigen Streiks und die Wiederaufnahme der Arbeit Erst danach wollten sie sich auf Verhandlungen einlassen Gleichzeitig wurde eine Einheit von 70 Soldaten demonstrativ in den Kreis Lennep verlegt Diese sollten dem Schutz der Fabrikanten und der Arbeitswilligen dienen Gleichzeitig wurde eine gerichtliche Untersuchung gegen die Urheben des Streiks eingeleitet Die beiden Arbeitervereine wurden am 5 November aufgelost Die Fuhrer der Arbeitervereine sprachen sich angesichts der Zuspitzung der Lage am 6 November gegen eine Fortfuhrung des Ausstandes aus fanden bei der Masse der Streikenden aber kein Gehor Dennoch ist ein Nachlassen der Streikbereitschaft und die Zunahme der Arbeitswilligen erkennbar Im Ubrigen versuchten einige Arbeitgeber auswartige Arbeiter heranzuziehen Am 9 November waren die Arbeiter in Krebsoge bereit wieder anzufangen wenn die Arbeitgeber zusagten keinen Streikbeteiligten zu entlassen Allmahlich begannen die Arbeiter in den verschiedenen Fabriken wieder an die Arbeit zuruckzukehren Die letzten beendeten am 14 November den Streik Neben dem Einsatz des Militars fuhrten die Aussichtslosigkeit des Streiks und die fehlenden finanziellen Mittel letztlich zum Abbruch Unterstutzung von aussen kam nur in geringem Masse herein Nach dem Streik anderte sich an den Verhaltnissen in den Fabriken kaum etwas zu Gunsten der Arbeiter obwohl der Regierungsprasident sich darum bemuhte Uber die Motivation der Arbeiter aber auch uber deren Hoffnung bei den Behorden Gehor zu finden gibt eine Botschaft an die Offentlichkeit einige Tage nach Streikbeginn Aufschluss Wir haben unsere Herren um Abanderung unserer Lage gebeten man hat uns abgewiesen Dann haben wir uns vertrauensvoll an die Regierung gewendet und um Hilfe gebettelt Wir haben geglaubt vertraut gewartet vergebens Unser Elend unsere Trostlosigkeit blieb dieselbe Selbst der Zustand des Gefangenen ist fur die meisten von uns beneidenswert und eine wenn auch traurige Wohltat und wenn das Schicksal unserer Weiber und Kinder uns unser eigenes Elend nicht vergessen liesse so wurden wir in unserer Freiheit keinen innigeren Wunsch kennen als den Sklaven zu werden Mit dieser Botschaft hofften sie dass die Menschheit den Gedruckten den Zertretenen wenigstens ein gerechtes Urteil zukommen lasst 3 Einzelnachweise Bearbeiten Dieter Dowe Legale Interessenvertretung und Streik Der Arbeitskampf in den Tuchfabriken des Kreises Lennep Bergisches Land 1850 In Klaus Tenfelde Heinrich Volkmann Hrsg Streik Zur Geschichte des Arbeitskampfes in Deutschland wahrend der Industrialisierung Munchen 1981 S 35 Dieter Dowe Legale Interessenvertretung und Streik Der Arbeitskampf in den Tuchfabriken des Kreises Lennep Bergisches Land 1850 In Klaus Tenfelde Heinrich Volkmann Hrsg Streik Zur Geschichte des Arbeitskampfes in Deutschland wahrend der Industrialisierung Munchen 1981 S 40 Dieter Dowe Legale Interessenvertretung und Streik Der Arbeitskampf in den Tuchfabriken des Kreises Lennep Bergisches Land 1850 In Klaus Tenfelde Heinrich Volkmann Hrsg Streik Zur Geschichte des Arbeitskampfes in Deutschland wahrend der Industrialisierung Munchen 1981 S 31Literatur BearbeitenDieter Dowe Legale Interessenvertretung und Streik Der Arbeitskampf in den Tuchfabriken des Kreises Lennep Bergisches Land 1850 In Klaus Tenfelde Heinrich Volkmann Hrsg Streik Zur Geschichte des Arbeitskampfes in Deutschland wahrend der Industrialisierung Munchen 1981 S 31 51 Teildigitalisat Friedrich Lenger Industrielle Revolution und Nationalstaatsgrundung Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte Bd 15 Stuttgart 2003 S 120 Klaus Tenfelde Die Entstehung der deutschen Gewerkschaftsbewegung In Ulrich Borsdorf Hrsg Geschichte der deutschen Gewerkschaften Koln 1987 S 93f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Textilarbeiterstreik im Kreis Lennep amp oldid 232423293