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Die sog Munchener Mustervorstellungen sind Operninszenierungen die ab dem Jahr 1864 stattfanden und vor allem fur die Inszenierungen von Wagner Opern einen Vorbildcharakter erreichen wollten Sie bilden in der Geschichte des deutschen Theaters und besonders in der des Buhnenbildes einen klaren Einschnitt Sie waren eng mit der Person Ludwigs II verbunden der im selben Jahr den bayerischen Thron bestiegen hatte Ihre besondere Bedeutung erlangten sie auch dadurch dass sie als Vorbilder fur seine noch kommenden Marchenschlosser und fur die Ausgestaltung der Innenraume bereits bestehender Bauten dienten Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Anspruch und Wirklichkeit 3 Quellenlage Die Sammlung Quaglio 4 Die ersten Kunstler in Munchen 5 Der fliegende Hollander 1864 6 Tristan und Isolde 1865 7 Lohengrin 1867 8 Operninszenierung und Ludwigs Traumschlosser 9 Tannhauser 1867 10 Literatur 11 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenLudwig II war 12 Jahre alt als er mit den Schriften Richard Wagners zum ersten Mal in Beruhrung kam und 15 Jahre als er im Februar 1861 mit dem Lohengrin seine erste Wagner Oper sehen durfte Nachdem er am 10 Marz 1864 mit 18 Jahren Konig von Bayern geworden war begegnete er schon am 4 Mai zum ersten Mal Richard Wagner Fortan standen Wagners Plane unter besonderem koniglichem Schutz Ludwig bewegte Wagner noch im Jahr der Thronbesteigung dazu nach Munchen zu ziehen und bereits am 4 Dezember fand mit dem Fliegenden Hollander die erste der sog Mustervorstellungen statt die fur die Interpretation der Wagnerschen Opern wie auch fur den Stil der ganzen Munchener Hofoper richtungweisend werden sollte Ludwigs Ziel war wie er am 8 November 1864 an Wagner schrieb das Munchener Publikum durch Vorfuhrung ernster bedeutender Werke wie die des Shakespeare Calderon Goethe Schiller Beethoven Mozart Gluck Weber in eine gehobene gesammeltere Stimmung zu versetzen nach und nach dasselbe jenen gemeinen frivolen Tendenzstucken entwohnen zu helfen indem ich ihm zuerst die Werke anderer bedeutender Manner vorfuhre denn von dem Ernst der Kunst muss alles erfullt werden 1 Das war der Grundgedanke der Mustervorstellungen die in Munchen mit hohem Aufwand betrieben wurden die naturlich nicht aus dem Fundus zusammengestellt wurden und von denen wir heute noch ein reichhaltiges Quellenmaterial besitzen Sie waren also expressis verbis u a zur moralischen Lauterung der Bevolkerung gedacht zur Veredelung der Menschheit mit den Mitteln der Kunst Damit klingt wieder der alte Gedanke der antiken Griechen in Epidauros an Theater zur seelischen Heilung einzusetzen Anspruch und Wirklichkeit BearbeitenEntgegen dieser sehr anspruchsvollen Hoffnung sind in Munchen damals allerdings haufig Buhnenbilder entstanden die fur uns heute einen wenig veredelnden Eindruck machen und die auch hin und wieder nicht ohne unfreiwillige Komik sind Richard Wagner hatte schon 1841 zwei Jahre vor der Dresdner Hollander Urauffuhrung eine Abkehr von der grossen Oper alten Stils gefordert der er selbst noch mit seiner dritten Oper Rienzi gehuldigt hatte Er brach mit dieser eigentlich franzosischen Tradition schon in der Wahl seines Stoffes der nicht mehr der Geschichte sondern jetzt der Sage entnommen war und knupfte damit an die deutsche romantische Nationaloper an die im Freischutz von C M von Weber 1821 ihren Hohepunkt gefunden hatte einer Oper die Wagner immer als Ideal erschienen war Auch das Buhnenbild sollte keine aussere Illustration mehr sein wie in den historistisch orientierten Auffuhrungen beispielsweise der Meininger Schule sondern es sollte die Dramatik der Handlung mit tragen ein Gedanke der 50 Jahre spater von Adolphe Appia wieder aufgegriffen wurde Wagner fuhrte einen lebenslangen Kampf um eine vollkommen entsprechende Darstellung seiner musikalischen Dramen Dabei hatte er aber wohl eher ein Gespur dafur was er nicht wollte als eine feste Vorstellung