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Stupendemys war eine Gattung sehr grosser Susswasserschildkroten aus der Familie der Podocnemididae Fossile Uberreste der Gattung wurden im heutigen Venezuela in Kolumbien und in Westbrasilien gefunden Neben der Typusart Stupendemys geographicus wurde bisher nur noch eine weitere Art Stupendemys souzai beschrieben Letztere Artzuweisung ist allerdings umstritten und wird nicht von allen Fachleuten anerkannt StupendemysSkelettrekonstruktion von Stupendemys geographicus am AMNHZeitliches AuftretenMiozan Huayquerium bis Pliozan Montehermosum 9 bis 4 Mio JahreFundorteSudamerika Venezuela Kolumbien Brasilien Acre SystematikSauropsidaSchildkroten Testudines Halswender Schildkroten Pleurodira PodocnemididaeErymnochelyinaeStupendemysWissenschaftlicher NameStupendemysWood 1976 Inhaltsverzeichnis 1 Etymologie und Forschungsgeschichte 2 Merkmale 3 Arten 4 Palokologie 4 1 Habitat und Lebensweise 4 2 Individualalter 5 Literatur 6 EinzelnachweiseEtymologie und Forschungsgeschichte BearbeitenDer Gattungsname Stupendemys nach engl stupendous enorm riesig in Kombination mit dem altgriechischen ἐmὐs Emys Sumpfschildkrote bezieht sich treffend auf die aussergewohnliche Grosse der Tiere Erste Fossilien wurden im Sommer 1972 im Rahmen einer palaontologischen Expedition der Harvard University aus der Urumaco Formation im Norden Venezuelas geborgen Die Erstbeschreibung von Gattung und Typusart erfolgte 1976 durch Roger Conant Wood 1 Woods Erstbeschreibung basierte auf dem Holotypus MCNC 244 am Museo de Ciencias Naturales in Caracas Venezuela und weiterem fossilen Belegmaterial Darunter auch ein gut erhaltener Carapax mit einer Lange von 218 cm MCZ P 4376 der sich heute am Museum of Comparative Zoology der Harvard University befindet Wood erkannte dass es sich bei Stupendemys um eine Schildkrote mit weitgehend aquatischer Lebensweise handeln musste war sich aber nicht sicher ob er eine marine oder eine an ein Leben im Susswasser angepasste Form vor sich hatte 1 1985 untersuchte Rhodin die Struktur der Oberarmknochen von Stupendemys und verglich dabei hauptsachlich mit Meeresschildkroten 2 In den 1990er Jahren folgten Berichte uber Funde von Stupendemys aus der Solimoes Formation in der brasilianischen Provinz Acre 3 4 5 Fur diese Funde konnte eine marine Lebensweise nun ausgeschlossen werden 2006 wurden die Funde aus Brasilien zu einer eigenen Art Stupendemys souzai zusammengefasst 6 Diese Zuordnung gilt allerdings als umstritten da mehrere einzelne Skelettelemente von verschiedenen Fundorten zusammengefasst wurden ohne dass ein Nachweis vorliegt dass sie tatsachlich ein und derselben Art zugehoren Fur einige Skelettelemente wird sogar angezweifelt dass sie der Gattung Stupendemys zuzurechnen sind 7 8 Von Stupendemys lagen lange keine eindeutig zuordenbaren Belege des Schadelskeletts vor Uberlegungen dass es sich bei einem isolierten Schadel und einem ebenfalls isolierten Unterkiefer aus denselben brasilianischen Fundschichten die 2009 gemeinsam unter dem Namen Caninemys tridentata beschrieben wurden um den Schadel einer kleineren Stupendemys Art handeln konnte blieben rein spekulativ und ebenfalls nicht durch entsprechende Fossilbelege untermauert Der Schadel von Caninemys tridentata diente dennoch als Vorlage fur eine Skelettrekonstruktion von Stupendemys geographicus am American Museum of Natural History Dafur musste die Nachbildung des Schadels allerdings im Vergleich zum Originalfossil um rund das Doppelte vergrossert