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Literarkritik ist ein Werkzeug der historisch kritischen Methode der Bibelexegese Die Literarkritik untersucht den biblischen Text im Hinblick auf seine schriftlichen Vorformen Vorlagen und Quellen sowie seine innere Koharenz sie entwickelt Erklarungen fur scheinbare oder tatsachliche Bruche innerhalb des biblischen Textes Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen 2 Geschichte 3 Schlussfolgerungen 4 Vorgehen 4 1 Umfassende Sammlung von Leseschwierigkeiten 4 2 Zugelassene Kriterien 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGrundlagen BearbeitenGrundlage der Literarkritik sind Bruche in einer ansonsten koharenten Struktur die aus einer Folge von Satzen einen Text macht Diese Bruche sind als literarkritische Beobachtungen aufzufassen Beispiele sind 1 Dopplungen vor allem grosserer Einheiten mit geringfugigen Unterschieden schlecht aufeinander abgestimmte oder gar unvereinbar scheinende Angaben fehlende Informationen begriffliche UnterschiedeSolche Bruche erschweren es dem Leser ein vorliegendes sprachliches Gebilde als Text rezipieren zu konnen 2 Die Literarkritik erstellt Modelle der Textentwicklung die diese Beobachtungen erklart 3 Im Buch Genesis wurde beispielsweise beobachtet dass einige Textpassagen von Gott als Jahwe sprechen der Eigenname des Gottes Israels andere Texte nennen ihn einfach Elohim Gott und wieder andere Texte kombinieren beide Namen In Verbindung mit anderen Beobachtungen wurde die literarkritische Hypothese aufgestellt dass dem Buch Genesis zwei Quellen zugrunde lagen Die eine sei von einem Jahwisten die andere von einem Elohisten geschrieben worden Die Kombination beider Quellen habe dann zum erwahnten uneinheitlichen Sprachgebrauch gefuhrt Die Echtheitskritik wird teilweise als Teil der Literarkritik angesehen 4 teilweise auch nicht 5 6 Im Zusammenhang damit ist umstritten wie Textkritik und Literarkritik voneinander abzugrenzen sind 3 6 Literarkritik orientiert sich dabei im Gegensatz zu einer allgemeineren Uberlieferungskritik bewusst an schriftlichen Tradierungsformen 2 Geschichte BearbeitenDie moderne Literarkritik ist im 18 und 19 Jahrhundert aus dem Bedurfnis heraus entstanden scheinbare oder tatsachliche Widerspruche Spannungen Doppelungen und sprachliche Unterschiede zwischen Bibeltexten zu erklaren Literarkritische Beobachtungen wurden ohne so genannt zu werden schon zur Zeit der Alten Kirche gemacht stellten aber damals noch kein echtes Problem dar Fur Origenes zeigten die Widerspruche zwischen den Evangelien dass der Leser auf den geistlichen und nicht den wortlichen Sinn der Bibel achten musse Augustinus dagegen versuchte die Harmonie der Evangelien nachzuweisen Mit dem Erwachen des historischen Bewusstseins in der Aufklarungszeit versuchten Bibelexegeten eine historische Antwort auf von ihnen erkannte Widerspruche zu geben Daruber hinaus wollte man nun auch die altesten ursprunglichsten Quellen herausarbeiten denen der hochste historische Wert zugemessen wurde Das Ziel war lange Zeit die Texte der verschiedenen Redaktionsstufen moglichst im Wortlaut zu rekonstruieren Viele Exegeten sind inzwischen jedoch davon abgeruckt mehrere Vorstufen eines Bibeltextes wortlich zu rekonstruieren weil die Kriterien der Quellenscheidung zum Teil sehr subjektiv sind und die einander widersprechenden literarkritischen Hypothesen fast unuberschaubar zahlreich geworden sind Schlussfolgerungen BearbeitenAus der Literarkritik wurden und werden Schlusse gezogen die oft kontrovers diskutiert