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Phantasien im Bremer Ratskeller Ein Herbstgeschenk fur die Freunde des Weines sind Titel und Untertitel einer 1827 veroffentlichten 1 satirischen Erzahlung Wilhelm Hauffs uber burlesk spukhafte Erscheinungen im Delirium eines nachtlichen Trinkgelages Inhaltsverzeichnis 1 Uberblick 2 Inhalt 3 Form 4 Autobiographische Bezuge 5 Rezeption 6 Adaption 7 Literatur 8 Weblinks 9 Einzelnachweise und AnmerkungenUberblick BearbeitenDen ersten September wahlt der Erzahler ein Doktor der Philosophie nach der Tradition seines Grossvaters zum Schalttag d h zum Reflexionstag uber sein Leben in diesem Fall ist es eine Gedachtnisnacht im Bremer Ratskeller Er will seine Gastfreunde nicht mit seiner Schwermut uber eine nicht erwiderte Liebe belasten und steigt deshalb in dieser Nacht allein in den Weinkeller unter dem Rathaus Im ersten Abschnitt der Erzahlung trinkt er sich bei der Besichtigung der alten Weinfasser in Stimmung im zweiten erinnert er sich sentimental wehmutig an seine Lebensphasen Dann treten in menschlicher Gestalt die Weingeister der alten Fasser auf feiern sich selbst und erzahlen von alten Sagen Er hort ihnen zu und sie befragen ihn uber die Neuzeit Die Veranderungen werten sie als Verweichlichung Kunst und Literatur interessiert sie abgesehen von den Trinkliedern nicht Mit seiner endgultigen Abweisung durch die Umworbene am nachsten Morgen schliesst sich fur den Erzahler der Handlungskreis Inhalt Bearbeiten Inhalt 1Wahrend seine Seele auf Unserer Lieben Frauen Kirchhof nachwandelt 2 betritt er am 1 September um zehn Uhr allein den Ratskeller und lasst sich vom Ratsdiener in die Weinkeller fuhren Er verweilt vor dem Bacchusfass mit der wie lebendig wirkenden darauf sitzenden Skulptur des Weingottes Im Apostelkeller nimmt er Kostproben aus den zwolf nach den Aposteln benannten Fassern und im Rosekeller trinkt er Wein aus dem Rosefass Dann verlasst ihn der Diener denn ihn gruselt vor dem Spuk der Nacht und schliesst ihn in dem Keller ein 2 T ief unten im Schosse der Erde ausserhalb der Gesellschaft lasst er bei jedem Glas Wein eine Epoche seines Lebens Revue passieren Die bemutterten Wiegentage und die Wonnezeit holder Traume der Kindheit Die Phase der Jugend mit dem Tod des Vaters und den von den Brudern als Wurfgeschosse missbrauchten Bucher des Grossvaters Die Zeit mit den Genossen jener Tage wo kein Rang kein Stand kein Ansehen galt wahrend jetzt viele Kameraden im Gegensatz zu ihm in Amt und Wurden sind Die Pubertat mit den an der Literatur der Klassiker angelesenen ubersteigerten Erwartungen den ersten missgluckten Liebeserfahrungen Das hohe edle rohe barbarische liebliche unharmonische gesangvolle zuruckstossende und doch so mild erquickende Leben der Burschenjahre und die Verwirrungen der unberechenbaren Liebschaften 3 3In menschlicher Gestalt und altertumlicher Kleidung treten die zwolf Apostel Weingeister auf und versammeln sich mit dem holzernen nackten Bacchus und seiner Freundin der nach dem Vorbild ihres Fasses beleibten Jungfer Rosalia zum Trinkgelage und zur Feier der rheinlandischen Rebenlandschaft und Weinkultur Kellermeister Balthasar fullt immer wieder die Romer Glaser nach Sie singen Lieder und lassen einander und die schonen alten Zeiten hochleben Damals tranken die Menschen unvermischten und nicht wie jetzt mit spanischem Sussen vermischten Rheinwein Heute schatzen die Bremerinnen bei ihren Kranzlein dagegen allerlei miserables Zeug Tee und dergleichen was man fruher nur gegen Hustlein und sonstige Beschwerden verabreichte In Erinnerung an die Trinkfestigkeit und die hohe Eichung