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Die Niederwaldkonferenz war eine Konferenz der elf westdeutschen Ministerprasidenten die 1948 mit insgesamt drei Sitzungsperioden im Jagdschloss Niederwald bei Rudesheim am Rhein stattfand Thema der Konferenz waren zum zweiten Mal die drei Frankfurter Dokumente vom 1 Juli 1948 Darin hatten die Westmachte den Ministerprasidenten den Auftrag erteilt einen Weststaat zu grunden Beim ersten Mal hatten sie als Antwort darauf auf der Rittersturz Konferenz bei Koblenz die Koblenzer Beschlusse erarbeitet Diese Reaktion war jedoch von den Westmachten nicht akzeptiert worden waren sodass neue Beratungen notwendig wurden Wichtigstes Ergebnis der Niederwaldkonferenz war der Beschluss der Ministerprasidenten der Lander in den westlichen Besatzungszonen der Aufforderung der Westalliierten zuzustimmen einen westlichen Teilstaat zu grunden ohne dabei den Anspruch auf einen gesamtdeutschen Nationalstaat aufzugeben Sie beschlossen die Ausarbeitung einer provisorischen Verfassung vorzubereiten Diesem Zweck diente spater der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee Der Konferenzort Jagdschloss NiederwaldAuf dem Weg zum Grundgesetz spielte das Jagdschloss Niederwald als Tagungsstatte eine Rolle und wurde so zu einem historischen Ort bundesdeutscher Verfassungsgeschichte Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Abfolge der Tagungen 3 Beschlusse 4 Ubereinkommen in der dritten Verhandlungsrunde 5 Einzelnachweise 6 Literatur 7 WeblinksVorgeschichte BearbeitenDie Moglichkeit zur Erarbeitung einer Verfassung fur die drei westlichen Besatzungszonen eroffneten die Siegermachte im Zuge der Spannungen des aufkommenden Kalten Krieges Nach dem Februarumsturz in der Tschechoslowakei 1948 strebten die USA und Grossbritannien eine westdeutsche Staatsgrundung an um Westdeutschland gegen eine weitere Expansion des sowjetischen Machtbereichs zu sichern und sie perspektivisch in das militarische Sicherheitsbundnis einzubeziehen an deren Grundung sie gerade arbeiteten Frankreich sah zwar die deutsche Bedrohung noch ahnlich gross wie die durch die Sowjetunion und war deshalb skeptisch konnte aber auf der Londoner Sechsmachtekonferenz 23 Februar bis 2 Juni 1948 an der auch die Benelux Staaten teilnahmen umgestimmt werden Dort entstanden die sogenannten Londoner Empfehlungen Die Militargouverneure der drei Westmachte wurden darin beauftragt die elf Ministerprasidenten der westdeutschen Lander zu ermachtigen eine Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen um die Grundung eines demokratischen Staates auf ihrem Territorium vorzubereiten 1 Diesen Auftrag gaben die Militargouverneure am 1 Juli in den Frankfurter Dokumenten die als die Geburtsurkunde der Bundesrepublik gilt an die Landerchefs weiter 2 Doch diese sahen in der Grundung eines Weststaates die Gefahr einer endgultigen Teilung Deutschlands und brachten ihre Befurchtung auf der Ministerprasidentenkonferenz in Koblenz der Rittersturz Konferenz zum Ausdruck Die Ministerprasidenten nahmen die Frankfurter Dokumente zwar an beharrten darauf es durfe nur ein Provisorium dabei herauskommen und statt einer Verfassung ein blosses Organisationsstatut 3 Es gab bedingt durch diese Differenzen diverse Verstimmungen auf beiden Seiten So sprach der amerikanische Militargouverneur Lucius D Clay von unverantwortlichen Koblenzer Schritten seitens der Ministerprasidenten die eine katastrophale Missachtung des Ernstes der gesamteuropaischen Lage dargestellt hatten Es hatte sich herausgestellt dass die Militargouverneure keinerlei Verhandlungsspielraum hatten von den Londoner Empfehlungen abzuweichen Diese Londoner Empfehlungen stellten einen fragilen Kompromiss der Westmachte dar der nicht mehr in Frage gestellt werden sollte Sie lagen den Frankfurter Dokumenten zugrunde waren der deutschen Seite aber nicht mitgeteilt worden 4 Abfolge der Tagungen BearbeitenDie erste Konferenz fand am 15 und 16 Juli statt beraten wurde die Reaktion der Militargouverneure auf die Koblenzer Beschlusse Auf der zweiten Konferenz am 21 und 22 Juli wurden die Koblenzer Beschlusse uberarbeitet und durch eine neue Stellungnahme ersetzt Am 26 Juli wurde diese Stellungnahme in einer dritten Verhandlungsrunde mit den Militargouverneuren beraten und ein Ubereinkommen erzielt Die Abschlusskonferenz fand schliesslich am 31 August statt Beschlusse BearbeitenNach