davon wie sich seine musikdramatischen Visionen praktisch auf die Buhne bringen lassen sollten Er hatte genug damit zu tun sich um die Erfullung seiner Anspruche an das Orchester und die Sanger zu kummern wie es bei der hektischen Vorgeschichte zur Urauffuhrung des Tristan in Munchen deutlich wurde Wagner musste froh sein wenn uberhaupt eine halbwegs akzeptable Auffuhrung zustande kam Seine Angaben zu den Buhnenbildern waren skizzenhaft oder ergaben sich erst in der konkreten Auseinandersetzung mit einer aktuellen Inszenierung waren also an die damaligen Denk und Arbeitsformen der eingesessenen Buhnenleute und an seine eigenen Sehgewohnheiten gebunden und insofern nicht originarer Bestandteil der Partitur Bei der Behandlung der Lohengrin Inszenierung wurden Wagners eigene Szenenangaben missachtet und trotzdem als Mustervorstellung im Sinne des Komponisten ausgegeben offensichtlich mit Wagners Zustimmung Dass Wagner aber eigentlich mit den Munchener Inszenierungen nie zufrieden war zeigt sich daran dass er sich dortige Auffuhrungen von Das Rheingold und Die Walkure 1869 70 unter wilden Drohungen verbat wovon sich Ludwig II aber nicht irritieren liess Auch die Bayreuther Inszenierungen wurden nie so wie Wagner sie sich wunschte In einem Brief an Ludwig beklagte er sich dass die Dekorationen immer so entworfen wurden als ob sie wie in einem Panorama ganz fur sich alleine dastehen und betrachtet werden sollen wahrend ich sie nur als schweigend ermoglichenden Hintergrund und Umgebung einer charakteristischen dramatischen Situation mitwirkend wissen will Und noch deutlicher und nachdem ich das unsichtbare Orchester geschaffen mochte ich auch das unsichtbare Theater erfinden 2 Solche Ausserungen waren nicht fur die Offentlichkeit bestimmt sondern finden sich nur in Briefen Gesprachen und Tagebuchaufzeichnungen die erst nach Wagners Tod veroffentlicht wurden Es ergibt sich bei der Bewertung der Munchener Mustervorstellungen die Schwierigkeit die Munchener und Bayreuther Buhnenbilder kaum mit zeitgenossischen Alternativen vergleichen zu konnen da von anderen Buhnen kaum Bildmaterial uberliefert ist zumal dort nach alter Theaterpraxis viele Kulissen aus dem Fundus zusammengestellt wurden Erst die neuen Anspruche Wagners und das standige Interesse Ludwigs II anderten diese Situation so dass sich Vergleiche fur diese Zeit in dem engen Raum Munchen Bayreuth abspielen Es ist bei den Munchener Mustervorstellungen auffallig dass die Wagnerschen Musikdramen die mit mehreren liebgewordenen Traditionen gleichzeitig brechen mit Buhnenbildern versehen werden die sich haufig um betonte Biederkeit bemuhen so als wollte man etwas Beunruhigendes durch besonders harmlose Verpackung gerade noch geniessbar machen Die Inszenierungen in Munchen machen die Wagnersche Theaterveranderung nicht nur nicht mit sondern greifen stattdessen auf besonders konservative Formen zuruck Wagner hat das alles mehr oder weniger sanktioniert was vielleicht damit zusammenhangt dass er nicht alles auf einmal verandern konnte So lassen sich auch die oft inkonsequenten und sich widersprechenden Ausserungen Wagners zur Inszenierung seiner Werke erklaren Er war selbst an bestimmte Sehgewohnheiten gebunden die sich vielleicht bei ihm schneller geandert und sich seiner eigenen dramatischen Konzeption angenahert hatten wenn ihm die entsprechenden Buhnenbildner zur Seite gestanden hatten die es aber weder in Munchen noch in Bayreuth gab Buhnenbilder waren in den insgesamt 209 Separatvorstellungen die fur Ludwig II von 1872 bis 1885 entweder im National oder im Residenztheater stattfanden oft von entscheidender Bedeutung Es wird behauptet Ludwig habe einige Stucke nur spielen lassen um bestimmte Schauplatze auf der Buhne sehen zu konnen Andere Buhnenbilder wurden einfach vor oder nach einem Stuck lediglich gezeigt ohne mit der Handlung des gespielten Stucks in einem naheren Zusammenhang zu stehen Von 1878 an wurden auch insgesamt 44 Opern im Rahmen