Unter einem Qualitätsopfer versteht man im Schach das Opfer eines Turmes für einen Läufer oder einen Springer. Qualität bezeichnet dabei den Mehrwert des Turmes gegenüber der jeweils eingetauschten Figur.
Qualitätsopfer können – wie die übrigen Opfer im Schach auch – taktisch oder strategisch motiviert sein. Während ein taktisches Qualitätsopfer dem Zweck eines Materialgewinns oder direkten Angriffs auf den gegnerischen König dienen kann, ist ein strategisches (oder positionelles) Qualitätsopfer auf längerfristige, strategische Ziele ausgerichtet. Es dient beispielsweise der Schwächung der gegnerischen Bauernstruktur oder von Felderkomplexen; man opfert für eine langanhaltende Initiative oder auch strategische Merkmale wie den Besitz des Läuferpaars.
Der frühere Schachweltmeister Tigran Petrosjan war in den 1950er und 1960er Jahren berühmt für seine positionellen, oft defensiv motivierten Qualitätsopfer. In jüngerer Zeit machte der FIDE-Weltmeister von 2005, Wesselin Topalow, mit vergleichsweise häufigen Qualitätsopfern Furore.
Beispiele Bearbeiten
Die folgenden Beispiele sollen die verschiedenen charakteristischen Merkmale positioneller Qualitätsopfer verdeutlichen:
Kampf um das Zentrum und Figurenaktivität Bearbeiten
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Die Partiestellung aus Diagramm 1 ist typisch für eine relativ selten gespielte Variante der Sizilianischen Verteidigung. Die schwarze Spielidee basiert auf dem Kampf gegen den weißen Bauern auf e5, der die Koordination der schwarzen Figuren bislang entscheidend unterbindet. Das vorherige schwarze Turmmanöver Ta8–b8–b4 dient vorwiegend dem Zweck, einen wichtigen Verteidiger der weißen Zentralstellung aus dem Weg zu räumen: den Läufer auf f4. Der niederländische Großmeister Gennadi Sosonko opferte mit 17. … Tb4xf4 die Qualität und eroberte nach 18. Dg3xf4 Lg7xe5 den wichtigen Zentralbauern. Zwei Züge später (Diagramm 2) hatte sich das Stellungsbild grundlegend gewandelt: Der schwarze Königsläufer dominiert die schwarzen Felder, der vorher passive Sf7 strebt über d6 nach e4 und das Bauernübergewicht im Zentrum nimmt den weißen Figuren wichtige Felder. Schwarz steht bereits besser. Sosonko gewann die Partie nach 39 Zügen.
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Das Partiebeispiel aus dem dritten Diagramm zeigt das typische sizilianische Qualitätsopfer Turm gegen Springer auf dem Feld c3, hier in der Sosin-Variante, in der Weiß unter anderem versucht, mit frühem f2–f4–f5 das Feld d5 zu schwächen. Mit seinem letzten Zug 14. Sg3–h5 möchte Alexander Bangiev den Springer auf f6 abtauschen, einen Verteidiger des Schlüsselfeldes d5. Er hätte allerdings statt 14. Sg3–h5 besser seine Dame nach d3 beordert, um seine Zentrumsstellung zu festigen; es folgte das Opfer 14. … Tc8xc3, wonach der Bauer e4 fiel: 15. b2xc3 Sf6xe4. Schwarz droht, gegebenenfalls mit d6–d5 die Position weiter zu öffnen, und dominiert mit seinem Bauernzentrum und dem Läuferpaar die Position (Diagramm 4). Bangiev setzte mit 16. Dd1–g4 fort und verlor in 42 Zügen (auf 16. Sh5xg7+ Ke8–f8 17. Sg7–h5 folgt Dd8–b6 mit überlegener schwarzer Stellung).
