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Ernst Kundt geboren 27 September 1883 in Karlsruhe gestorben 13 August 1974 in Frankfurt am Main war ein deutscher Diplomat Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Die Kundt Kommission 3 Schriften 4 Literatur 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenErnst Kundt wuchs als Sohn des Buchhandlers Ernst Kundt in Karlsruhe auf und besuchte dort das Bismarck Gymnasium Er studierte Philologie Jura und Volkswirtschaftslehre in Munchen Berlin und Freiburg im Breisgau und wurde 1907 promoviert Seit 1910 war er bei der Handelskammer in Brandenburg an der Havel beschaftigt ab 1911 bei der Zentralauskunftsstelle fur Auswanderer der Deutschen Kolonialgesellschaft in Berlin Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die Zentralauskunftsstelle in das Auswartige Amt eingegliedert Seit 1918 war er Bevollmachtigter Preussens beim osterreichischen Reichsministerium fur Heereswesen Nach Kriegsende soll Kundt 1920 als Regierungsrat verbeamtet worden sein Im Jahr zuvor trat er der Deutschen Volkspartei DVP bei und war zeitweise Stadtverordneter in Berlin Jedoch befand er sich weiter in einem militarischen Berufsverhaltnis Sein militarischer Rang war 1920 der eines Majors Bereits 1926 war er Oberst und wurde am 1 Dezember 1926 mit dem Charakter als Generalmajor offiziell aus der Reichswehr verabschiedet 1 Kundt trat im April 1933 nach der Machtubergabe an die Nationalsozialisten der NSDAP bei 1934 wurde er zum Legationsrat befordert und 1944 zum Vortragenden Legationsrat Uber Kundts Entnazifizierung ist nichts bekannt Kundt war zwischen 1961 und 1966 nochmals im Politischen Archiv des Auswartigen Amts der Bundesrepublik Deutschland beschaftigt Die Kundt Kommission BearbeitenErnst Kundt war der Leiter und Namensgeber der Kundt Kommission die nach dem Waffenstillstand von Compiegne 1940 im Auftrag der Waffenstillstandskommission im besetzten Frankreich die von den Franzosen angelegten Internierungslager inspizierte Aufgabe dieser sogenannten Kundt Kommission war es zum einen die Lebensbedingungen und die materielle Lage der Internierten zu untersuchen diejenigen die dies wunschten zu repatriieren soweit sie als arisch gelten konnten und zum anderen die korrekte Durchfuhrung des Art 19 des Waffenstillstandsabkommens das die franzosische Regierung zur Auslieferung aller namentlich durch das Reich angeforderten Deutschen verpflichtete zu uberwachen und hierzu die Namenslisten zu erstellen Christian Eggers Die Reise der Kundt Kommission S 235 Der auch in franzosischen Militarkreisen nicht unumstrittene Artikel 19 des Waffenstillstandsabkommens ermoglichte der nationalsozialistischen Besatzungsmacht eine legale volkerrechtlich abgesicherte Jagd auf die nach Frankreich gefluchteten Volksverrater und feinde 2 und deren Auslieferung an Deutschland 3 Die Kundt Kommission hatte auf deutscher Seite folgende Zusammensetzung 4 Diplomaten und Reprasentanten des Auslandsdeutschtums Ernst Kundt Legationsrat Wolfgang Freiherr von Welck Vertreter des Auswartigen Amtes bei der WAKO Erich Finmann Referent im Auswartigen Amt Kommandant Wichmann Berichterstatter der Auslandsorganisation der NSDAP Hermann Ludtke und Richard Zeissig beide Auslandsorganisation der NSDAP Reprasentanten der Gestapo Kriminalkommissar Obersturmfuhrer Gerhard Schneider RSHA Gestapo Berichterstatter fur das Reichsinnenministerium Kriminaloberassistent Oberscharfuhrer Heinrich Kistner Kriminalassistent Scharfuhrer Karl Heinz Muller beide RSHA Gestapo Reprasentanten der Wehrmacht Oberkriegsgerichtsrat von Studnitz Oberleutnant Scheuermann beide OKW Amt Abwehr Reprasentanten des Roten Kreuzes Generalhauptfuhrer Brekenfeld Generaldirektor Walter Saleck Generaldirektor 5 Dolmetscher und technischer Berater Ingenieur Ludwig Jubitz Sachverstandiger fur Internierungen Daruber hinaus wurde die Kundt Kommission bei ihrer Rundreise von einer