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36 479722 140 553611 Koordinaten 36 28 47 N 140 33 13 O Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig Zu anderen Nuklearstor und unfallen in der Gemeinde siehe Tōkai Ibaraki Nuklearindustrie Unfallort TokaimuraDer Nuklearunfall von Tōkaimura 1999 ereignete sich am 30 September 1999 in der Brennelementefabrik der Japan Nuclear Fuel Conversion Company JCO in der japanischen Kustenstadt Tōkaimura 1 Der Kritikalitatsstorfall in Tōkaimura war der schwerste japanische Nuklearunfall bis zu der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahre 2011 2 Auf der siebenstufigen Internationalen Bewertungsskala fur nukleare Ereignisse wurde der Unfall der Kategorie 4 Unfall mit lokalen Konsequenzen zugeordnet 3 Der Kritikalitatsstorfall von Tokaimura ist auf menschliches Versagen zuruckzufuhren Zwei Arbeiter starben an den Folgen der erhohten Strahlung 2 Inhaltsverzeichnis 1 Verlauf 2 Reaktion der Regierung 3 Auswirkungen 3 1 Mitarbeiter 3 2 Umwelt 4 Politische juristische und wirtschaftliche Folgen 5 Anschlag 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseVerlauf BearbeitenDie Katastrophe ereignete sich bei einem chemischen Reinigungsprozess fur auf 18 8 angereichertes U3O8 Uranoxid Dieser Reinigungsprozess sollte in drei von der japanischen Regierung bewilligten Schritten erfolgen Im ersten Schritt wird das Uranoxid mit Salpetersaure in einem wegen seiner Form kritikalitatssicheren Gefass gemischt Im zweiten Schritt wird die durch die Mischung entstandene Uranylnitratlosung in einen ebenfalls kritikalitatssicheren Zwischenbehalter gepumpt in dem die Urankonzentration sowie die Uranmasse bestimmt werden 4 Die Uranylnitratlosung wird im dritten Schritt in einen Prazipitationsbehalter gepumpt Schritt zwei dient einer Kontrollfunktion da der Prazipitationsbehalter aufgrund seiner Geometrie nicht kritikalitatssicher ist Dieser durfte nur mit einer Uranmasse von 2 4 kg befullt werden Um den Prozess zu beschleunigen und so Geld zu sparen fullten an diesem Tag die Arbeiter der Anlage den Prazipitationsbehalter mit 16 6 kg Uran statt der erlaubten 2 4 kg eine Uberschreitung um das Sechsfache 4 Dabei wurde die kritische Masse die in diesem Fall bei 5 kg lag deutlich uberschritten wodurch sich eine explosionsartige Anhaufung von Spaltneutronen bildete Dies fuhrte unweigerlich zu einer unkontrollierbaren Kettenreaktion den die Arbeiter als blauen Blitz Tscherenkow Licht wahrnahmen begleitet von einem lauten Knall Die Arbeiter die zu diesem Zeitpunkt an den Arbeitsvorgangen beteiligt waren waren nicht oder nur teilweise uber die Gefahren der Kritikalitat informiert gewesen Die nukleare Kettenreaktion setzte uber einen Zeitraum von 20 Stunden Gamma und Neutronenstrahlung frei 5 Die Beendung der Kritikalitat und damit der Gefahrenlage konnte schliesslich erreicht werden indem Mitarbeiter abwechselnd in Kurzzeiteinsatzen das Kuhlwasser abliessen das sich um den vom Unfall betroffenen Tank befand und als Neutronenreflektor die Kritikalitat aufrechterhielt und Neutronen absorbierenden Borsauretrimethylester in den Tank leiteten Reaktion der Regierung BearbeitenAm 30 September 1999 gegen 10 35 Uhr Ortszeit wurde erstmals Alarm in der Brennelementefabrik ausgelost 6 5 Erst nach zwei Stunden wurde begonnen die anliegenden Einwohner zu evakuieren Weitere 310 000 Menschen wurden in der Umgebung per Lautsprecher aufgefordert ihre Hauser nicht zu verlassen Schuler