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Das Geschirrservice Rationell umgangssprachlich Mitropa Geschirr wurde 1969 1970 von den Produktdesignern Margarete Jahny und Erich Muller fur die VEB Vereinigte Porzellanwerke Colditz entworfen Das universell einsetzbare Service war in der DDR in Gaststatten Ferienheimen Hotels Werks und Schulkantinen Krankenhausern und seit Anfang der 1970er Jahre im Reiseversorgungsunternehmen Mitropa weit verbreitet Das schlichte formale Design des robusten stapelbaren und leichten Geschirrs fur die Gastronomie wurde auf der Leipziger Messe mit einer Goldmedaille ausgezeichnet Portionskannchen Rationell Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte und Designkonzept 2 Ausfuhrungen und Dekore 3 Rezeption 4 Literatur 5 Einzelnachweise 6 WeblinksGeschichte und Designkonzept BearbeitenDie Designer Margarete Jahny und Erich Muller wurden Mitte der 1960er Jahre vom Zentralinstitut fur Gestaltung mit der Aufgabe betraut fur die DDR Gastronomie ein universell einsetzbares attraktives robustes und zugleich stapelbares Geschirr zu entwickeln Margarete Jahny griff dabei auf eigene Gestaltungsentwurfe aus dem Jahr 1950 1951 zuruck Als Studienarbeit an der Hochschule fur Bildende Kunste Dresden legte sie einen Entwurf fur ein Stapelservice vor bestehend aus einer Kaffeekanne zwei Tassen einem Sahnebecher und einem auf alle Teile passenden Deckel Ursprunglich war es von Jahny als Selbstbedienungsgeschirr fur Betriebskantinen konzipiert worden 1 Da in den 1950er Jahren in der DDR eine Abkehr vom formalistischen Design und der Bauhaus Tradition einsetzte wurde ihr Entwurf nicht in die Serienproduktion aufgenommen 2 In den 1960er Jahren wurde die Idee des Stapelservice von Muller und Jahny wieder aufgegriffen Auch andere Porzellanhersteller widmeten sich in dieser Zeit diesem funktionellen Gestaltungskonzept unter anderem Heinz H Englers mit dem Entwurf der Form B1100 bzw Form 6200 fur Bauscher in Weiden in der Oberpfalz 3 Als erste Serviceteile stellten Jahny und Muller ein Kaffeegedeck mit Kannchen und Tassen vor Die Geschirrteile liessen sich rutschfest mehrfach ubereinander stapeln Margarethe Jahny entwarf eine Schnaupe fur das Kaffeekannchen die so geformt war dass beim Einschenken der Kaffee nicht nachtropfen konnte 4 Charakteristisches Merkmal der Rationell Kannen war aber die von Erich Muller gestaltete Form des Deckels 5 der passgenau mit einem vorstehenden Innenrand uber den Aussenrand des Kannchens ausgeformt wurde so dass er auch bei starker Neigung des Kannchens nicht herunterfallen konnte dadurch war es moglich das Getrank einhandig einzuschenken Diese Form des Deckels die eine hohe Prazision bei der Herstellung voraussetzte stellte die Porzellanwerke Colditz anfanglich vor grossere Fertigungsprobleme Erich Muller meldete das Design des Deckel zum Patent an Bevor das Patent jedoch eingetragen wurde wurde das Geschirr auf der Leipziger Messe 1969 vorgestellt und westdeutschen Handelsvertretern prasentiert Innerhalb weniger Monate wurde der rutschgesicherte Deckel von der Firma Bauscher fur die Form 6200 umgesetzt und sehr zur Verargerung von Erich Muller als Bauscher Patent angemeldet 3 4 Das Geschirrservice Rationell entwickelte sich zu einem allgegenwartigen Massenprodukt in Gaststatten und offentlichen Kantinen der DDR Um die grosse Nachfrage decken zu konnen wurde das Geschirr auch in den Porzellanwerken in Kahla Ilmenau und Stadtlengsfeld hergestellt da die Produktionskapazitat des VEB Vereinigte Porzellanwerke Colditz nicht ausreichte um den Bedarf zu decken 6 nbsp Geschirrservice Rationell mit gruner Wortmarke fur Mitropa SpeisewagenObwohl das Geschirr flachendeckend omniprasent in offentlichen Einrichtungen der DDR anzutreffen war war der Name der Geschirrserie und die Produktgestalter in der Offentlichkeit weitgehend unbekannt 3 Das Geschirr ursprunglich fur die gehobene