Leben und Tätigkeit Bearbeiten
Martin Krohs studierte Philosophie, Biologie, Musik und Volkswirtschaft in Berlin, Hamburg, Göttingen und Fribourg, unter anderem bei Ernst Tugendhat, Elmar Budde, Guy Kirsch, Ruedi Imbach und Evandro Agazzi. Er schloss sein Studium 1994 mit einer wissenschaftstheoretischen Arbeit über Symbiogenese ab (Universität Fribourg). Er ging 1995 nach Moskau, wo er mit zwei Partnern die erste europäische Buchhandlung Russlands eröffnete und als Journalist und Ausstellungsmacher tätig war. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland gründete er 2015 das Online-Portal dekoder.org, dessen Chefredakteur er bis 2016 war (bis 2017 Herausgeber, seitdem weiterhin Gesellschafter), sowie 2022 das Wissenschaftsportal te.ma, dessen Herausgeber er ist. Seine Veröffentlichungen zu Themen aus Wissenschaft, Gesellschaft und Politik erscheinen regelmäßig in deutschsprachigen Medien.
Medien Bearbeiten
dekoder.org Bearbeiten
Das von Krohs 2015 konzipierte und gegründete gemeinnützige Online-Medium dekoder – Russland und Belarus entschlüsseln übersetzt, publiziert und kommentiert Beiträge aus staatsunabhängigen russischen und belarussischen Medien und ergänzt dies mit Hintergrundartikeln von Osteuropaexperten aus europäischen Universitäten sowie eigenen Themendossiers. Für den innovativen Ansatz und die redaktionelle wie fachliche Kompetenz wurde dekoder.org 2016 und 2021 mit dem Grimme Online Award und 2021 mit dem Sonderpreis des Karl-Wilhelm-Fricke-Preises der Bundesstiftung Aufarbeitung ausgezeichnet.
te.ma Bearbeiten
2022 gründete Krohs die gemeinnützige Wissenschaftsplattform te.ma – open science, public discourse. Die Plattform veröffentlicht kontextualisierende Zusammenfassungen von Forschungsbeiträgen sowie Gastbeiträge und Interviews mit Wissenschaftlern. Laut Eigendarstellung soll sie „eine Alternative bieten zu lautstarken sozialen Medien und zu den kurzen Aktualitätszyklen des Journalismus“ und „Diskussionen über komplexe und kontroverse Themen mehr Fundiertheit verschaffen“. Ein Themenkanal zu Künstlicher Intelligenz und Nachhaltigkeit entsteht seit April 2023 in Zusammenarbeit mit dem Exzellenzcluster Maschinelles Lernen für die Wissenschaft der Universität Tübingen.
Medientheorie Bearbeiten
Krohs vertritt ein aus drei Sektoren bestehendes Modell der Medien-Sphäre: Informationsmedien (News Media, journalistische Medien), soziale Medien und Kognitionsmedien (Clues Media). Während Informationsmedien über die Aktualität berichten und sie kommentieren, vermitteln Kognitionsmedien Denkmittel (Theorien, Modelle, Hypothesen oder Argumente), die zur Deutung der journalistischen Information und damit zur politischen Urteilsbildung nötig sind. Solche Denkmittel („Clues“) bleiben in den Informationsmedien „unsichtbar, versteckt, verborgen“ und müssen daher von den Kognitionsmedien explizit gemacht werden. In Anlehnung an den Begriff Narrativ nennt Krohs diese Denkmittel „Kognitive“: „Was in den sozialen Medien aussieht wie ein Kampf um die eine, absolute Wahrheit, ist oft in erster Linie ein Kampf zwischen verschiedenen Sets oder Repertoires von Kognitiven.“
Publizistik und Philosophie Bearbeiten
Krohs schreibt regelmäßig als Autor für überregionale Zeitungen und Internet-Portale wie Zeit, Neue Zürcher Zeitung, Cicero, Berliner Zeitung, IPG-Journal, Lettre International.
Position zum Krieg in der Ukraine Bearbeiten
In der Debatte um den Russischen Überfall auf die Ukraine 2022 vertritt Krohs die Position, dass ein möglicher Ausweg aus dem Krieg in einer „paradoxen Politik“ zu finden sei: Die NATO solle durch eine Internationalisierung der Militärhilfe die Ukraine zur wehrhaften, selbstverantworteten Bewahrung ihrer staatlichen Integrität ertüchtigen, ohne sie jedoch in die westlichen Bündnisse aufzunehmen. Hierzu seien auf diplomatischem Wege Allianzen mit BRICS-Staaten wie Indien oder Brasilien, gegebenenfalls sogar China anzubahnen. So könne ein Kriegsausgang angestrebt werden, der „ein Element der Ambivalenz enthält“ und so in der russischen Staatselite und Zivilgesellschaft die Voraussetzung für ein politisch-ideologisches Umdenken schaffen könnte.
