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Die Herausgeberfiktion auch Manuskriptfiktion ist ein literarischer Kunstgriff der gelegentlich in Romanen angewendet wird Wenn ein Autor die Moglichkeiten der Herausgeberfiktion nutzt dann gibt er vor dass es in der fiktiven Welt die er erschaffen hat eine Person gibt die den Text als fertigen Text vorgefunden hat Der vom Autor geschaffene fiktive Herausgeber kann berichten wie es zu dem Entschluss gekommen ist den Roman zu veroffentlichen er kann anfuhren was er zu den auftretenden Personen an Zusatzinformationen sammeln konnte und er kann wertende Stellungnahmen abgeben Eine Variante der Herausgeberfiktion bei der der Herausgeber zugleich als Ubersetzer auftritt wird als Ubersetzerfiktion bezeichnet 1 Inhaltsverzeichnis 1 Beispiele 2 Der fiktionale Herausgeber 3 Literatur 4 AnmerkungenBeispiele BearbeitenDer Kunstgriff der Herausgeberfiktion lasst sich keiner bestimmten Epoche der Literaturgeschichte zuordnen Man findet das entsprechende Vorgehen in Cervantes Don Quijote in Defoes Robinson Crusoe in Goethes Werther in Cao Xueqins Traum der roten Kammer in Manzonis I promessi sposi in H G Wells Die Insel des Dr Moreau ebenso wie in Nabokovs Fahles Feuer in Umberto Ecos Der Name der Rose Walter Moers Die Stadt der Traumenden Bucher und Ingo Schulzes 33 Augenblicke des Glucks Beispiel 1 Goethes Die Leiden des Jungen Werthers ist als ein Briefroman angelegt Werther erzahlt in Briefen an seinen Freund Wilhelm von seiner unglucklichen Liebe zu Lotte Gegen Ende des Buches steigern sich Werthers Gefuhle von Ungluck und treiben ihn zu dem Entschluss Suizid zu begehen Damit der Leser auch noch die Entwicklungen in der letzten Phase von Werthers Leben nachvollziehen kann bringt Goethe einen Herausgeber ins Spiel Dieser hat in den letzten Kapiteln die Funktion die in anderen Romanen der Erzahler hat das heisst er erzahlt von Werthers letzten Begegnungen mit Lotte und auch von seinem Tod Beispiel 2 Fernando Arrabal stellt in seinem Roman Der erleuchtete Stein dem Haupttext einen Hinweis des Herausgebers voran Der fiktive Herausgeber erklart darin dass es sich bei dem Text um einen gefundenen handelt Keiner der Satze des Romans sei von ihm verandert worden Arrabal verschafft sich mit der Herausgeberfiktion die Moglichkeit wertende Kommentare zum eigenen Text mit in den Text einfliessen zu lassen Konkret Der fiktive Herausgeber klassifiziert den Text als sehr unkonventionell und wundert sich uber die verwegene Wortwahl die er haufig im Text vorfindet Dadurch entstehen ironische Effekte Beispiel 3 In Italo Svevos Zeno Cosini fungiert ein Psychoanalytiker als fiktionaler Herausgeber der aus Rache fur eine abgebrochene Therapie die Tagebuchaufzeichnungen seines Patienten dem Hohn der Offentlichkeit preisgeben mochte Der fiktionale Herausgeber BearbeitenArata Takeda verwendet den Begriff des fiktionalen Herausgebers 2 um einen Herausgeber zu bezeichnen der trotz seiner Nicht Identitat mit dem Autor im Verhaltnis zu seinem Leser real sein will z B der Herausgeber in Goethes Werther oder Lorenzo Alderani in Ugo Foscolos Jacopo Ortis Damit unterscheidet Takeda den fiktionalen Herausgeber sowohl vom angeblichen als auch vom fiktiven Herausgeber wie sie in der Forschungsliteratur haufig undifferenziert bezeichnet werden 3 Der angebliche bzw fingierte Herausgeber stellt dem Wortsinn nach den Autor selbst dar der sich als solcher ausgibt z B der Editor in Samuel Richardsons Pamela oder der editeur in Rousseaus Nouvelle Heloise wahrend der fiktive Herausgeber nicht in der Realitat sondern nur im Text existiert z B Richard Sympson in Jonathan Swifts Gulliver s Travels oder der redacteur in Choderlos de Laclos Liaisons dangereuses In der immer raffinierteren und reflektierteren Ausgestaltung der Strategien der Herausgeberfiktion im Briefroman des 18 Jahrhunderts sieht Takeda eine graduelle Entwicklung von einer auktorialen Herausgeber Instanz zu einer fiktionalen Herausgeber Figur Literatur BearbeitenArata Takeda Die Erfindung des Anderen Zur Genese des fiktionalen Herausgebers im Briefroman des 18 Jahrhunderts Wurzburg Konigshausen amp Neumann 2008 Epistemata Literaturwissenschaft Bd 656 ISBN 978 3 8260 3973 7 Uwe Wirth Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion Editoriale Rahmung im Roman um 1800 Wieland Goethe Brentano Jean Paul und E T A Hoffmann Fink Munchen 2008 ISBN 978 3 7705 4307 6 Stefan Mommertz Die Herausgeberfiktion in der englischsprachigen Literatur der Neuzeit Dissertation Munchen 2000 dissertationen de Berlin 2003 ISBN 3 89825 582 4Anmerkungen Bearbeiten Evelyn Eckstein Fussnoten Anmerkungen zu Poesie und Wissenschaft LIT Verlag Munster 2001 ISBN 978 3 8258 5112 5 S 138 Arata Takeda Die Erfindung des Anderen Zur Genese des fiktionalen Herausgebers im Briefroman des 18 Jahrhunderts Wurzburg Konigshausen amp Neumann 2008 S 15 und passim Siehe z B Hans Rudolf Picard Die Illusion der Wirklichkeit im Briefroman des achtzehnten Jahrhunderts Heidelberg Carl Winter 1971 S 15 18 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Herausgeberfiktion amp oldid 237381854