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Mit dem Stichwort Gott der Vater wird eine viel rezipierte Hypothese des Leipziger Alttestamentlers Albrecht Alt zur Religionsgeschichte Israels bezeichnet Der Glaube an den Gott der Vater war demnach eine zur Lebensweise von Nomaden passende da ortsungebundene Familien und Sippenreligion Alts Hypothese wurde weitgehend akzeptiert und dabei auch modifiziert grundsatzliche Kritik formulierte Bernd J Diebner 1975 eine Widerlegung erarbeitete Matthias Kockert 1988 Seit Ende der 1980er Jahre gilt Alts Hypothese zwar als klassisch doch als zunehmend zweifelhaft 1 Albrecht Alt 1925 Inhaltsverzeichnis 1 Albrecht Alts Hypothese 1929 2 Rezeption 3 Kritik 4 Neuere Diskussion 5 Literatur 6 Weblinks 7 Anmerkungen 8 Siehe auchAlbrecht Alts Hypothese 1929 BearbeitenJulius Wellhausen zufolge war die alteste Quelle des Pentateuch Jahwist in der fruhen Konigszeit 9 Jahrhundert v Chr niedergeschrieben worden Den Erzelternerzahlungen Gen 12 36 die viel fruher in der vorstaatlichen Zeit spielen sprach er den historischen Wert ab Freilich uber die Patriarchen ist hier kein historisches Wissen zu gewinnen sondern nur uber die Zeit in welcher die Erzahlungen uber sie im israelitischen Volke entstanden diese spatere Zeit wird hier nach ihren inneren und ausseren Grundzugen absichtslos ins graue Altertum projiciert und spiegelt sich darin wie ein verklartes Luftbild ab 2 Albrecht Alt versuchte dagegen auf Grundlage der mundlichen Uberlieferungen die in den schriftlichen Pentateuchquellen verarbeitet wurden also mit Hilfe der Formkritik die Religion der Erzelternzeit zu rekonstruieren Ausgangspunkt ist die auffallige Rede vom Gott meines Vaters Gott seines Vaters und in einem spateren Stadium Gott Abrahams Gott Isaaks und Gott Jakobs noch spater Gott Abrahams Isaaks und Jakobs Im Gegensatz zu den an einen Ort oder an ein Heiligtum gebundenen Gottheiten der sesshaften Kanaaniter charakterisiert es demnach die Vatergotter dass sie zu einer sie verehrenden Menschengruppe ein personales Verhaltnis eingehen 3 und ortsungebunden sind Benannt seien diese ursprunglich namenlosen Numina nach der Person die sie zuerst verehrte d h Abraham Isaak und Jakob waren laut Alts Hypothese Kultstifter Die Vatergotter seien ihren Verehrern fursorglich zugewandt und verheissen Nachkommenschaft in einem spateren Stadium auch Landbesitz was den sehnlichsten Wunschen jener Wanderhirten in der Situation des Weidewechsels entsprochen habe 3 Die Vaterreligion wies laut Alt einen Zug zum Sozialen und Historischen auf und bereitete damit sozusagen padagogisch die spatere JHWH Verehrung vor 4 Zur Rekonstruktion dieses seiner Meinung nach fur Nomaden kennzeichnenden Religionstyps nutzte Alt nabataische Inschriften aus allerdings viel spaterer namlich hellenistisch romischer Zeit Rezeption BearbeitenAlts Hypothese vom Gott der Vater wurde in der Alttestamentlichen Bibelwissenschaft bis in die 1960er Jahre sehr weitgehend ubernommen dabei aber auch modifiziert Gen 15 1 21 LUT ist fur diese Diskussion ein Schlusseltext Wahrend Albrecht Alt in diesem Text eine altere Nachkommensverheissung und eine jungere Landverheissung unterschied waren beide Verheissungen sowohl fur Martin Noth als auch fur Gerhard von Rad eng verbunden 5 Martin Noth rechnete die Erzelternerzahlungen zu den Traditionen des von ihm postulierten sakralen Zwolfstammebundes Ihr Kern seien die Verheissungen von Nachkommen und Landbesitz sie seien von den sesshaften Nachfahren weiter tradiert und schliesslich verschriftlicht worden weil sie sich durch die Landnahme der israelitischen Stamme erfullt hatten Damit erwies sich diese Landnahme als ein seit langem in das Auge gefasstes und vorbereitetes Werk gottlicher Fuhrung 6 Wenn Abraham Isaak und Jakob in der Vaterreligion als Kultstifter erinnert wurden so heisst das nach Noth im Umkehrschluss sie waren Menschen die als geschichtliche Personen einmal gelebt hatten 7 Es habe sicherlich noch weitere derartige Kultstifter und Vatergotter gegeben aber aufgrund der Pentateuchuberlieferung blieben gerade diese drei in Erinnerung Der Erzvater Jakob sei vom Haus Joseph verehrt worden und daher in Mittelpalastina bekannt gewesen kein Erzvater habe eine Beziehung zu dem spater historisch so wichtig gewordenen Stamm Juda 8 Antonius H Gunneweg ubernahm die Ausarbeitung von Alts Hypothese durch Noth und betonte dass die Identifikation des Vatergottes mit JHWH nahelag denn er ist ja ein Gott der in der Geschichte handelt Das Umherziehen der Erzvater war fur ihn mit dem Weidewechsel erklarbar aber auch eine Art Landnahmeerzahlung kein Einmarsch und keine Eroberung mit fliegenden Fahnen und schallenden Posaunen sondern ein friedliches Einsickern und Fussfassen 3 Bei Gerhard von Rad liegt der Nachdruck auf der spateren