der Vorfahren erzahlt Jungfer Rose eine Geschichte aus dem Dreissigjahrigen Krieg Gesandte des Konigs Gustav Adolf verhandelten mit den Stadtraten uber den Durchzug der schwedischen Truppen Der Vertrag sollte nach Bremer Brauch im Weinkeller ausgehandelt werden Dazu entsandten beide Seiten trinkfeste Vertreter Am Ende waren die meisten betrunken eingeschlafen und es blieben nur des Konigs Reitknecht Balthasar Ohnegrund und der Zirkelschmied Walther im Trinkwettbewerb Walther siegte fur die Bremer denn er hatte auf seinem Kopf einen silbernen Hahn installiert durch den er immer wieder den Weingeist entstromen liess Da er aber seinen Gegner wegen seiner Kunst im Trinken lieb gewonnen hatte bot er ihm das Amt des Kellermeisters an Mit den benebelten Schweden schlossen die Bremer einen zweideutigen Vertrag ab so dass man es mit dem Kaiser nicht verdarb Anschliessend erzahlt der Kellermeister Geist wie er seine Seele dem Teufel gegen lebenslangen Weingenuss verkaufte Jetzt bewirtet seine Seele im Kellergewolbe die Weingeister Als es zwolf Uhr schlagt erscheint der riesige steinerne Roland in der Halle und freut sich dass man wie ihm der Erzahler versichert seine Heldentaten noch kennt So haben wir nicht vergebens gelebt alter Karl die Nachwelt feiert unsere Namen Bacchus ruhmt den Kaiser Karl weil er Reben aus sudlichen Landern im Rheingau anpflanzen liess und der Erzahler singt ein Rhein Wein Lied Darauf fordern ihn die Geister auf vom jetzigen Leben auf der Erde zu berichten Er will mit der deutschen Literatur und dem Theater beginnen doch das interessiert die Zuhorer nicht Sie wollen etwas Welthistorisches horen aber ausser dem Dekabristenaufstand in Petersburg der Wiederzulassung des Jesuiten Ordens durch die Restauration in Frankreich und dem Freiheitskampf der Griechen gegen die Osmanen kann er nichts finden Roland ist zornig als er hort dass die anderen europaischen Staaten die Griechen nicht unterstutzen und verlasst den Weinkeller Die Geister sind froh dass der Storenfried ihrer Freudigkeit gegangen ist und Bacchus beginnt einen Kreiseltanz mit Jungfer Rose Dann spannen die Apostel ein Tuch legen den Erzahler darauf und schleudern ihn durch die Decke und das Dach des Rathauses hoch in die Luft Nach dem Fall landet er betaubt und mit Kopfschmerzen auf dem Fussboden Der Spuk ist verschwunden und er weiss nicht ob alles nur getraumt war oder wirklich geschehen ist Um sechs Uhr schliesst der Ratsdiener die Kellertur auf Die Nacht des Doktors als einsamer Trunkenbold im Weinkeller hat sich in der Stadt schnell herumgesprochen und als er am Morgen sein geliebtes Fraulein besucht wird er kalt abgewiesen Er solle seinen Rausch ausschlafen Gekrankt daruber dass sie ihn nicht zur Rede stellte und ihm keine Gelegenheit zu einer Erklarung gab eilt er zum Gasthof zur Stadt Frankfurt zuruck und reist noch am selben Tag ab Form Bearbeiten nbsp Bacchusfigur im Bremer RatskellerIm Rahmen einer rauschhaften Nacht wahrend seines Aufenthalts in Bremen erlebt der Ich Erzahler im Weinkeller bei zunehmender Trunkenheit phantastische Spukbilder und eine Verwischung der Grenzen zwischen Realitat und Irrealitat Biedermeierlich mute die Verschmelzung von Elementen des Rokoko und der Romantik an wenn einerseits Gestalten der christlichen und klassischen Mythologie spielerisch allegorisch und frivol theatralisch aufgeputzt erscheinen andererseits in Anlehnung an E T A Hoffmann das Unwirkliche als real und das Wirkliche als irreal dargestellt wird 4 Autobiographische Bezuge BearbeitenHauff verarbeitet in seinen Phantasien seine Erlebnisse eines Aufenthalts in Bremen im Spatsommer 