Bei den Haftanstalten in der Türkei erfolgt eine Unterscheidung in geschlossene und offene Vollzugsanstalten, wobei bei Ersteren eine Unterteilung in ordentliche und Hochsicherheitsgefängnisse stattfindet. In vielen Gefängnissen gibt es gesonderte Trakte für Frauen und manchmal auch für Kinder und Jugendliche. Es gibt aber auch gesonderte Gefängnisse für Frauen und Kinder, die nach geschlossen und offen unterteilt sind. Dazu kommen landesweit 3 Erziehungsanstalten für Kinder. Wie in vielen anderen Ländern, wird in der Türkei zwischen Untersuchungshaft und Strafhaft unterschieden.
Geschichte Bearbeiten
Im Osmanischen Reich wurden die Gefängnisse Kerker (türkisch zindan) genannt. In der Türkei waren die Kerker meist dunkle und feuchte Türme. Das erste Gefängnis im Istanbuler Stadtteil Sultanahmet wurde im Jahre 1831 erbaut und wurde allgemeines Gefängnis (Hapishane-i Umumi) genannt.
Mit dem 1858 eingeführten Strafgesetzbuch wurde neben der Todesstrafe nach Schwerarbeit auf Galeeren (kürek für das Rudern auf Schiffen), an den Pranger stellen (prangabentlik) und im Turm einsperren (kalebentlik) unterschieden.
Mit dem am 1. März 1926 verabschiedeten türkischen Strafgesetzbuch wurde nach schweren Straftaten (und entsprechenden Strafen, vergleichbar den aus Deutschland bekannten Zuchthausstrafen) und leichten Straftaten unterschieden. Neben den Straftaten (türkisch cürüm) gab es auch Übertretungen (türkisch kabahat). Mit dem Gesetz Nr. 5349 vom 11. Mai 2005 wurde die Unterscheidung in leichte und schwere Strafen aufgehoben, nicht aber die Unterscheidung der Gerichte (siehe den Absatz über Strafgerichte in der Türkei).
Die Zeit von 1980 bis 2000 Bearbeiten
Mit dem Militärputsch vom 12. September 1980 wurde in allen seinerzeit existierenden 67 Provinzen der Türkei das Kriegsrecht ausgerufen. Mitglieder von bewaffneten und unbewaffneten linken und rechten Organisationen, deren oftmals blutige Auseinandersetzungen als Grund für den Putsch angegeben wurden, mussten sich vor Militärgerichten verantworten. Daher wurden Zivilisten an vielen Orten in Militärgefängnissen inhaftiert. Neben dem Militärgefängnis Mamak in der Provinz Ankara, erlangten vor allem das Gefängnis Metris (in Istanbul) und das (wiederum als Kerker bezeichnete) Gefängnis in Diyarbakır Bekanntheit.
Aufgrund der hohen Anzahl von Gefangenen wurden ab 1982 viele neue Gefängnisse gebaut. Amnesty International gab in einem Bericht vom November 1988 an, dass die Zahl der Gefängnisse auf 644 und die Kapazität von 55.000 auf über 80.000 gestiegen sei. Ab 1986 organisierten sich die Angehörigen von politischen Gefangenen im Menschenrechtsverein (IHD), aber auch in Gruppen zur Solidarität mit Gefangenen bestimmter Organisationen (wie TAYAD, siehe hierzu Seite zur DHKP-C). Mit ihrer Hilfe versuchten die Häftlinge ihre Forderungen auf Verbesserung der Haftbedingungen und die dazu durchgeführten Hungerstreiks (Todesfasten) an die Öffentlichkeit zu bringen.
Im April 1991 wurde das Gesetz Nr. 3719 zur Bekämpfung des Terrorismus (Terörle Mücadele Kanunu, kurz auch Anti-Terror-Gesetz, ATG) verabschiedet. Artikel 16 des Gesetzes sah vor, dass alle Personen, die unter die Bestimmungen dieses Gesetzes fallen, in Gefängnisse hoher Sicherheit mit Einzelzellen und Zellen für drei Personen untergebracht werden.
