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Pusteriche oder Peuster Dampfblaser und Feueranblaser sind Heronsballe in Form einer hohlen meist dickbauchigen Figur aus Ton oder Bronze 1 Der Pustrich von Sondershausen Abbildung um 1930 Pusterich als Teil einer Dampfturbine nach Giovanni Branca 1629 Inhaltsverzeichnis 1 Begriff und Geschichte 2 Blasrohr 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseBegriff und Geschichte BearbeitenPusteriche zahlen zu den sogenannten aeolipila ihr Name geht auf Aolus den antiken Gott der Winde zuruck erwahnt finden sie sich schon bei Heron von Alexandria in dessen Pneumatica einem Werk das sich mit der praktischen Anwendung von Luft und Wasserstromungen befasst Dort aber werden sie mehr als Wunderwerke und geistreiche Erfindungen beschrieben als Automatentheater sozusagen jedenfalls hat man als solchen auch den sogenannten Heronsball verstanden den fruhesten Dampfapparat uberhaupt und unter die Kuriosa gereiht Als wissenschaftliche Instrumente werden aeolipila dagegen bei Vitruv erortert der im ersten seiner zehn Bucher uber die Architektur I 6 2 als er von der Stadtplanung handelt und von den Winden von denen es gelte die Strassenzuge von diesen abzuschirmen schreibt dass man die Wirkung des Windes nachstellen und ablesen konne an hohlen erzenen Ballen mit einer winzigen Offnung die mit Wasser gefullt und ans Feuer gestellt heftig bliesen sobald sie sich erwarmten So lasst sich aus dem kleinen und sehr kurzen Schauspiel uber die grossen und fruchtbaren Naturgesetze des Himmels und der Winde Kenntnis und Einsicht gewinnen 2 Vitruv bleibt hinsichtlich der formalen kunstlerischen Gestalt solcher Feueranblaser weitgehend undeutlich vielleicht waren die von ihm beschriebenen Instrumente nicht einmal humanoid ausgebildet Und doch haben sich als menschliche Figuren gebildete aeolipila aus der Antike erhalten so ein Feueranblaser in Gestalt eines Silens Bronze 19 5 cm 2 Halfte des 2 Jh n Chr aus dem Musee Romain in Aventicum im Schweizerischen Kanton Waadt oder in Gestalt eines Mohren Bronze 14 2 cm aus der fruhen Kaiserzeit im Musee du Louvre Die antiken Figuren korrespondieren dabei in ihren essentiellen Schemata durchaus mit den mittelalterlichen etwa einer Bronze aus Basingstoke heute im Besitz der Society of Antiquaries in London Meist handelt es sich um voluminose hockende Figuren welche die rechte Hand zur Stirn erhoben haben wahrend die linke auf dem aufgestellten linken Knie ruht oder das uberdurchschnittlich gross gebildete Glied umfasst 2 Die bekannteste Figur stellt der 57 cm hohe bronzene Pustrich von Sondershausen dar der in den 1540er Jahren in Thuringen gefunden wurde und seit 1591 in zahlreichen Beschreibungen erwahnt wurde Die Beschreibungen nahmen anfanglich an dass es sich um ein vorchristliches Gotzenbild der Thuringer handele Im 13 Jahrhundert beschreibt der deutsche Universalgelehrte Albertus Magnus einen Pusterich in seiner Schrift De Meteoris Man nimmt ein starkes Gefass aus Erz das innen moglichst gewolbt sei und oben eine kleine Offnung und eine andere wenig grossere am Bauch hat und das Gefass habe seine Fusse so dass sein Bauch die Erde nicht beruhrt Es werde mit Wasser gefullt und nachher durch Holz kraftig verschlossen an jeder der beiden Offnungen Man setzt es auf ein sehr starkes Feuer dann entsteht Dampf im Gefass dessen Kraft durch eine der beiden verschlossenen Offnungen wieder hervorbricht Bricht sie oben hervor so wirft sie das Wasser weit zerstreut uber die umliegenden Stellen des Feuers Bricht sie unten hervor dann spritzt sie das Wasser in das Feuer und schleudert durch den Ungestum des Dampfes Brande und Kohlen und heisse Asche weit vom Feuer uber die Umgebung Man nennt deshalb ein solches Gefass gewohnlich auch sufflator und pflegt es nach der Gestalt eines blasenden Mannes zu formen In Konrad Kyesers Autograph Cod Ms philos 63 aus dem 15 Jahrhundert wird ein Feuerblaser als Philoneus beschrieben Ich bin der Philoneus aus Kupfer Silber Erz Ton oder Gold gefertigt und brenne nicht wenn ich leer bin Doch halte mich mit Terpentin oder feurigem Weingeist gefullt an das Feuer so spruhe ich erwarmt feurige Funken mit denen du jede Kerze anzunden kannst 3 Man weiss bis heute nicht wirklich welche Bedeutung oder ob uberhaupt eine diesen Feueranblasern uber das schiere Anblasen des Feuers hinaus ursprunglich zukam Immerhin aber ist ihre Darstellung als Silen etwa jedenfalls als hockende