wurden sofort nach Hause entlassen Ausserdem wurde der Radius um die Brennelemente Fabrik um 350 Meter abgesperrt nbsp Keizō Obuchi Premierminister Japans vom 30 Juli 1998 bis zum 5 April 2000Es dauerte mehrere Stunden bis der damalige Premierminister Keizō Obuchi von dem schweren Vorfall erfuhr 6 Die internationale Atomenergiebehorde IAEA ging damals davon aus dass ein hoch technologisiertes Land wie Japan gegen ein solches Atomungluck gerustet sei Jedoch waren die Verantwortlichen zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage die Bevolkerung und die Regierung rechtzeitig zu informieren Nachdem ein speziell fur die Abwehr von chemischen Angriffen ausgerustetes Team den Unfallort erreicht hatte stellte sich schnell die Hilflosigkeit gegen nukleare Kontamination heraus Selbst in einer Atomstadt wie Tokaimura war von den Behorden kein Evakuierungs und Katastrophenplan fur einen Ernstfall vorbereitet worden Auch fur Krisensituationen war nicht geubt worden da man die Bevolkerung nicht unnotig hatte beunruhigen wollen Der Nachrichtenagentur Kyodo wurde vom Regierungssprecher mitgeteilt dass die Regierung nur langsam auf den Vorfall reagierte und die Situation unterschatzt habe Bereits nach dem Atomunfall von 1997 in derselben Stadt waren in der Bevolkerung Zweifel aufgekommen ob die Atomanlagen des Landes ausreichend sicher waren 7 Dadurch war die japanische Atomlobby stark in der Kritik Auswirkungen BearbeitenMitarbeiter Bearbeiten Die nukleare Reaktion durch die ausser Acht gelassenen Sicherheitsmassnahmen forderte zwei Todesopfer Zwei der drei am Mischvorgang beteiligten Arbeiter die unmittelbar am Reaktionsgefass standen und die Flussigkeit einfullten starben an der Strahlenkrankheit da sie extrem hoher Strahlungsdosis geschatzt zwischen 6 und 20 Sievert ausgesetzt waren 3 Der 55 jahrige Yutaka Yokokawa uberwachte den Vorgang und stand etwas abseits er erhielt eine geschatzte Dosis von 1 bis 4 5 Sievert an Strahlung Nach dem Austritt der hohen Rontgen und Neutronenstrahlung hat man sich nur improvisiert um die schwer verletzten Arbeiter gekummert Kollegen wickelten sie in Plastikfolie ein und brachten sie unmittelbar in das nachstgelegene Krankenhaus Jedoch waren wahrend des Transportes die Helfer der drei Opfer ebenfalls Strahlungen von 0 5 4 1 mGy ausgesetzt da sie nur mit Stoffhandschuhen und Mundschutz aus Plastik geschutzt waren Kurz nach der Einlieferung ins Krankenhaus zeigten sich die typischen Auswirkungen von hoher Strahlung auf den menschlichen Korper an den drei Beteiligten Ubelkeit Erbrechen Durchfall Schock und Veranderung des Blutbildes sind die Folgen erhohter Strahlung 8 12 Wochen nach dem Atomunfall verstarb der 35 jahrige Arbeiter Hisashi Ouchi an den Folgen der massiven Strahlung in der Universitatsklinik in Tokio 9 5 Im April 2000 sieben Monate nach dem Kritikalitatsunfall verstarb der 40 jahrige Masato Shinohara ebenfalls an inneren Blutungen Immunschwache und Multiorganversagen 3 Aufgrund der hohen Strahlungsbelastung wurde das Erbgut bei beiden irreparabel geschadigt Obwohl eine Knochenmarktransplantation das blutbildende System beider Unfallopfer stabilisierte setzte sich der Verfall der anderen Organe inklusive der Schleimhaute weiter fort da aufgrund des defekten Chromosomensatzes eine Zellteilung und Regeneration nicht mehr moglich war 10 Weitere 56 Arbeiter die sich zur Zeit des Unfalls am Gelande aufhielten erhielten Dosen zwischen 0 1 und 23 mGy 27 Mitarbeiter der