der koniglichen Separatvorstellungen gezeigt nicht nur von Wagner auch von Verdi Gluck und Meyerbeer Quellenlage Die Sammlung Quaglio BearbeitenFur die Entwicklung des Buhnenbildes im 19 Jahrhundert fehlt eine umfassende systematische Darstellung 3 Fur einen begrenzten geografischen Raum kann sich die Forschung auf die Geschichte des Munchener und Bayreuther Theaters stutzen da sie in der Sammlung Quaglio einen einmaligen Uberblick der Zeit von 1790 bis 1900 besitzt und in den fur Ludwig II angefertigten Inszenierungsmodellen sogar plastische Abbilder aller Munchener Mustervorstellungen von Wagner Opern besitzt Die Entwicklung des Bayreuther Buhnenbildes vom Beginn der Festspiele 1876 an liegt ebenfalls in Planen Modellen und spater sogar in Szenenfotos geschlossen vor So ist aufgrund besonderer historischer Umstande die rekonstruierbare Geschichte des Buhnenbildes in Deutschland haufig identisch mit der der Wagner Buhne Es ware viel schwieriger grossenteils unmoglich auf die Entwicklung der Buhnenbilder zu Opern anderer Komponisten einzugehen Die Rolle des Bayerischen Konigs Ludwig II ist hier von eminenter Bedeutung Denn Bildmaterial zu Wagner Inszenierungen vor der Zeit um 1865 als Ludwig gerade den bayerischen Thron bestiegen hatte ist kaum verfugbar Die ersten Kunstler in Munchen BearbeitenIn Munchen ist da zunachst Angelo Quaglio der Jungere zu nennen der 1850 koniglicher Hoftheatermaler wurde Er galt allgemein als Wagner Spezialist und wurde in dieser Eigenschaft auch an anderen Buhnen verpflichtet an denen er hochstwahrscheinlich ganz ahnliche Buhnenbilder geschaffen hat In einer Form von Arbeitsteilung war er zusammen mit seinem Kollegen Heinrich Doll der seit 1854 an der Hofoper war verantwortlich fur alle Buhnenbilder der Erst und Urauffuhrungen von Wagner Opern in dem hier betreffenden Zeitraum Quaglio und spater Christian Jank erarbeiteten die eher durch Architektur bestimmten Szenen Doll galt als Spezialist fur Landschaften Daneben fertigte Michael Echter im Auftrag des Konigs Farbskizzen aus diesen Inszenierungen an die als Vorlage fur die Wandgemalde der in der Munchener Residenz geplanten Wagner Sale dienen sollten Hier deutet sich schon eine sehr interessante Verbindung an die in dieser Form nur bei den Opern Richard Wagners auftritt und in der Kulturgeschichte einmalig ist namlich die teilweise intensive Verbindung zwischen den geplanten Buhnenbildern neuer Inszenierungen und der Innenausstattung von noch zu bauenden Schlossern Ludwigs II bzw der Ausstattung bereits bestehender Gebaude wie hier der Munchner Residenz In diesem Zusammenhang bekommen einige Buhnenbilder eine ganz andere Bedeutung die weit uber ein einmaliges Operngeschehen hinausgeht Der fliegende Hollander 1864 BearbeitenGing es C M von Weber in seinem Freischutz 1821 vor allem um die dunkle Mystik des Waldes so kam es Wagner im Hollander 1843 darauf an das Erlebnis der Naturgewalt des Meeres zu vermitteln wie er sie selbst einmal auf einer Schiffsfahrt nach London erlebt hatte In der damaligen Theaterroutine fielen solche Kunstfertigkeiten in den Verantwortungsbereich des Buhnenmaschinisten der die sturmische Bewegung der Wellen und besonders der beiden Schiffe moglichst realistisch vorfuhren sollte Es war damals auch an grossen Buhnen ublich die Dekorationen fur neue Opern weitgehend aus dem Fundus zu bestreiten und so ist es wohl auch gegen Wagners Intention bei der Urauffuhrung des Hollander 1843 in Dresden gewesen von der keine Buhnenbilder uberliefert sind Von der Berliner Erstauffuhrung im Januar 1844 wissen wir dass fur die Szene des 2 Aktes in Dalands Wohnung die Dekoration Gretchens Zimmer aus einer fruheren Faust Auffuhrung verwendet worden war Seltsamerweise verweist Wagner aber in seinen 1852 erschienenen Bemerkungen zur Auffuhrung der Oper Der fliegende Hollander gerade auf diese Berliner Inszenierung Wagners Empfehlungen sind in dieser Hinsicht nicht immer konsequent und verstandlich gewesen Die