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Igor Alexander Graf Caruso 23 Januar 1914 1 in Tiraspol Sudrussland heute Moldawien Transnistrien 28 Juni 1981 in Salzburg war ein osterreichischer Psychologe und Psychoanalytiker russischer Herkunft 1947 grundete er den Wiener Arbeitskreis fur Psychoanalyse 2 Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Werk 1 1 Jugendzeit 1 2 Zeit des Nationalsozialismus und gesellschaftlicher Aufstieg in der Nachkriegszeit 1 3 Lateinamerika 1 4 Universitat Salzburg 2 Kritik 3 Ausgewahlte Werke 4 Literatur 5 Film 6 Weblinks 7 Einzelnachweise 8 AnmerkungenLeben und Werk BearbeitenJugendzeit Bearbeiten Igor Caruso entstammte einer zaristischen Adelsfamilie die nach der Oktoberrevolution Russland verlassen musste Er wuchs ab 12 Jahren bei katholischen Patres in Belgien auf aufgrund eines Begabtenstipendiums fur die Universitat Leuven Louvain konnte er studieren und erwarb hier 1937 auch seinen Doktorgrad Das Thema seiner Dissertation lautete La notion de la responsabilite et de justice immanente chez l enfant Anschliessend arbeitete er in einer Erziehungsberatungsstelle in Belgien Er lernte Irina Grauen eine russifizierte Estin die ebenfalls ihr Studium in Belgien absolvierte kennen 1939 ging er nach Estland um Irina in ihrer Heimat zu heiraten Im Sommer 1940 wurde Estland infolge des Hitler Stalin Paktes an die UdSSR angeschlossen Caruso und seine Frau konnten aufgrund der Kriegsentwicklungen nicht nach Belgien zuruckkehren Sie schlossen sich einem Baltendeutschen Transport an und wurden mehrere Monate im Umsiedlungslager Neresheim interniert Im Lager erkrankte Irina schwer eine Tochter kam zur Welt verstarb jedoch nach einigen Wochen Zeit des Nationalsozialismus und gesellschaftlicher Aufstieg in der Nachkriegszeit Bearbeiten 1942 konnten die beiden mit Hilfe einer Schwester Irinas und deren osterreichischem Ehemann einem Angehorigen der SS nach Wien ubersiedeln Durch Fursprache seines Schwagers konnte Caruso im beruchtigten Spiegelgrund eine Tatigkeit als Erzieher und als Gutachter aufnehmen Eine klinische Tatigkeit war ihm bei einer Bewerbung in Innsbruck wegen mangelnder Qualifikation eigentlich war er ja Padagoge und nicht Psychologe nicht zugestanden worden 1942 bekam er eine besser dotierte Stellung in der seit 1940 von Alfred von Auersperg 1899 1968 gefuhrten Wiener Stadtischen Nervenheilanstalt Dobling Dort entstanden lebenslange Freundschaften zu NS Psychiatern die sich einer vom zersetzenden judischen Geist gereinigten Psychoanalyse verschrieben hatten Die enge Beziehung zu seinem Vorgesetzten Auersperg der sich 1946 nach Sao Paulo absetzte fuhrte dazu dass Caruso nicht in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen wurde 3 Er grundete 1947 stattdessen den Wiener Arbeitskreis fur Tiefenpsychologie in dem sich vor allem ehemalige NSDAP SS und SA Mitglieder zum Teil aus dem nationalsozialistischen Reichsinstitut fur Psychotherapie stammend sowie katholisch gepragte Psychiater und Psychologen zusammenfanden Durch seine zweite Ehe mit seiner Frau Maria die aus der Wiener Industriellenfamilie Mayer Gunthof stammte konnte Caruso in der Gesellschaft aufsteigen und sich eine Position als Staranalytiker des Klerus und der hoheren Gesellschaft erarbeiten 1952 propagierte Caruso eine ganzheitliche christliche Psychologie gestutzt auf Autoren wie Heidegger Viktor von Weizsacker und C G Jung die sich von einem Christusarchetyp leiten lasse Die nachfolgende Wende zu linken intellektualistischen Stromungen nun sind Karl Marx und Herbert Marcuse die von ihm praferierten Bezugspersonen brachte ihm die Zustimmung eines Teils der 68er Studentenschaft die ihn als Guru verehrte Lateinamerika Bearbeiten 