franzosischen Kommission begleitet die von Louis Ducloux geleitet wurde damals Generalkontrolleur bei der Surete Nationale Staatssicherheit 6 von 1946 bis 1951 dann Generalsekretar der Internationalen Kriminalpolizeikommission dem Vorlaufer von INTERPOL 7 Ihm zur Seite standen eine Reihe hochrangiger Militars Die Kundt Kommission bereiste zwischen dem 27 Juli und dem 3 September 1940 93 Internierungsorte in der sogenannten Freien Zone Sudzone 8 Nach Einschatzung des Vorsitzenden der franzosischen Delegation Louis Ducloux verfolgte die Kundt Kommission vorrangig das Ziel fur eine Ruckkehr nach Deutschland zu werben Mit gewissem Erstaunen stellte Ducloux fest dass die Kommissionsmitglieder in minutioser Weise umfangreiche Listen uber Nichtruckkehrwillige anfertigten die einer vollstandigen Dokumentation uber die in Frankreich verbliebenen Deutschen gleichkamen Ducloux konnte sich des weiteren nicht des Eindrucks verwehren die deutsche Kommission forsche anhand ihr bereits vorliegender Listen gezielt nach einzelnen Personen um deren Auslieferung vorzubereiten Ihm blieb auch nicht das offene Interesse der Gestapo an sozialdemokratischen und kommunistischen Sympathisanten und Politikern verborgen Nach seiner Einschatzung suchte die Kundt Kommission offenbar die ersten Grundlagen fur ein Agentennetz zu legen wie es im nationalsozialistischen Deutschland bereits geschaffen war um kunftig der Reichsregierung uber politische und militarische Vorgange in Frankreich Bericht erstatten zu konnen Regina M Delacor Auslieferung auf Verlangen S 226 f Welches Bild die Kommission uber die Zahl der Internierten tatsachlich erhalten hat ist nach Eggers kaum feststellbar Ein auf den Bericht eines Kommissionsmitglieds gestutzte Auswertung von ihm ergab 35 000 Internierte darunter 8 760 arische Reichsdeutsche Eine von franzosischen Behorden der Kommission ubergebene Aufstellung kam nur auf 17 190 Internierte die sich wie folgt verteilten a 5 889 den deutschen Behorden ubergebene Internierte b 286 in Frankreich freigelassene Internierte c 78 Internierte die zuruck ins Reich wollen und d 10 937 Internierte die sich auf das Asylrecht beriefen 9 Ruth Fabian und Corinna Coulmas gehen davon aus dass insgesamt nur wenige fuhrende Oppositionspolitiker im Exil durch die Kundt Kommission verhaftet wurden sie weisen aber daraufhin dass die von der Kommission erstellten Namenslisten an den Grenzubergangen und in den Hafen den franzosischen Behorden vorlagen und zu einer Gefahr bei Ausreiseversuchen werden konnten Sie belegen das am Beispiel von Walter Mehring der uber ein Visum verfugte und Anfang Februar 1941 Marseille per Schiff verlassen wollte Als er an Bord gehen wollte hielt ihn ein Beamter der Surete Nationale Geheimpolizei zuruck Wie Varian Fry erzahlt holte der Beamte aus einem Schubfach ein Papier auf dem Mehrings Name stand und die Bemerkung Verboten Frankreich zu verlassen Entscheidung der Kundt Kommission Mehring befurchtete schon dass dies sein Ende sei Der Beamte gab ihm jedoch seinen Ausweis zuruck Es muss sich um einen anderen Walter Mehring handeln sagte er Ruth Fabian und Corinna Coulmas Die deutsche Emigration in Frankreich nach 1933 S 85 f Auch das Vichy Regime griff im August 1942 bei den von ihm initiierten Razzien gegen judische und nicht judische Fluchtlinge auf die Listen der Kundt Kommission zuruck ohne sich allerdings auf diese zu beschranken 10 Schriften BearbeitenLessing und der Buchhandel Heidelberg C Winter 1907 Dissertation Heidelberg 1907 Kriegsverbrechen der Alliierten Material zur dt Gegenrechnung Berlin Wilmersdorf Cecilien Buchhandlung 1921Literatur BearbeitenArchivalien Die Akten der Kundt Kommission befinden sich heute in Bonn Auswartiges Amt Politisches Archiv R XII Zv Kult E NF Bde 63 68 71 73 192 Andere Dokumente die die Arbeit der Kundt Kommission betreffen liegen in Freiburg im Breisgau Bundesarchiv Militararchiv RW 35 Militarbefehlshaber in Frankreich