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Das Kochen Specker Theorem KS Theorem ist ein Satz aus dem Bereich der Grundlagen der Quantenmechanik der die Unmoglichkeit eines nicht kontextuellen Modells mit verborgenen Variablen der Quantenmechanik beweist Neben der Bell schen Ungleichung ist es das wohl zweitbekannteste so genannte No Go Theorem Unmoglichkeitsbeweis uber verborgene Variablen in der Quantenmechanik Das KS Theorem wurde 1966 von John Stewart Bell bewiesen und von Simon Kochen und Ernst Specker im Jahre 1967 formuliert 1 Inhaltsverzeichnis 1 Einfuhrung 2 Kontextualitat 3 Das KS Theorem 4 Anmerkungen 5 Quellen 6 WeblinksEinfuhrung BearbeitenDie Debatte um die Vollstandigkeit der Quantenmechanik im Sinne einer realistischen physikalischen Theorie nahm ihren Ursprung in einem Gedankenexperiment das 1935 von Albert Einstein Boris Podolsky und Nathan Rosen EPR veroffentlicht wurde Es wurde bekannt als Einstein Podolsky Rosen Paradoxon EPR Paradoxon Lange Zeit wurde die in dem Paradoxon steckende Kritik an der Quantenmechanik fur unentscheidbar gehalten Mitte der 1960er Jahre anderte sich dies mit einer Reihe von Veroffentlichungen von John Bell In ihnen stellte er die von Einstein Podolsky und Rosen aufgeworfenen Fragen in einen allgemeinen mathematischen Kontext Ausserdem stellte er die nach ihm benannte Bellsche Ungleichung vor die einen Weg zur experimentellen Uberprufbarkeit des EPR Paradoxons aufzeigt Die Leistung Bells kann dabei so beschrieben werden dass er den eventuell missverstandlichen Realitatsbegriff aus der EPR Kritik in den Kontext einer allgemeinen Theorie mit lokalen verborgenen Variablen ubersetzte Aus der fur solche Theorien immer gultigen Ungleichung konnen wie im zugehorigen Artikel nachzulesen ist Ungleichungen fur die Erwartungswerte bestimmter quantenmechanischer Observablen abgeleitet werden die in der mathematischen Formulierung der Quantenmechanik klar verletzt werden Betrachtet man die experimentelle Uberprufung der Verletzung der Bell schen Ungleichung in der Quantenmechanik als zweifelsfrei auch wenn dies nach wie vor in der wissenschaftlichen Gemeinschaft diskutiert wird so bleibt nur die Wahl zwischen zwei Wegen NL Die Quantenmechanik lasst eine realistische Interpretation im Sinne eines Verborgene Variablen Modells zu dieses Modell ist aber nicht lokal Dieser Interpretation folgt z B die Bohm sche Mechanik NR Die Quantenmechanik ist eine lokale Theorie und lasst daher keine realistische Interpretation zu Diesem Weg folgt insbesondere die operationelle Interpretation die zumindest als Minimal Interpretation von praktisch allen Wissenschaftlern anerkannt wird Die Bell schen Ungleichungen zwingen uns also wenn wir an einer realistischen Interpretation interessiert sind ein nicht lokales Modell zu wahlen Obwohl die Nicht Lokalitat eines solchen Modells zwar keinerlei Verstoss gegen das Kausalitatsprinzip und damit z B gegen die Relativitatstheorie in irgendeinem operationellen Sinne impliziert d h man kann z B keine Gerate bauen die etwa Information instantan von A nach B ubermitteln ist es gerade die realistische Interpretation des Modells die wiederum den meisten Wissenschaftlern Kopfschmerzen bereitet Die realistische Interpretation besagt ja gerade dass wir die Messergebnisse die wir in einer einzelnen Messung an einem individuellen Quantensystem erhalten haben als echte Eigenschaften dieses individuellen Systems interpretieren Dann sind wir aber gezwungen auch die instantane Veranderung der Eigenschaften eines weit entfernten Systems als realen Effekt zu betrachten auch wenn dieser nicht messbar ist Diese spukhafte Fernwirkung 2 wird von der Mehrheit der Wissenschaftler als gegen den Geist der Relativitatstheorie aufgefasst und daher verworfen wobei sie allerdings gleichzeitig von zahlreichen