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Johannes Seluner auch Seluner um 1828 20 Oktober 1898 in Nesslau war ein Findelkind im Toggenburg in der Schweiz Johannes SelunerInhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Rezeption 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenAm 9 September 1844 wurde auf der Seluner Alp im Gebiet der Churfirsten im Toggenburg vom Viehhirten Niklas Baumgartner ein fast nackter taubstummer Junge gefunden Da diese zu Alt St Johann gehorte wurde er der Behorde des Ortes ubergeben und in die Armenanstalt des Dorfes eingewiesen Ein untersuchender Arzt schatzte das Alter des Jungen auf 15 bis 16 Jahre Nachforschungen durch die Polizei auch per offentlichem Steckbrief blieben erfolglos In ihm wurde der Knabe mit schwarzem Haar einer Grosse von 4 Schuh und 7 Zoll das sind rund 155 cm mit tolpelhaften Zugen und einem lappischen Gang mit vorhangenden Oberkorper beschrieben Die offentliche Ausschreibung trug wesentlich zum Bekanntheitsgrad des Seluners bei blieb aber erfolglos und wurde daraufhin eingestellt Aus verwaltungstechnischen Grunden wurde dem Jungen im August 1845 ein Name gegeben Er wurde nach dem Namenspatron des Dorfes Johannes und dem Fundort Seluner Alp benannt Die der Gemeinde Alt St Johann entstandenen Kosten fur den Unterhalt des Findlings wurden vom Kanton St Gallen getragen Ab 1850 wurde dem Heimatlosen aufgrund der neuen Bestimmungen zu den Burgerrechten in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft das Burgerrecht gegeben und Nesslau als seine Heimatgemeinde bestimmt 1854 wurde er in das Armenhaus in Nesslau uberstellt die als Heimatgemeinde ab nun seine Unterhaltskosten zu tragen hatte Am 20 Januar 1898 wurde Johannes Seluner nach katholischem Ritus getauft und ins Taufregister Neu St Johann eingetragen Am 20 Oktober 1898 starb Johannes Seluner nach kurzer Krankheit und wurde am 23 Oktober 1898 auf dem Friedhof in Neu St Johann unter grosser Anteilnahme der Bevolkerung bestattet Rezeption BearbeitenAuf Betreiben von Emil Bachler vor allem aber des Arztes Ernst Gottlieb Finkbeiner aus Zuzwil SG zeichnete der Anthropologe Rassenhygieniker und Direktor des Anthropologischen Instituts der Universitat Zurich Otto Schlaginhaufen fur eine Exhumierung des Skeletts von Johannes Seluner am 19 November 1926 verantwortlich die von den Behorden bewilligt wurde Das Ratsel des Seluners der wahrend und nach seinem Leben uber die Grenzen des Toggenburg bekannt geworden war sollte geluftet werden Vor dem Hintergrund eugenischer Uberlegungen dieser Zeit sollte ein Zusammenhang zwischen der geistigen wie korperlichen Einschrankung vermuteter Kretinismus des Betroffenen und Merkmalen von Neandertalern oder aussereuropaischen Volkern nachgewiesen werden Die Untersuchungen zeigten allerdings nur altersbedingte Degenerationserscheinungen des Skeletts auf Auf Initiative von Mitarbeitern des Anthropologischen Instituts der Universitat Zurich und mit Unterstutzung der politischen Gemeinde Nesslau sowie der katholischen Kirchgemeinde Neu St Johann wurde Johannes Seluner am 9 September 2021 erneut bestattet auf dem Friedhof der Kirchgemeinde Eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen diesen Parteien soll eine erneute Exhumierung verhindern und damit die Totenruhe wahren 1 2 Wie Rea Brandle in ihrem Buch nachweist wurde Johannes Seluner wahrscheinlich schon wahrend der Zeit seines Lebens aber auch im Rahmen der