1956 nachdem die ersten Brasilianer ihre Ausbildung in Wien beendet hatten folgte seine erste Vortragsreise nach Brasilien wo er nach Eigenangaben in Rio Grande do Sul zum Professor ernannt wurde Anlasslich dieser Reise wurde auch der schon bestehende Arbeitskreis in Brasilien offiziell begrundet 1957 erschien das Buch Bios Psyche Person das in Zusammenarbeit mit einigen seiner Schuler entstanden ist In den Jahren 1958 bis 1968 kamen Ausbildungskandidaten aus verschiedenen Landern Kolumbien Deutschland Schweiz Spanien Brasilien Mexiko und Israel 1964 ging Caruso fur ein halbes Jahr als Gastprofessor nach Bogota dort erfolgte die Grundung des Kolumbianischen Arbeitskreises fur Tiefenpsychologie 1966 und 1967 hielt Caruso Vorlesungen an der Medizinischen Fakultat der Universitat Graz 1968 ging er fur ein Jahr nach Belo Horizonte Brasilien er widmete sich dort der Ausbildungstatigkeit im brasilianischen Arbeitskreis fur Tiefenpsychologie und hielt Vorlesungen an der Universitat Universitat Salzburg Bearbeiten Caruso war seit 1967 Lehrbeauftragter an der Universitat in Salzburg erhielt ab 1969 eine Stelle als Gymnasiallehrer im Hochschuldienst und wurde hier ab 1972 ohne Habilitation und ohne Durchfuhrung eines Berufungsverfahrens aber zur Abwehr eines Rufes an die Freie Universitat Berlin von Ministerin Hertha Firnberg zum Professor fur Klinische Psychologie und Sozialpsychologie ernannt Hier grundete er den Salzburger Forschungs und Arbeitskreis fur Tiefenpsychologie und Psychosomatik der spater Salzburger Arbeitskreis fur Tiefenpsychologie benannt wurde 1976 grundete er zusammen mit Mitarbeitern in Salzburg die Osterreichische Studiengesellschaft fur Kinderpsychoanalyse 1979 wurde er aus Gesundheitsgrunden pensioniert Er vertrat in der akademischen Lehre eine katholische Tiefenpsychologie mit ausgepragt marxistischen Zugen bemuhte sich spater um eine Rollenbestimmung der Psychoanalyse in der heutigen Gesellschaft und arbeitete besonders sozialpsychologische Aspekte der Psychoanalyse heraus Eine gewisse Bedeutung kann Caruso in seiner institutionenbildenden Rolle als Grunder mehrerer psychoanalytischer Arbeitskreise zugeschrieben werden was aber auch als Flucht nach vorne gedeutet werden kann da ihm die Aufnahme in die Internationale Psychoanalytische Vereinigung verwehrt geblieben war Eine intensive universitare Zusammenarbeit ergab sich am Salzburger Institut fur Psychologie mit Wilhelm Josef Revers Heimo Gastager und Gerhart Harrer Das 1984 gegrundete Werkblatt sieht sich in seiner Tradition Kritik BearbeitenCaruso war von Februar 1942 bis Oktober 1942 unter der Leitung von Ernst Illing und dem Stationsarzt Heinrich Gross Erzieher und psychologischer Gutachter in der Kinderfachabteilung den Pavillons 15 und 17 Abteilungen Ausmerzende Massnahmen und Erb und Rassenpflege der Wiener Fursorgeanstalt Spiegelgrund Mindestens 14 Kinder wurden auch aufgrund der von ihm erstellten psychologischen Gutachten im Zuge der Kinder Euthanasie Programmes ermordet 4 5 3 Zu Fragen des menschlichen Fuhlens einer individuellen Schuld ausserte sich Caruso 1973 in einem von der St Poltner Kirchenzeitung Kirche bunt gefuhrten Interview akademisch fachlich ohne seine Haltung gegenuber der eigenen Vergangenheit zu beruhren 6 Auch in einem Radiointerview von 1979 hat er dazu Stellung genommen wenn auch verbramt und beschonigend hinter allgemeinen Beschuldigungen alle sind wir doch potentielle Morder Zu der Mitwirkung an der Totung von Kindern die ihm nicht verborgen geblieben sein konnte hat er sich nicht bekannt vielmehr seine Unschuld begrundet Ich als Psychologe politischer Auslander war gar nicht eingeweiht selbstverstandlich 3 Er wird als Erfullungsgehilfe eines zutiefst