Lenín Boltaire Moreno Garcés (* 19. März 1953 in Nuevo Rocafuerte, Provinz Orellana) ist ein ecuadorianischer Politiker und war von 2017 bis 2021 Präsident seines Landes.
Leben Bearbeiten
Lenín Moreno ist in einer Mittelschichtsfamilie aufgewachsen. Sein voller Name ist Lenín Boltaire Moreno Garcés – eine Hommage seiner Eltern an den russischen Revolutionär Wladimir Iljitsch Lenin und den französischen Philosophen Voltaire. Soziales Engagement wurde ihm von den Eltern, beide Lehrkräfte, vorgelebt, die sich dafür einsetzten, dass Kinder ärmerer Familien eine Schulbildung bekommen und sowohl in Spanisch als auch in ihren indigenen Sprachen unterrichtet werden. Lenín Moreno erwarb ein Diplom in Verwaltungswissenschaft an der Universidad Central del Ecuador und war viele Jahre im Tourismussektor tätig. Moreno ist ein Kenner des Yasuní und bestens informiert über das Hin und Her um die Ölförderung in dem Biosphärenreservat. Seit einer Verletzung bei einem Raubüberfall 1998 ist er auf den Rollstuhl angewiesen.
Er ist Autor mehrerer Bücher über den Humor und hat verschiedene Ehrendoktortitel erhalten. Lenín Moreno ist mit Rocío González verheiratet und hat drei Töchter: Irina, Cristina und Carina.
Politische Ämter Bearbeiten
Lenín Moreno war 2006 Gründungsmitglied von Rafael Correas politischer Bewegung Alianza PAÍS und in der Folge dessen Weggefährte. Von 2007 bis 2013 bekleidete er das Amt des Vizepräsidenten unter Rafael Correa. Im Anschluss war er 2013 bis 2016 erster UN-Sondergesandter für Behinderung und Barrierefreiheit.
Präsidentschaftswahlen 2017 Bearbeiten
Nachdem Rafael Correa nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte, kandidierte Lenín Moreno als Kandidat der Regierungsallianz PAÍS. In der ersten Wahlrunde am 19. Februar 2017 erhielt er 39 % und verpasste somit nur knapp den direkten Wahlsieg. In der Stichwahl am 2. April 2017 gegen Guillermo Lasso vom Bündnis CREO erhielt Moreno 51,14 % der abgegebenen Stimmen und wurde damit Präsident Ecuadors ab dem 24. Mai 2017. Vom Fernsehen live übertragen waren am 18. April 2017 elf Prozent der Stimmen nachgezählt worden. Die Nachzählung zeigte nur minimale Abweichungen, weder die Wahlbehörde noch das Wahlgericht gingen auf die Forderungen der Opposition nach einer kompletten Nachzählung ein.
Präsidentschaft Bearbeiten
Moreno war zwar als politischer Erbe und Kandidat der Fortführung der Politik seines Vorgängers Rafael Correa angetreten − unter anderem übernahm er 2017 auch die Führung der von Correa gegründeten PAÍS-Allianz. Er distanzierte sich aber schon bald nach Amtsantritt von der Person Correa und seiner Politik. Im Bereich der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik wendete er sich von seinem sozialdemokratischen Programm zugunsten konservativ-liberaler Vorhaben ab und machte, auch mithilfe von Referenden, wesentliche Projekte Correas rückgängig.
Lenín Moreno und Rafael Correa sind inzwischen auch persönlich verfeindet. In einem Referendum, über das Moreno im Februar 2018 abstimmen ließ, erreichte er unter anderem, dass Correa 2021 nicht mehr zur Präsidentenwahl antreten durfte. Zudem hat die ecuadorianische Justiz gegen Correa, der heute in Belgien lebt, einen Haftbefehl erlassen. Interpol hat das Fahndungsgesuch im September 2018 wegen des „politischen Charakters“ des Verfahrens zurückgewiesen. Es besteht die weit verbreitete Ansicht, dass Moreno die sozialen Errungenschaften seines Vorgängers demontierte. Damit, sowie mit einer neoliberalen Wirtschaftspolitik und einer Abwendung von der von seinem Vorgänger betriebenen Außenpolitik, suchte er den Schulterschluss mit der reichen Elite. Moreno holte im Mai 2018 Richard Martínez, den Vorsitzenden des nationalen Unternehmerverbands, als Wirtschafts- und Finanzminister in die Regierung. Vizepräsident war von Dezember 2018 bis Juli 2020 Otto Sonnenholzner.
Im Oktober 2019 verlegte der Präsident die Geschäfte der Regierung kurzzeitig nach Guayaquil, nachdem heftige Proteste gegen die Streichung von Treibstoff-Subventionen ausgebrochen waren und ein Generalstreik ausgerufen worden war. Die milliardenschweren IWF-Kredite zur Sanierung des Staatshaushalts waren an die Bedingung der Senkung der Subventionen geknüpft.
