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Die Winter der Jahre 1431 bis 1440 wahrend des Hundertjahrigen Krieges waren in Nordwest und in Mitteleuropa die wahrscheinlich kaltesten in der Zeit vom 14 bis zum 17 Jahrhundert Die Wetteranomalien der 1430er Jahre mit sehr kalten und extrem langen Wintern wurden jeweils unterbrochen von warmen regenreichen Sommern Es waren vermutlich zufallige Schwankungen des Wettersystems die zu dieser ausgesprochenen Klimaverschlechterung fuhrten 1 Folge der Wetteranomalie war die Hungersnot der Jahre 1437 1440 die Hunderttausende Todesopfer in der unvorbereiteten Bevolkerung forderte Landliche Szene im Februar Tres Riches Heures 1410er Jahre Inhaltsverzeichnis 1 Kalte lange Winter und Sommer mit viel Regen 2 Folgen der zehnjahrigen Wetteranomalien 3 Ursache der Wetteranomalien 4 Siehe auch 5 Literatur 6 EinzelnachweiseKalte lange Winter und Sommer mit viel Regen BearbeitenZu Beginn des 15 Jahrhunderts hatte sich das Leben in Europa gebessert nachdem zuvor Seuchen die Bevolkerung dezimiert hatten Man hoffte auf Arbeit und Auskommen Doch die 1430er Jahre wurden zu einem der hartesten Jahrzehnte Bereits am 20 November 1431 waren alle Flusse Nord und Mitteleuropas zugefroren auch Donau Rhein und Bodensee Seegfrornen des Bodensees Uber die zugefrorene Ostsee wanderten Wolfe von Norwegen nach Danemark und weiter nach Suden Sogar die Lagune von Venedig konnte vom 6 Januar bis 22 Februar 1432 zu Fuss uberquert werden In Frankreich erfroren die Weinstocke Da wahrend des Winters kaum Schnee gefallen war war die ausgebrachte Saat mangels isolierender Schneedecke extremer Kalte ausgesetzt und verdarb grossenteils Der Winter dauerte vielerorts bis Marz oder April Das Schmelzwasser in den Flussen staute sich zu Hochwasser das die Stadte uberflutete Besonders schwer traf es Orte entlang der Donau Fur Ungarn geht man davon aus dass dieses Jahrzehnt das zweit uberflutungsreichste im gesamten Mittelalter war Der langanhaltende Regen im Sommer 1432 liess die verbleibende Ernte verrotten Die Hungersnot begann 1432 in Bohmen An anderen Orten in Europa waren die Speicher noch gefullt Ein Jahr spater aber nach einem weiteren harten Winter verzeichnen samtliche Handelschroniken von Dublin uber Koln und Magdeburg bis Prag stark steigende Preise fur Getreide Im Winter 1432 33 musste in Schottland der Wein aufgetaut werden um ihn trinken zu konnen Es folgten weitere ungewohnlich kalte und lange Winter In Mitteleuropa froren im Jahr 1435 Flusse wie der Rhein und grosse Seen wie der Bodensee und der Zurichsee zu Der Getreidemangel zwang 1435 dazu Brot aus Baumrinde herzustellen Sogar in Norditalien und in Sudfrankreich hielt das Winterwetter bis in den April an lediglich der Suden des Kontinents blieb teilweise verschont 2 3 Folgen der zehnjahrigen Wetteranomalien BearbeitenDie Folgen der harschen Witterung wahrend fast einer Dekade waren fur die auf ein solches Ereignis vollig unvorbereitete Bevolkerung in Europa verheerend Missernten und Hunger trugen zum Entstehen von Epidemien bei Die niedrigen Temperaturen und nochmalige Frosteinbruche wahrend des spaten Fruhjahrs beeintrachtigten das Getreidewachstum auch Weinberge und andere landwirtschaftliche Guter litten unter der Kalte In England Deutschland Frankreich den Niederlanden 4 Bohmen und der Schweiz kam es zu Missernten In der Folge stiegen die Nahrungsmittelpreise erheblich was zwischen 1437 und 1440 zum Ausbruch der schwersten europaischen Hungersnot des 15 Jahrhunderts fuhrte 5 Die geschwachten Menschen wurden anfallig fur Krankheiten und das feuchte Sommerwetter bot gefahrlichen Keimen beste Voraussetzungen Hunger und Epidemien forderten Hunderttausende Todesopfer an Menschen und Nutztieren Die Bevolkerungszahl in Europa sank auf den tiefsten Stand des 15 Jahrhunderts So registrierte man in der 5000 Einwohner zahlenden Stadt Bern von August bis Weihnachten 1439 mehr als 1100 Todesfalle Welche Krankheiten und Seuchen die hauptsachlichen Todesursachen waren lasst sich nicht mehr rekonstruieren In den Chroniken wurde jedwede Krankheit als pestis Seuche bezeichnet Es ist aber anzunehmen dass die Bevolkerung unter anderem an Atemwegserkrankungen litt Ein Teil der Todesfalle ist moglicherweise jedoch nicht auf eine Infektion der Atemwege zuruckzufuhren sondern auf eine Vergiftung mit dem Mutterkornpilz Claviceps purpurea Der Pilz des Mutterkorns befallt Getreide bei zu feuchter Witterung Die Symptome dieser Vergiftung kannte man im Mittelalter als Antoniusfeuer In ihrer Not wandte sich die verzweifelte Bevolkerung der Kirche zu bei der sie Halt und Trost im Glauben fand Sie machte Minderheiten und Aussenseiter zu Schuldigen Der Volksmund sprach den gerade eingewanderten Zigeunern die magische Kraft zu das Wetter zu beeinflussen Angst und Aggression entluden sich in Pogromen gegen Juden und