Firma JCO Japan Nuclear Fuels Conversion Company die bis zum Ende des Kritikalitatstorfalls beteiligt waren wurden bewusst und unausweichlich der Strahlung ausgesetzt 21 dieser Mitarbeiter waren damit beschaftigt das Kuhlwasser aus dem betroffenen Tank abzulassen Die anderen sechs Arbeiter die den Borsauretrimethylester in den Tank leiteten erhielten Strahlungsdosen zwischen 0 03 und 0 61 mSv Weitere 161 Mitarbeiter waren einer Kollektivdosis von circa 0 48 Sievert ausgesetzt 11 Umwelt Bearbeiten Im Umkreis von zehn Kilometern konnte weder in Regen noch in See oder Meerwasser oder in der Trinkwasserversorgung Radioaktivitat festgestellt werden Jedoch wurde von der Regierung befohlen dass Bauern ihr Gemuse und ihre Milch vernichten sollen und Fischer bekamen Auslaufverbot 7 Bei gewonnenen Proben aus der Prafektur Ibaraki in der die Kustenstadt Tokaimura liegt wurde nachgewiesen dass Meeres und auch Landtiere keine erhohten Strahlungswerte aufwiesen Landwirtschaftliche Produkte wiesen in Bodenproben ebenfalls keine erhohten Strahlungswerte auf Lediglich in 15 von 115 Gemuseproben konnte radioaktives Iod nachgewiesen werden Sie lag unter dem japanischen Grenzwert Politische juristische und wirtschaftliche Folgen BearbeitenTrotz des schweren Unfalls der fur starke Kritik gegen die Atomenergie sorgte hielt die Regierung daran fest da das rohstoffarme Land nicht so stark von auslandischen Ollieferungen abhangig sein wolle 1999 besass das Land 52 Atomkraftwerke aus denen 35 des gesamten Stroms bezogen wurden 7 Ungefahr dreieinhalb Jahre dauerte es bis ein japanisches Gericht funf Leitende Angestellte sowie den damaligen Leiter der Brennelementefabrik von JCO verurteilte Die funf leitenden Angestellten wurden zu einer Gefangnisstrafe zwischen zwei und drei Jahren auf Bewahrung verurteilt Der Leiter der Brennelementefabrik wurde zu drei Jahren Haft die auf funf Jahre Bewahrung ausgesetzt wurde und einer zusatzlichen Bussgeldzahlung von umgerechnet 3 900 Euro verurteilt 12 Das Parlament verabschiedete ein Gesetz uber spezielle Massnahmen bei Nuklearkatastrophen Dieses Gesetz legt eine klare Rollenverteilung fur die involvierten Fachbereiche fest Ausserdem wurde fur Verbesserungen und eine Uberwachung des sicheren Betriebs der Kernanlagen ein privates Netzwerk fur Kernenergie Sicherheit gegrundet Nicht nur die japanische Atomindustrie wurde kritisiert In Deutschland wurde von der Gesellschaft fur Strahlenschutz zu einem beschleunigten Ausstieg aus der Atomenergie aufgerufen da unkontrollierte Kettenreaktionen auch in technisch am hochsten entwickelten Landern moglich seien 13 Das Nuclear Safety Network NSN wollte mit Hilfe von gegenseitigen Inspektionen und Informationsaustausch der einzelnen Mitglieder das Sicherheitsbewusstsein in der Nuklearindustrie verbessern Im Jahr 2014 wurde durch die Nihon Genshiryoku Kenkyu Kaihatsu Kikō dt japanische Atomenergieforschungs und Entwicklungsorganisation bekannt dass die Wiederaufarbeitungsanlage in Tokaimura stillgelegt wird da eine Anpassung an die Sicherheitsmassnahmen nach dem Atomungluck in Fukushima zu teuer ware Die Kosten hatten umgerechnet 915 Millionen US Dollar betragen 14 Anschlag BearbeitenUngefahr drei Monate nach dem Unfall im Jahr 2000 konnte ein Anschlag auf die Brennelemente Fabrik von Polizisten verhindert werden Die Zeitung Mainichi Shimbum berichtete dass der arbeitslose Wiederholungstater Tatsufumi Oshiba sich uber die Firma JCO aufgeregt habe sodass er zuerst