Position zum Gendern Bearbeiten
In der Debatte um die geschlechtergerechte Sprache schlägt Krohs die Nutzbarmachung der E-Derivation als Lösung vor. Sie bilde eine „simple, handliche Wortform, um Personenrollen (Berufe, Personenstände, nomina agentis etc.) geschlechterneutral zu bezeichnen“. Als Beispiel führt er u. a. die Wache an (gebildet aus dem Verb wachen), die beliebigen Geschlechts sein könne. Dieses Wortbildungsmodell könne zum „Entgendern“ weiterverwendet werden.
Bei den derzeit gebräuchlichen Lösungen hingegen sieht er einen ungelösten Zielkonflikt zwischen Gerechtigkeit und Geschmeidigkeit des Sprechens, fordert mehr „Wohlwollen und Nachsicht“ mit der Sprache und den Verzicht auf starre Prinzipien: „Systematisches und unterschiedsloses ‚Durchgendern‘ führt zu Textmonstern und wirkt haarspalterisch und kleinlich. [...] Auch nicht viel besser ist es, stocksteif auf dem generischen Maskulinum zu beharren, denn die Genus-Asymmetrie des Deutschen verlangt nach Abhilfe.“
Auszeichnungen Bearbeiten
Für Konzeption und Aufbau von dekoder.org wurde Krohs vom Medium Magazin 2015 als einer der Journalisten des Jahres ausgezeichnet. Er wurde für Konzept und Idee von dekoder.org mit dem Grimme Online Award 2016 in der Kategorie Information ausgezeichnet.
Weblinks Bearbeiten
Einzelnachweise Bearbeiten
- Neodarwinistische und symbiogenetische Evolutionstheorie : philosophische und wissenschaftliche Analyse einer aktuellen Kontroverse in der Evolutionsbiologie / Martin Krohs. Abgerufen am 12. Juni 2023.
- Martin Krohs: Neodarwinistische und Symbiogenetische Evolutionstheorie Krohs 1994. (academia.edu [abgerufen am 12. Juni 2023]).
- Ihr Traum ist kein Witz (erschienen im Mai 1998 im jetzt-Magazin). 19. Februar 2013, abgerufen am 12. Juni 2023.
- dekoder.org: Wir. 13. August 2015, abgerufen am 12. Juni 2023.
- te.ma: open science, civil discourse. Abgerufen am 12. Juni 2023.
- ↑ dekoder – Russland entschlüsseln. Grimme Online Award 2016. In: grimme-online-award.de. Abgerufen am 13. Juni 2023.
- Grimme Online Award 2021: dekoder Specials. Abgerufen am 12. Juni 2023.
- Karl-Wilhelm-Fricke-Preis 2021 | Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Abgerufen am 12. Juni 2023.
- Stephan Weichert: te.ma – Wissen aus erster Hand. In: Medium Magazin. Nr. 02, 2023, S. 12.
- „Wir wollen Fachdiskurse zugänglich machen“ (Interview). In: Wissenschaftskommunikation.de. 4. April 2022, abgerufen am 12. Juni 2023.
- Über te.ma. Abgerufen am 13. Juni 2023.
- Eva von Grafenstein: Über den Kanal KI und Nachhaltigkeit. 3. April 2023, doi:10.57964/ADCD-HC96 (te.ma [abgerufen am 13. Juni 2023]).
- Martin Krohs: Clues Media. In: Medium. 14. April 2023 (medium.com [abgerufen am 12. Juni 2023]).
- Waffenhilfe ja, Westintegration nein. 23. März 2023, abgerufen am 12. Juni 2023.
- Yes to arms aid, no to Western integration. 29. März 2023, abgerufen am 12. Juni 2023 (britisches Englisch).
- Martin Krohs: Ebbi und Elke-die-Melke In: Ewa Trutkowski, André Meinunger (Hrsg.): Gendern – auf Teufel*in komm raus?. Kadmos, Berlin 2023, ISBN 978-3-86599-550-6.
- Martin Krohs: Ebbi und Elke-die-Melke (gekürzte online-Fassung). 13. Juni 2023, doi:10.57964/J8BN-V967 (te.ma [abgerufen am 13. Juni 2023]).
- Gendern – Sprache im Zielkonflikt. 29. September 2021, abgerufen am 12. Juni 2023.
- Journalisten des Jahres 2015, Kategorie Entrepreneur: Martin Krohs. In: medium magazin. Abgerufen am 12. Juni 2023.
Personendaten | |
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NAME | Krohs, Martin |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Publizist, Medienmacher und Philosoph |
GEBURTSDATUM | 1969 |
GEBURTSORT | Göttingen |