Hotelkette Interhotel konzipiert 7 wurde seit Anfang der 1970er Jahre als Standardgeschirr des Reiseversorgungsunternehmen Mitropa in Reisezugen Bahnhofsgaststatten Autobahnraststatten und auf Passagierschiffen eingesetzt 8 Daraus leitete sich die umgangssprachliche Bezeichnung Mitropa Geschirr fur die robuste Geschirrserie ab 9 Ausfuhrungen und Dekore BearbeitenDas Geschirrservice wurde 1969 zunachst als Kaffeegedeck vorgestellt Im Laufe der Zeit kamen zahlreiche Geschirrteile hinzu Neben dem Portionskannchen fur zwei Tassen Kaffee wurden beispielsweise skaliert im gleichen Design auch noch ein Mokkakannchen eine Teeportions und eine grosse Kaffeekanne produziert In den 1970er Jahren begann man mit der Erweiterung um Teile fur ein Speisegedeck unter anderem flache und tiefe Speiseteller Suppentassen Dessert und Salatschusseln Vorlegeplatten sowie Menageschalchen fur Senf Die Entwurfe fur die Geschirrteile wurden allerdings nur in der Anfangszeit von Margarete Jahny und Erich Muller ausgefuhrt 10 Zahlreiche Geschirrteile gehen auf eigenstandige Modifikationen von Werksgestaltern zuruck die versucht haben das Designkonzept an die Bedurfnisse der Gastronomie anzupassen und umzusetzen Neben einer dekorfreien weissen Variante stellten die beiden der Tradition des Deutschen Werkbundes und Bauhauses verbundenen Formgestalter das Service mit schlichten ein oder zweifarbigen Streifen und Banddekoren vor Florale und naturalistische Dekorvarianten waren von Margarete Jahny nicht angedacht die in ihrem Gestaltungskonzept lediglich eine die Form unterstutzende farbliche Gestaltung vorgesehen hat Die ursprunglichen Entwurfe gelten als ein Beispiel fur sachlich funktionales Industriedesign der DDR Moderne 11 nbsp Rationell Mokkatasse mit blauer Mitropa BildmarkeBereits 1972 wurden die Dekore vom Amt fur industrielle Formgestaltung entgegen den Vorstellungen der Designer grundsatzlich uberarbeitet Man entwarf eine Auswahl von verschiedenen Dekoren Vignetten und Signets die fur die unterschiedlichsten Verwendungszwecke in der Gastronomie eingesetzt werden sollten 12 Fur die Mitropa kamen beispielsweise zwei Dekorvarianten zum Einsatz wahrend fur das Standardgeschirr ein gruner Mitropa Schriftzug verwendet wurde entwickelte man fur Restaurants mit vorwiegend auslandischem Publikum ein Signet mit einem blauen M und einer Rad Bildmarke Wort und Bildmarken fur Rationell Geschirr sind unter anderem fur den Palast der Republik Auerbachs Keller fur den Konsum und die Centrum Warenhauser die Charite oder das Gesundheitswesen Berlin entwickelt worden 13 Die unterschiedlichen Streifen und Banddekore wurden flachendeckend in der Gastronomie und in den Kantinen eingesetzt wahrend die Golddekore der gehobenen Gastronomie vorbehalten waren 12 Das Geschirrservice Rationell war anfanglich nicht fur den Verkauf in der Bevolkerung vorgesehen Als eine Massnahme zur Behebung des Mangels an Konsumgutern in der DDR wurde Ende der 1970er Jahre beschlossen die Kaffeeportionskannchen auch im Einzelhandel zu vertreiben Dazu wurden vom Amt fur industrielle Formgestaltung haushaltsfreundliche Schiebebilddekore entwickelt 10 die von grafischen Ornamenten Zierleisten floralen naturalistischen bis zu Zwiebelmuster Dekoren reichten Gleichzeitig konnten mit den flachigen Dekoren auch kleine Produktions und Glasurfehler kaschiert werden die bei dekorfreien Geschirrteilen als Makel offensichtlich in Erscheinung getreten waren 14 Dekoriertes Geschirr konnte im Handel besser und hochpreisiger verkauft werden zumal es in den 1970er Jahren eine verstarkte Nachfrage nach farbstarken Dekoren im In und Ausland gab und dekorfreies Porzellan in dieser Zeit kaum Abnehmer fand 15 Margarete Jahny bezeichnete die Verwendung der bunten und floralen Schiebebilddekore spater als entsetzlich 16 Rezeption BearbeitenNach der Deutschen Wiedervereinigung wurde das ehemals flachendeckend