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Dieser Artikel behandelt den Begriff in seiner allgemeinen politikwissenschaftlichen Bedeutung Fur das deutsche Wahlbundnis in den 1880er Jahren siehe Kartellparteien Kartellpartei ist eine idealtypische Bezeichnung der politikwissenschaftlichen Parteienforschung Die Parteienforscher Richard S Katz Johns Hopkins University und Peter Mair Universitat Leiden fuhrten jenen Parteientypus in den 1990er Jahren in den Diskurs ein um den Wandel der Parteien in Westeuropa zu beschreiben Ihr Beitrag ist sowohl in der auf die Entwicklung der Parteien bezogenen politikwissenschaftlichen Niedergangs und Krisendiskussion als auch in der Diskussion um die Transformation der Parteiendemokratien selbst wirkungsmachtig Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangspunkt 2 Kartellparteithese nach Katz und Mair 2 1 Demokratietheoretischer Kontext 3 Kritik 4 LiteraturAusgangspunkt BearbeitenAusgangspunkt ist die Idee dass die etablierten Parteien auf ihre zunehmend nachlassende gesellschaftliche Verankerung geringere Mitgliederzahl verringerte Beitragsannahmen erhohte Volatilitat geschwachte Bindung zu gesellschaftlichen Gruppen und Akteuren mit einer Hinwendung zum Staat reagieren um so neue Ressourcen insbesondere staatliche Parteienfinanzierung zum Ausgleich erschliessen zu konnen Ausserdem soll sich das strategische Verhalten der Parteien uber Parteiengrenzen hinweg zu Gunsten von Kooperationen untereinander verandern so dass sie aus jeweiligem Eigeninteresse kooperieren und die gewonnenen staatlichen Ressourcen gegenuber neuen Parteien verteidigen sowie ausbauen konnen Grund dafur ist unter anderem eine fortschreitende Professionalisierung der Akteure die sich in der zunehmenden Zahl von Berufspolitikerinnen und politikern bemerkbar macht Aufgrund der gemeinsamen Verteilung von Ressourcen und einer Verschmelzung mit der staatlichen Sphare kann von einem Parteienkartell gesprochen werden Kartellparteithese nach Katz und Mair BearbeitenKatz und Mair gingen von einer vier phasigen historischen Entwicklung der Parteien aus Auf die Phase 1 der Honoratiorenparteien bzw Elitenparteien im 19 Jahrhundert folgt die 2 der Massenintegrationsparteien von etwa 1880 1960 und 3 der Catch all Parteien bzw Volksparteien seit 1945 Als vierte Phase seit den 1970er Jahren wurden die 4 der Kartellparteien folgen Diese Phasen ergeben sich aus Merkmalen der organisatorischen Struktur der politischen Rolle im demokratischen Prozess und dem Wettbewerbsverhalten der Parteien Der Ubergang in die vierte Stufe sprich in den Typus der Kartellpartei lasst sich nach Katz und Mair aus exogenen und endogenen Grunden heraus erklaren Zu den exogenen Grunden zahlen sie insbesondere die sozio okonomischen und sozio kulturellen Umbruche der letzten Jahrzehnte Entwicklung der Industriegesellschaft hin zur wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft zunehmende Sakularisierung die Gesellschaft nach Lebensstilen ausdifferenzierende Individualisierungsprozesse und die Starkung post materialistischer Werte Die Wahlerbindungen an die Parteien liessen somit uber die schwacher werdende Milieupragung nach und somit die Verlasslichkeit an der Wahlurne Ausserdem veranderte sich das politische Partizipationsverhalten in der Gesellschaft in Richtung themenspezifischer Projektorientierung die nur noch bedingt mit traditionellem an Gremien orientiertem Engagement in Parteien harmoniert Allerdings zahlen die Autoren auch endogene also in der Verantwortung der Parteien selbst liegende Grunde zu den Ursachen der Transformation in die Kartellpartei Die strategische Offnung der Parteien in den 1950ern und 1960ern zu Gunsten einer moglichst breiten und heterogenen