Beratungen mit den Militargouverneuren in Frankfurt trafen sich die Landerchefs im Juli 1948 auf dem Jagdschloss Niederwald zu einer ersten Konferenz um sich gegenseitig uber die Gesprache zu unterrichten In dem Schloss im Rheingau tagten die Ministerprasidenten im Zuge der Beratungen um die Ausarbeitung einer Verfassung dreimal Die wichtigste Konferenz fand am 21 22 Juli 1948 im sogenannten Grunen Salon des Jagdschlosses statt Die Ablehnung sowohl der Grundung eines Weststaates als auch der Ausarbeitung einer Verfassung durch die Landerchefs die in den Koblenzer Beschlussen zum Ausdruck hebracht worden war wich einer Kompromissbereitschaft zu Gunsten der Vorstellung der Westalliierten Die Ministerprasidenten beschlossen inhaltlich den Richtlinien der Frankfurter Dokumente zu folgen aber terminologisch auf der Rittersturzlinie zu bleiben um den Charakter eines Provisoriums aufrechtzuerhalten Das hiess Grundgesetz statt Verfassung und Parlamentarischer Rat anstatt verfassungsgebender Versammlung Diese Kompromisse die den Weg zur Ausarbeitung des Grundgesetzes ebneten wurden massgeblich durch den Berliner Burgermeister Ernst Reuter SPD beeinflusst der fur eine westdeutsche Losung eintrat 5 Westberlin war gerade von der Berlin Blockade durch die Sowjetunion bedroht mit der es von jeder Versorgung durch die Westalliierten abgeschnitten werden sollte Reuter betonte dass man es im Osten und in Berlin nicht ertragen konne dass der Westen in seinem bisherigen unentschiedenen Status bleiben konne Reuter sprach von einer Kernstaatsidee nach der die Sowjetische Besatzungszone durch die wirtschaftlichen und politischen Verhaltnisse des Westteils zum gemeinsamen Mutterland zuruckkehren werde Wir sind der Meinung dass die politische und okonomische Konsolidierung des Westens eine elementare Voraussetzung fur die Gesundung auch unserer Verhaltnisse und fur die Ruckkehr des Ostens zum gemeinsamen Mutterland ist 6 Damit begannen die Koblenzer Beschlussen zu brockeln Dass eine weitere Ablehnung des Auftrags der Westalliierten die Grundlage fur einen Weststaat zu legen einen politischen Konflikt hervorrufen wurde der das blockierte Berlin in grosste Gefahr bringen wurde war ohnehin klar Die Teilung Deutschlands war 1948 praktisch schon vollzogen und eine konkrete und unmittelbare Aussicht sie zu uberwinden war nicht in Sicht Eine realistische Alternative zum Kurs der USA die sich langsam von der Besatzungsmacht zur Schutzmacht entwickelte bestand nicht Welche Konsequenzen die Westmachte aus einer weiteren Verzogerung oder gar Ablehnung ziehen wurden welche Risiken das bedeuten wurde war nicht klar Deswegen konnte es nur noch um die Modalitaten einer Zustimmung gehen Daher entschieden sich die Ministerprasidenten einen westdeutschen Staat zu errichten der ein Provisorium sein sollte Die Schaffung eines westdeutschen Gemeinwesens sollte nicht als Akt der endgultigen Selbstaufgabe des deutschen Nationalstaats verstanden werden Ein Provisoriumsvorbehalt musste zum Ausdruck gebracht werden er war unverzichtbar Dass dieses Gemeinwesen Staatscharakter haben musste war eine plausible Folge Nur ein westdeutsches Gemeinwesen das als Staat angelegt war konnte auch Souveranitat beanspruchen Lediglich Carlo Schmid SPD vertrat noch die Koblenzer Linie und bezeichnete spater die entstehende Verfassung als Verfassung in der Unfreiheit In ihrer Stellungnahme fassten die Landerchefs ihre Beschlusse fur die Militargouverneure zusammen und stellten mit aller Klarheit die Gemeinsamkeiten ihrer Ziele mit den Frankfurter Dokumenten dar Ubereinkommen in der dritten Verhandlungsrunde BearbeitenDie Stellungnahme der Niederwaldkonferenz bildete die Grundlage fur die dritte Verhandlungsrunde zwischen den drei westlichen Militargouverneuren und den deutschen Ministerprasidenten die am 26 Juli 1948 in Frankfurt stattfand Hier wurde die Ubereinkunft erzielt mit der Organisation der drei westlichen Besatzungszonen auf der Basis der Londoner Empfehlungen sofort zu beginnen Die Landtage sollten nun die notigen Vorbereitungen treffen um die Vertreter zum Parlamentarischen Rat auszuwahlen der die vorlaufige Verfassung fur einen Weststaat ausarbeiten sollte Dieser Rat sollte spatestens am 1 September 1948 zusammentreten 7 Der Kompromiss mit den Militargouverneuren bestand darin dass die Ministerprasidenten die sachlichen Forderungen der Frankfurter