zahlreichen Nekrologe auf ihn zum Opfer nicht verburgter Zuschreibungen die seine karge Biographie mit zahlreichen zusatzlichen Elementen ausschmucken Diese beziehen sich auf seine mogliche Herkunft und die Umstande der Auffindung sowie auf sein behauptetes Verhalten als Wilder Mann Wolfskind und Idiot Hinzuerfunden und ebenfalls durch keinerlei Fakten belegt sind etwa dass Seluner beim Milchdiebstahl in eine Falle von Sennern gelaufen und so entdeckt worden war ebenso unbewiesen wie seine angeblich adelige Herkunft das ihm unterstellte standige Zerreissen seiner Kleider das angemutete tierahnliche Verhalten und seine angeblichen mit einem Stier vergleichbaren Korperkrafte Auch wird berichtet dass er vor seiner Auffindung 1844 einige Zeit im Wildenmannlisloch verbracht hatte und eben einer der dort lebenden Wilden Manner gewesen sei Diese Fabulierlust der vermeintlichen Augenzeugen und die Nacherzahlungen nicht verburgter biographischer Elemente finden sich in zahlreichen bis heute als serios geltenden Dokumenten wie etwa die diesbezuglichen Aufsatze des Emil Bachler und der Eintrag zu Johannes Seluner in der 2003 im Auftrag des Kantons erschienenen Geschichte St Gallens Mehrere Dokumente zum Leben Johannes Seluners wie etwa der Steckbrief mit dem nach Angehorigen von ihm gefahndet wurde sowie die einzig von ihm erhaltene Fotografie aus dem Jahr 1885 finden sich im Toggenburger Museum der Gemeinde Lichtensteig Literatur BearbeitenRea Brandle Johannes Seluner Findling Eine Recherche Limmat Verlag Zurich 1990 ISBN 3 85791 162 X Rea Brandle Johannes Seluner Findling Eine Recherche Erweiterte Neuausgabe Chronos Verlag 2016 ISBN 978 3 0340 1340 6 Maja Fehlmann von der Muhll s wild Mannli von Selun Folklore und Forschung eine Art Kolonisierung der Alpen In Schweizerisches Archiv fur Volkskunde Archives suisses des traditions populaires Band 80 1984 Emil Bachler Der Seluner In Das Toggenburg 8 Jg Nr 5 Gais 1933 Catherine Leutzinger Piccand Die wahre Geschichte des Seluners In St Galler Geschichte 2002 Band 1 Fruhzeit bis Hochmittelalter St Gallen 2003 Otto Schlaginhaufen Das Skelett des Johannes Seluner Zollikofer 1933 Hieronymus Brunner Johannes Seluner In Schweizer Illustrierte Bd 7 1903 S 23 24 e periodica ch Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Johannes Seluner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Johannes Seluner ein ratselhaftes Wesen In Website Gemeinde Alt St Johan Archiviert vom Original am 7 Mai 2008 abgerufen am 11 Juni 2019 Dorothee Vogeli Neuerscheinung zu Johannes Seluner Das Wolfskind aus dem Toggenburg In Neue Zurcher Zeitung 6 Dezember 2016 abgerufen am 11 Juni 2019 Einzelnachweise Bearbeiten Johannes Seluner in Wurde bestattet In Gemeinsame Medienmitteilung der katholischen Kirchgemeinde Neu St Johann der politischen Gemeinde Nesslau sowie des Anthropologischen Instituts der Universitat Zurich 9 September 2021 abgerufen am 9 September 2021 deutsch Johannes Seluner das wilde Mannli aus dem Toggenburg hat nach fast 100 Jahren seine letzte Ruhestatte erhalten In Neue Zurcher Zeitung 12 September 2021 Normdaten Person GND 118913921 lobid OGND AKS LCCN n90709648 VIAF 31164952 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Seluner JohannesALTERNATIVNAMEN SelunerKURZBESCHREIBUNG FindelkindGEBURTSDATUM um 1828STERBEDATUM 20 Oktober 1898STERBEORT Nesslau Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Johannes Seluner amp oldid 239284956