Bei den Präsidentschaftswahlen in Ecuador 2021 trat Moreno, auch wegen geringer Zustimmungswerte in der Bevölkerung, nicht erneut an. Am 4. März wurde er aus seiner Partei Alianza PAÍS ausgeschlossen. Am 24. Mai 2021 übergab er sein Amt seinem gewählten Nachfolger Guillermo Lasso.
Kontroversen während und nach seiner Präsidentschaft Bearbeiten
Im Mai 2017 reiste Paul Manafort nach Ecuador, um mit Lenín Moreno Bedingungen für eine Auslieferung von Julian Assange an die USA auszuhandeln. Im April 2019 kündigte Moreno dem WikiLeaks-Gründer Julian Assange das diesem von seinem Vorgänger gewährte diplomatische Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London. Er warf Assange vor, durch sein aggressives und respektloses Verhalten und die Drohungen der hinter ihm stehenden Organisation gegen Ecuador Grundprinzipien des Asylrechts während seines Aufenthalts in der diplomatischen Mission des Landes so sehr verletzt zu haben, dass die Weitergewährung des Asyls untragbar sei. Assange wurde daraufhin auf Anforderung des ecuadorianischen Botschafters auf dem Botschaftsgelände aufgrund eines britischen Haftbefehls wegen Nichterscheinens zu einem Gerichtstermin von Scotland Yard festgenommen und einem britischen Richter vorgeführt. Aufgrund eines 2017 ergangenen Auslieferungsersuchens der USA bleibt er zunächst in Großbritannien in Haft. Morenos Vorgänger Correa wertete das Verhalten des Staatspräsidenten als „[e]inen der schrecklichsten Akte, die jemals aus Servilität, Bosheit und Rachsucht ausgebrütet wurden“, und bezeichnete seinen Nachfolger als „Verräter“.
2019 wurde Präsident Moreno in den sogenannten INA-Papers mit illegalen Geschäften in Bezug gebracht. Die Nationalversammlung begann eine Untersuchung der Vorwürfe gegen Moreno. Ausgangspunkt war eine Veröffentlichung des ecuadorianischen Medienportals „La Fuente“ vom 26. Februar 2019. Die Recherchen trugen den Titel „Das Offshore-Labyrinth des Präsidentenzirkels“. Darin wurde Moreno mit Off-Shore-Firmen in Panama und Belize in Verbindung gebracht. Den Namen Ina bildete Moreno aus den letzten Buchstaben der Vornamen seiner Töchter: Irina, Cristina und Karina. Der Fall Ina Papers wurde später auch als Sinohydro-Fall bekannt. Dies beinhaltet einen Korruptionsskandal, bei dem angeblich Bestechungsgelder oder „Rückvergütungen“ und Geldwäsche in Höhe von 76 Millionen US-Dollar unter Beteiligung von Lenín Moreno und seiner Familie in Bezug auf eine Offshore-Firma namens Ina Investment Corporatio verwaltet wurden. Laut Untersuchungen wurde diese Firma von Morenos Bruder Edwin Moreno in Belize gegründet, einem Steuerparadies, das für seine Steuervorteile für ausländische Unternehmen bekannt ist. Die Untersuchung hat außerdem Xavier Macías Carmigniani und María Auxiliadora Patiño mit der Offshore-Firma in Verbindung gebracht, enge Freunde von Moreno und seiner Frau Rocío González.
Im Juni 2021 teilte der bolivianische Justizminister Iván Lima mit, dass die Regierung seines Landes eine Klage gegen Moreno vorbereitet. Hintergrund ist dessen vermeintliche Unterstützung für die Proteste in Bolivien 2019 und die Machtübernahme von Jeanine Áñez.
Es wurde entdeckt, dass die Ina Investment Corporation verschiedene Transaktionen durchgeführt hat, wie den Kauf von Möbeln in der Schweiz und den Erwerb einer Wohnung in Spanien. Die Rechnungen wurden auf den Namen von Edwin Moreno und María Auxiliadora Patiño ausgestellt. Zwei Adressen, die mit den Transaktionen in Verbindung stehen, wurden ebenfalls identifiziert: eine entspricht dem Haus von Xavier Macías Carmigniani in Guayaquil, und die andere steht in Verbindung mit dem Ölunternehmen Sertecpet, das Eduardo López gehört, einem Freund der Moreno Garcés Brüder.
Der Ina Papers-Fall hat in Ecuador erhebliche politische Auswirkungen und soziale Unruhen ausgelöst, was zu Forderungen nach Untersuchungen und Auftritten vor der Nationalversammlung und der Generalstaatsanwaltschaft des ecuadorianischen Staates geführt hat. Als Ergebnis der Untersuchung wurden Bestechungsvorwürfe gegen Lenín Moreno, seine Frau Rocío González, seine Tochter Irina, seine Brüder Edwin und Guillermo sowie 36 weitere Personen erhoben.
