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Hommage a John Cage Musik fur Tonbander und Klavier ist ein Klavierkonzert der Neuen Musik und war eine Performance von Nam June Paik die am 13 November 1959 in der Galerie 22 in Dusseldorf uraufgefuhrt wurde Es war die erste bedeutende Auffuhrung des Kunstlers Das Stuck das von der Kunst des Dadaismus inspiriert ist widmete Paik seinem musikalischen Vorbild John Cage Es gilt als Pioniertat der Aktionskunst Fur die von Paik als Action Music bezeichnete Form wurde erst 1962 der Begriff Fluxus gepragt Nach dem Urteil des Musikkritikers Heinz Klaus Metzger war das Stuck das auf einem Festival von Mary Bauermeister in der Zeit vom 17 bis 19 Juni 1960 in Koln mehrfach erneut aufgefuhrt wurde seinerzeit das Ausserste an Schock was die Musik gegenwartig zustande bringt 1 Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 2 Geschichte 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseBeschreibung BearbeitenDas Klavierkonzert besteht aus vier Satzen Neben zwei Klavieren wovon eines durch Lockerung von 10 Saiten speziell prapariert ist und im Zuge einer Performance der Zerstorung anheim fallt erklingen vorbereitete Sequenzen von Tonbandgeraten insbesondere mit Klangen von menschlichen Schreien und Radionachrichten Die Darbietung die so bereits die Grenzen herkommlicher Klavierkonzerte uberschreitet wird erweitert durch einen theatralischen Auftritt in dem der Kunstler ein Ei an die Wand und einen Rosenkranz ins Publikum wirft mit Kartons raschelt und Papier zerreisst brullt auf einer Spielzeuglokomotive pfeift die Raumbeleuchtung loscht eine Kerze anzundet und Knallfrosche hochgehen lasst In einem finalen Akt zerschneidet er mit einem Kuchenmesser Saiten von einem der Klaviere das schliesslich umgeworfen wird Nach einer Beschreibung des Kunstlers aus der Entstehungsphase der Komposition sollten weitere Spielzeuge wie ein Auto und ein Panzer zum Einsatz kommen eine Stimmpfeife ertonen Glas zerbrechen in der Szene ein lebendes Huhn losgelassen werden und ein Motorrad auffahren Ein Kritiker einer nicht naher benannten Dusseldorfer Zeitung wurdigte die Urauffuhrung wie folgt Hochdroben auf der Treppenleiter sass der Dichter Helms und las von einer Rolle Klosettpapier die Partitur Drunten stand das Instrumentarium Zwei Klaviere eins davon ohne Tasten Tonbandgerate Blechbuchsen mit Steinen ein Spielzeugauto eine Kunststoff Lokomotive ein Ei eine Glasscheibe eine Flasche mit Kerzenstummel und eine Spieldose Das Werk trug den Titel Hommage a John Cage Das Konzertpublikum wurde zur Vorsicht ermahnt Zurucktreten bitte Aus den Tonbandern erklang der Schrei von zwanzig bedrangten Jungfrauen dann kam der Nachrichtendienst des WDR Der Komponist warf das Ei an die Wand und spielte dreissig Sekunden lang nach Metronom und Spieldose normal auf dem Klavier Im zweiten Satz sprang Nam June Paik koreanisch brullend im Zimmer umher und pfiff auf der Kunststoff Lokomotive loschte das Licht und entzundete die Kerze Der dritte Satz begann verhalten und sanft im Kerzenschimmer Zwei Knallfrosche jagten angenehmes Schaudern durch die Knochen der Konzertbesucher Aber im vierten Satz dem Finale furioso raste Paik wie ein Berserker durch die Gegend zersagte mit einem Kuchenmesser die Klaviersaiten und endlich kippte er den Klimperkasten um Piano forte est morte Es war des Beifalls kein Ende Geschichte BearbeitenNam June Paiks kunstlerischer Weg fuhrte vom Studium der Klassischen Musik in Sudkorea und Japan uber die Entdeckung Arnold Schonbergs zu John Cage und dem Interesse an Elektronischer Musik Spater experimentierte er mit dem elektronischen Bild und wurde so zum