namhaften Physikern vertreten wird Das Kochen Specker Theorem schrankt die Moglichkeit eines Verborgene Variablen Modells der Quantenmechanik allerdings in einer weiteren Richtung ein Wahrend sich die Diskussion von EPR bis Bell vornehmlich auf die notwendigerweise nicht lokalen Aspekte solcher Modelle bezog griffen Kochen und Specker im Jahre 1967 eine Diskussion auf die bereits John von Neumann 1932 angestossen hatte und sich mit der so genannten Kontextualitat der Modelle in Bezug auf Messungen an Einzelsystemen befasste Von Neumann hatte bereits zu jener Zeit in seinem bahnbrechenden Buch Die mathematischen Grundlagen der Quantenmechanik die Unvereinbarkeit der Quantenmechanik mit verborgenen Variablen beschrieben Seine Argumentation erwies sich zwar zunachst als luckenhaft doch konnten Kochen und Specker mit Hilfe der Erkenntnisse von Andrew Gleason aus dem Jahre 1957 und Bell aus dem Jahre 1966 allerdings eine andere als die oben angesprochene Veroffentlichung das Argument prazisieren und in einen mathematischen Satz giessen 3 Kontextualitat BearbeitenDie von der mathematischen Theorie vorhergesagten und die im Experiment festgestellten Statistiken von Messergebnissen an einem Ensemble von Quantensystemen stimmen unzweifelhaft bestens uberein Bei dem Versuch diese Statistiken im Sinne eines Modells mit verborgenen Variablen zu interpretieren ist die Annahme grundlegend dass die Messergebnisse der Einzelmessungen reale Bedeutung haben das heisst tatsachlich Aufschluss geben uber den physikalischen Zustand dieses Einzelsystems Der hier benutzte Begriff des physikalischen Zustandes sei daher derart dass dieser Zustand durch bestimmte innere Parameter verborgene Variablen des Einzelsystems vollstandig bestimmt sei und im Kontext der Messung den Messwert genau festlegt Fur den Zusammenhang zwischen den verborgenen Variablen und den erhaltenen Messwerten erscheint es a priori sinnvoll und naheliegend folgende Annahmen zu machen 4 WD Wert Definiertheit Die Messwerte einer bestimmten Observable an einem Einzelsystem sind definit d h sie liegen zu allen Zeiten konkret fest und determinieren eine Eigenschaft des Einzelsystems NK Nicht Kontextualitat Wenn ein einzelnes Quantensystem eine bestimmte Eigenschaft hat die zu einem bestimmten Messwert fuhrt so besitzt das System diese Eigenschaft unabhangig vom Kontext der Messung insbesondere ist der Messwert also unabhangig davon wie die Messung speziell aufgebaut ist Die Annahme WD erwachst naturlich aus unserer empirischen Erkenntnis uber Messungen unter der Annahme der Realitat der gemessenen Eigenschaft Diese Annahme und die Annahme NK sind allerdings so bescheiden sie auch zunachst daherkommen eine wesentliche Einschrankung des Modells Tatsachlich sind namlich alle existenten Verborgene Variablen Modelle der Quantenmechanik wie etwa die Bohm sche Mechanik kontextuell und dies nicht ohne Grund Das KS Theorem beweist dass ein Modell mit verborgenen Variablen der Quantenmechanik nicht sowohl WD als auch NK genugen kann Das KS Theorem BearbeitenEs gibt kein nicht kontextuelles Modell mit verborgenen Variablen der Quantenmechanik Um die obige Aussage zu beweisen ist etwas technischer Vorlauf notig Der Kern des KS Theorems ist ein eher unscheinbarer Satz uber die geometrische Struktur des quantenmechanischen Hilbertraumes Seine wesentliche Kraft gewinnt das Theorem allerdings durch die Ableitung bestimmter Rechenregeln fur die Messwerte der Einzelsysteme bezuglich verschiedener Observablen die aus WD und NK abgeleitet werden konnen Wir wollen die Ableitung dieser Regeln hier skizzieren Das mathematische Modell der Quantenmechanik beschreibt einen Zustand im Sinne eines Ensembles durch einen Dichteoperator r bzw durch einen Hilbertraumvektor ps im Falle eines reinen Zustandes Observablen werden durch