werden um ihn an die Proportionen des Rumpfskeletts anzupassen 7 2007 veroffentlichten Scheyer amp Sanches Villagra histologische Untersuchungen am Carapax von Stupendemys geographicus 9 2020 wurde erstmals auch uber Funde aus der Tatacoa Wuste in Kolumbien berichtet Diese und weitere Funde aus Urumaco veranlassten die Beschreiber dazu Caninemys tridentata und Stupendemys souzai mit Stupendemys geographicus zu synonymisieren Das Fundmaterial wurde zwei Morphotypen zugeordnet die als Hinweis auf einen moglichen Sexualdimorphismus gewertet wurden 10 Nur ein Jahr spater wurde aus demselben kolumbianischen Fundgebiet erstmals ein Stupendemys Carapax mit einem dazugehorigen zumindest teilweise erhaltenen Schadelskelett beschrieben Die Analyse des neuen Fundes zeigte signifikante Unterschiede zu den ursprunglich als Caninemys tridentata beschriebenen Fossilien auf Die Synonymisierung von Caninemys tridentata mit Stupendemys geographicus wurde deshalb wieder verworfen und Caninemys tridentata als gultiges eigenstandiges Taxon rehabilitiert Zudem schlugen die Autoren dieser Arbeit vor den Artzusatz geographicus zu der ihrer Ansicht nach grammatikalisch korrekteren Form geographica abzuandern 11 Merkmale Bearbeiten nbsp Nachbildung des Carapax MCZ P 4376 von Stupendemys geographicus Gut erkennbar sind die Einbuchtung und der verdickte nach aussen gebogene Rand des Carapax im Nackenbereich im Bild oben Aufgrund der Unklarheiten in Bezug auf das Taxon Stupendemys souzai erfolgt die Beschreibung der gattungstypischen Merkmale hier in Anlehnung an Wood 1976 1 Riesenwuchs Der Carapax ist abgeflacht und zeigt anterior eine deutliche Einbuchtung im Nackenbereich Der Rand des Carapax ist im Bereich dieser Einbuchtung deutlich verdickt und nach aussen gebogen Kraftig ausgebildete Halswirbel Der Schaft des ebenfalls uberaus massiv ausgebildeten Humerus zeigt einen annahernd dreieckigen Querschnitt Der Femur ist ebenso kraftig ausgebildet und dorsoventral abgeflacht Stupendemys geographicus ist die grosste bekannte Susswasserschildkrote der Erdgeschichte Wood gibt in seiner Erstbeschreibung fur die Panzergrosse des Holotypus eine Lange von ca 2 30 Metern und eine Breite von 1 90 1 95 Metern an 1 Spater wurden jedoch noch grossere Exemplare gefunden Fur einen fast vollstandig erhaltenen Carapax UNEFM CIAPP 2002 01 der sich am Centre of Archaeology Anthropology and Paleontology der Universidad Nacional Experimental Francisco de Miranda UNEFM in Coro Venezuela befindet wurde zunachst auf eine Lange von 3 30 Metern bei einer Breite von 2 18 Metern geschatzt 9 Die Angaben wurden spater auf eine Gesamt Carapaxlange von 2 86 Metern 2 40 Meter entlang der Mittellinie bei einer maximalen Breite von 2 65 Metern korrigiert 10 Die grosste heutige sudamerikanische Susswasserschildkrote die Arrauschildkrote Podocnemis expansa erreicht dagegen eine maximale Panzerlange von nur etwa einem Meter bei einer Korpermasse von etwa 50 Kilogramm Die grosste heute lebende Art von Meeresschildkroten die Lederschildkrote Dermochelys coriacea bringt es auf eine Korpermasse von bis zu 650 kg bei einer Carapaxlange von bis zu 2 10 Metern Berichte uber eine Lederschildkrote mit einer Korpermasse von 916 kg gelten dagegen als unzuverlassig 12 Fur das oben erwahnte Exemplar UNEFM CIAPP 2002 01 wird je nach Berechnungsmethode eine Korpermasse zwischen 871 kg und 1145 kg angegeben 10 Arten BearbeitenStupendemys geographicus Wood 1976 Typusart 1 Stupendemys souzai Bocquentin amp Melo 2006 6 