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Der Steinbohrapparat auch Steinbohrmaschine ist eine Vorrichtung zur Anfertigung von Hohlbohrungen in jungsteinzeitlichen Steinaxten deren Erfindung lange den Tragern der steinzeitlicher Kulturen zugeschrieben wurde Obwohl fur diese Apparaturen keine archaologischen Nachweise existieren gibt es eine grosse Zahl von Nachbauten in Museen die ausgestellt werden oder zu archaotechnischen und museumspadagogischen Zwecken eingesetzt werden Steinbohrapparat im Schwedenspeicher Museum Stade Inhaltsverzeichnis 1 Problemstellung 2 Hintergrund 3 Funktionsweise 4 Kritik 5 Literatur 6 Einzelnachweise 7 WeblinksProblemstellung Bearbeiten nbsp Angebohrte Steinaxtrohlinge und Bohrkerne der Jungsteinzeit nbsp Steinaxte mit sauber ausgefuhrten BohrungenSeit Beginn der archaologischen Forschung sind steinerne Axtklingen mit sauber gebohrten Lochern Augen zur Aufnahme des holzernen Schaftes bekannt Axtrohlinge mit unvollstandigen Bohrungen mit stehen gebliebenen Resten des angebohrten Kernes liessen erkennen dass die Locher hohlgebohrt wurden Erklarungsschwierigkeiten bereiteten einige Steinaxte mit ovalen Schaftlochern Von diesem Typ lagen nur wenige unfertige Exemplare mit angebohrten Lochern vor Die Altertumswissenschaftler vermuteten zunachst dass diese Locher nur mit metallenen Bohrern und mit Hilfe komplizierter Bohrapparate gebohrt werden konnten Hintergrund BearbeitenBei Erstellung des Dreiperiodensystems in den 1820er Jahren konnten Altertumswissenschaftler die hohlgebohrten Steinaxte nicht eindeutig einer Epoche zuordnen da die gangige Lehrmeinung davon ausging dass Locher nur mit metallenen Bohrern in den Stein gebohrt werden konnten In den 1860er Jahren gelang Ferdinand Keller in Experimenten der schlussige Nachweis dass diese Locher auch mit Bohrern aus Rohrenknochen oder Holunderholz zusammen mit Schleifmitteln wie Sand in den Stein gebohrt werden konnten 1 Inspiriert von altagyptischen Abbildungen 2 konstruierte er einen Bohrapparat mit dem er Versuche durchfuhrte ohne in seiner Publikation die historische Existenz eines solchen Bohrapparates anzusprechen Auf Basis von Kellers Versuchen in Verbindung mit volkerkundlichen Vergleichen und eigenen Experimenten publizierte Gundakar Graf von Wurmbrand 1875 die Konstruktionszeichnung eines solchen Bohrapparates 3 Vier Jahre spater veroffentlichte Keller Zeichnungen seines Bohrapparates 4 Nach dem Tode Kellers fuhrte sein Mitarbeiter Robert Forrer die Versuche weiter und baute zahlreiche Funktionsmodelle die er an Museen abgab Ab 1933 wurden in den Modellwerkstatten des Reichsbundes fur Deutsche Vorgeschichte unter Hans Reinerth diese Bohrapparate zusammen mit Steinsagen nahezu in Serie gebaut und zu Preisen von 30 bis 40 Reichsmark 5 an Institute Museen und Bildungseinrichtungen in Europa vertrieben Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden bis 1957 weitere Bohrapparate in den Werkstatten des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen gebaut Aufgrund ihrer einfachen Technik fanden die Bohrapparate grossen Anklang bei Museen und Besuchern 6 Eine weitere Verbreitung in der offentlichen Aufmerksamkeit fanden sie durch Abbildungen in archaologischen Publikationen auf Schulwandtafeln 7 oder auf Sammelbildchen wie denen der Firma Erdal 8 Funktionsweise Bearbeiten nbsp Moderne Variante eines BohrapparatesAlle Steinbohrapparate folgen einem einheitlichen Konstruktionsmuster Eine Grundplatte mit Halteeinrichtung fur das Werkstuck einem Spindelbohrer der auf dem Werkstuck aufliegt und am unteren Ende in einer Schablone gefuhrt wird Ein mit einem Gewicht beschwerter Hebel druckt auf das obere Ende des Spindelbohrers und bildet dessen oberes Lager Diese Konstruktion wird von zwei auf der Grundplatte montierten Saulen getragen und gefuhrt