Felderschwächen Bearbeiten
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Im Weltmeisterschaftskampf Karpow gegen Kasparow, im Jahre 1990, ergab sich nach Karpows Zug 13. c4–c5 die kritische Stellung (Diagramm 1). Resultierend aus der Königsindischen Verteidigung hat Weiß eine gut zentralisierte Position und die Bauernmajorität am Damenflügel, und der schwarze Isolani auf d5 ist zuverlässig blockiert. Mit seinem nächsten Zug leitete Kasparow unter Qualitätsopfer sein Gegenspiel ein: 13. … Te8xe3!? Aufgrund der gelockerten Bauernstruktur hat Weiß schwarzfeldrige Schwächen, die durch den wichtigen Damenläufer auf e3 zuverlässig überdeckt wurden. Nach der Partiefolge 14. Dd2xe3 Dd8–f8 bedroht Schwarz den Bauern auf c5 und steht bereit, bei Bedarf den Läufer von g7 auf die Diagonale h6–c1 zu überführen. Im Gegensatz zu den vorherigen Beispielen hat der Opfernde keinen zusätzlichen Bauern erobert, allein die Initiative auf den geschwächten Feldern bringt die Stellung in ein dynamisches Gleichgewicht. Nach weiteren acht Zügen (Diagramm 2) wickelte Kasparow unter Figuren- und Turmopfer ins Remis ab: 23. Df2xd4 Th4xh2+ mit nachfolgendem Dauerschach mittels De7–h4+.
Initiative Bearbeiten
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Der FIDE-Weltmeister Wesselin Topalow demonstrierte 2006 im Traditionsturnier von Wijk aan Zee ein in häuslicher Vorbereitung erarbeitetes Qualitätsopfer, das ihm eine langanhaltende Initiative und gute praktische Chancen bot. Gegen den Armenier Levon Aronjan war nach 17 Zügen eine scheinbar ausgeglichene Position mit symmetrischer Bauernverteilung entstanden.(Diagramm 1). Mit dem Opfer 18. Te1xe4 wandelte sich die resultierende Stellung komplett: Nach 18. … d5xe4 19. Sf3–e5 Dd8–d5 20. Dd1–e1 Lc8–f5 21. g3–g4 Lf5–g6 22. f2–f3 b5–b4 23. f3xe4 Dd5–e6 24. Lc3–b2 (Diagramm 2) hatte Topalow den Bauern e4 erobert und erhielt ein bewegliches Bauernzentrum. Hinzu kamen Angriffschancen auf den schwachen Bauern c6, unterstützt vom weißen Läuferpaar, das aus dem Hintergrund die Bauern unterstützte. Aronjan zeigte sich dem weißen Druck nicht gewachsen und verlor nach weiteren 20 Zügen deutlich, als sich das Bauernpaar c5 und d4 nach einem weiteren Qualitätsopfer im 36. Zug, ebenfalls auf e4, unaufhaltsam zur Umwandlung in Bewegung setzte.
Blockade und Springerdominanz Bearbeiten
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Der "Klassiker" des positionellen Qualitätsopfers datiert aus dem Jahre 1953, gespielt beim Kandidatenturnier von Zürich. Zehn Jahre vor seinem ersten Weltmeistertitel sieht sich Tigran Petrosjan gegen den Amerikaner Samuel Reshevsky einem beweglichen Bauernpaar mit Raumvorteil im Zentrum gegenüber, der Bauer auf d4 ist zudem noch ein gedeckter Freibauer. Sollte Weiß ungehindert den Vorstoß d4–d5 durchsetzen können, wird der Schwarze weiter in die Defensive gedrängt und bald hoffnungslos stehen. Mit seinem unerwarteten, „passiven“ Qualitätsopfer 25. … Te7–e6 verfolgt Petrosjan zwei wesentliche Ziele: Er räumt seinem Springer das Feld e7, von dem aus er sein ideales Feld d5 ansteuern soll. Außerdem möchte er mit dem Tausch des Läufers auf g4 gegen den Turm auf e6 die einzige weiße Figur vom Brett nehmen, die den zentralen Springer auf d5 bedrohen oder abtauschen könnte. Nur drei Züge später hatte Petrosjan sein Ziel erreicht (Diagramm 2): Der Springer hat sein Idealfeld erreicht, von dem er nicht zu vertreiben ist, außerdem unterstützt er das Gegenspiel der Bauernmehrheit am Damenflügel. Im Gegensatz dazu stehen die weißen Türme unkoordiniert auf der nunmehr starren e-Linie, der Läufer auf b2 ist ein „schlechter“, da er von seinen eigenen Bauern blockiert wird. Reshevsky sah sich im weiteren Verlauf gezwungen, einen Turm gegen den die weißen Felder beherrschenden schwarzen Läufer zurückzuopfern und die Partie endete im Endspiel mit der Teilung des Punktes.