Palokologie BearbeitenHabitat und Lebensweise Bearbeiten Die Grosse und der stark abgeflachte Carapax von Stupendemys deuten auf eine weitgehend aquatische Lebensweise hin 13 Die Funde von Stupendemys geographicus aus Venezuela stammen aus der sogenannten capa de huesos Knochenschicht oder capa de tortugas Schildkrotenschicht aus den hangendsten Anteilen der Urumaco Formation 1 Die Sedimente der Urumaco Formation wurden im Deltabereich eines ausgedehnten Flusssystems mit zahlreichen unterschiedlichsten Habitaten von kontinentalen savannenartigen Ebenen uber Flusslaufe Stillgewasser Susswassersumpfe und Brackwasser fuhrende Astuare bis hin zu flachmarinen Kustenzonen abgelagert 14 Daher war zunachst auch unklar ob es sich bei Stupendemys um eine Susswasserschildkrote oder um eine marine Form handelte Die Solimoes Formation aus der die brasilianischen Funde von Stupendemys stammen wurde dagegen in einem weit ausgedehnten Alluvialfacher Megafan mit Flussgerinnen Seen und Uberschwemmungsebenen am ostlichen Fuss der jungen Anden weit abseits vom Meer abgelagert 15 Der allgemeine Konsens geht heute deshalb davon aus dass es sich bei Stupendemys um eine Gattung von Susswasserschildkroten handelte Allerdings besteht nach wie vor die theoretische Moglichkeit dass die Funde aus Venezuela und Brasilien jeweils eigenstandige Arten von Stupendemys reprasentieren die an unterschiedliche Lebensraume angepasst waren 13 Uber die Ernahrungsweise von Stupendemys lassen sich keine gesicherten Angaben machen Individualalter Bearbeiten Die hochste Wachstumsrate aller heute lebenden Schildkroten zeigt die Lederschildkrote Dermochelys coriacea mit einer durchschnittlichen Rate von uber 8 5 cm Jahr im Jugendstadium 16 Diese fur Schildkroten extrem hohe Wachstumsrate aussert sich bei Lederschildkroten in einer speziellen Struktur des Knochenaufbaus insbesondere an den Gelenkskopfen der Oberarmknochen Ahnliche Strukturen des Knochenaufbaus die auf hohe Wachstumsraten hinweisen zeigen sich bei Archelon ischyros aus der Oberkreide von Nordamerika nicht jedoch bei Stupendemys 2 17 Fur alle anderen heutigen Schildkrotenarten kann von einer Wachstumsrate zwischen 3 0 und 5 3 cm Jahr ausgegangen werden 9 Scheyer amp Sanches Villagra 2007 verwenden diese Eckdaten um das Individualalter des grossten bislang gefundenen Exemplars UNEFM CIAPP 2002 01 von Stupendemys abzuschatzen Unter der Annahme einer hohen histologisch nicht belegten Wachstumsrate ergibt sich nach Ansicht der Autoren ein Mindestalter von 30 Jahren Unter der Annahme der realistischeren niedrigeren Wachstumsraten kann von einem Individualalter von etwa 60 110 Jahren ausgegangen werden 9 Literatur BearbeitenBarry Cox Dougal Dixon Brian Gardiner Dinosaurier und andere Tiere der Vorzeit Die grosse Enzyklopadie der prahistorischen Tierwelt Gondrom Verlag Bindlach 1989 ISBN 3 8112 1138 2 Marcelo S de la Fuente Juliana Sterli Ignacio Maniel Origin Evolution and Biogeographic History of South American Turtles Springer Earth System Sciences Cham Heidelberg New York Dordrecht London 2014 ISBN 978 3 319 00517 1 Leseprobe Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f R C Wood Stupendemys geographicus the World s largest Turtle In Breviora Museum of Comparative Zoology Nummer 436 1976 31 S Digitalisat a b A G J Rhodin Comparative chondro osseous development and growth of marine turtles In Copeia Band 1985 1985 S 752 771 F de Lapparent de Broin J Bocquentin amp F R Negri Gigantic turtles Pleurodira Podocnemididae from the Late