Buhnenbilder fur den Hollander in Munchen wurden dagegen 1864 von Doll und Quaglio neu geschaffen Wagner hatte hier der Beleuchtung und ihrem mannigfachen Wechsel entsprechend dem Wechsel zwischen Sturm und aufklarendem Himmel besondere Bedeutung zugeschrieben was einer Interpretation des damaligen Buhnenbildes zusatzliche Grenzen setzt Denn wir haben zwar Buhnenmodelle und Plane zur Verfugung aber wir wissen nicht wie das tatsachliche Buhnenbild in der jeweiligen Beleuchtung zusammen mit der Buhnenmaschinerie gewirkt hat und wie die Sanger darin aussahen In Bayreuth wo wir spater Fotografien zur Kontrolle heranziehen konnen sind die Unterschiede zwischen Plan und Ausfuhrung teilweise frappant Fur die Munchener Auffuhrungen liegen keine Fotografien vor und deshalb konnen wir nur von den Modellen ausgehen Das Buhnenbild zum ersten Akt von Heinrich Doll 4 ist das fruheste jener Musterbuhnenbilder die angeblich genau nach den Angaben des Komponisten angefertigt wurden wie man damals allgemein glaubte und noch heute in diversen Lexika behauptet wird Man kann hier aber tatsachlich wohl kaum von einer idealen Losung sprechen Mit den hier sichtbaren Wellen war nicht die Illusion einer sturmisch bewegten See zu erzeugen die nach Wagners Vorstellung als ausseres Bild die inneren seelischen Vorgange im Hollander symbolisieren sollten Die beiden Schiffe waren viel zu klein geraten als dass sich in ihnen und zwischen ihnen die Handlung sinnvoll durchfuhren liesse Die Munchener Neuesten Nachrichten schrieben denn auch Dem Maschinisten scheint aber theilweise Unmogliches zugemuthet worden zu sein Die Schiffe die er fertigte waren klein und unansehnlich es machte lachen zu sehen wie der Steuermann das Sprachrohr anlegte um Leute anzurufen die er fast mit der Hand erreichen konnte 5 Die ganze Szene wirkt einfaltig und der Dramatik der Handlung nicht angemessen Der Hollander soll hier nach siebenjahrigem ruhelosem Herumirren zum letzten Mal festen Boden betreten um seine Erlosung seine Befreiung durch den Tod zu suchen Wagner selbst hat sich nach anfanglicher Begeisterung fur das Projekt der Mustervorstellungen nach einem Monat eigener Mitarbeit auch deutlich resignierend geaussert In einem Brief an Ludwig II vom 12 September 1864 heisst es Die Schwierigkeit ist ungeheuer Ein einziges Gesprach mit Einem der Unglucklichen welche im gemeinen Geleise der Theater und Musik Routine wie bewusstlose Maschinen sich bewegen wirft mich oft in die Flucht vor der Welt zuruck Und doch muss es sein Deshalb Muth 6 Und spater schreibt er wieder an Ludwig am 21 Juli 1865 Der Maler der meiner Auffassung ganz zu entsprechen vermag ist daher wohl erst noch zu finden 7 Sogar nach Michael Petzets Ansicht hat Wagner diesen Maler zu Lebzeiten nie gefunden Cosima Wagner schreibt noch am 28 August 1880 in ihr Tagebuch Mit Grauen denkt er bei Gelegenheit seines Briefes an den Konig an die Befassung mit den Dekorationsmalern Doll und Quaglio und ist verstimmt uber die Unschlussigkeit dort 8 Der 2 Akt 9 spielt in Dalands Wohnung Quaglio der fur Architekturszenen zustandig war konnte sich bei der Gestaltung der Fischerhutte auf familiare Traditionen beziehen was er generell gerne tat teilweise in einer Art die sich als glatte Kopie bezeichnen lasst Er griff gerne auf Entwurfe seines Vaters Simon zuruck soweit sie vorhanden waren oder auf solche seiner Kollegen 10 1825 hatte Vater Simon Quaglio bereits eine solche Szene in grosszugigen Dimensionen gemalt die eher eine Halle als eine Hutte darstellt Angelo kommt dem realistischen Aussehen einer Fischerhutte schon etwas naher die als Gegenbild zur mythischen Welt des Hollanders die burgerliche Behaglichkeit Dalands reprasentieren soll lasst die Szene aber wie in einer Puppenstube erscheinen Der durch die Holzbalkendecke eingeengte eigentliche Innenraum soll mit zahlreichen realistischen Details Heimatatmosphare bieten Der tabernakelartige Kamin rechts scheint allerdings mit seiner antikischen