www.wikidata.de-de.nina.az
Der Paritatsgrundsatz auch Paritatsprinzip oder religionsrechtliche Paritat ist ein im Staatskirchenrecht entwickeltes Gleichbehandlungsgebot der verschiedenen Religions und Weltanschauungsgemeinschaften Als Bevorzugungs und Benachteiligungsverbot ist der Paritatsgrundsatz wesentlicher Bestandteil der religios weltanschaulichen Neutralitat des modernen Verfassungsstaates Daneben wird der Begriff auch im Arbeitsrecht bei der Einordnung und Rechtfertigung von Arbeitskampfmassnahmen und im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung verwendet Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Grundlagen im Verfassungsrecht 3 Inhalt 3 1 Zweigliedrige Paritat 3 2 Dreigliedrige Paritat 4 Geltendmachung 5 Siehe auch 6 Literatur 7 VerweiseHerkunft BearbeitenIhren Anfang nahm die Entwicklung der religionsrechtlichen Paritat in den Religionskriegen des 16 und 17 Jahrhunderts als deren Ergebnis eine Entwicklung zunehmender Sakularisierung des Staates in Gang gesetzt wurde Im Verfassungsrecht des Heiligen Romischen Reiches Deutscher Nation ist denn auch erstmals im Augsburger Religionsfrieden und im Westfalischen Frieden eine reichsrechtliche Gleichbehandlung der damals anerkannten christlichen Konfessionen festgelegt 1 Durch die Gleichbehandlung der verschiedenen Konfessionen sollte eine friedliche Koexistenz im Gesamtstaat erreicht und gesichert werden 2 Grundlagen im Verfassungsrecht BearbeitenAls Spezialauspragung des Gleichheitssatzes nach Art 3 Abs 1 und 3 GG tritt der Paritatsgrundsatz neben diese Verfassungsbestimmungen Er wird in den gemass Art 140 GG inkorporierten Weimarer Kirchenartikeln in Verbindung mit Art 4 Abs 1 GG verortet 3 Ansatz in den Weimarer Kirchenartikeln ist Art 137 Abs 1 WRV mit seinem Staatskirchenverbot sowie Art 137 Abs 5 WRV der privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften bei Gewahr der Dauer den Korperschaftsstatus ermoglicht Inhalt BearbeitenEntsprechend den allgemeinen Lehren zum Gleichheitsgrundsatz umfasst die religionsrechtliche Paritat ein Gebot der Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem und ein Gebot der Ungleichbehandlung von wesentlich Ungleichem Damit ist nicht jegliche Ungleichbehandlung zwischen den Religionsgemeinschaften verfassungswidrig sondern nur die nicht durch sachgerechte Grunde zu rechtfertigende Ungleichbehandlung Eine Extremposition in der rechtswissenschaftlichen Diskussion ist die Statuierung eines absoluten Differenzierungsverbotes zwischen Religions und Weltanschauungsgemeinschaften Zwischen ihnen sei also staatlicherseits jegliche unterschiedliche Behandlung ungerechtfertigt sofern sie nicht ausdrucklich in der Verfassung erlaubt sei Aus einem Gebot der Gleichberechtigung also gleiche Rechte bei gleichen Voraussetzungen wird so ein Gebot der nivellierenden voraussetzungslosen Gleichstellung Fur ein so verstandenes Gleichbehandlungsgebot lasst sich in der Verfassung jedoch kein Anknupfungspunkt finden da diese Abweichung von den allgemeinen Gleichberechtigungsregeln in Art 3 GG einen ausdrucklichen Niederschlag im Normtext finden musste Der Staat ist demnach aus dem Paritatsgrundsatz nicht zu einer Alles oder Nichts Haltung gezwungen d h ihm ist nicht jegliche Unterscheidung zwischen den Religions und Weltanschauungsgemeinschaften verboten Mogliche weil sakulare Unterscheidungskriterien sind etwa die Grosse die offentliche Wirksamkeit und soziale Bedeutung einer Religions oder Weltanschauungsgemeinschaft 4 Kein zulassiges Unterscheidungskriterium ist jedoch der Inhalt des Glaubens Insofern besteht ein Nichtanknupfungsverbot ausgehend vom Verbot der Staatskirche in Art 137 Abs 1 WRV Entsprechende Ansatze der Verengung des Schutzbereichs der Religionsfreiheit auf kulturadaquate Religionen und Weltanschauungen wie im Tabakbeschluss des BVerfG entwickelt wurden spater wieder aufgegeben und sind entsprechend auch nicht Inhalt der religionsrechtlichen Paritat Auch das Abstellen auf eine besondere historisch gewachsene kulturelle Verbundenheit einzelner Religionsgemeinschaften mit der Gesellschaft wird ganz uberwiegend als dem Nichtanknupfungsgebot widersprechend angesehen Entsprechend sind Hinweise auf eine vermeintliche kulturelle Inkompatibilitat des Islams oder anderer fremd erscheinender Religionen mit der westlichen Gesellschaft einzuordnen Der Glaubensinhalt kann keine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen da es dem Staat nicht zusteht den Glauben oder Unglauben seiner Burger zu bewerten Als Quelle fur Unterschiede kann jedoch das geschichtliche Herkommen