Miocene Early Pliocene of South Western Amazon In Bulletin de l Institut Fracais d Etudes Andines Band 22 Nummer 3 1993 S 657 670 Digitalisat J Bocquentin amp F R Negri Sobre la ocorrencia do quelonio gigante Stupendemys Pleurodira Podocnemididae Podocnemidinae no Mioceno superior Plioceno da Amazonia sul ocidental In Ameghiniana Band 30 Nummer 3 1993 S 324 325 E S Gaffney K E Campbell amp R C Wood Pelomedusoid side necked turtles from Late Miocene Sediments in southwestern Amazonia In American Museum Novitates Nummer 3245 1998 S 1 11 Digitalisat a b J Bocquentin amp J Melo Stupendemys souzai sp nov Pleurodira Podocnemididae from the Miocene Pliocene of the Solimoes Formation Brazil In Revista Brasileira de Paleontologia Band 9 Nummer 2 2006 S 187 192 Digitalisat PDF datei 643 83 KB a b P A Meylan E S Gaffney amp D de Almeida Campos Caninemys a new side necked turtle Pelomedusoides Podocnemididae from the Miocene of Brazil In American Museum Novitates Nummer 3639 2009 S 1 26 Digitalisat E S Gaffney P A Meylan R C Wood E Simons amp D de Almeida Campos Evolution of the Side Necked Turtles The Family Podocnemididae In Bulletin of the American Museum of Natural History Nummer 350 237 S 2011 Digitalisat a b c d T M Scheyer amp M R Sanches Villagra Carapace bone histology in the giant pleurodiran turtle Stupendemys geographicus Phylogeny and function In Acta Palaeontologica Polonica Band 52 Nummer 1 2007 S 137 154 Digitalisat a b c E A Cadena T M Scheyer J D Carrillo Briceno R Sanchez O A Aguilera Socorro A Vanegas M Pardo D M Hansen amp M R Sanchez Villagra The Anatomy Paleobiology and Evolutionary Relationships of the Largest Extinct Side necked Turtle In Science Advances Band 6 Nummer 7 2020 Artikel eaay4593 doi 10 1126 sciadv aay4593 E A Cadena A Link S B Cooke L K Stroik A F Vanegas amp M Tallman New insights on the anatomy and ontogeny of the largest extinct freshwater turtles In Heliyon Band 7 2021 Artikel e08591 doi 10 1016 j heliyon 2021 e08591 C R McClain M A Balk M C Benfield T A Branch C Chen J Cosgrove A D M Dove L C Gaskins R R Helm F G Hochberg F B Lee A Marshall S E McMurray C Schanche S N Stone amp A D Thaler Sizing ocean giants patterns of intraspecific size variation in marine megafauna In PeerJ Artikel 3 e715 2015 doi 10 7717 peerj 715 a b M R Sanches Villagra amp T M Scheyer Fossil turtles from the northern neotropics The Urumaco sequence fauna and finds from other localities in Venezuela and Colombia In M R Sanchez Villagra O A Aguilera amp A A Carlini Hrsg Urumaco and Venezuelan Paleontology The Fossil Record of the Northern Neotropics Indiana University Press 2010 ISBN 978 0 253 35476 1 S 173 191 Digitalisat M R Sanches Villagra O Aguilera amp I Horovitz The Anatomy of the World s Largest Extinct Rodent In Science Band 301 2003 S 1708 1710 Digitalisat E M Latrubesse J Bocquentin J C R Santos amp C G Ramonell Paleoenvironmental Model for the Late Cenozoic of Southwestern Amazonia Paleontology and Geology In Acta Amazonica Band 27 Nummer 2 1997 S 103 117 Digitalisat G R Zug amp J F Parham Age and Growth in Leatherback Turtles Dermochelys coriacea Testudines Dermochelyidae A Skeletochronological Analysis In Chelonian Conservation and Biology Band 2 Nummer 2 1996 S 244 249 Digitalisat M L Snover amp A G J Rhodin Comparative Ontogenetic and Phylogenetic Aspects of Chelonian Chondro Osseous Growth and Skeletochronology In J Wyneken M H Godfrey amp V Bels Hrsg Biology of Turtles From 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