Dokumente akzeptierten Die Militargouverneure akzeptierten ihrerseits deren Anderungswunsche in der Terminologie Der Begriff Verfassunggebende Versammlung wurde durch Parlamentarischer Rat ersetzt Verfassung durch Grundgesetz Den Begriff Grundgesetz hatten die Ministerprasidenten mit basic constitutional law ubersetzt um ihn den Alliierten schmackhaft zu machen er sollte fortan fur eine Verfassung stehen die zugleich ein Provisorium war 8 Die Gegenvorstellung der Ministerprasidenten das Grundgesetz nicht durch ein Volksreferendum sondern durch die Landtage zu ratifizieren wurde zur letzten Entscheidung an die Regierungen der Westmachte verwiesen Sie erfolgte spater und folgte den deutschen Wunschen 9 Offen war noch die Vorlage von deutschen Vorschlagen zur Anderung der Landergrenzen Hier wurde den Ministerprasidenten von den Militargouverneuren eine Frist bis zum 1 Oktober 1948 gewahrt Daraufhin wurde ein Landergrenzenausschuss einberufen der auch auf dem Niederwald tagte 10 Abgeschlossen wurden die Beratungen zur Neugliederung der Lander mit der dritten Konferenz der Ministerprasidenten auf Schloss Niederwald am 31 August 1948 mit einer Entscheidung zur Schaffung eines Sudweststaats 11 Einzelnachweise Bearbeiten Manfred Gortemaker Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Von der Grundung bis zur Gegenwart C H Beck Munchen 1999 S 45 49 Rudolf Morsey Die Bundesrepublik Deutschland Entstehung und Entwicklung bis 1969 Oldenbourg Grundriss der Geschichte Bd 19 Munchen 2007 ISBN 3 486 58319 0 S 17 abgerufen uber De Gruyter Online Henning Kohler Deutschland auf dem Weg zu sich selbst Eine Jahrhundertgeschichte Hohenheim Verlag Stuttgart 2002 S 478 f Vgl zu den Ereignissen ausfuhrlich Horst Moller Wandlungen der Besatzungspolitik in Deutschland 1945 1949 in Bernhard Diestelkamp Zentaro Kitagawa Josef Kreiner u a Hrsg Zwischen Kontinuitat und Fremdbestimmung Zum Einfluss der Besatzungsmachte auf die deutsche und japanische Rechtsordnung 1945 bis 1950 Deutsch japanisches Symposion in Tokio vom 6 bis 9 April 1994 Mohr Tubingen 1996 S 37 53 Adolf M Birke Der Beitrag der Alliierten zur Neuordnung der Kommunal und Landerverfassungen in Deutschland in Diestelkamp u a Hg Zwischen Kontinuitat und Fremdbestimmung ebenda S 79 96 Manfred Gortemaker Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Von der Grundung bis zur Gegenwart Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 596 16043 X S 55 Bundesrepublik Berlin ans Herz Der Spiegel Nr 46 1966 vom 7 November 1966 Nach Hans Peter Schwarz Vom Reich zur Bundesrepublik Deutschland im Widerstreit der aussenpolitischen Konzeptionen in den Jahren der Besatzungsherrschaft 1945 bis 1949 war es der Berliner SPD Fuhrer Ernst Reuter der die Weststaat Theorie im entscheidenden Augenblick durchsetzte Theo Stammen Gerold Maier Der Prozess der Verfassunggebung In Josef Becker Theo Stammen Peter Waldmann Hrsg Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland Zwischen Kapitulation und Grundgesetz Fink Munchen 1979 ISBN 3 7705 1769 5 S 381 ff hier S 392 Peter Graf von Kielmansegg Nach der Katastrophe Eine Geschichte des geteilten Deutschland Siedler Berlin 2000 ISBN 3 88680 329 5 S 67 f Theo Stammen Gerold Maier Der Prozess der Verfassunggebung In Josef Becker Theo Stammen Peter Waldmann Hrsg Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland Zwischen Kapitulation und Grundgesetz Fink Munchen 1979 S 381 ff hier S 392 f Man lebt Mit kleinstem Krafteaufwand In Der Spiegel Heft 32 1948 7 August 1948 S 5 f zweite Tagung des Landergrenzen Ausschusses Birgit Wilhelm Das Land Baden Wurttemberg Entstehungsgeschichte Verfassungsrecht Verfassungspolitik Bohlau Koln 2007 S 49 Literatur BearbeitenWolfgang Benz Von der Besatzungsherrschaft zur Bundesrepublik Stationen einer Staatsgrundung 1946 1949 Frankfurt am Main 1984 Weblinks BearbeitenZeittafel zur Entstehung des Grundgesetzes Konrad Adenauer Stiftung Historie des Hotels Jagdschloss Niederwald in Rudesheim Mitteilungen des Deutschen Instituts fur Foderalismusforschung Heft 7 Mai 1997 zur Niederwaldkonferenz siehe S 7 und 8 der PDF Datei 263 kB im Beitrag von Hans Peter Schneider Die Entstehung des Grundgesetzes Karlheinz Niclauss Der Weg zum Grundgesetz Paderborn 1998 zur Niederwaldkonferenz s S 8 und 63 der PDF Datei 2 04 MB Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Niederwaldkonferenz amp oldid 220253661