herangezogen werden So sind etwa nur die beiden Grosskirchen infolge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1806 und die judischen Gemeinden in der Zeit des Dritten Reiches in der Vergangenheit von systematischen Enteignungen ihres Eigentums betroffen gewesen die nun durch Staatsleistungen kompensiert werden Darin liegt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenuber nicht von Enteignungen betroffenen Religionsgemeinschaften Insofern lasst sich als religios weltanschaulich neutrales Kriterium die unterschiedliche geschichtliche Betroffenheit heranziehen Anwendung dieser unterschiedlichen Paritatsbegriffe z B auf das Baurecht Gemass 3 Abs 2 Nr 3 Baunutzungsverordnung sind in reinen Wohngebieten ausnahmsweise Anlagen fur kirchliche Zwecke zulassig soweit sie einen ortlichen Bedarf decken Ein nivellierendes Gleichheitsverstandnis hielte diese Bestimmung fur verfassungswidrig weil sie unterschiedlich berechtigte Religionsgemeinschaften zur Folge hat Nicht jede Religionsgemeinschaft darf Anlagen errichten also wurde ein Verstoss gegen den Paritatsgrundsatz angenommen Versteht man den Paritatsgrundsatz nur als Gleichberechtigungsgebot d h Ungleichbehandlungen mussen aus sachgerechten Grunden geschehen stellt sich nach der Feststellung der Vergleichsgruppe die Frage nach dem rechtfertigenden Unterscheidungskriterium Unterscheidungskriterium ist bei 3 BauNVO der Bedarf im Wohngebiet Erste Feststellung Es wird nicht an die Glaubenslehre der Religionsgemeinschaft angeknupft also kein Verstoss gegen das Nichtanknupfungsverbot Zweite Feststellung Durch die Einschrankung auf die ortlich benotigten Anlagen soll der Verkehr von aussen moglichst vermieden werden um den Wohncharakter zu erhalten und Storungen auf ein Mindestmass zu beschranken Nach Ausarbeitung dieses Zwecks der Unterscheidung wird im Rahmen einer Abwagung geklart ob der Zweck die Unterscheidung rechtfertigt dd Neben diesen Anwendungsfragen die sich auch mit den beim allgemeinen Gleichheitssatz angewendeten Methoden bearbeiten lassen bestehen noch spezifisch Auspragungen fur den Bereich des Staatskirchenrechts Zweigliedrige Paritat Bearbeiten Verfassungskraftig anerkannt ist nach Art 137 Abs 5 WRV die Unterscheidung in Religionsgemeinschaften mit und ohne Korperschaftsstatus Durch die mit dem Korperschaftsstatus zusammenhangenden Rechte Dienstherrnfahigkeit Steuererhebung werden privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften demnach nicht verfassungswidrig benachteiligt Umstritten ist jedoch ob sich weitergehende Unterscheidungen an den Korperschaftsstatus knupfen lassen und welche Unterscheidungen dies sind So sind z B gemass 132a Abs 3 StGB nur Amtsbezeichnungen und Amtsbekleidungen von offentlich rechtlich organisierten Religions und Weltanschauungsgemeinschaften vor Missbrauch geschutzt Dreigliedrige Paritat Bearbeiten Als Erganzung zu dieser zweigliedrigen Paritat wird auch eine zusatzliche Unterscheidung zwischen geborenen und gekorenen Korperschaften des offentlichen Rechts vertreten Unterschieden wird hier zwischen vor der Weimarer Reichsverfassung mit dem Korperschaftsstatus versehenen Religionsgemeinschaften und den erst nach 1919 den Korperschaftsstatus erlangenden Religions und Weltanschauungsgemeinschaften Die Paritat ist damit in die Stufen eingeteilt geborene Korperschaften und damit vor allem die romisch katholische Kirche und die evangelischen Landeskirchen etc gekorene Korperschaften alle nach 1919 in den Korperschaftsstatus erhobenen Religionsgemeinschaften privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften Geltendmachung BearbeitenDer aus Art 140 GG i V m Art 137 Abs 1 5 WRV i V m Art 4 Abs 1 2 GG entstandene Paritatsgrundsatz kann aufgrund seiner Verortung im Grundrecht der Religionsfreiheit bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG geltend gemacht werden Siehe auch BearbeitenKonfessionelle ParitatLiteratur BearbeitenMartin Heckel Gleichheit oder Privilegien Der allgemeine und der besondere Gleichheitssatz im Staatskirchenrecht Mohr Tubingen 1993 ISBN 3 16 146146 0 Martin Heckel Die religionsrechtliche Paritat In Listl Pirson Hrsg Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I Duncker amp Humblot Berlin 1994 ISBN 3 428 08031 9 Verweise Bearbeiten Heckel Die religionsrechtliche Paritat In Handbuch des Staatskirchenrechts Bd I S 445 Jean d Heur Korioth Staatskirchenrecht Rn 15 Jean d Heur Korioth Staatskirchenrecht Rn 168 Jean d Heur Korioth Staatskirchenrecht Rn 169 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Paritatsgrundsatz amp oldid 226184447