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Als Spatglazialer Eiszerfall wird in den Alpen ein glaziologisches Entwicklungsstadium bezeichnet welches unmittelbar auf den Maximalstand der wurmzeitlichen Vereisung folgte Es bekundet das rasche Zuruckschmelzen des Eisstromnetzes im Zeitraum 19250 bis 17550 v Chr Inhaltsverzeichnis 1 Namensgebung und Begriffsgeschichte 2 Stratigraphie 3 Datierung 4 Auswirkungen 5 Klassische Gliederung in Stadien 5 1 Kritische Betrachtung 6 EinzelnachweiseNamensgebung und Begriffsgeschichte BearbeitenIn seiner Arbeit von 2007 pladiert Jurgen Reitner das ursprunglich von Albrecht Penck und Eduard Bruckner 1909 eingefuhrte klassische Buhl Stadium 1 sowie das Steinach Stadium durch den Begriff Spatglazialer Eiszerfall engl Lateglacial ice decay zu ersetzen da in der Typusregion des unteren Inntals dem Buhl Stadium keine eigene Endmorane zugewiesen werden kann 2 Stratigraphie Bearbeiten nbsp Zeitliche Einordnung des Spatglazialen Eiszerfalls Ice decay wahrend der letzten 47 500 JahreDer Spatglaziale Eiszerfall schliesst sich unmittelbar an das Letzteiszeitliche Maximum an engl Last Glacial Maximum oder LGM Ihm folgt das Gschnitz Stadium Der Spatglaziale Eiszerfall korreliert mit dem Marinen Isotopenstadium 2 bzw dem Gronland Stadial 2c GS 2c 3 Datierung BearbeitenVerschiedene Radiokohlenstoffalter belegen dass das Letzteiszeitliche Maximum in den Alpen bis ungefahr 19500 v Chr andauerte 4 Oberflachendatierungen an Gerollen aus der Endmorane des Rhonegletschers setzen den Beginn des Ruckschmelzens mit rund 19100 Jahren v Chr fest 5 Untersuchungen an Torfablagerungen des Lanser Sees bei Innsbruck ergaben dass das Inntal spatestens ab 15379 282 Jahre v Chr total eisfrei gewesen sein muss 6 Der Rodschitz Torf verlagert das Alter der vollstandigen Enteisung sogar noch weiter zuruck bis 16668 503 Jahre v Chr im Gebiet des Traungletschers 7 Ergebnisse vom Langsee 8 und vom Jerserzer See bei Klagenfurt 9 bestatigen im Gebiet des Draugletschers die pflanzliche Rekolonisation um 16847 254 Jahren v Chr Insgesamt gesehen verbleiben somit rund 2200 Jahre Zeitspanne 19100 bis zirka 16900 Jahr v Chr fur den Spatglazialen Eiszerfall Auswirkungen BearbeitenDie Hauptauswirkung des spatglazialen Eiszerfalls machte sich letztendlich etwas verzogert auch im Signal des Meeresspiegels bemerkbar der fur die Nordhemisphare ab 16000 v Chr einen stetigen Anstieg von seinem Tiefstand um 120 Meter unter Normalnull verzeichnete Der enorme Susswassereintrag durch den Schmelzwasserpuls 1A fuhrte unmittelbar spater im Atlantik zu einer deutlich erhohten Umwalzung der Wassermassen Klassische Gliederung in Stadien BearbeitenDie klassische Gliederung soll anhand des Inngletschers kurz verdeutlicht werden von jung nach alt Im Alpeninneren als Eisstromnetz Steinach Stadium mit Steinach I Steinach II und Steinach III Buhl Stadium mit Buhl I Buhl II und Buhl III Im Alpenvorland als breitfachrige Loben 10 Stephanskirchen Stadium Olkofen Stadium Ebersberg Stadium Kirchseeon StadiumWahrend des Kirchsseon Stadiums mit seinen mehrstaffeligen Endmoranenwallen hatte der Inngletscher gegen Ende des Letzteiszeitlichen Maximums seine nordlichste Position im Alpenvorland bei Haag erreicht Mit einsetzendem Eiszerfall bildeten sich dann erste mit Stirnlappen erfullte Zweigbecken des Ebersberg Stadiums Das anschliessende Olkofen Stadium mit mehreren Staffeln sah eine weitere Verstarkung der Teillappenbildung Das Stephanskirchen Stadium lag bereits 25 Kilometer weiter sudwarts um Rosenheim und zeichnete sich durch Drumlinscharen sowie existente oder bereits verlandete Seen aus Zu diesem Zeitpunkt entstand auch der Rosenheimer See der allmahlich durch Warventone Sande und Deckentone