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Als Romischer Zentralismus wird in katholischen Kreisen die seit dem 11 Jh mit Papst Gregor VII begonnene Durchsetzung der Autoritat des Papsttums dictatus papae 1075 in der Kirche verstanden Die romische Papstidee hat zweifellos Wurzeln im Imperium Romanum Sie nimmt fur sich jedoch in Anspruch dass sie im Ergebnis besonders die Anspruche des Kaisertums und weltlich totaler Staatsideen uberhaupt in Frage stellt Der vielhundertjahrige Konflikt der Papste mit den Staatsautoritaten eskalierte im mittelalterlichen Investiturstreit schien aber am Vorabend der franzosischen Revolution mit dem Sieg des Absolutismus zu Ende zu gehen Sogar die kirchlichen Befugnisse der Papste in den katholischen Monarchien Habsburg Frankreich Spanien Portugal waren auf ein Minimum gesunken weiter abgeschwacht durch das Jesuitenverbot 1773 Die fortschreitende Konzentration der Papste auf ihren geistlichen Fuhrungsanspruch 1870 Dogma von der Unfehlbarkeit begrundete aber schrittweise einen Wiederaufstieg Das Papsttum war noch nie in seiner Geschichte so universal prasent wie wahrend der Pontifikate im 20 Jh namentlich unter Papst Johannes Paul II Weite Teile der wissenschaftlichen Theologie sehen den Romischen Zentralismus jedoch im kirchlichen Alltag ein Hindernis fur Okumene Pluralismus und soziales Engagement vor Ort So haben z B 1989 mehr als 200 Theologieprofessoren aus dem deutschsprachigen Raum mit der Kolner Erklarung ihre Kritik am zentralistischen Kurs ihrer Kirche zum Ausdruck gebracht Der Text spricht von einer fortschreitenden Entmundigung der Teilkirchen 1 Kern dieser Kritik ist dass der Papst in unzulassiger Weise versuche die lehramtliche sowie rechtliche und disziplinarische Kompetenz seines Amtes zu uberziehen Traditionelle auch rechtlich festgeschriebene Rechte der Mitwirkung der Bischofe wurden vom Vatikan missachtet Dieser neue romische Zentralismus ersticke die Offnung der katholischen Kirche 2 Die konservative Seite antwortet auf die Kritik haufig mit besonders intensiven Loyalitatsbekundungen Der Zentralismus habe sich kulturgeschichtlich als der einzige Weg erwiesen um der Ausubung der Religion ihren geistlichen Vorrang vor den Angelegenheiten der Politik zu sichern Libertas ecclesiae Zentralismus musse nicht bedeuten dass jedes burokratische Detail in Rom entschieden werden soll obwohl das im Zeitalter der Weltkonzerne moglich ware Der einzige in der Offentlichkeit erkennbare Unterschied zu anderen christlichen Konfessionen namlich der geistliche Fuhrungsanspruch des Papsttums ware als bloss abstraktes Prinzip unfruchtbar Mit Ausnahme mancher evangelischer Freikirchen habe noch keine Kirche ohne Papst innerhalb des christlichen Spektrums eine grossere Widerstandsfahigkeit gegenuber den totalitaren Anspruchen moderner Staaten erlangen konnen als der Katholizismus Bei einer Bewertung des Romischen Zentralismus mussen Reformschritte Berucksichtigung finden die das Zweite Vatikanische Konzil in Richtung Kollegialitat und Dezentralisierung gegangen ist So heisst es z B in der Kirchenkonstitution Lumen gentium bezuglich der Leitung der einzelnen Teilkirchen Die Bischofe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat Zuspruch Beispiel aber auch in Autoritat und heiliger Vollmacht die sie indes allein zum Aufbau ihrer Herde in Wahrheit und Heiligkeit gebrauchen Lg 27 In seinem 2013 veroffentlichten apostolischen Schreiben Evangelii gaudium bedauert Papst Franziskus dass fur die Bischofskonferenzen entgegen dem Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils noch immer keine Satzung existiert die sie als Subjekte mit konkreten Kompetenzbereichen versteht auch einschliesslich einer gewissen authentischen Lehrautoritat 3 Und weiter heisst es in Evangelii gaudium Es ist nicht angebracht dass der Papst die ortlichen Bischofe in der Bewertung aller Problemkreise ersetzt die in ihren Gebieten auftauchen In diesem Sinn spure ich die