erdverbundene Figur mit voluminosen Korperformen oder ubermassig gross ausgebildetem Geschlechtsteil unubersehbar Ausdruck eines an sie gebundenen besonderen Fruchtbarkeitsgedankens Und allein ihre Erhaltung also die Tatsache dass sie nicht wie die meisten Bronzen wenn sie ihren Zweck nicht mehr erfullten eingeschmolzen wurden weist darauf hin dass sie als kostbare Gegenstande betrachtet und gewurdigt wurden und das weit uber die Antike hinaus Wie sich die Kenntnis dieser Statuetten tradiert hat ist allerdings fraglich Julius von Schlosser etwa hat den Wiener Pusterich 4 als Paraphrase jenes aus Sondershausen apostrophiert Um Paraphrasen Umschreibungen also geht es wohl in erster Linie Die Kunde von den Figuren wird sich so mobil sie selbst auch sein mogen primar mundlich und schriftlich verbreitet haben Der sogenannte Jack of Hilton ein heute im Ashmolean Museum in Oxford aufbewahrter Pusterich wurde erstmals in Robert Plots Natural History of Staffordshire Ende des 17 Jahrhunderts grafisch reproduziert 5 Auch einige Quellen aus der Renaissance uberliefern die Figur Antonio di Pietro Averlino berichtet von einem von ihm fur Francesco I Sforza geschaffenen putto nudo der den grossen Kamin von dessen Mailander Palast anfeuerte In Leonardo da Vincis Codex Atlanticus erscheint die Zeichnung einer Dampf ausstromenden Knabenbuste mit der Beischrift Se questa testa e piena insino alla bocca d acqua bollendo l acqua e uscendo el fumo sol per la bocca a forza d accendere un fuoco Wobei darauf hinzuweisen ist dass die Verstarkung der Flamme nicht so sehr auf der Bewegung der Luft beruht als vielmehr auf dem chemischen Prozess der Entwicklung von Wassergas also der Uberfuhrung von Kohlenstoff in eine gasformige Verbindung die besonders gut brennt 2 Blasrohr BearbeitenAls Puster oder Pusterich wurden in Niederdeutschland eiserne Blasrohre bezeichnet die meist aus langen Laufen unbrauchbar gewordener Schusswaffen umfunktioniert auf dem Lande zum Anfachen des Herdfeuers dienten Daher kommt auch die scherzhafte Bezeichnung Puster fur Gewehr oder Flinte Ein Puderpuster diente zum Pudern der Perucken Daraus erklart sich vermutlich die niederdeutsche Bezeichnung Puster fur den Bovist eine Pilzart die beim Anstossen ihr Sporenpulver entweichen lasst 6 Literatur BearbeitenW L Hildburgh Aeolipiles as Fire blowers In Archaeologia or Miscellaneous Tracts relating to Antiquity 94 1951 ISSN 0261 3409 S 27 56 Ines Jucker Der Feueranblaser von Aventicum In Zeitschrift fur schweizerische Archaologie und Kunstgeschichte 21 1961 Heft 2 ISSN 0044 3476 S 49 ff Eugen von Philippovich Kuriositaten Antiquitaten Klinkhardt amp Biermann Braunschweig 1966 Bibliothek fur Kunst und Antiquitatenfreunde 46 Albert Schroder Der Pusterich von Sondershausen In Das Thuringer Fahnlein Monatshefte fur die mitteldeutsche Heimat 3 1934 Heft 7 ZDB ID 401002 4 Bildbeilage S 454 455 Franz Maria Feldhaus Pustriche In Die Technik der Vorzeit der geschichtlichen Zeit und der Naturvolker Leipzig Berlin 1914 Spalte 844 850 Stefan Laube Befeuerte Aura Das Idol von Sondershausen In Annette Caroline Cremer Martin Mulsow Hrsg Objekte als Quellen der historischen Kulturwissenschaften Stand und Perspektiven der Forschung Bohlau Verlag Koln Weimar Wien 2017 S 113 137 Puster In Jacob Grimm Wilhelm Grimm Hrsg Deutsches Worterbuch 16 Bande in 32 Teilbanden 1854 1960 S Hirzel Leipzig woerterbuchnetz de Andreas Beyer Fahrten des Pusterichs in ders u a Hrsg Bilderfahrzeuge Aby Warburgs Vermachtnis und die Zukunft der Ikonologie Verlag Klaus Wagenbach Berlin 2018 ISBN 978 3 8031 3675 6 S 137 140 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Pusterich Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Es sind sowohl Manner als auch Knaben und Frauendarstellungen uberliefert letztere z B im Kunsthistorischen Museum Wien a b c Andreas Beyer Fahrten des Pusterichs Berlin 2018 S 137 140 Zitiert nach Franz Maria Feldhaus Pustriche In Die Technik der Vorzeit der geschichtlichen Zeit und der Naturvolker Leipzig Berlin 1914 Spalte 844 850 Sog Pusterich In khm at Abgerufen am 28 Dezember 2020 Arthur MacGregor Jack of Hilton and the History of the Hearth Blower In The Antiquaries Journal Band 87 September 2007 ISSN 1758 5309 S 281 294 doi 10 1017 S0003581500000925 cambridge org abgerufen am 28 Dezember 2020 Krunitz Oeconomische Encyclopadie Band 119 Stichwort Puster Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pusterich amp oldid 241646442