Form nicht in das Norwegen des 16 Jahrhunderts zu passen und schon gar nicht in die Hutte eines Fischers Er ist in der Bayreuther Erstauffuhrung 1901 dann auch durch einen Wandkamin ersetzt worden Das Buhnenbild zum 3 Akt stammt wieder von Heinrich Doll 11 Gefordert ist laut Partitur eine Seebucht mit felsigem Gestade vor Dalands Haus die Heinrich Doll wieder volkstumlich bieder darstellt als handele es sich um den Rahmen fur ein frohliches Trinkgelage Sentas Sprung ins Wasser kann hier nur durftig ausfallen Der Felsen von dem sie sich herabsturzen soll ist kaum grosser als sie selbst Die Beitrage Heinrich Dolls der einmal als der Maler des Mystisch Romantischen apostrophiert wurde sind sich in den verschiedenen Inszenierungen stilistisch so ahnlich dass auf eine detaillierte Wurdigung verzichtet werden kann Hier scheint ein sehr charakteristischer Zug der damaligen Munchener Buhnenwelt deutlich zu werden ein starkes Verlangen nach farbiger Prachtentfaltung die bei aller gewollten Grandiositat sehr an naive Marchenvorstellungen und kleinburgerliche Feierabendgemutlichkeit erinnert Hellmuth Wolff meint denn auch dazu Derartiges kann heute nur noch als Kuriositat gewertet werden wahrend etwa barocke Buhnenarchitektur heute als vollgultige Kunstwerke angesehen werden konnen 12 Tristan und Isolde 1865 BearbeitenIm folgenden Jahr am 10 Juni 1865 fand mit Tristan und Isolde nicht nur eine Mustervorstellung sondern gleichzeitig die erste Munchener Urauffuhrung einer Wagner Oper statt 13 Wagner hatte nach diversen personlichen Schwierigkeiten mit seinen Finanzen und seinen Opernplanen beabsichtigt er befand sich mitten in der Instrumentierung des Nibelungenstoffes schnell mal eine Oper mit wenigen Personen zu komponieren die uberall sofort auffuhrbar sein und ihm entsprechende Tantiemen bringen sollte Daraus entstand mit Tristan und Isolde eine im August 1859 vollendete Oper die lange Zeit fur unauffuhrbar gehalten wurde und heute noch selbst grosse Hauser vor Besetzungsschwierigkeiten stellen kann In Karlsruhe Paris und Wien waren Auffuhrungsversuche des Tristan gescheitert auch die Munchener Urauffuhrung kam nur nach mehreren Terminverschiebungen zustande dann aber wurde sie ein grosser Erfolg Auch die Buhnenbilder wurden einhellig gelobt Im Gegensatz zum Hollander und zum Lohengrin findet die Handlung des Tristan zu keiner bestimmten historischen Zeit statt auch die geografischen Angaben sind sehr allgemein Wagner sah im Tristan sein erstes vollkommenes Kunstwerk der Zukunft und betonte hier fur die Buhnenbilder die Vorrangstellung der Landschaftsmalerei Die Dekoration sollte als warmer Hintergrund hinter dem inneren Geschehen der Handlung zurucktreten und lediglich der musikalischen Symbolik folgen Wagners eigene Skizzen zum Buhnenbild aus einem Klavierauszug 14 beschranken sich auf das Notigste Alles andere nannte er szenischen Unfug Im Vergleich dazu ist die Ausstattung von Quaglio ausserordentlich aufwendig und farbtrunken Die Moglichkeiten der Dekorationsmalerei sind voll ausgeschopft und bieten dem Auge zahlreiche Anhaltspunkte falls in dem ungewohnlich langen 1 Akt die in Dialogen mehr erzahlte als gespielte Handlung mal nicht mehr ganz zu fesseln vermag Es ist bei aller majestatischen Kraft dieses Buhnenbildes das Gegenteil dessen eingetreten was Wagner wollte Diese grandiose Kulissenwelt wird wohl eher die innere Handlung der Oper als Hintergrund benutzt haben anstatt selbst als Hintergrund zu dienen In Ludwig II Separatvorstellungen diente die Handlung generell haufig dazu ein moglichst prachtiges Buhnenbild zu legitimieren Wagner schrieb denn auch in einem offenen Brief Fur schone Dekorationen und hochst charakteristische Kostume ist mit einem Eifer gesorgt worden als gelte es nicht mehr einer Theaterauffuhrung sondern einer monumentalen Ausstellung 15 Ein ahnliches Verhaltnis herrscht im dritten Akt 16 Quaglio halt sich nur in der grundsatzlichen Disposition der Gebaudeteile an Wagners