selbstadjungierte Operatoren beschrieben deren Eigenwerte mogliche Messwerte sind Fur zwei Observablen A und B und einen beliebigen Zustand r gilt die folgende Rechenregel Linearitat fur die Erwartungswerte E r l A m B l E r A m E r B displaystyle mathbb E rho lambda mathbf A mu mathbf B lambda mathbb E rho mathbf A mu mathbb E rho mathbf B nbsp Da nun aber Kompatibilitat von Observablen insbesondere gleichzeitige Messbarkeit dieser Observablen bedingt gilt fur kompatible Observablen A und B dass eine gemeinsame Messung der beiden Observablen auch eine Messung der Observablen C A B und D AB impliziert indem man die Messwerte einfach addiert bzw multipliziert Unter der Annahme der Wert Definitheit werden nun jedem Einzelsystem des Ensembles Werte KSa n A n B n C und n D displaystyle text KSa qquad nu mathbf A nu mathbf B nu mathbf C text und nu mathbf D nbsp zugeordnet die die Messwerte bei einer moglichen Messung bestimmen Insbesondere mussen die Werte der zusammengesetzten Observablen die Bedingung KSb n C n A n B und n D n A n B displaystyle text KSb qquad nu mathbf C nu mathbf A nu mathbf B text und nu mathbf D nu mathbf A cdot nu mathbf B nbsp erfullen da die Messwerte dieser Observablen ja operationell gerade so bestimmt werden konnen und diese Werte frei vom Kontext der Messung existieren Damit kommt man zum Kern des Theorems Behauptung Die beiden Forderungen aus KSb sind fur beliebige Paare kompatibler Observablen A und B die die Werte aus KSa definieren in der Quantenmechanik nicht erfullbar Um den Beweis dieser Behauptung zu fuhren werden wir ein Gegenbeispiel konstruieren Es reicht dazu aus einen endlichdimensionalen Hilbertraum zu wahlen und eine endliche Anzahl konkreter Observablen anzugeben mit denen man dann einen Widerspruch zu KSa und KSb herbeifuhrt Tatsachlich ist der kleinste Hilbertraum in dem dieser Widerspruch moglich ist der dreidimensionale Fall In zweidimensionalen Vektorraumen uber den komplexen Zahlen C displaystyle mathbb C nbsp gilt das KS Theorem wie man leicht zeigen kann nicht Dies ist aber kein Problem fur die allgemeine Aussage denn die Quantenmechanik benutzt schliesslich im Allgemeinen hoherdimensionale Raume Da der Raum fur den das Gegenbeispiel mit den wenigsten Observablen bekannt ist vierdimensional ist erscheint zur Demonstration hier das Gegenbeispiel von A Cabello geeignet 5 Man betrachte dazu einen vierdimensionalen Vektorraum uber C displaystyle mathbb C nbsp mit einer Orthogonalbasis u 1 u 2 u 3 u 4 displaystyle u 1 u 2 u 3 u 4 nbsp Der Projektor P u displaystyle P u nbsp auf den von einem Vektor u displaystyle u nbsp erzeugten Unterraum hat die Eigenwerte 0 und 1 und gehore zu einer Ja Nein Messung Die zur Basis gehorenden Projektoren P u 1 displaystyle P u 1 nbsp bis P u 4 displaystyle P u 4 nbsp kommutieren paarweise und sind folglich miteinander kompatibel Aus KSb folgt daher fur diese Operatoren n P u 1 n P u 2 n P u 3 n P u 4 n 1 1 displaystyle nu P u 1 nu P u 2 nu P u 3 nu P u 4 nu mathbf 1 1 nbsp denn die Summe der vier Projektoren ergibt den Einsoperator der die Observable darstellt die immer den Messwert 1 liefert Die Identitat n 1 1 displaystyle nu mathbf 1 1 nbsp folgt auch aus der Produktregel in KSb da jede Observable R mit 1 kompatibel ist und daher n R n 1 n R 1 n R displaystyle nu mathbf R nu mathbf 1 nu mathbf R cdot mathbf 1 nu mathbf R nbsp gilt Ebenso sieht man n P u n P u 2 n P u 2 displaystyle nu P u nu P u 2 nu P u 2 nbsp und daher muss n P u displaystyle nu P u nbsp entweder 0 oder 1 sein Daraus folgt dass in der obigen Summe genau ein Term gleich 1 sein muss und die anderen drei gleich 0 Man wahle nun 18 geeignete Vektoren aus R 4 displaystyle mathbb R 4 nbsp und bilde aus je vier orthogonalen Vektoren neun verschiedene Basen u 1 displaystyle u 1 nbsp 0 0 0 1 