werden Als Beispiel sei hier die Zweiquellentheorie der synoptischen Evangelien genannt die im 19 Jahrhundert entwickelt wurde Sie besagt dass Matthaus und Lukas beide unabhangig voneinander die gleichen zwei Quellen benutzt haben namlich das Markusevangelium und eine hypothetische schriftliche Quelle von Ausspruchen Jesu die Logienquelle Q Eine JEDP Hypothese beim Pentateuch hingegen hat sich weitgehend aufgelost Vorgehen BearbeitenMit seinem Aufsatz Literarkritik 7 fuhrt H Schweizer 1988 ein prazisiertes Verstandnis der Methode ein Darin weiterentwickelnd wasW Richter1971 in Exegese als Literaturwissenschaft damals schon im Kontrast zur Standardsicht vorgestellt hatte Die Qualifizierung neu wird somit zunehmend relativ Aber selbst in aktuellen Aufsatzen wird immer noch ratlos z B mit den Begriffen Doppelung Wiederholung operiert Zumindest das konnte seit 1971 als uberwunden gelten Der Fortschritt ist eine Schnecke Das Vorgehen umfasst folgende 5 Schritte die der Reihe nach abgearbeitet werden sollen Rucksprunge auf zuvor abgeschlossene Schritte sollen dabei nicht vorgenommen werden Umfassende Sammlung von Leseschwierigkeiten Dies geschieht nach verschiedenen Kategorien s u Minimale Leseeinheiten markieren Nach der Sammlung von Verstehensschwierigkeiten werden die Passagen markiert die keine Probleme aufgewiesen hatten somit als koharent betrachtet werden konnen Minimale Leseeinheiten MLE Wohlgemerkt Aus den Beobachtungen von Ziff 1 ist noch keinerlei literarkritische Folgerung gezogen Auf Hypothesen wird erst recht verzichtet Wahrscheinlichkeiten fur literarkritische Bruche ermitteln zwischen benachbarten MLEen wird ausgewertet was zwischen ihnen vgl 1 Stufe an Leseschwierigkeiten aufgelistet worden war Ist nur eine derartige Beobachtung angefallen wird unterstellt dass sie stilistisch legitim ist und interpretiert werden kann Ab zwei und mehr Beobachtungen ist die Wahrscheinlichkeit gross dass zwischen beiden MLEen ein literarkritischer Bruch liegt Von einem derartigen literarkritischen Bruch bis zum nachsten ist nun ein Teiltext gewonnen u U mehrere MLEen umfassend weitergreifende Beobachtungen erkennen Bis jetzt ist erkannt welche benachbarten Teiltexte sich ausschliessen Nun die Frage Gibt es zwischen entfernteren Teiltexten Unvertraglichkeiten Sind also weitergreifende Beobachtungen aus 1 Stufe noch unberucksichtigt koharente Schichten zusammenstellen Nun ist es moglich sofern der Textzustand es zulasst aus den Teiltexten eine koharente Schicht zusammenzustellen Davon werden die nachtraglichen redaktionellen Bearbeitungen abgehoben Umfassende Sammlung von Leseschwierigkeiten Bearbeiten Leseschwierigkeiten werden im Text nach verschiedenen Kategorien gesammelt Wichtig ist dabei dass man sorgfaltig in Leserichtung den Text entlang geht Ein Text beansprucht ein Vektor eine gerichtete Kraft zu sein und das was ihm wichtig ist sequenziell zu entwickeln Ein Text ist kein Steinbruch der willkurlich an verschiedenen Stellen gleichzeitig ausgebeutet werden kann Sachliche Unstimmigkeiten interessieren dabei gerade nicht sondern sprachlich nicht aufeinander abgestimmte Informationen Grunde hierfur sind Wir konnen nicht mit der Opposition Sprache vs Sache operieren Auch die vermeintliche Sache ist sprachlich vermittelt Ein Autor ist frei Informationen zu nennen die denen in anderen Texten widersprechen Ein solches Abweichen wird seinen stilistischen Grund haben den es folglich zu erkennen gilt Zunachst interessiert die Schlussigkeit der im Einzeltext gebotenen Informationen