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Am 4 Marz 1968 wurde dem Autor Thomas Bernhard im Wiener Unterrichtsministerium der Osterreichische Staatspreis fur Romane verliehen Die Dankesrede des Autors fuhrte zu einer heftigen Reaktion des Ministers Piffl Percevic dadurch sowie durch die Laudatio fuhlte sich wiederum Bernhard bruskiert und der Wiener Montag titelte So dankt ein Staatspreistrager Beschimpft Osterreich 1 Wolfgang Kraus und Thomas Bernhard vor einer Lesung 1968 Dies ging als Staatspreis Skandal in die osterreichische Literaturgeschichte ein 1982 verarbeitete Bernhard den Vorfall in seiner Erzahlung Wittgensteins Neffe 2 Jahre vor den Kontroversen um Holzfallen und Heldenplatz begrundete das Geschehen Bernhards Ruf als Skandal Autor 3 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Der Festakt 3 Nachspiel 4 Literatur 5 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenDer Staatspreis Skandal hatte gut ein Jahr vor der Verleihung seinen Ursprung In die Preis Jury wurden mit Alfred Holzinger Hilde Spiel und Wolfgang Kraus drei bekennende Bernhard Verehrer bestellt Kraus versuchte Bernhard zur Teilnahme an der Ausschreibung zu uberreden Dieser lehnte eine personliche Bewerbung ab nachdem er sich ein Jahr zuvor vergeblich um den Staatspreis fur Lyrik beworben hatte Bernhard liess aber durch seinen Bruder Peter Fabjan eine Kopie seines ersten Romans Frost beim Unterrichtsministerium einreichen Dieses Vorgehen verstiess gegen die Ausschreibungsbedingungen 3 Dennoch wurde Bernhard der Staatspreis zugesprochen Der Autor verfasste mindestens einen Tag vor der Preisverleihung eine Dankesrede und las sie probehalber seinem Lebensmenschen Hede Stavianicek vor Diese riet ab aber Bernhard anderte nichts mehr Dafur fertigte er mehrere Abschriften seiner Rede an die er beim Festakt am 4 Marz im Unterrichtsministerium an Journalisten verteilte Moglicherweise erhoffte er sich eine ahnlich aufsehenerregende Wirkung wie sie vorher vergleichbare Auftritte von Friedensreich Hundertwasser Peter Handke oder Heinrich Boll erzielt hatten 3 Der Festakt Bearbeiten nbsp Audienzsaal des Wiener ehem Unterrichtsministeriums am MinoritenplatzBeim Festakt hielt zuerst der Minister die Laudatio In dieser wurden auch die weiteren Preistrager gewurdigt Die Bildhauer Alfred Hrdlicka und Josef Pillhofer die Medailleurin Elfriede Rohr sowie die Komponisten Gerhard Wimberger und Josef Friedrich Doppelbauer die die Staatspreise fur ihre jeweiligen Sparten erhielten ausserdem wurde der Autor Hans Lebert gewurdigt dem die Adalbert Stifter Medaille verliehen wurde 4 In der Laudatio wurde Bernhard als geburtige r Hollander bezeichnet was Bezug nahm auf seinen Geburtsort Heerlen Ansonsten waren die Angaben korrekt bzw beruhten auf Bernhards eigenen Angaben Es folgte Bernhards Rede beginnend mit den vielfach zitierten Worten es ist nichts zu loben nichts zu verdammen nichts anzuklagen aber es ist vieles lacherlich es ist alles lacherlich wenn man an den Tod denkt 5 Im Folgenden begann Bernhard Osterreich zu schmahen 6 wie es der Minister empfand Man geht durch das Leben beeindruckt unbeeindruckt durch die Szene alles ist austauschbar im Requisitenstaat besser oder schlechter geschult ein Irrtum Man begreift ein ahnungsloses Volk ein schones Land es sind tote oder gewissenhaft gewissenlose Vater Menschen mit der Einfachheit und der Niedertracht mit der Armut ihrer Bedurfnisse Wir sind Osterreicher wir sind apathisch wir sind das Leben als das gemeine Desinteresse am Leben wir sind in dem Prozess der Natur der Grossenwahn Sinn der Zukunft Wir brauchen uns nicht zu schamen aber wir sind auch nichts und wir verdienen nichts als das Chaos Die weniger als 300 Worter zahlende Rede wurde hoflich beklatscht ihr korrigierter Text wurde in den folgenden Wochen mehrfach nachgedruckt Nachdem sich der Autor gesetzt hatte folgte gemass Programm ein zweiter Satz eines Streichquartetts von Joseph Marx Danach trat der Minister ausser Programm nochmals ans Mikrophon und sagte sinngemass Wir sind trotzdem stolze Osterreicher Dann schloss er programmgemass die Feier und verliess den Saal ohne am anschliessenden Buffet teilzunehmen Bei diesem zeigte sich Bernhard gegenuber mehreren Zeugen verwundert ob der Reaktion en auf seine Rede Nachspiel BearbeitenIn den Fernseh und Radio Nachrichten des ORF vom selben Tag kam zwar die Preisverleihung vor aber weder Bernhards