zusedimentiert wurde und zu Beginn des Bolling Interstadials schliesslich auslief trockenfiel und vermoorte 11 Kritische Betrachtung Bearbeiten Nach ihrer Maximalausdehnung gegen Ende des Letzteiszeitlichen Maximums im Alpenvorland hatten sich die Eismassen wieder ins Gebirgsinnere zuruckgezogen Gemass der klassischen Theorie die 1968 von Mayr und Heuberger weiter elaboriert wurde 12 hatte die Zunge des Inngletschers beispielsweise im Gebiet Kitzbuhel Hopfgarten einen ersten stabilisierenden Ruckzugshalt mit Endmoranenbildung das sogenannte Buhl Stadium Neuuntersuchungen sudlich des Wilden Kaisers finden jedoch hierfur keinerlei Indiz Die Situation prasentiert sich hier vielmehr wie folgt Vor Einsetzen des Eiszerfalls befand sich der Inngletscher im Suden des Wilden Kaisers auf rund 1800 Meter Hohe uber NN Durch den Eiszerfall busste der Gletscher in einer Anfangsphase rund 500 Meter an Hohe ein und bildete von nun an einen stagnierenden von seinem Nahrgebiet abgeschnittenen Eiskorper Der Zerfall war offensichtlich recht kontinuierlich und ohne grossere Einschnitte vor sich gegangen Bedingt durch den Wegfall der sie blockierenden Eismassen konnten jetzt kleinere lokale Kargletscher an der Sudabdachung des Wilden Kaisers ihrerseits mechanisch vorstossen Ihre Maximalausdehnung erreichten sie kalbend als der Inngletscher nur noch 1000 bis 1100 Meter Hohe einnahm und zu diesem Zeitpunkt von einem Eisstausee gesaumt wurde Der restliche Eiszerfall bis auf rund 600 Meter Hohe ging offensichtlich unter hoher Sonneneinstrahlung recht rasch vonstatten moglicherweise dauerte diese Schlussphase nicht mehr als 100 bis 500 Jahre Die kurze Zeitdauer dieser sehr schmelzwasserreichen Phase wird von extensiven Kamesterrassen unterstrichen sie dokumentieren mit ihren sedimentaren Strukturen eine rasche Verfullung des eisfrei gewordenen Sedimentationsraumes Wahrend dieser Endphase in der der Inngletscher von 800 auf 600 Meter Hohe reduziert wurde kam es im Gebiet des Windaugletschers zu einem klimatisch bedingten Eisvorstoss wobei eine Kameterrasse um 3 Kilometer uberfahren wurde Ausloser dieser Eismassenwelle durfte eine kurzzeitige klimatische Oszillation Temperatursenkung bzw Niederschlagssteigerung gewesen sein 13 Einzelnachweise Bearbeiten Penck A und Bruckner E Die Alpen im Eiszeitalter Band I III Leipzig 1909 Reitner Jurgen M Glacial dynamics at the beginning of Termination I in the Eastern Alps and their stratigraphic implications In Quaternary International Band 164 165 2007 S 64 84 Bjorck S u a An event stratigraphy fort the last Termination in the Nord Atlantic region based on the Greenland Ice core record a proposal by the INTIMATE group In J Quaternary Sci Band 13 1998 S 283 292 Preusser F Towards a chronology of the Late Pleistocene in the northern Alpine Foreland In Boreas Band 33 2004 S 195 210 Ivy Ochs S Schafer J Kubik P W Synal H A und Schluchter C Timing of deglaciation on the northern alpine foreland Switzerland In Eclogae Geologicae Helvetiae Band 97 2004 S 47 55 Sigmar Bortenschlager Beitrage zur Vegetationsgeschichte Tirols I Inneres Otztal und unteres Inntal In Berichte des naturwissenschaftlichmedizinischen Verein Innsbruck Band 71 1984 S 19 56 van Husen D Zur Fazies und Stratigraphie der jungpleistozanen Ablagerungen im Trauntal In 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Colorado Studies Ser in Earth Sci No 7 Hrsg Proc VII INQUA Congr Band 14 1968 S 143 165 Reitner Jurgen M Different conditions and modes of glacial advances Examples from the beginning of Termination I in the Eastern Alps In Geophysical Research Abstracts Band 8 04820 2006 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Spatglazialer Eiszerfall amp oldid 234915601