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Die OTRAG Orbital Transport und Raketen Aktiengesellschaft war eine deutsche Firma die in den spaten 1970er und fruhen 1980er Jahren an einem alternativen Raketenantriebssystem arbeitete Das Unternehmen zahlte somit zu den Pionieren der nichtstaatlichen Raumfahrt OTRAGOTRAG CRPU Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklung 1 1 Konzept 1 2 Technik 1 3 Logistik 1 4 Kritik 1 5 Testfluge 1 6 Politische Bezuge 1 7 Gerichtsverfahren 1 8 21 Jahrhundert 2 Literatur 3 Dokumentarfilme 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseEntwicklung BearbeitenDie OTRAG Rakete sollte eine preisgunstige Alternative zu den ihrerzeit noch im Planungs bzw Entwicklungsstadium befindlichen Systemen der Europa Rakete Ariane und des US amerikanischen Space Shuttles darstellen Die Rakete wurde von einem privaten Betreiber Konsortium Orbital Transport und Raketen AG Stille Gesellschaft entwickelt Die OTRAG wurde von zahlreichen Stillen Gesellschaftern im Jahre 1978 waren es 1150 zur Aktiengesellschaft finanziert Leiter des Projekts war der suddeutsche Diplomingenieur fur Luft und Raumfahrt Lutz Kayser Kayser 1939 2017 beschaftigte sich schon als Jugendlicher mit Raketen hatte unter Eugen Sanger an der Stuttgarter Universitat Luft und Raumfahrttechnik studiert und gehorte seit 1954 der Gesellschaft fur Weltraumforschung an Aufsichtsrat war Kurt Debus der vorher Direktor des Kennedy Space Centers war 1971 hatte Kayser die Technologieforschung GmbH gegrundet die neben ERNO Dornier und MAN als viertes Unternehmen einen Auftrag des Bundesforschungsministerium erhielt eine kostengunstige Alternative zur Europa III B Rakete aus der spater die Ariane hervorgehen sollte zu entwickeln Der Betrieb sollte preiswerter sein als die Europa II dabei die Entwicklungskosten fur die Europa III von 2 Mrd DM unterbieten Das Unternehmen erhielt bis 1974 insgesamt 4 Mio DM Danach richtete sich die Aufmerksamkeit des Ministeriums auf die Europa Rakete Konzept Bearbeiten Die OTRAG setzte auf das Konzept der Bundelrakete das bereits in den 1930er Jahren vorgeschlagen und auch in der Heeresversuchsanstalt Peenemunde erortert worden war Es sollte ein Flugkorper gebaut werden der mit moglichst einfachen Mitteln eine moglichst hohe Schubkraft erreichen sollte Die Rakete bestand im Unterschied zu den ihrerzeit und heute verbreiteten Tragerraketen aus modular ineinandergeschachtelten Antriebsrohren An deren Spitze hatte eine Tragerkapsel von bis zu zwei spater geplant zehn Tonnen das Gewicht eines damals ublichen Fernmeldesatelliten in einen geostationaren Orbit befordert werden konnen Dieses Common Rocket Propulsion Unit CRPU zu deutsch Einheitliches Raketentriebwerksmodul sollte die Basis fur kostengunstige mittlere und schwere Tragerraketen fur kommerzielle und wissenschaftliche Nutzlasten sein Technik Bearbeiten Die Module stellten jeweils einzelne Flussigraketen dar und bestanden aus Rohren die drei Meter Lange und 27 Zentimeter Durchmesser hatten Jeweils acht dieser Rohre wurden ubereinander montiert durch Bajonettverschlusse zusammengehalten sodass die Tragerrakete 24 m lange Tanks genutzt hatte Die Versuchsraketen bestanden dagegen nur aus zwei und vier Tanks von sechs beziehungsweise zwolf Metern