Frauen die als Hexen verfolgt wurden Der Kampf um Lebensmittel liess lange befreundete Clans im Schottischen Hochland gegeneinander in den Krieg ziehen und in der Alten Eidgenossenschaft verhangte Zurich im Fruhjahr 1438 eine Getreidesperre gegen Schwyz und Glarus was sich im Hungerjahr 1438 besonders schwer auswirkte 6 Dieser Streit fuhrte schliesslich zum Alten Zurichkrieg Die Menschen passten sich jedoch auch an die kalte Witterung an Neu errichtete Kornspeicher halfen Stadten wie Basel Strassburg Koln und London Missernten besser zu uberstehen Auch wurden Notfallplane erstellt die unter anderem den Import von Nahrung aus fernen Landern vorsahen Trotzdem blieben die Folgen der Katastrophendekade noch lange spurbar Ursache der Wetteranomalien BearbeitenHistoriker und Klimaforscher aus ganz Europa sind der Frage nachgegangen weshalb die Dekade nach 1430 vielleicht das kalteste Jahrzehnt des vergangenen Jahrtausends in Nordwest und Zentraleuropa war 7 Auf Basis von Stellvertreterdaten aus Klimaarchiven Baumring Seesediments und Tropfsteinanalysen sowie historischen Dokumenten aus ganz Europa wurde ein umfassendes Klimamodell erstellt Die Modelle bestatigten dass die klimatischen Umstande zu dieser Zeit sehr speziell waren Im untersuchten Zeitraum vom Jahr 1300 bis 1700 gab es demnach nichts Vergleichbares Ob die 1430er Jahre tatsachlich die kalteste Periode im vergangenen Jahrtausend waren konnte nicht nachgewiesen werden Mogliche Grunde fur diese Anomalie waren etwa Staubpartikel die durch Vulkanausbruche in die Atmosphare gelangten und Sonnenstrahlen vom Auftreffen auf der Erde abhielten ahnlich wie 1815 der Ausbruch des Vulkans Tambora der 1816 zum Jahr ohne Sommer fuhrte Auch eine generell reduzierte Sonnenaktivitat zu dieser Zeit das Sporerminimum konnte in Frage kommen Aber weder die damaligen Vulkanausbruche noch die Anderungen in der Sonnenaktivitat konnten in den Computersimulationen die Abkuhlung erklaren Die Analysen zeigten dass die Abkuhlung viel eher durch eine ungunstige zufallige Kombination aus komplexen naturlichen Vorgangen im Zusammenspiel der Atmosphare der Ozeane und Landmassen verursacht wurde Nach publizierten Ergebnissen lasst sich die Katastrophe der 1430er Jahre mit zufalligen Schwankungen der Witterung erklaren durch die ein extrem langer Winter auf den nachsten folgte unterbrochen jeweils von warmen Sommern in denen viel Regen fiel Siehe auch BearbeitenKleine EiszeitLiteratur BearbeitenChantal Camenisch Kathrin M Keller Melanie Salvisberg Benjamin Amann Martin Bauch et al The 1430s a cold period of extraordinary internal climate variability during the early Sporer Minimum with social and economic impacts in north western and central Europe In Climate of the Past 12 2016 S 2107 2126 doi 10 5194 cp 12 2107 2016 Chantal Camenisch Endless cold a seasonal reconstruction of temperature and precipitation in the Burgundian Low Countries during the 15th century based on documentary evidence In Climate of the Past 15 2015 S 1049 1066 doi 10 5194 cp 11 1049 2015 Chantal Camenisch Endlose Kalte Witterungsverlauf und Getreidepreise in den Burgundischen Niederlanden im 15 Jahrhundert Wirtschafts Sozial und Umweltgeschichte 5 Schwabe Basel 2015 ISBN 978 3 7965 3468 3 doi 10 24894 978 3 7965 3474 4 Zugleich Bern Universitat Dissertation 2011 Christian Jorg Teure Hunger grosses Sterben Hungersnote und Versorgungskrisen in den Stadten des Reiches wahrend des 15 Jahrhunderts Monographien zur Geschichte des Mittelalters 55 Hiersemann Stuttgart 2008 ISBN 978 3 7772 0800 8 Zugleich Trier Universitat Dissertation 2006 Inhaltsverzeichnis Rezension Christian Jorg So wir warm sollen han so komen kelten Klima Witterungsextreme und ihre Relevanz fur die europaischen Hungerjahre um 1438 In Rolf Kiessling Wolfgang Scheffknecht Hrsg Umweltgeschichte in der Region Forum Suevicum 9 UVK Konstanz 2011 ISBN 978 3 86764 321 4 S 111 138 Einzelnachweise Bearbeiten Chantal Camenisch et al The 1430s a cold period of extraordinary internal climate variability during the early Sporer Minimum with social and economic impacts in north western and central Europe In Climate of the Past 12 2016 S 2107 2126 Sven Titz Klimageschichte Als es in Europa extrem kalt war In Neue Zurcher Zeitung vom 1 Dezember 2016 Axel Bojanowski Klimakatastrophe im Mittelalter Europas hartestes Jahrzehnt In Spiegel online vom 28 Dezember 2016 Chantal Camenisch Endlose Kalte Witterungsverlauf und Getreidepreise in den Burgundischen Niederlanden im 15 Jahrhundert 2015 Christian Jorg Teure Hunger grosses Sterben 2008 Dokument der Getreidesperre Fotostrecke in Spiegel online Austria Presse Agentur Kalte 1430er Jahre waren vermutlich naturliche Wettervariation In Science apa at vom 2 Dezember 2016 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wetteranomalien der 1430er Jahre amp oldid 231513143