Skizze Aus dem kleinen Schilderhauschen ist eine stattliche romanische Tordurchfahrt geworden seitlich flankiert von Teilen einer grossen Burganlage Der Eindruck des Verfallenen und der Herrenlosigkeit der das lahmende Siechtum des kranken Tristan architektonisch symbolisieren und begleiten soll lasst sich nur schwer nachempfinden Offensichtlich empfand es ein renommierter Buhnenmaler wie Quaglio als unter seiner Wurde einen ganzen Opernakt nur mit durftigen Mauerresten zu versehen wie Wagner es vorhatte und das bei einer Urauffuhrung Vermutlich hatte man ihn wenn er es getan hatte damals tatsachlich wegen Phantasielosigkeit verurteilt Eine Operninszenierung hatte damals gefalligst prachtvoll zu sein Lohengrin 1867 BearbeitenAuch zur Inszenierung des Lohengrin besitzen wir Skizzen von Wagners eigener Hand aus einem Brief an Franz Liszt vom 2 Juli 1850 17 Die edle naive Einfachheit jener Zeit die Wagner fur das 10 Jahrhundert der Zeit der Handlung betont zeigt sich vor allem in seinem Entwurf fur den ersten Akt am Ufer der Schelde Keine der Inszenierungen der hier zu behandelnden Epoche hat dieses Buhnenbild an Abstraktion auf das Wesentliche erreicht geschweige denn ubertroffen In dem besagten Brief heisst es Meine deshalb entworfenen Zeichnungen werden euch grosses Vergnugen machen ich zahle sie zu den gelungendsten Schopfungen meines Geistes Auch wenn der ironische Unterton dabei nicht zu uberhoren ist wird doch deutlich dass Wagner alles andere als aufwendigen Prunk im Kopf hatte 1850 schrieb er an Franz Liszt anlasslich der Weimarer Urauffuhrung des Lohengrin Gar nichts liegt mir daran ob man meine Sachen giebt mir liegt einzig daran dass man sie so giebt wie ich s mir gedacht habe wer das nicht will und kann der soll s bleiben lassen Aber konsequent war er in dieser Haltung nie Von den Buhnenbildern der Weimarer Urauffuhrung vom 28 August 1850 ist nichts uberliefert Die erste Munchener Fassung von 1858 18 also lange vor Ludwigs Thronbesteigung bietet ein vertraumtes naiv marchenhaftes Bild damals schon von Heinrich Doll gemalt Die Baumkronen bildeten in der damals ublichen Weise einen Bogen uber der zentralen Handlung unter einem leuchtend hellen Himmel mit einer Burganlage im Hintergrund Der Fluss fliesst entgegen Wagners Angaben nicht quer zur Buhne sondern in die Bildtiefe hinein Fur die Neuinszenierung vom 1 August 1867 veranderte Doll nur wenig 19 Fur den 2 Akt der den Burghof in Antwerpen zeigt wurde naturlich Quaglio als Spezialist fur Architektur verpflichtet 20 Dessen Vater Simon hatte bereits 1858 die Dekoration des 2 Aktes ubernommen 21 Fur die Buhnenfassung waren seine Architekturphantasien aber in der Hohe reduziert ubersichtlicher gemacht und fur die szenischen Bedurfnisse umgruppiert worden Von einer Orientierung an Wagners Zeichnung kann hier uberhaupt keine Rede mehr sein wobei man naturlich die Frage stellen muss ob Quaglio die Wagnerschen Zeichnungen uberhaupt gekannt hat mit anderen Worten ob sie Wagner uberhaupt ihm zuganglich gemacht hat oder ob das nur eine Art Witz in einem privaten Brief an Franz Liszt gewesen war Quaglios Modell der Neuinszenierung von 1867 liess im Vergleich zur Konzeption des Vaters nur geringe Veranderungen erkennen Die Vielzahl der historischen Gebaude wurde weiter reduziert so dass zwischen ihnen freie Durchblicke moglich wurden Sie waren plastischer gestaltet keine so starke Flachendekoration mehr Aber es war immer noch eher ein mittelalterlicher Marktplatz als der geforderte Burghof Wagner war damit nicht zufrieden Er spricht in einem Brief 1870 von der Munchener Decoration welche ohne mein Wissen in den meisten Punkten durchaus falsch entworfen worden ist 22 Wagner wollte den Arkadengang der Kemenate und die Treppe mehr nach vorne geruckt sehen so dass der Brautchor und der Heerrufer besser zur Geltung kamen Wagner wollte die Dekoration so haben dass seine Opernhandlung durchsichtig und verstandlich wurde und nicht gezwungen werden einer