Lange Unter jedem Tank war ein eigenes Triebwerk montiert das bei 27 cm Durchmesser einen Meter Lange aufwies Als Treibstoffe wurden Kerosin und Salpetersaure im Volumenverhaltnis 1 3 eingesetzt ein Tankrohr war zu 66 mit Kerosin gefullt und die drei daruberliegenden mit Salpetersaure Die Zundung erfolgte durch einen chemischen Initiator Furfurylalkohol Der Treibstoff wurde nicht durch Pumpen gefordert wie bei grosseren Flussigraketen ublich sondern durch elektronisch gesteuerte Kugelventile welche die unter Uberdruck stehenden Treibstofftanks offnen und schliessen konnten Der Uberdruck in den Tanks nahm dabei von 40 bar bei der Zundung auf 15 bar zum Brennschluss ab adiabate Druckforderung Das Triebwerk bestand aus einer einfachen zylindrischen Brennkammer mit einer radialen Treibstoffeinspritzung Als Dusenhals diente ein Graphitring dessen vorab zu wahlende initiale Offnungsweite den Startschub in einem Bereich von 5 bis 50 kN regulierte Als Hitzeschutz diente eine Beschichtung aus Phenolharz und Kohlenstofffasern im Inneren der Raketenbrennkammern die auf den Abbrand wahrend der Brennzeit von 130 Sekunden ausgerichtet war Ablativer Hitzeschild Bedingt durch die relativ energiearme Treibstoffkombination den relativ weiten Dusenhals und die kurze Duse war der erzielte spezifische Impuls jedoch vergleichsweise niedrig Die Angaben von OTRAG Mitarbeitern differieren dabei zwischen 1 800 und 2 648 Ns kg bei 1 bar Aussendruck Ein 24 m langes Modul mit einem ein Meter langen Triebwerk wog 1 508 kg wovon 1 130 kg auf den Oxidator Salpetersaure und 220 kg auf den Brennstoff Kerosin entfielen Die Leermasse betrug 153 kg davon entfielen 65 kg auf das Triebwerk und 88 kg auf die Tanks Logistik Bearbeiten nbsp Die Armstrong Whitworth Argosy der OTRAG bzw O R A S Im Fruhjahr 1977 wurde ein gebrauchtes viermotoriges Turboprop Frachtflugzeug des Typs Armstrong Whitworth Argosy von der britischen Royal Air Force gekauft und im Kongo mit dem Luftfahrzeugkennzeichen 9Q COE zugelassen 1 In seinem geraumigen Frachtraum konnten auch sperrige Teile befordert werden Sie wurde unter dem Namen und mit der Aufschrift O R A S OTRAG Range Air Services betrieben Am 1 Juni 1979 wurde die Armstrong Whitworth A W 660 Argosy C 1 der OTRAG 9Q COE allerdings auf dem Flughafen Lubumbashi Luano Demokratische Republik Kongo derart hart gelandet dass sie irreparabel beschadigt wurde Personen kamen nicht zu Schaden 2 Kritik Bearbeiten Schon in den 1980er Jahren gab es Kritik an dem Konzept Eine von der DFVLR damalige deutsche Agentur fur Luft und Raumfahrt in Auftrag gegebene Studie kam 1975 zu dem Schluss dass das Konzept nicht wirtschaftlich sei Harry Ruppe errechnete mit den OTRAG Angaben zu den Modulen eine wesentlich geringere Nutzlast als von dieser angegeben namlich 3 6 anstatt 10 Tonnen Lutz Kayser nahm dagegen eine deutliche Leistungssteigerung durch einen Duseneffekt mit vielen Modulen an ohne den der spezifische Impuls und damit die Nutzlast deutlich geringer war Dieser Effekt wurde jedoch von der Fachwelt als spekulativ abgewiesen Testfluge Bearbeiten Ein startfahiger Trager fur Orbitalnutzlasten der aus bis zu 1024 Treibstoffrohr Modulen bestehen sollte wurde niemals hergestellt Insgesamt 18 dokumentierte Teststarts mit einzelnen Antriebselementen