www.wikidata.de-de.nina.az
Paul Ernst Wilhelm Oertmann 3 Juli 1865 in Bielefeld 22 Mai 1938 in Gottingen war ein deutscher Zivilrechtler Bekannt wurde er vor allem durch seine 1921 erschienene Schrift Die Geschaftsgrundlage Ein neuer Rechtsbegriff Oertmann schuf mit der Geschaftsgrundlage ein Rechtsinstrument zur Bewaltigung der bis dahin stark umstrittenen Einrede veranderter Umstande das sich fortan immer fester in Rechtsprechung und Lehre etablieren konnte Seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002 ist die Lehre von der Geschaftsgrundlage in 313 BGB schliesslich auch positivrechtlich ausdrucklich geregelt und bildet eine defensiv anzuwendende Ausnahme zum Grundsatz Pacta sunt servanda Vertragseinhaltungsgebot Gottingen Stadtfriedhof Grab Paul Oertmann Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Wirken 3 Schriften 4 Literatur 5 Einzelnachweise 6 WeblinksLeben BearbeitenOertmann wurde als Sohn des Fabrikbesitzers August Oertmann und seiner Mutter Emma Graf geboren 1 Am 25 Oktober 1902 heiratete er Lotte Windscheid die Tochter des Geheimrates Bernhard Windscheid 2 Die Lehre Windscheids von der Voraussetzung war eine wesentliche Vorgangerin der von Oertmann begrundeten Lehre von der Geschaftsgrundlage Nach dem Abitur in Bielefeld im Jahre 1884 studierte Oertmann an den Universitaten Berlin und Freiburg 1887 schloss er sein Referendarexamen in Berlin ab Im selben Jahr wurde er zum Doktor der Rechtswissenschaften Dr iur promoviert 1891 erlangte er in Leipzig zudem die Doktorwurde im Fach Philosophie Dr phil 1892 folgte seine rechtswissenschaftliche Habilitation auch in Berlin 1896 wurde Oertmann ausserordentlicher Professor in Berlin 1901 erhielt er schliesslich einen Ruf der Universitat Erlangen Dort lehrte und forschte er als ordentlicher Professor bis 1917 in den Gebieten Deutsches Burgerliches Recht Romisches Zivilrecht und Zivilprozessrecht In den Jahren 1908 1909 war Oertmann Prorektor in Erlangen Von 1918 bis 1934 hatte Oertmann einen Lehrstuhl fur Burgerliches Recht und Prozessrecht in Gottingen inne 1938 verstirbt er in Gottingen Wirken BearbeitenOertmann gelang es in der von Wahrungsverfall erschutterten Zeit nach dem Ersten Weltkrieg das Rechtsinstrument des Wegfalls der Geschaftsgrundlage einzufuhren Nachdem er noch 1914 in seiner Schrift Rechtsordnung und Verkehrssitte 3 versucht hatte veranderte Umstande wie z B eine von den Parteien vollig unerwartete Inflation uber die Auslegung des Vertrages zu berucksichtigen erkannte er in seiner Schrift Die Geschaftsgrundlage Ein neuer Rechtsbegriff von 1921 dass im deutschen Recht ein vollig neues Institut zur Herbeifuhrung eines angemessenen Interessenausgleichs unter den Parteien notwendig ist Das Reichsgericht ubernahm die Lehre von der Geschaftsgrundlage schon im Jahr nach der Einfuhrung der Geschaftsgrundlage am 3 Februar 1922 in seiner Entscheidung Vigognespinnerei 4 zur Berucksichtigung der Geldentwertung in einem Vertrag uber den Kauf einer Spinnerei In Rechtsliteratur und Rechtsprechung wurde die Rechtskreation als Oertmannsche Formel bekannt Bis heute stosst die Formel immer wieder auf Ablehnung wenn die Auffassung vertreten wird dass ein Leistungsglaubiger in einer freien Marktwirtschaft Verkalkulierungsrisiken selbst zu tragen hat Wurde bei der Bildung der Geschaftsgrundlage unter den Parteien nicht deutlich werden dass spatere Anderungen der objektiven Bedingungen hypothetisch schon jetzt im Willen aufgenommen werden sollen konne der Richter in der Nachbetrachtung nicht dazu gezwungen werden auf einen solchen hypothetischen Willen der Parteien abzustellen Erganzend zu Treu und Glauben sei letztlich doch die objektive Sachlage entscheidend Aufgrund dieser Erwagungen wird die Formel bis heute selten angewendet 5 Schriften BearbeitenDie Geschaftsgrundlage Ein neuer Rechtsbegriff Keip Reprint Goldbach 1995 Nachdr d Ausg Leipzig 1921 Grundriss des deutschen Zivilprozessrechts Keip Reprint Goldbach 1995 Nachdr d Ausg Leipzig 1930 Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach Burgerlichem Recht Zugleich ein Beitrag zu den Lehren von der Auslegung der Rechtsgeschafte und von der Revision Scientia Verlag Aalen 1971 Nachdr d Ausg Leipzig 1914 Der Vergleich im gemeinen Zivilrecht Scientia Verlag Aalen 1969 Nachdr d Ausg Berlin 1895 Literatur BearbeitenRudiger Brodhun Paul Ernst Wilhelm Oertmann 1865 1938 Leben Werk Rechtsverstandnis sowie Gesetzeszwang und Richterfreiheit Fundamenta juridica 34 Nomos Baden Baden 1999 ISBN 3 7890 6195 6 zugl Dissertation Universitat Hannover 1999 Uwe Diederichsen Paul Oertmann 1865 1938 Von der Pandektenwissenschaft zur modernen Zivilrechtsdogmatik In Loos Hrsg Rechtswissenschaft in Gottingen Gottinger Juristen aus 250 Jahren Gottingen Vandenhoeck amp Ruprecht 1987 ISBN 3 525 35836 9 S 385 412 Jurgen Vortmann Oertmann Paul In Neue Deutsche Biographie NDB Band 19 Duncker amp Humblot Berlin 1999 ISBN 3 428 00200 8 S 451 f Digitalisat Einzelnachweise Bearbeiten Herrmann A L Degener Hrsg Wer ist s Auflosung von ca 5000 Pseudonymen 10 Ausg Degener Verlag Berlin 1935 Braun Johann Wegfall der Geschaftsgrundlage BGH WM 1978 322 In JuS 1979 692 694 ISSN 0022 6939 Paul Oertmann Rechtsordnung und Verkehrssitte 1914 S 201 RGZ 103 328 332 Vergleiche zur Herleitung auch den Dampfpreisfall RGZ 100 129 Uwe Wesel Geschichte des Rechts Von den Fruhformen bis zur Gegenwart C H Beck Munchen 2001 ISBN 978 3 406 54716 4 S 468 470 469 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Paul Oertmann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Geschichte von Oertmanns Lehrstuhl an der Universitat Erlangen NurnbergNormdaten Person GND 117106437 lobid OGND AKS LCCN no96054815 VIAF 32765151 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Oertmann PaulALTERNATIVNAMEN Oertmann Paul Ernst Wilhelm vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher ZivilrechtlerGEBURTSDATUM 3 Juli 1865GEBURTSORT BielefeldSTERBEDATUM 22 Mai 1938STERBEORT Gottingen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Paul Oertmann amp oldid 230684418