Architektur lediglich einen musikalischen Rahmen zu geben Quaglio war auch fur die Gestaltung des Brautgemaches des 3 Aktes verantwortlich 23 und konnte sich auch hier auf Vorbilder seines Vaters Simon von 1858 stutzen 24 die die Angaben aus Wagners Zeichnung diesmal besonders prunkhaft aufdonnern Angelo legte zunachst 1865 in Munchen ein Buhnenbild des Brautgemaches des 3 Aktes vor das man als direkte Kopie des Entwurfes seines Vaters bezeichnen kann 25 1867 nimmt Angelo eine etwas klarer gegliederte Raumgestaltung vor Die Doppelbogen des Vaters waren durch einen einfachen Bogen ersetzt Das Brautgemach wirkte jetzt nicht mehr ganz wie ein offentlicher Saal in dem die ganze Burgbesatzung hatte Platz finden konnen Aber von einem realistischen romanischen Schlafzimmer auf das Wagner anspielte war es weit entfernt Operninszenierung und Ludwigs Traumschlosser BearbeitenEs kommt noch ein weiterer fur die Geschichte der Wagner Inszenierungen in Munchen sehr wichtiger Aspekt hinzu Ludwig II sah in Wagner vom Augenblick seiner Thronbesteigung an eine Art heroisches Vorbild eine Erfullung seiner sehnsuchtigen Fantasien Das anderte sich als er Konig wurde Jetzt mit der Macht und vor allem mit dem Geld des Bayerischen Konigs konnte er einige von den Planen realisieren die vorher nur Fantasien waren Er konnte sich jetzt seine Traumschlosser bauen von denen der Freistaat Bayern heute noch zehrt Und die Ausgestaltung diese Schlosser sowohl was die reine Architektur als auch was die Ausmalung der Innenraume betraf ging haufig parallel zur Neuinszenierung der Wagner Opern in Munchen Daraus ergibt sich die immense Bedeutung des Buhnenbildes fur Ludwig II Fur ihn wurde hier nicht nur eine Oper inszeniert sondern hier hatte er die Vorbilder seiner Traumschlosser vor sich die er zu bauen gewillt war Die prinzipielle Ahnlichkeit zwischen den Schlossbauten und den Buhnenbildern ist deutlich zu erkennen Tannhauser 1867 BearbeitenNur wenige Wochen nach der Munchener Erstauffuhrung des Lohengrin wurde am 1 August 1867 der Tannhauser neu inszeniert Dieses Thema ist aus einem bestimmten Grund interessant Denn fur die Inszenierung des 2 Aktes fur den Sangersaal hat sich ein fur die deutsche Kulturgeschichte einmaliges Zusammentreffen ergeben zwischen 1 der Restaurierung einer echten mittelalterlichen Burg namlich der Wartburg in Thuringen zwischen 2 einer Operninszenierung und 3 der Ausgestaltung eines neuen Schlosses des Sangersaales von Neuschwanstein Von Angelo Quaglio stammt das Modell zur Sangerhalle des 2 Aufzuges Tannhauser von 1867 26 Wenn man den eigentlich originalen Sangersaal der Wartburg im Vergleich dazu heranzieht wirkt das schon auf den ersten Blick etwas absurd Ganz offensichtlich bestehen zwischen den beiden Raumen keinerlei Ahnlichkeit Man konnte hiermit demonstrieren was von der sog historischen Genauigkeit dem viel zitierten Realismus zu halten ist den man auch in der Fachliteratur haufig den damaligen Munchener Buhnenbildern andichtet Einschrankend muss allerdings gesagt sein dass auch der Sangersaal der Wartburg gar nicht der originale ist Er wird erst seit dem 19 Jahrhundert so genannt und zwar aufgrund der Oper von Richard Wagner Jetzt geht es bezeichnenderweise etwas durcheinander mit den historischen Quellen mit dem Verhaltnis von Original und Kopie Was ist denn nun eigentlich original In diesem originalen Sangersaal der Wartburg befindet sich an der Langsseite ein riesiges Fresko mit dem Thema des Sangerkrieges das alles andere als mittelalterlich ist sondern 1855 von Moritz von Schwind gemalt wurde zehn Jahre nach der Urauffuhrung des Tannhauser 1845 in Dresden also mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls eine Konsequenz der Oper Der originale Sangerkrieg hat 1206 1207 stattgefunden Der Festsaal der Wartburg der im Obergeschoss die gesamte Lange des Palas einnimmt wurde zu Beginn des 13 Jahrhunderts durch eine Aufstockung der alteren Aussenmauern moglich 1850 wurden die Wande