www.wikidata.de-de.nina.az
Dieser Artikel behandelt die Geheimdienstaktivitaten in Lateinamerika Zur gleichnamigen Operation zur Zerstorung von Drogenanbaugebieten siehe Operation Condor Mexiko zur Operation Kondor genannten Spionagetatigkeit deutscher Agenten in Agypten wahrend des Zweiten Weltkriegs siehe Johannes Eppler Unter dem Codenamen Operation Condor spanisch Operacion Condor operierten in den 1970er und 1980er Jahren die Geheimdienste von sechs sudamerikanischen Landern Argentinien Chile Paraguay Uruguay Bolivien und Brasilien mit Unterstutzung der Vereinigten Staaten 1 mit dem Ziel linke politische und oppositionelle Krafte weltweit zu verfolgen und zu toten In geringerem Umfang waren auch die Geheimdienste Perus Kolumbiens und Venezuelas 2 an den Aktionen beteiligt 3 4 Fast alle beteiligten Lander wurden zu Beginn der Geheimoperation von Militardiktaturen oder rechtsautoritaren Regimen regiert Sie endete in den einzelnen Landern jeweils spatestens mit deren Ubergang zur Demokratie Die wirksame juristische Aufarbeitung dieser Verbrechen kam erst zu Beginn des 21 Jahrhunderts in Gang und dauert bis heute an Teilnehmer der staatsterroristischen multinationalen Geheimdienstoperation Operation Condor Grun Teilnehmende Staaten Hellgrun Teilweise beteiligte Staaten Blau Unterstutzende Staaten Bis heute ist die Rolle der USA nicht annahernd vollstandig aufgeklart Die 1992 in Paraguay entdeckten Archive des Terrors enthullten die Existenz der Operation Condor und dokumentierten zahlreiche Missbrauche Sie dokumentieren die Entfuhrung Folter Vergewaltigung und Ermordung von mindestens 763 Menschen 5 Inhaltsverzeichnis 1 Ablauf 2 Opfer 3 Juristische Aufarbeitung 4 Rolle der USA und Frankreichs 5 Hintergrund 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseAblauf BearbeitenNach dem bisherigen Kenntnisstand beschlossen die Vertreter der sechs Staaten auf Vorschlag des damaligen chilenischen Geheimdienstchefs Manuel Contreras am 25 November 1975 die grenzubergreifende Zusammenarbeit Die Ubereinkunft fiel mit dem 60 Geburtstag des damaligen chilenischen Diktators General Augusto Pinochet zusammen Funf Tage zuvor war der spanische Diktator Franco gestorben Die Lander kooperierten beim Informationsaustausch sowie der Verfolgung und Totung von als Staatsfeinden eingestuften politischen Gegnern in den Nachbarstaaten sowie im Ausland Eine gemeinsame Informationszentrale wurde im Hauptquartier der chilenischen Geheimpolizei DINA eingerichtet 6 7 Intern wurden die geheim gehaltenen Aktivitaten mit der Ausschaltung von Regimegegnern sowie als Kampf gegen internationale terroristische Elemente begrundet Dabei setzten die Geheimdienste ihre Agenten auf die Spur von Gegnern der Militarregime linken Politikern Priestern Gewerkschaftern Oppositionellen sowie Vertretern von Menschenrechtsorganisationen Die Opfer wurden in der Regel ohne Begrundung oder gerichtliche Grundlage verhaftet oder verschleppt und danach oft ermordet span Desaparecidos die Verschwundene n siehe auch Verschwindenlassen Mehrfach wurden auch im Ausland u a in den USA Italien Frankreich und Portugal Mordanschlage verubt Unter anderem wird das todliche Attentat auf den ehemaligen chilenischen Aussenminister Orlando Letelier im September 1976 in Washington Autobombenanschlag mit Agenten der Operation Condor in Verbindung gebracht DINA Chef Manuel Contreras wurde fur diese Tat vor einem US Gericht angeklagt siehe Rolle der USA Im Jahr 2004 wurde er wegen gewaltsamen Verschleppens von Personen in Chile zu 12 Jahren Haft verurteilt siehe Juristische Aufarbeitung Opfer