Pionier der Videokunst 1956 kam der Kunstler nach Deutschland wo er an der Ludwig Maximilians Universitat Munchen sein Musikstudium fortsetzte An der Hochschule fur Musik Freiburg studierte er Komposition bei Wolfgang Fortner 1958 liess er sich in Koln nieder und arbeitete mit Karlheinz Stockhausen im Studio fur Elektronische Musik des WDR Im gleichen Jahr begegnete er John Cage in den Darmstadter Ferienkursen einer bedeutenden Kulturveranstaltung der Neuen Musik In einem Brief vom 2 Mai 1959 an Wolfgang Steinecke der als Kulturreferent das Internationale Musikinstitut Darmstadt leitete beschrieb Paik das Konzept einer Amusik die er John Cage widmete und in der er durch Aktionskunst das Erhabene mit dem Hasslichen und Komodiantischen verbinden wollte Zu diesem Zeitpunkt hatte Paik bereits seit 50 Tagen an dem Stuck komponiert Paik versuchte mit dem Schreiben zum zweiten Mal Steinicke fur eine Aufnahme der Komposition in das Programm der jahrlichen Darmstadter Ferienkurse zu erwarmen In dem Brief aus der Entstehungsphase der Komposition klang bereits an dass eine Provokation von Hans Heinz Stuckenschmidt dem Musikkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung durchaus beabsichtigt war Die Zeit der Auffuhrung kalkulierte Paik mit zehn Minuten Regievorbereitungen fur die Aktionen der Performance sollten dem Publikum aus Grunden der Dramaturgie der Auffuhrung bis zuletzt verborgen bleiben Im ersten Satz wollte er insbesondere eine Collage aus Tonbandaufnahmen mit Radiogerauschen und einer semantisch noch nicht geformten Sprache in differenzierter Phonetik und Intonation zu Gehor bringen Die Tonbandcollage war eine Zusammensetzung aus Aufnahmen aus Konzertstucken unter anderem von Ludwig van Beethoven und Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow der Aufzeichnung einer Lotteriebekanntgabe sowie den Gerauschen von Sinuswellen verkratzten Schallplatten und Madchengeschrei Einige Sequenzen bestanden aus verlangsamt oder beschleunigt abgespielten Klangen akustisch verstarkten Gerauschen sowie Scratching 2 Diesem Auftakt wollte er einen zweiten Satz so laangweilig wie moglich als ein Momentum der Uberraschung oder Enttauschung von Erwartungen der Rezipienten entgegensetzen Kunstlerisch verstand er den zweiten Satz als eine Verwarnung zum Wirtschaftswunder der Deutschen worin er Fleissigkeit und Dummheit in Eins gebunden sah Fur den dritten Satz eher eine musikalische Philosophie als ein e philosophische Musik plante er einen acte gratuit mit Zitaten von Francois Thomas Marie de Baculard d Arnaud und Arthur Rimbaud die aus dem Lautsprecher erschallen sollten Darin sah er einen Ausweg von der Erstickung des musikalischen Theaters von heute In seinem Brief an Steinicke unterstrich Paik der die deutsche Sprache nicht perfekt beherrschte den kunstlerischen Wert seiner Komposition wie folgt 3 Aber hier handelt sich um kein Humor Von dadaistischen Kunstler sind nur solche Leute die Humor nicht als Ziel sondern als Resultat behandelt haben uberlebt z B M Duchamp M Ernst Arp Schwitters Jetzt ein kleine Collage von Schwitters kostet 50 Thousend Mark Ich mochte den Dadaismus mit Musik erganzen obwohl Dada heute noch fur Bildungsphilister ein Tabu ist Heute setzen Henze und Buffet auf der Krone wie einst Handel Rubens Liszt Hindemith Stravinsky und Picasso auf der Krone gesetzt haben Ich bin uberzeugt dass ich endlich ein vollig neue Stil gefunden habe Es hat mit bisherigen neuen Musik aus Arie nicht zu tun Ich mochte von meinem letzten Werk Sirlahyangga 1958 zuruck treten und anstatt dessen schicke ich Ihnen diese neue Komposition Sie konnen gut an die Qualitat dieses Stuck glauben