Dabei geht es genau um die Schlussigkeit der jeweiligen Lekturestelle gemessen am Vortext Vorgriffe auf die noch nicht gelesenen Passagen erst recht auf andere Texte sind nicht erlaubt Abgehobene inhaltliche Kriterien aus ganz anderer Quelle stammend als aus dem aktuellen Einzeltext bleiben verboten Der Autor darf entfalten was ihm wichtig ist er sollte es nur so tun dass man als Leser folgen kann Die Gedankengange durfen auch verschlungen sein Nur abbrechen sollte die Kommunikationsbeziehung aufgrund allzu dichter grammatisch stilistischer Storungen nicht Dem Aufdecken derartiger Problemstellen widmet sich die Literarkritik als erstes Zugelassene Kriterien Bearbeiten Folgende zugelassene Kriterien bilden die Kategorien in die gefundene Leseschwierigkeiten eingeordnet werden konnen Wiederholung Doppelung Eine Information wird zweimal genannt wobei man z B erzahlerisch nicht sofort versteht warum das erneute Benennen vollzogen wird Zu beachten Die beiden noch unentschieden genannten Begriffe sind nicht austauschbar Es wird noch zu klaren sein ob der Befund stilistisch legitim und akzeptabel ist dann spricht man von Wiederholung Oder ob die Irritation bleibt so dass man die erneute Nennung als literarkritisch relevante Doppelung klassifiziert terminologische Indifferenz hangt mit dem vorigen Gesichtspunkt zusammen mit gleichem Vokabular wird etwas nochmals erzahlt was man schon kennt terminologische Differenz Ein Akteur ein Objekt wird genannt aber mit zwei unterschiedlichen Begriffen Klassisch in der Josefsgeschichte Heisst der Vater nun Israel oder Jakob inhaltliche Spannung Auf eine Erstinformation folgen weitere die unabgestimmt wirken wie die Faust aufs Auge zumindest erzahlerisch irritierend unklarer pronominaler Bezug Ein Pronomen ist verwendet aber zu dessen Auflosung gibt es meist im Textvorfeld mehrere Kandidaten unklarer Bezug ohne das Thema der Textdeixis voriger Punkt eine Aussage benotigt weitere Informationen zum Verstandnis Der Text bietet im direkten Umfeld aber ganz andere Dazu kann gehoren dass ein unmarkierter Subjektwechsel vorliegt das eingefuhrte Subjekt der vorausliegenden Satze scheint weitergefuhrt zu werden jedoch durfte ein Wechsel zu unterstellen sein fragwurdiger Anschluss Eine Szenerie war beschrieben worden nun wird hart und ohne akzeptablen Ubergang eine ganz andere angefugt Als Beispiel sei der Kapitelubergang nach Gen 37 lut EU genannt Besonders hart und unbeholfen erscheint in einem weiteren Beispiel der Ubergang nach Gen 47 lut EU wenn man annimmt am Ende des Kapitels wurde ein einsetzender Sterbeprozess beschrieben wahrend Israel im Folgekapitel nochmals zu Kraften kommt damit er einen zusatzlichen Auftritt absolvieren kann Die Ubergange zwischen Kapiteln interessieren an dieser Stelle in genau gleicher Weise wie die zwischen beliebigen anderen Satzen da eine Einteilung in Kapitel in den altesten erhaltenen Quellen nicht uberliefert ist Allein Absatze sind an diesen Stellen z B im Codex Leningradensis meist sehr wohl erkennbar Literatur BearbeitenOtto Merk Literarkritik II Neues Testament In Theologische Realenzyklopadie TRE Band 21 de Gruyter Berlin New York 1991 ISBN 3 11 012952 3 S 222 233 DOI 10 1515 9783110871395 001 Ludwig Schmidt Literarkritik I Altes Testament In Theologische Realenzyklopadie TRE Band 21 de Gruyter Berlin New York 1991 ISBN 3 11 012952 3 S 211 222 DOI 10 1515 9783110871395 001Weblinks BearbeitenKurzversion 6 Illustration der Methode am Beginn der Josephsgeschichte Gen 37 zur leichteren Verstehbarkeit an der deutschen