Die Zeit seit 2000 Bearbeiten
Hatten die politischen Gefangenen im Jahre 1996 die Verlegung in das erste Hochsicherheitsgefängnis in Eskişehir (es wurde „Spezialtyp-Gefängnis“ genannt) mit einem Todesfasten, das 12 Menschenleben kostete, verhindert, so gelang es ihnen im Jahre 2000 nicht, die Verlegung in weitere Hochsicherheitsgefängnisse (nun „Typ-F-Gefängnis“ genannt) zu verhindern. Mittlerweile gibt es 13 Gefängnisse des Typs „F“. Hinzu kommen zwei Gefängnisse des Typs „D“, die ebenfalls als Hochsicherheitsgefängnisse bezeichnet werden.
Zahlen und Fakten Bearbeiten
Nach Angaben der Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten (türkisch Ceza ve Tevkifevleri Genel Müdürlüğü, Teil des Justizministeriums der Türkei) waren am 13. Januar 2017 382 Haftanstalten, darunter 292 geschlossene und 70 offene Haftanstalten in der Türkei in Betrieb. Es gab 2 Erziehungsanstalten für Kinder. Für Frauen gab es 8 geschlossene und 4 offene Haftanstalten und für Kinder und Jugendliche 6 geschlossene Haftanstalten. Zum 1. November 2016 waren in diesen Anstalten insgesamt 197.297 Gefangene, 68.006 in Untersuchungshaft und 129.291 in Strafhaft.
Zwischen den Jahren 2006 und 2016 wurden auf Kreisebene insgesamt 197 Haftanstalten geschlossen. Im selben Zeitraum wurden 139 neue, moderne Haftanstalten in Betrieb genommen.
Offizielle Angaben zur Zahl von Gefangenen befinden sich in Jahresberichten der Menschenrechtsstiftung der Türkei und auf den Internetseiten der Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten auch für die Zeit vor dem Jahre 2000.
Folgende Zahlen wurden für den Stichtag 31. Januar 2010 angegeben:
Folgende Zahlen wurden für den Stichtag 31. März 2012 angegeben:
Im Juni 2010 beantwortete Justizminister Sadullah Ergin eine Anfrage des Abgeordneten aus Batman, Bengi Yıldız in der Weise, dass zwischen 2010 und 2015 insgesamt 86 neue Gefängnisse mit einer Kapazität von 40.026 Insassen gebaut werden sollen.
Das Demokratische Türkeiforum (DTF) hat aus den Angaben der Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten eine Übersicht zu Gefängnissen in der Türkei mit Stand vom Oktober 2008 erstellt. Die hier aufgeführten weiteren Details beruhen ebenfalls auf Angaben der Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten.
Die Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten im türkischen Justizministerium kommt anhand dieser Angaben zu der Summe von 382 Haftanstalten mit einer Belegungsfähigkeit von 202.675 Insassen.
Stellungnahmen internationaler Gremien Bearbeiten
Neben Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch hat sich vor allem das Europäische Komitee zur Verhinderung der Folter (CPT) mit der Lage in den Gefängnissen der Türkei befasst. Ein Schwerpunkt waren die F-Typ-Gefängnisse, zu deren Bau die CPT die Türkei ermutigt hat und die Situation in der Haftanstalt auf der Insel İmralı, wo seit 1999 als einziger Insasse Abdullah Öcalan, der Vorsitzende der mit Waffengewalt agierenden Kurdischen Arbeiterpartei PKK, inhaftiert ist.
Am 6. März 2008 wurde der Bericht eines Besuches auf der Insel vom 19. Mai – 22. Mai 2007 publiziert. Dies war der vierte Besuch auf der Insel İmralı. Am Schluss kam das CPT zu folgender Einschätzung: „Abdullah Öcalan ist nun seit fast 8½ Jahren im Hochsicherheitsgefängnis auf der schwer zu erreichenden Insel Imralı… Vorherige Besuche des CPT hatten keine signifikanten schädlichen Folgen für die Gesundheit feststellen können. Diese Bewertung muss nun angesichts der Entwicklung der physischen und mentalen Bedingungen von Abdullah Öcalan revidiert werden.“
Bei Besuchen in anderen Haftanstalten hat das CPT auf verschiedene Missstände hingewiesen. So steht beispielsweise in der Zusammenfassung eines Berichts vom 8. Dezember 2005 u. a.