da ich selbst im letzten Jahr die Auffuhrung meiner Komposition annuliert habe und ich Ihnen mehrmals geschrieben dass ich keine Studie ein Durchschnittniveau der Studiokonzert als mein debut zeigen will Ich hoffe oder glaube wenn Sie es gestatten dass Sie dieser ernsten und nicht restaurativen Antithese zum Zwolfton manierismus die Chance geben wurden Da sich Steinecke von Paiks Brief nicht uberzeugen liess das Stuck in sein Ferienprogramm aufzunehmen 4 zumal Steineckes Freund Luigi Nono abriet 5 musste sich Paik nach anderen Moglichkeiten umsehen Im Oktober 1959 war Paik mit seinen Vorbereitungen so weit dass er eine erste nichtoffentliche Auffuhrung in seinem Atelier in der Aachener Strasse in Koln proben konnte Dabei war insbesondere der Paiks Arbeit wohlgesonnene Musikkritiker Heinz Klaus Metzger anwesend Fur die Urauffuhrung wurde schliesslich die Galerie 22 von Jean Pierre Wilhelm und Manfred de la Motte in der Dusseldorfer Kaiserstrasse in den Blick genommen die sich im dritten Stock eines Wohn und Geschaftshauses ab Mai 1957 neben der Ausstellung von Werken der Informellen Kunst als ein wichtiges Zentrum nicht akademischer nicht arrivierter europaischer und amerikanischer Musik im Rheinland etabliert hatte Die Auffuhrung begann am Freitag den 13 November 1959 um 20 Uhr Ein Jahr zuvor war dort auch Cage mit dem Stuck Music Walk aufgetreten Zu den Besuchern der Urauffuhrung zahlte der damals noch in Kleve lebende Kunstler Joseph Beuys Auf ihn hinterliess die Auffuhrung grossen Eindruck Mit Paik entwickelte Beuys bald eine kunstlerische Beziehung die das kunstlerische Schaffen beider Kunstler wechselseitig wesentlich pragte 6 In einem Foto dokumentierte Manfred Leve das Ereignis am Rande Die Urauffuhrung von Hommage a John Cage gilt als die erste Fluxus Aktion in Deutschland 7 8 Jahre bevor man diese Kunstrichtung im offentlichen Diskurs als solche benannte Als im Marz 1960 die Internationale Gesellschaft fur Neue Musik Weltmusiktage in Koln durchfuhrte blieben avantgardistische Positionen wie sie Paik und andere vertraten im offiziellen Programm aussen vor Ihnen wollte die freie Kunstlerin Mary Bauermeister die gerade in der Kolner Lintgasse 28 neben der mittlerweile nach Koln umgezogenen Galerie 22 ein Atelier eroffnet hatte neben bildender Kunst eine Buhne bieten Am 26 Marz 1960 begann sie ihre Veranstaltungstatigkeit mit musikalischen Kompositionen von Cage und Morton Feldman Dem schloss sich das Contre Festival vom 17 bis 19 Juni 1960 an bei dem Paik Gelegenheit bekam seine Hommage a John Cage mehrmals aufzufuhren Der Musikkritiker Ernst Thomas berichtete daruber in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 9 In der Lintgasse in einem altfrankische Giebelfront restaurierenden Neubau liegt das Atelier der Malerin Mary Bauermeister Dort arbeitet und prasentiert sich die Avantgarde der Avantgarde Der Andrang ist bei allen Seancen auch wenn sie erst gegen Mitternacht beginnen gewaltig Das Enfant terrible des Kreises ist der junge Koreaner Nam June Paik der seine hommage a john cage nicht oft genug wiederholen kann Denn bei dieser Musik fur Tonbander und Klavier gehen in funf Minuten die abenteuerlichsten Dinge vor sich Elektronisches Getose heult auf Eier klatschen an die Wand ein Motorrad rattert los eine Spieluhr klimpert das Radio plarrt politische Nachrichten Paik spielt auf dem Flugel Fingerubungen a la Czerny ein Rosenkranz fliegt mir an den Kopf ein altes Klavier muss seine letzten Tone auf angerissenen Saiten produzieren dann wird es mit Donnergepolter umgeworfen plotzlich Stille und volliges Dunkel zuletzt Paiks einsames von einem Kerzenstumpf erleuchtetes