Bearbeiten nbsp Gedenkmarsch mit Fotos von Verschwundenen zum Anlass des dreissigsten Jahrestages des Militarputsches in Argentinien 24 Marz 2019Nach dem bisherigen Stand der offiziellen Ermittlung sowie der Auswertung von Dokumenten fielen mindestens 200 Personen der Zusammenarbeit der Staaten wahrend der Operation Condor zum Opfer Die weitaus grossere Zahl der Opfer ist jedoch auf direkte Massnahmen der nationalen Regierungen gegen ihre eigenen Burger zuruckzufuhren allein in Argentinien gelten etwa 30 000 Menschen als dauerhaft verschwunden in Chile 2 950 Doch die Bilanz der lateinamerikanischen Repressionspolitik ist nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen weitaus hoher Etwa 50 000 Ermordete 350 000 Verschwundene und 400 000 Gefangene 8 Juristische Aufarbeitung BearbeitenDie Geheimdienstoperation wurde durch Zufall bekannt als bei Recherchen des paraguayischen Anwalts Martin Almada im Dezember 1992 in einer Polizeistation im Vorort der Hauptstadt Asuncion Dokumente uber die Operation Condor entdeckt wurden Diese so genannten Terrorarchive fuhrten zu intensiven Ermittlungen der Staatsanwaltschaften in den inzwischen demokratisch regierten Landern Paraguays ehemaliger Diktator Alfredo Stroessner wurde in mehreren Fallen wegen der Operation Condor angeklagt er starb jedoch im brasilianischen Exil geschutzt vor einer Strafverfolgung Am 13 Dezember 2004 erhob ein chilenisches Gericht Anklage gegen den chilenischen Ex Diktator Pinochet er starb jedoch bevor es zu einer Verurteilung kommen konnte Die meisten angeklagten Politiker die sich bisher zu den Vorwurfen geaussert haben lehnen jede Verantwortung fur die Operation Condor und die blutige Repression in ihren Landern ab und beschuldigen die nationalen Polizeidienste Mittlerweile wurden jedoch einige Beteiligte rechtskraftig verurteilt unter anderem der chilenische DINA Chef Manuel Contreras mehrere chilenische und argentinische Offiziere sowie im Jahr 2010 auch der ehemalige Junta Chef von Argentinien Jorge Rafael Videla Contreras wurde im April 2003 von einem chilenischen Gericht zu 15 Jahren Haft verurteilt Im Januar 2004 bestatigte ein Berufungsgericht den Schuldspruch setzte seine Strafe aber auf 12 Jahre herab Es handelte sich dabei um die erste Verurteilung wegen gewaltsamen Verschleppens von Personen wahrend der Militardiktatur in Chile Zahlreiche Prozesse sind in den betroffenen Landern anhangig 2009 kehrte Sabino Montanaro nach jahrelangem Exil nach Paraguay zuruck Montanaro war erst Chef der paraguayischen Geheimpolizei und spater ab 1966 Innenminister unter Diktator Stroessner Ihm wurde eine tragende Rolle bei der Operation Condor zugeschrieben Er hatte sich 1989 mit einem Diplomatenpass nach Honduras abgesetzt Ob Anklage erhoben werden sollte war zunachst unklar da er zu krank und alt fur eine Gerichtsverhandlung erschien 9 Montanaro verstarb schliesslich 2011 bevor es zu einer Verurteilung kommen konnte Zu diesem Zeitpunkt waren sieben Gerichtsverfahren wegen diverser Menschenrechtsverletzungen gegen ihn anhangig unter anderem wegen des gewaltsamen Verschwindenlassens von Personen 10 Ende Mai 2016 wurden in Argentinien insgesamt funfzehn fruhere Militarangehorige wegen ihrer Beteiligung an der Operation verurteilt Der ehemalige Militarmachthaber des Landes Reynaldo Bignone erhielt wegen der Beteiligung an mehr als einhundert Morden eine zwanzigjahrige Haftstrafe Der ursprunglich ebenfalls angeklagte Jorge Videla war im Laufe des sich uber mehr als drei Jahre hinziehenden Prozesses verstorben 11 2017 wurde der 95 jahrige Ex Prasident Perus