- das Personal in der geschlossenen Anstalt von Izmir (Buca) und in den E-Typ Gefängnissen von Aydın und Gaziantep sollte entschlossen daran erinnert werden, dass Misshandlung von Gefangenen nicht akzeptabel ist
- die türkischen Autoritäten sollen alle notwendigen Schritte unternehmen, um Programme für gemeinschaftliche Aktivitäten im F-Typ-Gefängnis 1 in Izmir zu entwickeln
- sofortige Schritte müssen ergriffen werden, damit jeder Gefangene in den E-Typ Gefängnissen in Aydın und Gaziantep ein eigenes Bett hat
- der Grad an Hygiene im Wohntrakt des E-Typ Gefängnisses in Gaziantep muss überprüft werden.
Siehe auch Bearbeiten
Weblinks Bearbeiten
- Internetpräsenz der Generaldirektion für Gefängnisse (türkisch)
- Seite des CPT zur Türkei (englisch)
- Demokratisches Türkeiforum Tages-, Wochen- und Sonderberichte zu Menschenrechten in der Türkei in Deutsch, Englisch und Türkisch
- Thema Haftbedingungen beim DTF
Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten
- Dozent Dr. Cevdet YILMAZ: Das historische Burg-Gefängnis von Sinop, erschienen im Journal Östliche Geographie (Dogu Cografya Dergisi), Ausgabe 22, S. 6. Es ist nicht bekannt, ob das allgemeine Gefängnis und das Sultan-Ahmed-Gefängnis identisch sind.
- Siehe Artikel in Türkisch vom Dozenten Dr. Mustafa AVCI, aufgerufen am 18. August 2009
- Es gibt eine Webseite (auf Deutsch), die genau diesen Titel hat: (Memento des vom 17. Januar 2010 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- AI Bericht Index: EUR/44/65/88 in Englisch
- Fundstelle am 5. März 2017
- İstatistikler. Yıllara Göre Mevcutlar. (Belegung nach Jahren) Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- Die Statistiken der Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten im Justizministerium der Türkei beginnen im Jahre 1970 unter der Adresse http://www.cte.adalet.gov.tr/menudekiler/istatistikler/yeni_yillar.asp.
- Quelle Demokratisches Türkeiforum: Bericht im Februar 2010, aufgerufen am 10. Juni 2010
- Die Angaben waren am 20. Mai 2012 unter der Adresse (Memento des vom 26. März 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (in Türkisch) zu finden. Auf dieser Seite war auch zu lesen, dass Ende März 2012 insgesamt 7.096 Plätze an Kapazität fehlten.
- Gündem Online vom 8. Juni 2010 (Memento des vom 12. Juni 2010 im Webarchiv archive.today) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. ; aufgerufen am 10. Juni 2010
- [1] Auf dieser Seite befindet sich auch ein Link zu einer Tabelle zur Frage, welche Gefangene in welchen Haftanstalten untergebracht werden. Die Excel-Datei wird unter dieser Adresse zum (Memento des vom 26. März 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. angeboten; Zugriff am 31. August 2009
- A Tipi Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- In alten Gefängnissen hatten die Säle (auf Türkisch koğuş, auf Englisch ward oder dormitory) bis an die 50 Insassen. Die neueren Gefängnisse haben teilweise 2-3 Insassen und sind selten für mehr als 8 Personen geschaffen. Einzelzellen sind vor allem für den Fall von Disziplinarstrafen (Einzelhaft oder Arrest) gedacht.
- A1 Tipi Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- A2 Tipi Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- A3 Tipi Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- B Tipi Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- C Tipi Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- D Tipi Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- E Tipi Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- F Tipi Yüksek Güvenlikli Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- H Tipi Yüksek Güvenlikli Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- K1 Tipi Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- K2 Tipi Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- (Memento des vom 6. März 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- M Tipi Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- R Tipi Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri (Rehabilitasyon Merkezi). Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- T Tipi Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- Kadın Açık Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- Kadın Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- Çocuk ve Gençlik Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- Çocuk Eğitimevi Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- Belirli Bir Tipi Olmayan Kapalı Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- Açık Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- Bağlı Açık Ceza İnfaz Kurumlarımız ve Özellikleri. Generaldirektion für Straf- und Haftanstalten, abgerufen am 5. März 2017.
- Vgl. hierzu zwei Nachrichten in der Tageszeitung Hürriyet vom 14. Dezember 2000 und vom 17. März 2001
- CPT Report: Turkey: Visit 22/11/1992 - 03/12/1992 (Memento vom 29. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)
- CPT Report Turkey: Visit 16/03/2004 - 29/03/2004 (Memento vom 23. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)