Gesicht Die Arbeitsformel heisst Collage und Montage Im Oktober 1960 kam es in Bauermanns Atelier zu einem gemeinsamen Konzert von Cage und Paik bei dem Paik in seiner Etude for Piano Cage die Krawatte abschnitt und ihm den Kopf mit Shampoo wusch 10 Beide Stucke Etude for Piano und Hommage a John Cage gehorten zu Auffuhrungen die Paik 1961 unter dem Titel Action Music in Skandinavien darbot am 18 September in der Liljevalchs konsthall in Stockholm am 27 September in der Kunst og Handverksskolen in Oslo und am 30 September im Louisiana Museum of Modern Art bei Kopenhagen 11 Die danische Auffuhrung schloss Paik damit ab dass er in eine mit Wasser und Mehl befullte Oltonne abtauchte und danach dem deutsch danischen Musikkritiker Hansgeorg Lenz 1926 2011 die Krawatte abschnitt 12 Literatur BearbeitenNick Bohnke Nam June Paik Pionier der Aktionskunst Dissertation an der Christian Albrechts Universitat Kiel November 2019 Richard Boorberg Verlag Munchen 2021 ISBN 978 3 96707 560 1 S 9 12 Google Books Wulf Herzogenrath Nam June Paik Werke 1946 1976 Musik Fluxus Video Ausstellungskatalog Kolnischer Kunstverein Koln 1976 S 39 f Weblinks BearbeitenNam June Paik Hommage a John Cage Musik fur Tonbander und Klavier Webseite im Portal medienkunstnetz de Nam June Paik Hommage a John Cage Webseite im Portal soundart zone Nam June Paik Hommage a John Cage Gallery 22 Dusseldorf Foto 1959 von Manfred Leve Nam June Paik Hommage a John Cage Atelier Cologne Foto 1959 von Manfred Leve Hommage a John Cage 1958 59 Video 4 13 min Einzelnachweise Bearbeiten Heinz Klaus Metzger Das Contre Festival Die Nicht Akademischen im Atelier Bauermeister In Kolner Stadt Anzeiger 25 26 Juni 1960 Caleb Kelly Cracked Media The Sound of Malfunction Massachusetts Institute of Technology Press Cambridge Massachusetts 2009 ISBN 978 0 262 01314 7 S 134 Google Books Nam June Paik Brief an Dr Steinecke Quellentext im Portal medienkunstnetz de abgerufen am 12 August 2023 Edith Decker Hrsg Nam June Paik Niederschriften eines Kulturnomaden Aphorismen Briefe Texte DuMont Buchverlag Koln 1992 ISBN 3 7701 2906 7 S 51 53 Thomas Schafer 214 Fragen und 19 Zigaretten Chronologische Notizen zu John Cages erstem Besuch bei den Darmstadter Ferienkursen fur Musik 1958 In Ralf Beil Peter Kraut Hrsg A House Full of Music Hatje Cantz Ostfildern 2012 ISBN 978 3 7757 3318 2 S 376 393 hier S 390 Digitalisat Jurgen Geisenberger Joseph Beuys und die Musik Wissenschaftliche Beitrage aus dem Tectum Verlag Reihe Kunstgeschichte Band 1 Tectum Verlag Marburg 1999 ISBN 978 3 8288 8022 1 S 43 f Google Books Owen F Smith Fluxus The History of an Attitude San Diego State University Press San Diego 1998 S 42 45 Timothy Scott Brown West Germany and the Global Sixties The Antiauthoritarian Revolt 1962 1978 Cambridge University Press Cambridge 2013 ISBN 978 1 1070 2255 3 S 200 Google Books Ernst Thomas Weltmusik mit Avantgarde In Frankfurter Allgemeine Zeitung 22 Juni 1960 Dieter Daniels Fernsehen Kunst oder Antikunst Konflikte und Kooperationen zwischen Avantgarde und Massenmedium in den 1960er 1970er Jahren In Rudolf Frieling Dieter Daniels Hrsg Medien Kunst Netz 1 Medienkunst im Uberblick Springer Verlag Wien New York 2004 ISBN 3 211 00570 6 S 34 79 Soren Moller Sorensen Action Music Nam June Paik in Scandinavia 1961 In Tanja Orum Jesper Olsson Hrsg A Cultural History of the Avant Garde in the Nordic Countries 1950 1975 Brill Leiden 2016 ISBN 978 90 04 31049 0 S 259 Google Books Rene Block Bearbeitung 1962 Wiesbaden Fluxus 1982 Berliner Kunstlerprogramm des DAAD Berlin 1982 S 142 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hommage a John Cage amp oldid 238185331