Im Februar 2023 berichtete die Generalstaatsanwältin des Staates, Diana Salazar, dass der Ina Papers-Fall sich ausgeweitet habe und relevante Informationen aus Panama durch internationale Rechtshilfe erhalten worden seien. Anschließend wurden im März 2023 die Anklagen in einer Anhörung formell vorgebracht, bei der die Staatsanwaltschaft präventive Haft für die Verdächtigen beantragte und das Fluchtrisiko anführte. Der Richter entschied jedoch, weniger restriktive vorsorgliche Maßnahmen anzuwenden, wie regelmäßige Erscheinungen vor dem Nationalen Gerichtshof und ein Reiseverbot.
Im April 2023 beantragte die Staatsanwaltschaft die präventive Haft für Lenín Moreno, Rocío González, Irina Moreno und sieben weitere Personen, die in den Fall verwickelt waren. Es wurde berichtet, dass zehn der betroffenen Personen, einschließlich Moreno, den regelmäßigen Erscheinungen vor Gericht nicht nachgekommen sind, was zu einer Bitte um Interpol-Benachrichtigung über ihren Aufenthaltsort und ihre Verhaftung führte.
Weblinks Bearbeiten
Einzelnachweise Bearbeiten
- Ecuadors neuer Präsident Lenín Moreno - Der Gelassene taz.de. Aufgerufen am 22. Juli 2018
- ↑ TeleSur: Ecuador's Lenin Moreno Defeats Banker in Presidential Election. Abgerufen am 3. April 2017.
- Franklin Ramírez Gallegos: Rechtsschwenk in Ecuador – Eigentlich sollte Lenín Moreno in die Fußstapfen seines Vorgängers Rafael Correa treten, aber jetzt macht er doch alles anders. In: Barbara Bauer, Anna Lerch (Hrsg.): Le Monde diplomatique. Nr. 12/24. TAZ/WOZ, Dezember 2018, ISSN 1434-2561, S. 7.
- Otto Sonnenholzner – Vicepresidente constitucional de la República del Ecuador, 11. Dezember 2018, abgerufen am 14. Dezember 2018.
- Grosskundgebung in Ecuador gegen Spritpreise verläuft friedlich, swissinfo, 10. Oktober 2019
- Ausschluss Moronos aus PAÍS El Universo. Abgerufen am 10. August 2023.
- Manafort Discussed Deal With Ecuador to Hand Assange Over to U.S. New York Times. Aufgerufen am 19. April 2019
- Julian Assange, detenido a petición de EEUU en la embajada de Ecuador en Londres. In: eldiario, 11. April 2019, abgerufen am 12. April 2019 (spanisch, Zitat: Uno de los actos más atroces fruto del servilismo, la vileza y la venganza.).
- https://amerika21.de/2019/04/224517/moreno-offshore-salazar-ermittlungen
- (Memento vom 19. April 2019 im Internet Archive) INA-Papers
- https://amerika21.de/2019/03/224305/ecuador-moreno-offshore-assange
- Deutsche Welle (www.dw.com): Julian Assange to be kicked out of Ecuadorian embassy: WikiLeaks | DW | 05.04.2019. Abgerufen am 13. August 2023 (britisches Englisch).
- Ronald Ángel: Ecuador: The scandalous case that affects Lenín Moreno and for which the Prosecutor's Office carries out raids. 15. Februar 2022, abgerufen am 13. August 2023 (englisch).
- Rafael Correa affirms Moreno INA papers investigation led to Facebook page block. Abgerufen am 13. August 2023 (englisch).
- INA Papers: The Corruption Case Against Ecuador's President Lenin Moreno. Abgerufen am 13. August 2023 (amerikanisches Englisch).
- Tanya Wadhwa: Bribery charges to be filed against former Ecuadorian President Lenín Moreno. In: Peoples Dispatch. 26. Februar 2023, abgerufen am 13. August 2023 (amerikanisches Englisch).
- Fernando Molina: Bolivia quiere llevar a los expresidentes Jeanine Áñez y Lenín Moreno ante un tribunal internacional. Auf elpais.com vom 17. Juni 2021 (spanisch), abgerufen am 8. Juli 2021.
- Ecuador: Opposition Seeks Investigation into Alleged Acquisition of Luxury Apartment in Spain by Front men For President :: Latin America Current Events & News. Abgerufen am 13. August 2023.
- S. L. G. Syndication: Ecuador: Prosecutors Request Preventive Detention of Former President Lenín Moreno – Sri Lanka Guardian. 27. April 2023, abgerufen am 13. August 2023 (amerikanisches Englisch).
Personendaten | |
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NAME | Moreno, Lenín |
ALTERNATIVNAMEN | Moreno Garcés, Lenín Boltaire (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | ecuadorianischer Politiker |
GEBURTSDATUM | 19. März 1953 |
GEBURTSORT | Nuevo Rocafuerte, Orellana |