die Fabrik mit einem ferngezundeten Sprengsatz in einer Tasche sprengen und sich anschliessend selbst habe umbringen wollen Das Attentat auf die Brennelementefabrik schlug jedoch fehl 15 Literatur BearbeitenNaoto Kan Als Premierminister wahrend der Fukushima Krise IUDICIUM Verlag GmbH Munchen ISBN 978 3 86205 426 8 NHK 83 Tage Der langsame Strahlentod des Atomarbeiters Hisashi Ouchi Redline Verlag 2011 ISBN 978 3 86881 315 9 Susan Boos Fukushima lasst Grussen Die Folgen eines Super Gaus Rotpunktverlag 2012 ISBN 978 3 85869 474 4Weblinks BearbeitenKritikalitatsunfall in Tokai mura Nuklearforum Schweiz 29 September 1999 abgerufen am 15 Februar 2017 Japan Tokai mura Atomfabrik Deutsche Sektion der Internationalen Arzte fur die Verhutung des Atomkrieges Arzte in sozialer Verantwortung e V IPPNW abgerufen am 15 Februar 2017 Georg Blume Das Fanal von Tokaimura In ZEIT ONLINE 21 Marz 1997 abgerufen am 15 Februar 2017 Tokaimura Japan 1999 Atomkraftwerke Plag abgerufen am 15 Februar 2017 Erste Bilanz der Auswirkungen von Tokai mura Nuklearforum Schweiz 30 November 1999 abgerufen am 15 Februar 2017 Stellungnahme Konsequenzen aus dem Kritikalitatsunfall in der JCO Uranverarbeitungsanlage in Tokaimura Japan fur deutsche Anlagen Reaktor Sicherheitskommission RSK abgerufen am 15 Februar 2017 Aus Arger uber Atom Unfall Japaner wollte Tokaimura in die Luft jagen SPIEGEL ONLINE 13 Januar 2000 abgerufen am 15 Februar 2017 bes Tokaimura Bewahrungsstrafen Greenpeace e V 3 Marz 2003 abgerufen am 15 Februar 2017 Gerd Rosenkranz Wieland Wagner Blauer Blitz in Fernost In Der Spiegel 40 1999 Abgerufen am 15 Februar 2017 Atomunfall in Japan Kettenreaktion gestoppt SPIEGEL ONLINE 30 September 1999 abgerufen am 15 Februar 2017 World Nuclear News Tokai reprocessing plant to shut World Nuclear Association 29 September 2014 abgerufen am 15 Februar 2017 Einzelnachweise Bearbeiten Tokaimura Japan 1999 Fandom abgerufen am 29 Januar 2017 a b Naoto Kan Als Premierminister wahrend der Fukushima Krise IUDICIUM Verlag GmbH Munchen ISBN 978 3 86205 426 8 a b c Tokaimura Criticality Accident 1999 World Nuclear News Oktober 2013 abgerufen am 4 Februar 2017 englisch a b Kritikalitatsunfall in Tokai mura 29 September 1999 abgerufen am 26 Januar 2017 a b c NHK 83 Tage Der langsame Strahlentod des Atomarbeiters Hisashi Ouchi Redline Verlag 2011 ISBN 978 3 86881 315 9 S 190 a b Too Hot to Handle TIME Magazine 11 Oktober 1999 abgerufen am 27 Januar 2017 englisch a b c Blauer Blitz in Fernost SPIEGEL Online 4 Oktober 1999 abgerufen am 25 Januar 2017 Susan Boos Fukushima lasst Grussen Die Folgen eines Super Gaus Rotpunktverlag 2012 ISBN 978 3 85869 474 4 S 272 Herr Ouchi stirbt den Strahlentod n tv 11 September 2011 abgerufen am 28 Januar 2017 Hirama et al Initial medical management of patients severely irradiated in the Tokai mura criticality accident British Journal of Radiology Vol 76 May 2003 p 246 253 Kritikalitatsunfall in Tokai mura Nuklearforum 29 September 1999 abgerufen am 29 Januar 2017 Tokaimura Bewahrungsstrafen Greenpeace de 3 Marz 2003 abgerufen am 26 Januar 2017 Kettenreaktion gestoppt SPIEGEL Online 30 September 1999 abgerufen am 27 Januar 2017 Tokai reprocessing plant to shut World Nuclear News 29 September 2014 abgerufen am 29 Januar 2017 englisch Aus Arger uber Atom Unfall SPIEGEL ONLINE 13 Januar 2000 abgerufen am 26 Januar 2017 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Nuklearunfall von Tōkaimura 1999 amp oldid 234367963