fanden von Shaba North Zaire Camp Tawiwa Libyen und Esrange Schweden aus statt Zaire 3 Libyen 14 Schweden 1 Durch die OTRAG bzw Kayser wurden widerspruchliche Daten zu den Flugen bekannt gegeben Im Jahre 1976 pachtete die OTRAG das 100 000 km grosse Gelande in Zaire OTRAG errichtete an einer steil abfallenden Klippe in 1300 m Hohe uber Meeresniveau u NN einen Startplatz Shaba North um die kommerzielle Rakete OTRAG zu testen Hier fanden insgesamt drei Versuchsstarts statt Der erste Start fand am 17 Mai 1977 statt und diente dem Test der Antriebseinheiten Die sechs Meter lange Rakete stieg nach der planmassigen Brenndauer von ca 10 5 s bis auf 12 km Hohe u NN Der zweite Start erfolgte in der Nacht des 20 Mai 1978 Dieses Mal erreichte die auf 12 m verlangerte Rakete eine Hohe von 9 km Hohe u NN Der vorzeitige Brennschluss trat nach ca 20 s geplant 24 s durch Schaden an den nur ablativ geschutzten Brennkammern auf Ein dritter Start am 5 Juni 1978 in Anwesenheit des Staatschefs Mobutu Sese Seko erwies sich als schwerer Fehlschlag Die 12 Meter lange Rakete kam noch beim Verlassen des Startgerusts vom Kurs ab und zerschellte nach wenigen Sekunden in einem nahe gelegenen Tal Trotzdem bezeichnete Kayser diesen Versuch auch noch Jahrzehnte spater als 50 igen Erfolg Durch politischen Druck Frankreichs der USA Deutschlands und der Sowjetunion wurde der Pachtvertrag im April 1979 gekundigt und die OTRAG musste Zaire verlassen Am 1 Marz 1981 startete die bundesdeutsche OTRAG Orbital Transport und Raketen AG einen weiteren Raketentest auf dem Versuchsgelande Camp Tawiwa in der dunn besiedelten Sahara nahe der Seba Oase in Libyen Die Rakete versagte ca 22 s nach dem Start Danach gab es seitens der OTRAG keine offentlichen Berichte mehr uber Starts Ein Teil der Mitarbeiter wurde von libyschen Militars weiterbeschaftigt um bis 1987 fur Libyen Raketen zu entwickeln Lutz Kayser verweigerte nach eigenen Aussagen die Zusammenarbeit mit dem Militar und musste die OTRAG verlassen Sein Nachfolger Frank Wukasch versuchte das angespannte Verhaltnis zur deutschen Regierung durch den Start von Hohenforschungsraketen zu verbessern Am 19 September 1983 erfolgte ein Start fur die DFVLR vom Startplatz Esrange in Schweden doch die Rakete wurde nach ca zwei Dritteln der geplanten Antriebszeit durch die Einwirkung einer Nutzlast zerstort 3 Danach waren die Gelder aufgebraucht und die Firma wurde 1986 von den Gesellschaftern liquidiert Lutz Kayser arbeitete nach der Enteignung noch uber zehn Jahre in Libyen an Aufwindkraftwerken Politische Bezuge Bearbeiten Presseberichten aus den fruhen 1980er Jahren zufolge stand das Projekt im Widerspruch zu den US amerikanischen und europaischen Planen fur ein Orbitaltransportsystem auf der Basis mehrstufiger Raketen Andere Berichte vermuteten wiederum ein internationales Misstrauen gegenuber einer moglichen atomaren Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland und dass die Anrainerstaaten Libyens aus diesem Grund Widerspruch einlegten Der damalige Aussenminister Hans Dietrich Genscher soll das Projekt schliesslich auf Druck Frankreichs gestoppt haben um der von Deutschland co finanzierten Europa Rakete Ariane keine Konkurrenz zu machen und um politische Verwicklungen zu vermeiden Der Bundesfinanzhof sprach