erneut erhoht und eine neue Kassettendecke eingezogen auch das geschah nach der Urauffuhrung des Tannhauser 1867 dirigierte Franz Liszt hier in diesem Saal zur 800 Jahr Feier der Burg die Wiederauffuhrung seines Oratoriums Die Legende von der heiligen Elisabeth Welche Beziehung hat die Wartburg zum Thema uber die mittelalterlich historische Verbindung hinaus Sowohl Richard Wagner als auch Ludwig II sind personlich hier gewesen und haben entscheidende Anregungen mitgenommen 1842 kam Wagner bei der Ruckkehr von Paris in die Heimat hierher und fasste den Entschluss die Tannhausersage zu einer Oper zu verarbeiten 25 Jahre spater besuchte im Mai 1867 Ludwig II inkognito die Burg Dieser Festsaal der gerade in der heutigen Form neu gestaltet worden war blieb in seinem Gedachtnis Er stilisierte ihn zu einem Inbegriff eines mittelalterlichen Rittersaales hoch was er nicht war und machte ihn zum Vorbild des spateren Sangersaales in Neuschwanstein Die Ahnlichkeit dieses Saales zur Wartburg bis in die Details hinein ist nicht zu ubersehen D h um die verwickelten historischen Abhangigkeiten auf den Punkt zu bringen Die Rekonstruktion des Festsaales einer originalen mittelalterlichen Burg orientiert sich an einer Oper die sich selbst angeblich auf ebendiese Burg bezieht um die mittelalterliche Atmosphare zu verlebendigen Mit anderen Worten Das Original kopiert das Abbild Oder um es noch deutlicher auszudrucken Es gibt uberhaupt kein Original Was wir hier vor uns haben auf der Wartburg in der Oper und in Neuschwanstein sind ausschliesslich Visionen des Mittelalters unabhangig von historischen Vorbildern ein konstruiertes Mittelalter Literatur BearbeitenPetzet Detta Petzet Michael Die Richard Wagner Buhne Ludwigs II Munchen 1970 umfassendste Dokumentation zu diesem Thema Strobel Otto Konig Ludwig II und Richard Wagner Briefwechsel in funf Banden Karlsruhe 1936 1939 Wagner Cosima Die Tagebucher Munchen 1977 S 606 Wagner Richard Uber die Auffuhrung des Tannhauser In Schriften und Dichtungen 9 Bde Bd 5 Leipzig 1872 S 164 165 Wagner Richard Bemerkungen zur Auffuhrung der Oper Der fliegende Hollander In Schriften und Dichtungen 9 Bde Bd 5 Leipzig 1872 S 207 208 Wagner Richard Das Kunstwerk der Zukunft In Schriften und Dichtungen 9 Bde Bd 3 Leipzig 1872 S 147 148 152 153 Wagner Richard Die Pariser Tannhauser Auffuhrung 1861 In Die Hauptschriften Stuttgart 1956 S 204 215 Wagner Richard Munchen In Die Hauptschriften Stuttgart 1956 S 215 218 Wagner Richard Die ersten Festspiele von 1876 In Die Hauptschriften Stuttgart 1956 S 357 358 Wagner Richard Das Buhnenweihfestspiel in Bayreuth 1882 In Die Hauptschriften Stuttgart 1956 S 363 367 Wagner Richard Das Publikum in Zeit und Raum 1878 In Die Hauptschriften Stuttgart 1956 S 399 411 Westernhagen Curt von Das Buhnenbild Vision Vorschrift Verwirklichung In Richard Wagner und das neue Bayreuth Munchen 1962 S 183 206 Wolff Hellmuth Christian Das Buhnenbild um die Mitte des 19 Jahrhunderts In Buhnenformen Buhnenraume Buhnendekorationen Beitrage zur Entwicklung des Spielorts Herbert A Frenzel zum 65 Geburtstag Berlin 1974 S 148 159 Einzelnachweise Bearbeiten Strobel S 36 Westernhagen S 195 Wolff S 148 159 Petzet Abb 6 Munchene Neueste Nachrichten Unterhaltungsblatt 8 Dezember 1864 zit nach Petzet S 27 Strobel S 19 Strobel S 130 Cosima Wagner S 606 Petzet Farbtafel I S 17 wie im 2 Akt Tannhauser auf die des Parisers Desplechin vergl Petzet Abb 203 207 Petzet Farbtafel II S 25 Wolff S 157 Petzet Farbtafel III S 57 Petzet Abb 36 39 Wagner an Uhl 18 April 1865 zit nach Hauptschriften S 216 Bezeichnenderweise zitiert Michael Petzet diese Ausserung als Beweis fur Wagners Zufriedenheit Petzet S 61 Petzet Abb 59 60 Petzet Abb 87 89 Petzet Abb 92 Petzet Farbtafel V S 89 Petzet Abb 94 Petzet Abb 95 Petzet S 99 Petzet Farbtafel VII S 105 Petzet Abb 97 Petzet Abb 99 Petzet Farbtafel X S 129 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Munchener Mustervorstellungen amp oldid 237702099