Mittels eines Fidelbogens und einer um den Bohrer geschlungenen Sehne versetzt der Bediener den Bohrer in Drehung Kritik BearbeitenFehlende Nachweise aus archaologischen Funden liessen in den 1960er Jahren Zweifel an der Existenz steinzeitlicher Bohrapparate aufkommen K E Bleich fuhrte zahlreiche Versuche zum Bohren von Steinbeilen mit und ohne Bohrapparat durch und kam zu dem Ergebnis dass diese Bohrungen auch ohne den Einsatz komplexer Apparaturen moglich sind 9 Anscheinend fuhrten die von den fruhen Experimentatoren erzielten Bohrergebnisse mit dem Bohrapparat im Vergleich zu den prahistorischen Steinaxten zu dem Umkehrschluss dass die Steinaxte mit einem solchen Apparat gebohrt wurden und dass es Steinbohrapparate gab 10 Das national gepragte Geschichtsbild der 1930er und 1940er Jahre einer kulturell und technologisch hochstehenden germanischen Kultur sowie die in grosser Zahl der von den Reichsbund Werkstatten vertriebenen Bohrapparate forderten den Glauben an die steinzeitliche Prasenz dieser Maschinen 11 Letztendlich entspringen diese Bohrapparate eher einem modernen Technikverstandnis als den historischen Gegebenheiten 12 Das uberkommene bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts gultige Geschichtsbild die mehr als 100 jahrige Prasenz dieser Bohrapparate in Schulen und Museen sowie der haufig unkritische Umgang mit diesen Geraten pragten hartnackig den Eindruck dass es diese Bohrapparate in prahistorischen Zeiten tatsachlich gegeben habe 11 Literatur BearbeitenPeter Walter Bohren im Museum Forschungsgeschichte Didaktik Mathetik In Europaische Vereinigung zur Forderung der Experimentellen Archaologie e V Hrsg Experimentelle Archaologie in Europa Bilanz 2010 Isensee Oldenburg 2010 ISBN 978 3 89995 739 6 S 71 84 Miriam Senecheau Silviane Scharl Christina Kempcke Richter Archaologie im Schulbuch 10 Jahre DGUF Arbeitskreis und das Beispiel der Jungsteinzeit in Schulbuchern In Vergangene Zeiten Liber amicorum Gedenkschrift fur Jurgen Hoika Archaologische Berichte Band 22 Rudolf Habelt Bonn 2011 S 241 258 hier S 246 247 online Einzelnachweise Bearbeiten Ferdinand Keller Anzeiger fur Schweizerische Altertumskunde Band 1 Marz 1870 S 122 123 http www benben de Kern Kern5 html Agyptische Abbildung eines Bohrapparates ursprungliche Quelle Archivierte Kopie Memento des Originals vom 18 Januar 2012 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www jacbo com nicht mehr verfugbar Gundakar Graf von Wurmbrand Ergebnisse der Pfahlbau Untersuchungen In Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft Band 5 Wien 1875 S 117 138 hier 121 125 Ferdinand Keller Die keltischen Pfahlbauten in den Schweizerseen In Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zurich 20 Abt I Nr 3 1879 S 49 54 Hans Reinerth Lebendige Vorzeit Arbeiten der Modellwerkstatt des Reichsbundes fur Deutsche Vorgeschichte Bebildertes Preisverzeichnis Berlin 1942 S 7 Peter Walter Bohren im Museum Forschungsgeschichte Didaktik Mathematik S 80 81 Ein Dorf der jungeren Steinzeit Tellus Verlag um 1956 unten rechts Peter Walter Bohren im Museum Forschungsgeschichte Didaktik Mathematik S 71 78 K E Bleich Vierundzwanzig Versuche zur Technik der Steinzeit mit Beitragen von Stephan Unser zur Silexbearbeitung In Technische Beitrage zur Archaologie Band 2 Mainz 1965 S 102 125 Peter Walter Bohren im Museum Forschungsgeschichte Didaktik Mathematik S 73 74 a b Peter Walter Bohren im Museum Forschungsgeschichte Didaktik Mathematik S 77 Claudia Pingel in Peter Walter Bohren im Museum Forschungsgeschichte Didaktik Mathematik S 71 Weblinks BearbeitenAbbildung und Funktionsweise eines Steinbohrapparates Handhabung eines Steinbohrapparates Memento vom 30 Dezember 2004 im Internet Archive Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Steinbohrapparat amp oldid 222205652