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Die Moschee in Wunsdorf war die alteste Moschee in Deutschland Sie existierte von 1915 bis 1930 und befand sich im sogenannten Halbmondlager einem Kriegsgefangenenlager des Ersten Weltkriegs in Wunsdorf Fruher erbaute ausserlich Moscheen nachempfundene Gebaude etwa in Potsdam Dampfmaschinenhaus fur Sanssouci oder im Schlossgarten von Schwetzingen waren nicht fur den muslimischen Gottesdienst gedacht sondern dienten dekorativen Zwecken Aussenansicht der Moschee in Wunsdorf 1915Moschee mit Teilen des LagersInnenansicht mit Mihrab52 1673 13 4834 Koordinaten 52 10 2 3 N 13 29 0 2 O Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Baubeschreibung 3 Nutzung und Abriss 4 Archaologische Untersuchung nach 100 Jahren 5 Weblinks 6 Literatur 7 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenDer deutsche Botschafter in Istanbul Hans von Wangenheim berichtete am 11 November 1914 nach Berlin Sultan Mehmet V wunsche fur muslimische Kriegsgefangene in Deutschland eine Moschee zu errichten 1 Fur die deutschen Behorden war die Idee attraktiv Das Halbmondlager fur indische nordafrikanische syrische Internierte maximal 4000 Personen sowie das benachbarte Weinberglager fur Internierte aus franzosischen Kolonien sowie Tataren maximal 12 000 Personen zeichneten sich dadurch aus dass den Gefangenen die Befolgung muslimischer Gebote moglichst erleichtert wurde So sollten sie fur den Deutschen Dschihad gegen die Kolonialmachte Russland Frankreich und Grossbritannien gewonnen werden Beim Deutschen Dschihad handelt es sich um ein Konzept des deutschen Diplomaten Max von Oppenheim unter Nutzung der Nachrichtenstelle fur den Orient etwa 300 Millionen Muslime die unter Kolonialherrschaft lebten gegen die Kolonialmachte zu mobilisieren 2 Dschihad ist in diesem Kontext nicht im heute gebrauchliche Sinne eines Krieges gegen Nichtmuslime sondern als Strategie im Ersten Weltkrieg zu verstehen 2 Insgesamt folgten fast 2000 der bis zu 16 000 Internierten dem Aufruf des Sultans der Osmanischen Armee beizutreten 3 Doch ihre Integration in diese Armee schlug fehl wegen der schlechten Behandlung desertierten viele Freiwillige Deshalb wurde die Werbeaktion bereits 1916 eingestellt 4 Baubeschreibung BearbeitenDas Kriegsministerium erteilte im Februar 1915 die Genehmigung fur den Moscheebau 3 In funf Wochen errichtete das Charlottenburger Unternehmen Stiebitz und Kopchen das Gebaude fur 45 000 Goldmark Es war ein Holzbau mit beidseitiger Bretterverschalung auf massiven Grundmauern Der Kernbau war ein polygonaler zentral uberkuppelter Betsaal mit Umgang Letzterer war durch Obergaden von der Kuppel abgesetzt und hatte ein Pultdach Im Suden gab es einen Vorraum mit seitlich angebautem Predigerraum Leichenwaschraum und Minarett Im Norden gab es einen in etwa quadratischen Hof mit ebenfalls quadratischem Brunnen samt Fusswannen Nordlich schloss sich ein Badehaus an 5 Der Innen und Aussenanstrich wurde mit Olfarbe ausgefuhrt und zwar war die Grundfarbe Elfenbeinweiss mit roten und grauen Streifen Der Gebetsraum war mit steinernen Bodenplatten ausgelegt worauf Matten gebreitet wurden 1 Das Minarett war 23 Meter hoch 3 Die zentrale Kuppel hatte einen Durchmesser von 12 Metern 5 Da die Muslime aus verschiedenen Herkunftslandern stammten vereinte der eklektizistische Moscheebau im Dienste psychologischer Kriegsfuhrung bewusst Elemente westislamischer Bauten in Spanien des Felsendoms osmanischer Moscheebauten bis hin zum Taj Mahal in Agra 5 Nutzung und Abriss BearbeitenAm 13 Juli 1915 mit dem Beginn des Ramadan wurde die neue Moschee in Anwesenheit des turkischen Diplomaten Mahmut Muhtar Pascha eingeweiht 1 Nach Ende des Ersten Weltkriegs kehrten die muslimischen Internierten nach und nach in ihre Herkunftslander zuruck Eine Gruppe von 90 Muslimen blieb in zwei der Baracken nahe der Moschee wohnen und fuhrte mit Zustimmung der Behorden das religiose Leben in Wunsdorf weiter Als 1924 der Grundstein fur die Moschee in Berlin Wilmersdorf gelegt wurde entfiel die Motivation den provisorischen Holzbau in Wunsdorf weiter zu benutzen Die Gesellschaft fur islamische Gottesverehrung bot 1927 an die