Francisco Morales Bermudez in Rom zu lebenslanglicher Haft verurteilt Rolle der USA und Frankreichs Bearbeiten Hauptartikel Franzosische Doktrin und School of the Americas Die Rolle der US Regierung und der US Geheimdienste bei der Operation Condor ist bis heute nicht vollstandig aufgeklart In den Jahren 2000 und 2001 veroffentlichte US Geheimdienstdokumente 12 legen den Schluss nahe dass das FBI und der amerikanische Geheimdienst CIA von den Aktivitaten Kenntnis hatten sie duldeten und logistisch und technisch unterstutzten Den Dokumenten zufolge lieferten sie technische Hilfsmittel und gaben Ausbildungskurse fur die Agenten Eine wichtige Rolle spielte dabei das militarische Ausbildungszentrum School of the Americas in der Kanalzone Panamas Franzosische Veteranen aus dem Algerienkrieg schulten Offiziere der Militarregime in der so genannten Franzosischen Doktrin die ein umfassendes Instrumentarium zur Unterdruckung von Oppositionellen darstellt und unter anderem die systematische Folter und Ermordung von oftmals willkurlichen Verdachtigten umfasst 13 Laut einem internen CIA Untersuchungsbericht hielt die Behorde von 1974 bis 1977 enge Kontakte zum Leiter der Operation Condor Manuel Contreras 14 Die CIA bestatigte auch zu mindestens einem Zeitpunkt Zahlungen an Contreras geleistet zu haben die Summe wurde nicht veroffentlicht Als Contreras 1976 wegen des Mordes an Orlando Letelier in Washington von einem US Bundesschoffengericht federal grand jury angeklagt wurde hatte die CIA diese Information zuruckgehalten sie kam erst im Jahr 2000 an die Offentlichkeit Unter den im Jahr 2000 freigegebenen US Dokumenten befand sich auch ein Telegramm 15 des damaligen US Botschafters in Panama an den US Aussenminister aus dem Jahr 1978 Darin berichtet der Absender dass eine US Nachrichtenzentrale in Panama fur den Informationsaustausch der Condor Agenten diene Er druckte die Befurchtung aus dass das Bekanntwerden dieser Tatsache ein schlechtes Licht auf die Rolle von US Behorden bei der Ermordung von Orlando Letelier werfen konnte die zu dieser Zeit Gegenstand eines Strafprozesses in den USA war Vor allem dem US Sicherheitsberater 1969 1973 und Aussenminister 1973 1977 Henry Kissinger wird aufgrund von Dokumenten vorgeworfen dass er die Aktion aktiv unterstutzt habe da er in den lateinamerikanischen Landern kommunistische Revolutionen furchtete Domino Theorie und die diktatorischen Machthaber als Verbundete der USA im Kampf gegen den Kommunismus ansah 16 Hintergrund Bearbeiten Hauptartikel Desaparecidos In Sudamerika wurden in den 1970er und 1980er Jahren fast alle Lander langere Zeit von politisch rechtsgerichteten meist von den USA unterstutzten Militardiktaturen regiert Diese unterdruckten fast durchweg mit Gewalt die meist links stehende Opposition Ein verbreitetes Mittel dazu war die heimliche Entfuhrung Verschwindenlassen missliebiger Personen durch anonym bleibende Mitglieder von Sicherheitskraften Die Opfer wurden wahrend der Haft in Geheimgefangnissen meist gefoltert erniedrigt und in sehr vielen Fallen anschliessend ermordet siehe Desaparecidos Allein wahrend der Militardiktatur in Argentinien von 1976 bis 1983 verschwanden auf diese Weise bis zu 30 000 Menschen spurlos Nach dem Ubergang der Staaten zur Demokratie meist in den 1980er und 1990er Jahren wurde die Strafverfolgung solcher Verbrechen in vielen Landern durch generelle Amnestiegesetze fur die Tater jahrelang be oder verhindert Diese wurden in den letzten Jahren jedoch in mehreren Landern ruckwirkend aufgehoben so dass zahlreiche ehemalige Diktatoren und Folterer mittlerweile