Hinzu kommen schliesslich diverse franzosische Archive in denen sich Aufzeichnungen uber die Aktivitaten der Kundt Kommission erhalten haben so Marseille Archives Departementales des Bouches du Rhone 5 W 37 Studien Auswartiges Amt Hrsg Biographisches Handbuch des deutschen Auswartigen Dienstes 1871 1945 Band 2 G K Paderborn 2005 ISBN 3 506 71841 X S 703f Barbara Vormeier Dokumentation zur franzosischen Emigrantenpolitik 1933 1944 Ein Beitrag in Hanna Schramm Menschen in Gurs Erinnerungen an ein franzosisches Internierungslager 1940 1941 Mit einem dokumentarischen Beitrag zur franzosischen Emigrantenpolitik 1933 1944 von Barbara Vormeier Verlag Georg Heintz Worms 1977 ISBN 3 921333 13 X S 157 ff Jacques Grandjonc Theresia Grundtner Hrsg Zone der Ungewissheit Exil und Internierung in Sudfrankreich 1933 1944 Reinbek bei Hamburg Rowohlt Verlag 1993 ISBN 3 499 19138 5 Darin Barbara Vormeier Die Lage der deutschen Fluchtlinge in Frankreich September 1939 Juli 1942 S 210 234 Christian Eggers Die Reise der Kundt Kommission durch die sudfranzosischen Lager S 235 247 Von Eggers stammt auch La Commission Kundt Une commission de controle allemande dans les camps d internement francais Magisterarbeit Ms Aix en Provence 1986 Alexandra Lohse Gurs in Joseph R White Hrsg The United States Holocaust Memorial Museum Encyclopedia of Camps and Ghettos 1933 1945 Vol 3 Camps and Ghettos under European Regimes Aligned with Nazi Germany Bloomington Indiana University Press 2018 ISBN 978 0 253 02373 5 S 151 Ruth Fabian und Corinna Coulmas Die deutsche Emigration in Frankreich nach 1933 De Gruyter Saur 1978 ISBN 978 3 11 127679 3 Online Regina M Delacor Auslieferung auf Verlangen Der deutsch franzosische Waffenstillstandsvertrag 1940 und das Schicksal der sozialdemokratischen Exilpolitiker Rudolf Breitscheid und Rudolf Hilferding in Vierteljahreshefte fur Zeitgeschichte Jahrgang 47 1999 Heft 2 S 217 241 Online Einzelnachweise Bearbeiten Manfred Kehrig Die Wiedereinrichtung des deutschen militarischen Attachedienstes nach dem Ersten Weltkrieg 1919 1933 Harald Boldt Verlag Boppard am Rhein 1966 S 54 Barbara Vormeier Die Lage der deutschen Fluchtlinge in Frankreich S 216 f Bundesarchiv u a Hrsg Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 5 West und Nordeuropa 1940 Juni 1942 2012 S 590 Fn 7 Regina M Delacor Auslieferung auf Verlangen S 226 Fussnote 45 Bei Walter Saleck handelte es sich vermutlich um den zweifachen Direktors des Stadtischen Gesundheitsamts Stuttgart der dieses Amt nicht nur zwischen 1938 und 1945 ausubte sondern noch einmal zwischen 1958 und 1962 trotz seiner NS Vergangenheit und seiner Funktion als Ortsgruppenleiter der Gesellschaft fur Rassenhygiene Torsten Scholl Wie NS Spitzenbeamte nach 1945 Karriere machten Stuttgarter Nachrichten 22 September 2019 Christian Eggers Die Reise der Kundt Kommission S 236 INTERPOL Die Menschen die in der Vergangenheit das Generalsekretariat von INTERPOL geleitet haben Sie sind alle bei Christian Eggers Die Reise der Kundt Kommission S 239 243 aufgefuhrt und enthalten die 57 Internierungsorte Lager Gefangnisse Krankenhauser aus dem von Barbara Vormeier veroffentlichten Abschlussbericht der Kundt Kommission Barbara Vormeier Dokumentation zur franzosischen Emigrantenpolitik S 361 ff sowie Internierungsorte aus den Aufzeichnungen einzelner Mitglieder der Kommission die im offiziellen Bericht nicht aufgefuhrt waren Christian Eggers Die Reise der Kundt Kommission S 245 Ruth Fabian und Corinna Coulmas Die deutsche Emigration in Frankreich nach 1933 S 109Normdaten Person GND 105168501X lobid OGND AKS VIAF 308730677 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Kundt ErnstKURZBESCHREIBUNG deutscher DiplomatGEBURTSDATUM 27 September 1883GEBURTSORT KarlsruheSTERBEDATUM 13 August 1974STERBEORT Frankfurt am Main Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ernst Kundt Diplomat amp oldid 239247784 Die Kundt Kommission