1826 v a ein vom Burgermeister zu Ehren des Gastes veranstaltetes Gelag im Ratskeller am 2 September Die als Rahmen gesetzte ungluckliche Liebesgeschichte bezieht sich auf Hauffs Ablehnung von Josefe Stolberg die zu Besuch im Gildenmeisterhaus am Unserer Lieben Frauen Kirchhof war Hier nachtwandelt die Seele des Erzahlers 5 In den Lebenserinnerungen des Erzahlers findet man Ahnlichkeiten zur Biographie des Autors Als Hauff sieben Jahre alt war starb sein Vater und die Mutter zog mit den vier Kindern zum Grossvater nach Tubingen Erfahrungen der Burschenjahre konnte der Autor als Mitglied der Burschenschaft Germania Tubingen sammeln Rezeption Bearbeiten nbsp A M Mailick Hauff s Phantasien im Bremer Ratskeller um 1910Hauffs Erzahlung wurde von der Literaturkritik sehr zustimmend aufgenommen 6 Der Rezensent des Litteraturblattes 7 schrieb So leicht das Ganze hingeworfen ist so tief und sinnig ist die zu Grunde liegende Idee die Begeisterung des Trinkers nach allen Seiten in ihren weichen Regungen und in ihren wilden grellen Ausbruchen mit ihren frohlichen Bildern und Klangen und mit ihren schwarzen Phantasien ihren dumpfhohlen Tonen darzustellen Die gemutliche Beschauung des inneren und ausseren Lebens bei den ersten Glasern ist ebenso ruhrend als die mancherlei Begegnisse Verhandlungen Gruppen und Verschlingungen der vom Weingeist vollig Besessenen komisch sind 8 Der erste Herausgeber der Erzahlung Willibald Alexis lobte den satirischen Charakter der sich hinter den scheinbar delirierenden Ausserungen verbirgt Welcher frische Dichtergeist atmete darin neben einer geadelten Satire Sie haben allgemeine Anerkennung gefunden 9 Die Reihe der satirisch kritischen Ausfalle gegen die herrschenden gesellschaftlichen und einige literarische Zustande in Deutschland zeuge von hohem politischen Bewusstsein des Autors 10 Adaption BearbeitenHorbuch Lesung mit Hans Paetsch ca 1 St 24 Min NDR Kultur Der Audio Verlag 1 Edition 16 Marz 2022 Literatur BearbeitenZu den Ausgaben der Primarliteratur siehe den Abschnitt Literatur im Hauff Artikel Heinrich Tiedemann Wilhelm Hauff in Bremen Die Entstehung der Phantasien im Premer Ratskeller in Abhandlungen und Vortrage der Bremer Wissenschaftlichen Gesellschaft 3 Jgg Heft 1 2 Mai 1929 Auch als Separatdruck erschienen Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Phantasien im Bremer Ratskeller Quellen und Volltexte Werke von Phantasien im Bremer Ratskeller bei Zeno org Werke von Phantasien im Bremer Ratskeller im Projekt Gutenberg DEEinzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten in Willibald Alexis Berliner Conversationsblatt fur Poesie Literatur und Kritik Nr 90 103 und in abweichender Form 1827 in der dreibandigen Sammlung Novellen bei Franckh in Stuttgart Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv zitiert nach Wilhelm Hauff Phantasien im Bremer Ratskeller In Werke in einem Band Hanser Verlag Munchen Wien 1981 S 1 56 zitiert nach Wilhelm Hauff Phantasien im Bremer Ratskeller In Werke in einem Band Hanser Verlag Munchen Wien 1981 S 13 ff Kindlers Literaturlexikon im dtv in 25 Banden Bd 17 S 7437 Wilhelm Hauff Werke in einem Band Hanser Verlag Munchen Wien 1981 Anhang S 723 Kindlers Literaturlexikon im dtv in 25 Banden Bd 17 S 7437 Beilage zum Morgenblatt Nr 101 vom 18 Dezember 1827 In Einleitung der Herausgebers Max Mendheim W Hauffs Werke Bd II 1891 zitiert in Wilhelm Hauff Werke in einem Band Hanser Verlag Munchen Wien 1981 Anhang S 723 Kindlers Literaturlexikon im dtv in 25 Banden Bd 17 S 7437 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Phantasien im Bremer Ratskeller amp oldid 229490086