bestraft wurden oder noch vor Gericht stehen Siehe auch BearbeitenUS Intervention in Chile Asymmetrische Kriegfuhrung Aufstandsbekampfung Operation Charly Stefano Delle ChiaieLiteratur BearbeitenStella Calloni Operacion Condor Lateinamerika im Griff der Todesschwadronen Zambon Verlag Frankfurt am Main 2010 ISBN 978 3 88975 144 7 John Dinges The Condor Years How Pinochet and His Allies Brought Terrorism to Three Continents The New Press 2005 ISBN 1 56584 977 9 Willi Baer Karl Heinz Dellwo Hrsg Diktatur und Widerstand in Chile Laika Verlag Hamburg 2013 ISBN 978 3 942281 65 2 J Patrice McSherry Predatory states Operation Condor and covert war in Latin America Lanham u a Rowman amp Littlefield 2005 ISBN 978 0 7425 3687 6 Weblinks BearbeitenPierre Abramovici Operation Condor neue Erkenntnisse uber einen schmutzigen Krieg Memento vom 9 September 2003 imInternet Archive in Le Monde Diplomatique vom 11 Mai 2001 Josef Oehrlein In den Krallen des Kondors Wie die lateinamerikanischen Diktaturen den Staatsterror koordinierten in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14 Juli 2001 Tracing the shadows of Operation Condor Video 25 Min Dokumentation von Al Jazeera English vom 6 Marz 2013 englisch Einzelnachweise Bearbeiten A J Langguth Hidden terrors New York Pantheon Books 1978 ISBN 978 0 394 40674 9 archive org abgerufen am 1 Februar 2023 El Nacional text 6 Dezember 2011 abgerufen am 1 Februar 2023 Predatory States Operation Condor and Covert War in Latin America When States Kill Latin America the U S and Technologies of Terror Memento vom 16 Juni 2011 im Internet Archive Daniel Brandt Operation Condor Ask the DEA 10 Dezember 1998 abgerufen am 1 Februar 2023 englisch Giles Tremlett Operation Condor the cold war conspiracy that terrorised South America In guardian co uk The Guardian 3 September 2010 abgerufen am 11 Juni 2023 Vorlage Cite web temporar Virtual Truth Commission Reports by Topic Operation Condor Memento vom 9 Januar 2006 im Internet Archive 27 Juni 1999 Operacion Condor en el Archivo del Terror National Security Archive 21 Dezember 2007 abgerufen am 1 Februar 2023 Operation Condor Memento vom 12 September 2008 im Internet Archive Terror im Namen des Staates tagesschau de 12 September 2008 Ailing Stroessner Henchman Returns to Paraguay In Latin American Herald Tribune 4 Mai 2009 abgerufen am 5 Mai 2009 englisch Jan Passler Ex Innenminister Montanaro letzte Nacht verstorben Memento vom 7 Dezember 2012 im Internet Archive Das Wochenblatt Asuncion 11 September 2011 Sudamerikanische Militardiktaturen Argentinien verurteilt Militars wegen Plan Condor Spiegel Online 27 Mai 2016 abgerufen am gleichen Tage National Security Archive Chile 16 000 Secret Documents Declassified CIA Forced to Release Hundreds of Records of Covert Operations 13 November 2000 Marie Monique Robin Todesschwadronen Wie Frankreich Folter und Terror exportierte Nicht mehr online verfugbar In Arte Programmarchiv 8 September 2004 archiviert vom Original am 21 Juli 2012 abgerufen am 13 Januar 2009 Christopher Hitchens The Case Against Henry Kissinger In Harper s Magazine Februar 2001 S 37 Online Memento vom 7 August 2010 im Internet Archive PDF Telegramm des US Botschafters in Panama zur Nutzung von US Einrichtungen durch Condor Agenten PDF 48 kB 20 Oktober 1978 Quelle George Washington University Christopher Hitchens The Case Against Henry Kissinger In Harper s Magazine Februar 2001 S 2 3 und vorletzte Seite Online Memento vom 7 August 2010 im Internet Archive Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Operation Condor amp oldid 235777266