Notwendigkeit in einer heilsamen Dezentralisierung voranzuschreiten Eg 16 dd Das will der Papst auf dem Weg der Synodalitat erreichen In einer Rede zum 50 jahrigen Bestehen der Einrichtung der Bischofssynode durch das Zweite Vatikanische Konzil sagte er im Oktober 2015 Die Welt in der wir leben verlangt von der Kirche eine Steigerung ihres Zusammenwirkens in allen Bereichen ihrer Sendung Genau dieser Weg der Synodalitat ist das was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet Ich bin uberzeugt dass in einer synodalen Kirche auch die Ausubung des petrinischen Primats besser geklart werden kann Der Papst steht nicht allein uber der Kirche sondern er steht in ihr als Getaufter unter den Getauften 4 Diese Formulierungen stehen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem 1931 in der Sozialenzyklika Quadragesimo anno ausformulierten Subsidiaritatsprinzip Danach sollen Aufgaben und Probleme so weit wie moglich von der kleinsten Gruppe bzw der untersten Ebene einer Organisationsform unternommen werden Nur wenn sie dazu nicht in der Lage sind soll die nachsthohere Ebene unterstutzend eingreifen Dass dieses in der katholischen Soziallehre so gewichtige Prinzip auch fur die Kirche selbst Geltung haben musste wurde zwar immer wieder gefordert aber nur in geringem Masse realisiert Immerhin hatte sogar schon Pius XII die Subsidiaritatsdefinition als wahrhaft lichtvolle Worte bezeichnet die fur alle Stufen des gesellschaftlichen Lebens Geltung haben mussten und gefolgert sie gelten auch fur das Leben der Kirche unbeschadet ihrer hierarchischen Struktur 5 Oswald von Nell Breuning der massgeblich am Zustandekommen von Quadragesimo anno beteiligt war interpretierte dies in einem Artikel uber Subsidiaritat in der Kirche so dass das Subsidiaritatsprinzip sich nicht nur mit der hierarchischen Struktur der Kirche vertragt sondern zu dieser Struktur gehort 6 Literatur BearbeitenFranz Xaver Kaufmann Romischer Zentralismus Entstehung Erfolg Gefahren Publikation Universitat Bielefeld 2002 Medard Kehl Zum jungsten Disput um das Verhaltnis von Universalkirche und Ortskirche in Walter Peter Hrsg Kirche in okumenischer Perspektive Kardinal Walter Kasper zum 70 Geburtstag Freiburg i Br Basel Wien 2003 S 81 101 Andreas R Batlogg Synodale Kirche In Stimmen der Zeit Heft 2 Februar 2016 S 1f Michael Theobald Der romische Zentralismus und die Jerusalemer Urgemeinde in Theologische Quartalschrift Bd 180 2000 S 225 228 Daniel Eckers Subsidiaritat in der Kirche Eine theologiegeschichtliche Skizze in Wils Jean Pierre Zahner Michael Hrsg Theologische Ethik zwischen Tradition und Modernitatsanspruch Festschrift fur Adrian Holderegger zum sechzigsten Geburtstag Fribourg Freiburg i Br Wien 2005 S 269 295Weblinks BearbeitenGunnel Vallquist Die Methoden der Romischen Kurie Michael Bohnke Theologische Anmerkungen zur Geltung des Subsidiaritatsprinzips in der Kirche in http www theologie und kirche de boehnke pdfEinzelnachweise Bearbeiten Michael Jacquemain Vor 25 Jahren wurde die Kolner Erklarung veroffentlicht in http www katholisch de aktuelles aktuelle artikel wider die entmundigung Vgl auch Gerhard Kruip Weniger Zentralismus in der Kirche in http www bistum essen de start nachrichtenueberblick ueberblick detailansicht artikel gerhard kruip weniger zentralismus in der kirche html Apostolisches Schreiben EVANGELII GAUDIUM des Heiligen Vaters Papst Franziskus hrsg vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz Bonn 2013 Nr 32 Eg 32 Papst Franziskus zit nach Andreas R Batlogg Synodale Kirche In Stimmen der Zeit Heft 2 Februar 2016 S 1f Acta Apostolicae Sedis 38 1946 S 151 zit nach Michael Bohnke Theologische Anmerkungen zur Geltung des Subsidiaritatsprinzips in der Kirche in www theologie und kirche de boehnke pdf Oswald von Nell Breuning Subsidiaritat in der Kirche in Stimmen der Zeit Heft 3 Marz 1986 S 147 157 157 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Romischer Zentralismus amp oldid 231586406