sadistischen und menschenverachtenden Systems eingestuft Selbst als Psychoanalytiker ist Caruso umstritten da sich keine Nachweise uber seine psychoanalytische Ausbildung angeblich bei August Aichhorn und bei Viktor Emil von Gebsattel finden lassen und seine hierzu gemachten Angaben falsch sind Von seinen Schriften gingen langfristig keine besonderen Wirkungen aus er gilt als mehr oder minder vergessen sowohl in der Psychoanalyse und besonders in der akademischen Psychologie 3 Ausgewahlte Werke BearbeitenPsychoanalyse und Synthese der Existenz Beziehungen zwischen psychologischer Analyse und Daseinswerten Herder Verlag Freiburg 1952 Bios Psyche Person Eine Einfuhrung in die allgemeine Tiefenpsychologie Verlag Karl Alber Freiburg 1957 Soziale Aspekte der Psychoanalyse Ernst Klett Verlag Stuttgart 1962 Die Trennung der Liebenden Eine Phanomenologie des Todes Verlag Hans Huber Bern Stuttgart 1968 Neuauflage Verlag Turia Kant Wien Berlin 2016 Narzissmus und Sozialisation Entwicklungspsychologische Grundlagen gesellschaftlichen Verhaltens Bonz Verlag Stuttgart 1976 Literatur BearbeitenEwald H Englert Hrsg Die Verarmung der Psyche Igor A Caruso zum 65 Geburtstag Mit einem Vorwort von Axel Kerfting Campus Verlag Frankfurt am Main 1979 ISBN 3 593 32375 3 Heimo Gastager Hrsg Psychoanalyse als Herausforderung Festschrift fur Igor A Caruso Verband der Wissenschaftlichen Gesellschaft Osterreichs Wien 1980 Osterreichische Studiengesellschaft fur Kinderpsychoanalyse Hrsg In Memoriam Igor A Caruso Symposium am 25 26 Juni 1982 in Fieberbrunn Publikation der Vortrage Salzburg 1988 Peter Stoger Leben und Werk Igor A Carusos Einblicke und Ausblicke In Erziehung und Unterricht Osterreichische Padagogische Zeitschrift Wien CXXXIII Jg 1983 Heft 2 Februar S 72 81 Peter Stoger Personalisation bei Igor Caruso Mit einem Vorwort von Erwin Ringel Herder Freiburg 1987 Zugleich Habilitationsschrift Universitat Innsbruck 1984 Peter Stoger Caruso Igor Alexander In Gerhard Stumm Hrsg Personenlexikon der Psychotherapie Springer Wien 2005 S 82 83 Eveline List Warum nicht in Kischniew Zu einem autobiographischen Tondokument Igor Carusos In Zeitschrift fur psychoanalytische Theorie und Praxis Jg 33 2008 Heft 1 2 S 117 141 Anm 1 Gerhard Benetka Clarissa Rudolph Selbstverstandlich ist vieles damals geschehen Igor A Caruso Am Spiegelgrund In Werkblatt Psychoanalyse amp Gesellschaftskritik Jahrgang 2008 Nr 60 XXV Jahrgang S 5 45 online bei ANNO Vorlage ANNO Wartung wer Bettina Reiter Es waren doch nur Gutachten In Die Presse Print Ausgabe vom 6 September 2008 online Ausgabe 5 September 2008 abgerufen am 23 August 2010 Film BearbeitenCaruso Erinnern Wiederholen Durcharbeiten Ein Dokumentarfilm von Michael Kolnberger Osterreich 2008 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Igor A Caruso im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Werke von und uber Igor A Caruso in der Deutschen Digitalen Bibliothek Verdrangung oder Verleugnung Lucken in der Biografie Igor A Caruso Filmische Hommage an einen grossen Psychoanalytiker 45 minutige Radiosendung uber Carusos Leben und Werk und uber den neuen Caruso KinofilmEinzelnachweise Bearbeiten Staatsarchiv Basel Stadt Signatur PD REG 3a 28282 Der Eintrag mit Geburtsangabe ist im Dossier eigenhandig unterschrieben Selbstdarstellung des WAP Zugriff am 24 Januar 2010 a b c d Reiter 2008 List 2008 Gutachten Igor Caruso im Nationalsozialismus In Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5 Marz 2008 Seite N3 Geisteswissenschaften Nachdruck Igor A Caruso Leben mir der Schuld In Werkblatt Psychoanalyse amp Gesellschaftskritik Jahrgang 2008 Nr 61 XXV Jahrgang S 102 107 online 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