verbreitete Geschirr fast uberall ausgesondert Die Produktion der Geschirrserie Rationell wurde 1990 eingestellt Mit Einsetzen der Ostalgie Welle in den 1990er Jahren besassen gerade omniprasente DDR Alltagsgegenstande eine identitatsstiftende Funktion 17 Rationell Geschirr wurde zum Kult und Sammelobjekt 18 Das Geschirrservice Rationell wird heute in verschiedenen Designmuseen und Museen der Alltagskultur in der Dauerausstellung gezeigt unter anderem im Grassi Museum fur Angewandte Kunst in der Munchener Pinakothek der Moderne oder im DDR Museum 19 Literatur BearbeitenGunter Hohne Den Deckel hab ich wohl allein es fehlt die Schnaupe In Gunter Hohne Hrsg Die geteilte Form Deutsch deutsche Designaffaren 1949 1989 Fackeltrager Koln 2009 ISBN 978 3 7716 4421 5 S 146 149 Sophia Ludolph Ideologien und Kannchen Die Ambivalenz ostdeutscher Produktkultur am Beispiel des Kaffeekannchens rationell In Gesellschaft fur Universitatssammlungen e V Hrsg Junges Forum fur Sammlungs und Objektforschung Band 3 Berlin 2019 ZDB ID 2913915 6 S 81 91 Digitalisat PDF 409 kB Einzelnachweise Bearbeiten Sophia Ludolph Ideologien und Kannchen Die Ambivalenz ostdeutscher Produktkultur am Beispiel des Kaffeekannchens rationell In Junges Forum fur Sammlungs und Objektforschung Band III Berlin 2019 S 83 Hein Koster Margarete Jahny Formen fur die Lebenszwecke im Alltag In Britta Jurgs Hrsg Vom Salzstreuer bis zum Automobil Designerinnen AvivA Berlin 2002 ISBN 978 3 932338 16 8 S 163 177 a b c Gunter Hohne Die geteilte Form deutsch deutsche Designaffaren 1949 1989 Fackeltrager Koln 2009 ISBN 978 3 7716 4421 5 S 146 f a b Frank Groneberg Kaffeekannchen aus Furstenberg 24 August 2012 abgerufen am 14 Marz 2020 Hunderte von Varianten Entwurfsskizze Portionskannchen Rationell Abb 9 In Zeithistorische Forschungen Abgerufen am 14 Marz 2020 Kaffeekannchen RATIONELL grun FORMOST Abgerufen am 14 Marz 2020 Sophia Ludolph Ideologien und Kannchen Die Ambivalenz ostdeutscher Produktkultur am Beispiel des Kaffeekannchens rationell In Junges Forum fur Sammlungs und Objektforschung Band III Berlin 2019 S 82 Gunter Hohne DDR Design Komet Koln 2006 ISBN 978 3 89836 587 1 S 132 Anja Steinhorst Speisen auf Reisen Essen und Trinken im Umfeld der Eisenbahn Hrsg Deutsches Technikmuseum Berlin 2004 S 82 a b Asthetik des Nutzlichen In Industrieform DDR 30 Januar 2014 abgerufen am 14 Marz 2020 Sophia Ludolph Ideologien und Kannchen Die Ambivalenz ostdeutscher Produktkultur am Beispiel des Kaffeekannchens rationell In Junges Forum fur Sammlungs und Objektforschung Band III Berlin 2019 S 89 a b Gunter Hohne Die Anmut des Rationalen Margarete Jahny Metall Glas Keramik Design fur die Serie 1951 1990 Hrsg Design Zentrum Sachsen Anhalt Dessau 1998 ISBN 978 3 930410 10 1 S 58 f Rationell Kannchen Dekorvielfalt Signet Logo Abgerufen am 14 Marz 2020 Siegfried Heinz Begenau Funktion Form Qualitat Zur Problematik einer Theorie der Gestaltung des Designs Hrsg Zentralinstitut fur Gestaltung Berlin 1967 S 59 Ideenreiches Glas und Porzellan Angebot auf der Leipziger Messe In Die Schaulade Band 2 1972 S 253 Gunter Hohne Penti Erika und Bebo Sher Klassiker des DDR Designs Schwarzkopf und Schwarzkopf Berlin 2001 ISBN 978 3 89602 320 9 S 63 Frank Thomas Grub Wende und Einheit im Spiegel der deutschsprachigen Literatur ein Handbuch De Gruyter Berlin 2003 ISBN 978 3 11 020163 5 S 563 573 Kai Uwe Scholz Designgeschichte Kost the Ost DDR Design vom Trabbi bis zum Teeservice In Design Report Magazin fur Form und Funktion Sinn und Wert Band 2 2002 S 60 65 Zu gut fur die Marktwirtschaft Superfest oder das Mitropageschirr aus Colditz Abgerufen am 13 Dezember 2020 deutsch Weblinks BearbeitenDDR Museum Glanzlichter des DDR Designs Das Gastronomiegeschirr Rationell Eintrag zum Sortiment Rationell bei MuseumDigital Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rationell Geschirrservice amp oldid 225069625