schliesslich der OTRAG die Gewinnerzielungsabsicht ab und das Unternehmen musste nach Aufbrauchen der Gelder aufgelost werden Konstruktionen und Unterlagen der Entwicklung von Lutz Kayser gingen nach dessen Aussagen vertragsgemass an ihn zuruck wahrend sie nach Aussagen seines Vize Frank Wukasch weiterhin Eigentum der Gesellschafter der OTRAG seien Gerichtsverfahren Bearbeiten Nach jahrelangen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Munchen I den Geschaftsmann Walter Z im Dezember 2001 angeklagt er habe von 1991 bis 1996 Teile fur Raketen nach Libyen entgegen dem seit 1992 geltenden UN Handelsembargo geliefert und dabei gegen das Aussenwirtschaftsgesetz AWG verstossen Mitangeklagt waren noch zwei weitere Personen Z gehorte in den 1970er Jahren zur Gruppe um Lutz Kayser und OTRAG Er war 1998 festgenommen spater gegen Kaution wieder auf freien Fuss gesetzt worden 21 Jahrhundert Bearbeiten Das im Jahre 2000 gegrundete private US Raumfahrt Unternehmen Armadillo Aerospace das auch am Ansari X Prize teilnahm nahm in Zusammenarbeit mit Kayser das Konzept der modularen Bundeltriebwerke auf Das Unternehmen kundigte 2006 die Weiterentwicklung dieser Technik zu einer Suborbital Rakete an 4 Das 2018 gegrundete deutsche Raumfahrtunternehmen HyImpulse arbeitet an der Orbitalrakete SL1 deren drei Stufen jeweils auf gebundelten aber zusatzlich ummantelten Hybridraketentriebwerken bestehen sollen 5 Literatur BearbeitenAuch so kann man Raketen bauen in P M Magazin Ausgabe 07 1981 S 12 18 Bericht uber das OTRAG Projekt Das Heft ist nur noch antiquarisch erhaltlich Himmelfahrtskommando in P M Magazin Ausgabe 10 2019 S 70 77 Gabriele Venzky Zaire Aus fur deutsche Raketenfirma In Die Zeit Nr 19 1979 Martin Baer Raketen fur Afrika In Die Zeit Nr 32 2008 S 78 Feuer in den Himmel Der Spiegel 42 1977 S 132 134 137 Dokumentarfilme BearbeitenFly Rocket Fly Mit Macheten zu den Sternen Dokumentarfilm Regie Oliver Schwehm Belgien Deutschland 2018 90 Minuten Kinostar Filmverleih 6 Deutsche Raketen fur Gaddafi Dokumentarfilm 52 Min Deutschland 2021 Regie Oliver Schwehm Kersten Schussler Produktion Arte Spiegel TV WDR 7 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons OTRAG Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Bernd Leitenberger OTRAG Rakete OTRAG in der Encyclopedia Astronautica englisch Sven Grahn OTRAG launches englisch Webseite zum Film Fly Rocket Fly mit weitergehenden InformationenEinzelnachweise Bearbeiten rzjets Argosy 9Q COE englisch abgerufen am 24 Januar 2023 Flugunfalldaten und bericht Argosy 9Q COE im Aviation Safety Network englisch abgerufen am 24 Januar 2023 Sven Grahn The last OTRAG rocket launched from Esrange Abgerufen am 5 Februar 2012 englisch June 2006 Armadillo Aerospace Update Memento vom 3 Marz 2016 im Internet Archive Small Launcher auf der HyImpulse Website abgerufen am 6 November 2023 Fly Rocket Fly bei filmportal de otrag com Website zum Film offizieller Trailer YouTube abgerufen am 2 August 2020 Gabor Toldy Deutsche Raketen fur Gaddafi Doku In br de Bayerischer Rundfunk 17 September 2022 abgerufen am 22 Oktober 2022 Deutsche Raketen fur Gaddafi 2021 Internet Movie Database abgerufen am 22 Oktober 2022 englisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title OTRAG amp oldid 238856574