Rede noch die Reaktion des Ministers wurden erwahnt Am folgenden Tag brachten verschiedene Zeitungen knappe Meldungen uber die Uberreichung der Staatspreise bzw der Stifter Medaille an Hans Lebert 4 Lediglich in den Oberosterreichischen Nachrichten erschien ein ausfuhrlicher Artikel von Hans Rochelt in dem Bernhard verteidigt wurde da ihm seine kurze Rede als Affront angelastet worden sei 7 Es folgte einen Tag spater eine Glosse mit ahnlicher Tendenz 8 Den ersten Artikel in dem Bernhards Auftritt kritisiert wird druckte am 11 Marz der Wiener Montag 1 Dafur erschienen in den folgenden Tagen und Wochen mehrere Berichte in nationalen und internationalen Presseorganen in denen fur Bernhard Partei ergriffen wird Diese Berichte wurden teils von Bernhard selbst teils von seinem Verleger Siegfried Unseld initiiert Weitere Kritik an Bernhard erfolgte nur uber eine Handvoll Leserbriefe und Berichte in Lokalzeitungen Die einzige Konsequenz des Vorfalles war die Absage der festlichen Verleihung des Anton Wildgans Preises der ebenfalls Bernhard zuerkannt worden war Fur diese Verleihung hatte Bernhard nach dem Vorfall am 4 Marz eine neue Rede geschrieben in der er sich verteidigen und den ebenfalls geladenen Minister attackieren wollte 3 Nach 1968 wurden Bernhard noch verschiedene Preise verliehen so als nachstes 1970 der Georg Buchner Preis Dabei hatten viele Beteiligte die Geschehnisse vom 4 Marz 1968 im Hinterkopf Freilich zum Eklat wie bei jener Verleihung des Osterreichischen Staatspreises 1968 kam es in Darmstadt nicht Kein Kultusminister verliess den Saal es war keiner anwesend kein kaltes Buffet musste ausfallen es war keines da Aber es hatte auch gar keinen Grund fur heftige Reaktionen gegeben denn Thomas Bernhards Drei Minuten Ansprache horte sich an wie eine Collage aus seinen eigenen Romanen und Erzahlungen 9 Damit wurde hier Bernhards Version des Geschehens im Wiener Unterrichtsministerium nicht nur ubernommen sondern schon als bekannt vorausgesetzt Die meisten Pressestimmen ergriffen fur Bernhard Partei Auch von den Kritikern wurde Bernhard in diesem Zusammenhang niemals wie von ihm behauptet als Nestbeschmutzer oder Wanze bezeichnet Minister Theodor Piffl Percevic ging in seinen 1977 veroffentlichten Erinnerungen ausfuhrlich auf den Vorfall von 1968 ein 6 Bernhards eigene literarische Aufarbeitung erschien mit Wittgensteins Neffe erst im Jahre 1982 Diese Version unterscheidet sich signifikant von seinen Darstellungen aus dem Jahr 1968 sowie von der Version in Meine Preise die 1980 oder 1981 entstand aber zu Lebzeiten nicht veroffentlicht wurde Literatur BearbeitenThomas Bernhard Meine Preise Taschenbuchausgabe Frankfurt am Main 2010 ISBN 9783518461860 Thomas Bernhard Wittgensteins Neffe in Thomas Bernhard Werke in 22 Banden Band 13 Erzahlungen III Hrsg von Hans Holler und Manfred Mittermayer Suhrkamp Frankfurt am Main 2008 ISBN 978 3 518 41513 9 Olaf Lahayne Beschimpft Osterreich Der Skandal um die Staatspreisrede Thomas Bernhards im Marz 1968 V amp R unipress Gottingen 2016 ISBN 978 3 8471 0489 6 Manfred Mittermayer Thomas Bernhard Leben Werk Wirkung Suhrkamp Frankfurt am Main 2006 ISBN 3 518 18211 0 Theodor Piffl Percevic Zuspruch und Widerspruch Verlag Styria Graz Wien Koln 1977 ISBN 978 3222109935Einzelnachweise Bearbeiten a b N N So dankt ein Staatspreistrager Beschimpft Osterreich Wiener Montag 11 Marz 1968 S 1 Thomas Bernhard Wittgensteins Neffe in Thomas Bernhard Werke in 22 Banden Band 13 Erzahlungen III Hrsg von Hans Holler und Manfred Mittermayer Suhrkamp Frankfurt am Main 2008 ISBN 978 3 518 41513 9 a b c d Olaf Lahayne Beschimpft Osterreich Der Skandal um die Staatspreisrede Thomas Bernhards im Marz 1968 V amp R unipress Gottingen 2016 ISBN 978 3 8471 0489 6 a b N N Uberreichung der Staatspreise In Salzburger Nachrichten 5 Marz 1968 S 3 Thomas Bernhard Der Wahrheit und dem Tod auf der Spur Zwei Reden In Neues Forum Heft 173 Mai 1968 S 347 ff a b Theodor Piffl Percevic Zuspruch und Widerspruch Verlag Styria Graz Wien Koln 1977 ISBN 978 3222109935 Hans Rochelt Zerstorte Idylle Missverstandene Dankesrede des Staatspreistragers Thomas Bernhard Oberosterreichische Nachrichten 5 Marz 1968 S 8 N N Das meint Ihr Schirmherr Oberosterreichische Nachrichten 6 Marz 1968 S 9 Michael Beckert Wovon sie reden Saarbrucker Zeitung 19 Oktober 1970 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Staatspreis Skandal amp oldid 220596581