Wunsdorfer Moschee fur 10 000 Reichsmark dem deutschen Staat zu verkaufen und das Geld fur den Wilmersdorfer Neubau zu verwenden Als die Wilmersdorfer Moschee 1928 fertiggestellt war war der Abriss des Wunsdorfer Gebaudes die logische Konsequenz Er erfolgte 1930 3 In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Areal mit militarischen Funktionsbauten uberpragt Archaologische Untersuchung nach 100 Jahren BearbeitenAm 13 Juli 2015 begann eine Lehr und Forschungsgrabung des Brandenburgischen Landesamts fur Denkmalpflege und des Instituts fur Vorderasiatische Archaologie der Freien Universitat Berlin auf dem ehemaligen Moscheegelande So sollte die Baugeschichte des Bodendenkmals Wunsdorf 48 Kriegsgefangenenlager 1914 1918 mit Standort einer Moschee dokumentiert werden in Vorbereitung des geplanten Neubaus einer Erstaufnahmeeinrichtung fur Fluchtlinge an dieser Stelle Der Zentralbau und der nordliche Vorbau der Moschee befanden sich unter dem heutigen Parkplatz und waren von den Baumassnahmen nicht betroffen Die Grabung galt deshalb dem sudlichen Vorbau mit Minarett 6 Die Archaologen fanden Fundamentreste aus industriell gefertigten Ziegelsteinen mit Strichmortel und Zementplatten Diese Reste gehorten zum Wasch und Baderaum Auch das Be und Entwasserungssystem dieser Einrichtung war nachweisbar Den eigentlichen Gebetsraum betreffend stellte man fest dass die Ziegelsteine der Fundamente sowie die Bodenplatten beim Abriss gezielt abgeraumt worden waren vermutlich um sie in Zweitverwendung zu nutzen Was blieb war Schutt Estrichbrocken Eisenverspannungen Fragmente der Kronleuchter und farbige Glasstucke von Kuppelfenstern und Lampen 7 Die aktuelle Nutzung des Gelandes als Containerkomplex in dem Fluchtlinge wohnen enthalt die bittere Ironie dass ein nicht gerade erfolgreicher Plan religios militarischer Aggression der Jihad von einem Ort ausging an dem hundert Jahre spater seine Opfer nach Schutz suchen mussen unter raumlichen Verhaltnissen die denen der damals dort Wohnenden gar nicht unahnlich sind 8 An Deutschlands alteste Moschee erinnern eine Informationstafel sowie der Name der dort verlaufenden Moscheestrasse Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Moschee Wunsdorf Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Klaus Raab Ein Zweckbau Marke Felsendom In Zeit Online 12 Juli 2015 Matthias Lohre Halbmond uber Brandenburg In Zeit Online 11 Dezember 2015 Literatur BearbeitenTorsten Dressler et al Halbmond uber Wunsdorf Moschee im Kriegsgefangenenlager 1915 In Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft fur Archaologie des Mittelalters und der Neuzeit 30 Jahrgang 2017 S 125 136 PDF Martin Gussone Die Moschee im Wunsdorfer Halbmondlager Zwischen Gihad Propaganda und Orientalismus In Beitrage zur islamischen Kunst und Archaologie Jahrgang 2010 Heft 2 S 204 231 Martin Gussone Die Konstruktion der Moschee im Wunsdorfer Halbmondlager In Gesellschaft fur Bautechnikgeschichte Hrsg Mit den wohlfeilsten Mitteln dauerhaft feuersicher und bequem Sparsamkeit als Prinzip Rationalitat als Weltsicht Schriftenreihe der Gesellschaft fur Bautechnikgeschichte Band 2 Thelem Dresden 2019 ISBN 978 3 95908 478 9 S 335 338 Gerhard Hopp Die Moschee in Wunsdorf In Die Mark Brandenburg Bd 13 1996 S 32 35 Gerhard Hopp Muslime in der Mark Als Kriegsgefangene und internierte in Wunsdorf und Zossen 1917 1924 Berlin Druckerei Weinert 1997 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Matthias Lohre Halbmond uber Brandenburg 11 Dezember 2015 abgerufen am 31 Dezember 2018 a b Klaus Raab Moschee Ein Zweckbau Marke Felsendom In Die Zeit 12 Juli 2015 ISSN 0044 2070 zeit de abgerufen am 1 Februar 2019 a b c d Klaus Raab Ein Zweckbau Marke Felsendom 12 Juli 2015 abgerufen am 31 Dezember 2018 Halbmond uber Wunsdorf S 126 a b c Halbmond uber Wunsdorf S 127 Auf den Spuren von Deutschlands altester Moschee Archaologen der Freien Universitat fanden Uberreste des ersten muslimischen Gebetshauses In FU Berlin campusleben 12 Oktober 2015 abgerufen am 1 Januar 2019 Halbmond uber Wunsdorf S 131 134 Halbmond uber Wunsdorf S 135 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Moschee Wunsdorf amp oldid 229406131