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 1 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 u 2 displaystyle u 2 nbsp 0 0 1 0 0 1 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 0 1 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 u 3 displaystyle u 3 nbsp 1 1 0 0 1 0 1 0 1 1 0 0 1 0 1 0 1 0 0 1 1 0 0 1 1 1 0 0 1 0 1 0 1 0 0 1 u 4 displaystyle u 4 nbsp 1 1 0 0 1 0 1 0 0 0 1 1 0 1 0 1 1 0 0 1 0 1 1 0 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 1 0 Jede Spalte dieser Tabelle stellt eine Basis aus orthogonalen Vektoren dar Jeder der 18 Vektoren kommt dabei genau zweimal vor gleiche Vektoren sind in der gleichen Farbe eingefarbt Betrachten wir ein beliebiges Einzelsystem im Zustand r Aus jedem Vektor u displaystyle u nbsp in obiger Tabelle konnen wir einen Projektionsoperator P u displaystyle P u nbsp gewinnen Die Anwendung dieses Operators auf den Zustand r entspricht der Entscheidung einer Ja Nein Frage dargestellt durch die moglichen Messwerte 0 und 1 Die Quantenmechanik sagt nur mit gewissen Wahrscheinlichkeiten voraus welcher Wert tatsachlich gemessen werden wird Laut der Annahme KSa wird hingegen mit Sicherheit der Wert n P u displaystyle nu P u nbsp gemessen der Wert darf vom Zustand r abhangen aber da wir nur einen Zustand betrachten brauchen wir das nicht extra zu notieren Da jeder Vektor u displaystyle u nbsp in der Tabelle genau zweimal vorkommt und n P u displaystyle nu P u nbsp entweder 0 oder 1 sein muss ist die Summe dieser Werte uber die gesamte Tabelle eine gerade naturliche Zahl Andererseits muss die Summe dieser Werte wie oben aus KSb abgeleitet in jeder einzelnen Spalte 1 betragen so dass sich eine Gesamtsumme von 9 ergibt Dies ist der Widerspruch der dazu fuhrt dass die Annahme von KSa und KSb unmoglich ist Anmerkungen BearbeitenWie bereits oben bemerkt schliesst das Kochen Specker Theorem nur eine bestimmte Klasse von Verborgene Variablen Modellen aus namlich solche die nicht kontextuell sind Kontextuelle Modelle die man tatsachlich konstruieren kann erfullen daher die Forderungen nach Wert Definitheit und Nicht Kontextualitat nicht Eine Analyse solcher Modelle zeigt schnell woher die Kontextualitat solcher Modelle ruhrt es werden nicht nur im Zustandsraum verborgene Variablen eingefuhrt sondern auch im Raum der Observablen 6 Eine quantenmechanische Observable wird daher im Rahmen eines solchen Modells eine so genannte unscharfe Observable Fuzzy Observable auf dem Raum der Verborgene Variablen Zustande die die Einzelsysteme modellieren definieren Diese Fuzzy Observablen konnen im analogen Sinne als gemischt aus scharfen Variablen mit definiten Messwerten gesehen werden wie ein gemischter Zustand aus reinen Zustanden zusammengesetzt wird Quellen Bearbeiten S Kochen E Specker The Problem of Hidden Variables in Quantum Mechanics In Journal of Mathematics and Mechanics Band 17 Nr 1 Juli 1967 S 59 87 Max Born Albert Einstein Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916 1955 Nymphenburger Munchen 1955 S 210 J Bell On the Problem of Hidden Variables in Quantum Mechanics In Reviews of Modern Physics 38 1966 S 447 452 Carsten Held The Kochen Specker Theorem In Edward N Zalta Hrsg The Stanford Encyclopedia of Philosophy Winter 2003 Edition A Cabello Proof with 18 Vectors of the Bell Kochen Specker Theorem In New Developments on Fundamental Problems in Quantum Physics Kluwer Ac Press vgl Online Version auf arXiv org R D Gill M S Keane A Geometric Proof of the Kochen Specker No Go Theorem In J Phys A Math Gen 29 1996 Weblinks BearbeitenPhilosophy and Quantum Measurement Eintrag in Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Vorlage SEP Wartung Parameter 1 und weder Parameter 2 noch Parameter 3 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kochen Specker Theorem amp oldid 232851025