Wahlerschaft welche als Grundbedingung des Wandels hin zur Volkspartei gilt bekanntestes Beispiel Godesberger Programm der SPD forcierte somit bewusst die Lockerung der gesellschaftlichen Bindung an die Parteien Seit Mitte der 1970er Jahre racht sich nun diese Strategie da aufgrund von Massenarbeitslosigkeit und geringem Wirtschaftswachstum das Vertrauen in die Politik ohnehin angekratzt wurde und die Parteien seitdem unter Druck stehen dem sie aufgrund ihrer forcierten Lockerung der Milieubindung umso weniger entgegenzustellen haben Demokratietheoretischer Kontext Bearbeiten Die Autoren ordnen die Entwicklungen der Parteien hin zu Kartellparteien des Weiteren in einen demokratietheoretischen Kontext ein Hierbei zeichnen sie eine Relativierung der Bedeutung von Wahlniederlagen auf drei Ebenen nach Einerseits produziert das Parteienkartell aufgrund des kontinuierlichen und kooperativen Zusammenarbeitens der Parteien Proporzregelungen und routinen die de facto Regierungsbeteiligungen auch als Oppositionsparteien ermoglicht Signifikante inhaltliche Verschiebungen durch Regierungswechsel sind somit ausserdem beeintrachtigt Letztlich verlieren auch die materiellen Auswirkungen aufgrund von Wahlniederlagen an Bedeutung da das Parteienkartell staatliche Ressourcen unabhangig von diesen untereinander verteilen und insgesamt steigern werden wird Kritik BearbeitenProminentester Kritiker dieses Modells war wohl Ruud Koole der vor allem eine klare Definition und die empirische Abgrenzbarkeit zu anderen Parteitypen vermisste Zur empirischen Uberprufung der Kartellpartei ist zudem auf die Studie von Klaus Detterbeck hinzuweisen der neben einer empirischen Fundierung des theoretischen Konstrukts auch eine Weiterentwicklung sowie eine spezifizierte Definition von Kartellpartei entwickelte Diese stellt die Hinwendung der Parteien zur staatlichen Sphare sowie deren eigeninteressierte Kooperation ins Zentrum Diese Verschlankung der Kartellpartei Definition grundet in seinen zentralen empirischen Ergebnissen Detterbeck zeigt auf dass eine Konvergenz zwischen den etablierten Grossparteien zwar tatsachlich erkennbar ist diese aber nur innerhalb der Lander bei Beibehaltung internationaler Differenzen und Differenzen zwischen den verschiedenen Parteienfamilien identifizierbar ist sprich nationale Konvergenz bei bestandiger Divergenz im westeuropaischen Vergleich Auch kann nach seinen Ergebnissen nicht von einer gesellschaftlichen Abkoppelung der Parteien gesprochen werden Mitgliederprinzip und bestandige priore gesellschaftliche Verbindungen bspw Sozialdemokratie und Gewerkschaften sind nach wie vor festzustellen Ein weiteres wesentliches Ergebnis betrifft die von Katz und Mair angenommene Ausgrenzung neuer Parteien Empirisch lasst sich keine Ausgrenzung der Parteien sondern eine Erziehung der Parteien im Sinne kartellkonformen Verhaltens beobachten Neue Parteien werden somit in das Kartell integriert Zugang zu staatlichen Ressourcen Einbeziehung in kooperative Arrangements und nicht versucht aussen vorzulassen Literatur BearbeitenKlaus Detterbeck Der Wandel politischer Parteien in Westeuropa Eine vergleichende Untersuchung von Organisationsstrukturen politischer Rolle und Wettbewerbsverhalten von Grossparteien in Danemark Deutschland Grossbritannien und der Schweiz 1966 1990 Leske Budrich Opladen 2002 ISBN 3 8100 3209 3 Helms Ludger Die Kartellparteien These und ihre Kritiker In Politische Vierteljahresschrift Jg 42 2001 Heft 4 S 698 708 Peter Mair Richard S Katz Changing Models of Party Organization and Party Democracy The Emergence of the Cartel Party In Party Politics Jg 1 1995 Heft 1 S 5 28 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kartellpartei amp oldid 208338806