Version Umfangreiche Tests dieser Methode liegen vor in der Untersuchung der alttestamentlichen Josephsgeschichte Gen 37 50 durch Schweizer und in der der Kundschaftererzahlungen aus dem Buch Numeri Autor Norbert Rabe Fur weitere ins Hermeneutische reichende Reflexionen Informationen Verweis auf Illustrationen auch Literaturangaben greife man zuruck auf Die Einleitung in Vollversion Josefsgeschichte Josephsgeschichte Lesen Geniessen Nachdenken man folge den darin genannten weiteren links Beachte darin auch die Literaturangaben Spezifischer in der Einleitung Beachte Abschnitte 3b 5a In letzterem 5a referiert REMINISZENZ 5 den Aufsatz Heribert Wahl Empathie und Text Das selbstpsychologische Modell interaktiver Texthermeneutik ThQ 169 1989 201 222 Es geht darum dass naturlich auch Literarkritik hermeneutische Implikationen hat Sie sind qualitativ anders als wenn man nach abgeschlossener Literarkritik an die Deskription und Interpretation des freigelegten Textes geht die Beziehung Text Exeget dreht sich Die Selbstpsychologie hilft dabei die Rolle des Exegeten in beiden Stadien zu verdeutlichen In Kurzversion 3 der Josefsgeschichte ist der biblische Endtext der Josefsgeschichte dargestellt nach der oben genannten Stufe 3 der Literarkritik Welche benachbarten Teiltexte schliessen sich aus Folgerungen aus welchen Teiltexten womoglich ein koharenter Erzahlstrang zusammengestellt werden kann sind noch nicht gezogen Es ist aber mit grafischen Mitteln angezeigt welche Teiltexte spater die Originalschicht darstellen werden welche jedoch redaktionelle Beitrage sind Norbert Rabe Vom Gerucht zum Gericht Revidierte Text und Literarkritik der Kundschaftererzahlung Num 13 14 als Neueinsatz in der Pentateuchforschung THLI 8 Tubingen 1993 Einzelnachweise Bearbeiten Tobias Nicklas Literarkritik und Leserrezeption Ein Beitrag zur Methodendiskussion am Beispiel Joh 3 22 4 3 In Biblica Band 83 Nr 2 Peeters Publishers 2002 S 176 f JSTOR 42614363 a b Tobias Nicklas Literarkritik und Leserrezeption Ein Beitrag zur Methodendiskussion am Beispiel Joh 3 22 4 3 In Biblica Band 83 Nr 2 Peeters Publishers 2002 S 175 f JSTOR 42614363 a b Lexikon fur Theologie und Kirche Bd 6 1997 s v Literarkritik Nach Sicherung durch Textkritik die nicht immer exakt von der Literarkritik zu trennen ist wird der zu untersuchende Text zuerst extern und intern abgegrenzt dann folgt die Uberprufung der Koharenz Auf der Grundlage dieser Uberprufung wird eine Hypothese zur Entstehung des Textes aufgestellt die in darauf aufbauenden Methodenschritten verifiziert werden muss Ludwig Schmidt Literarkritik I Altes Testament In Theologische Realenzyklopadie TRE Band 21 de Gruyter Berlin New York 1991 ISBN 3 11 012952 3 S 211 222 DOI 10 1515 9783110871395 001 Die Literarkritik untersucht die Schriften des Alten Testaments nach Entstehungszeit und Verfasser Arie van der Kooij Textgeschichte Textkritik der Bibel I Altes Testament In Theologische Realenzyklopadie TRE Band 33 de Gruyter Berlin New York 2002 ISBN 3 11 017132 5 S 148 155 https www degruyter com document doi 10 1515 9783110890945 032 pdf a b Otto Merk Literarkritik II Neues Testament In Theologische Realenzyklopadie TRE Band 21 de Gruyter Berlin New York 1991 ISBN 3 11 012952 3 S 222 233 DOI 10 1515 9783110871395 001 H Schweizer Literarkritik In Theologische Quartalsschrift Band 168 Erich Wewel 1 Januar 1988 ISSN 0342 1430 S 23 43 doi 10 20345 digitue 9471 Normdaten Sachbegriff GND 4135649 4 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Literarkritik amp oldid 236759885