Identifikation des Gottes der Vater mit JHWH Die Vaterreligion sei dem Jahwisten und dem Elohisten wohl gar nicht mehr bekannt gewesen Die alten auf Familien oder Sippen bezogenen Uberlieferungen seien entschlossen auf ganz Israel bezogen worden In allem was nach den alten Uberlieferungen den Vatern widerfahren ist hat der Jahweglaube die Hand und das Wort seines Gottes wiedererkannt und auch das Fernste und Seltsamste hat Israel nun als sein und seines Jahwe Eigenstes erklart 9 Kritik BearbeitenBernd J Diebner kritisierte 1975 dass Alt bei seinem religionsphanomenologischen Vergleich methodisch unsauber vorgegangen sei Er habe sein Vergleichsmaterial willkurlich ausgewahlt und argumentiere mit unbewiesenen Behauptungen Mit seiner Dissertation 1988 brachte Matthias Kockert dann weitreichende Einwande vor Die Hauptkritikpunkte sind 10 Die Verehrung eines Gottes der Vater ist im Alten Orient auch bei sesshaft lebenden Bevolkerungen im assyrischen babylonischen und syrischen Raum bekannt 11 sie ist kein spezifisch nomadischer Religionstyp Damit ist Alts Hypothese im Grunde schon widerlegt Die Protagonisten der Erzelternerzahlungen im Buch Genesis sind zwar meist als nomadisierende Kleinviehzuchter vorgestellt aber echte Kenntnis nomadischer Lebensweise hat sich in den Texten nicht niedergeschlagen Aufgrund der archaologischen Befunde lasst sich sagen dass die Erzelternerzahlungen die Verhaltnisse der Eisenzeit I voraussetzen und keine Erinnerungen aus der spaten Fruhbronzezeit uberliefern in der die Erzeltern gelebt haben mussten wenn man die chronologischen Angaben der Hebraischen Bibel fur historisch belastbar halt 12 Schliesslich verliert die Vatergott Hypothese auch dadurch an Plausibilitat dass die Tatigkeit des Jahwisten als Verfasser der altesten Pentateuchquelle im hypothetischen Davidisch salomonischen Grossreich d h um 1000 v Chr verortet wurde gab es dieses Grossreich aber nicht entfallen die Voraussetzungen fur diese Fruhdatierung Neuere Diskussion BearbeitenRainer Albertz halt daran fest dass die religiose Welt der Erzelternerzahlungen sich von der JHWH Religion unterscheide was umso bemerkenswerter und erklarungsbedurftiger sei als die Tradenten in einem von der JHWH Verehrung gepragten Umfeld lebten Er erklart dies durch eine Differenzierung zwischen dem familiaren und dem staatlichen Kult die Verfasser der Erzelternerzahlungen beschrieben demnach den familiaren Kult wie er zu ihrer eigenen Zeit bestand Denn auch in der Zeit der Konigreiche Israel und Juda bestand neben der JHWH Verehrung der familiare Kult weiter die eigenstandige Wirtschafts und Lebenseinheit Familie besass ihre eigene religiose Symbolwelt die keineswegs mit der der Gesamtgesellschaft identisch sein brauchte 13 Deshalb bestimmt er die Vaterreligion nicht als Vorstufe sondern als Substratum der JHWH Religion Sie sei typologisch alter als diese und habe Parallelen in den alteren Nachbarkulturen Israels im sumerisch babylonischen Raum schon im fruhen 2 Jahrtausend v Chr 14 Literatur BearbeitenRainer Albertz Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit Band 1 Von den Anfangen bis zum Ende der Konigszeit 2 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1996 S 47 68 Religiose Elemente fruher familiarer Kleingruppen Vaterreligion Albrecht Alt Der Gott der Vater Ein Beitrag zur Vorgeschichte der israelitischen Religion Beitrage zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament III 12 Stuttgart 1929 Albrecht Alt Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel Band I 1959 S 1 78 Bernd Jorg Diebner Die Gotter des Vaters Eine Kritik der Vatergott Hypothese Albrecht Alts In Dielheimer Blatter zum Alten Testament 9 1975 S 21 51 Matthias Kockert Vatergott und Vaterverheissungen eine Auseinandersetzung mit Albrecht Alt und seinen Erben Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 142 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1988 Claus Westermann Die Verheissungen an die Vater Studien zur Vatergeschichte Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 116 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1976 Online Weblinks BearbeitenMichael Pietsch Vaterverheissungen In Michaela Bauks Klaus Koenen Stefan Alkier Hrsg Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet WiBiLex Stuttgart 2006 ff abgerufen am 2 Oktober 2023 Anmerkungen Bearbeiten Werner H Schmidt Einfuhrung in das Alte Testament 4 Auflage De Gruyter Berlin New York 1989 S 11 Julius Wellhausen Prolegomena zur Geschichte Israels Band 1 2 Auflage Reimer Berlin 1883 S 336 Online a b c Antonius H Gunneweg Geschichte Israels Von den Anfangen bis Bar Kochba und von Theodor Herzl bis zur Gegenwart 6 Auflage Kohlhammer Stuttgart 1989 S 20 Albrecht Alt Kleine Schriften Band I 1959 S 63 Claus Westermann Die Verheissungen an die Vater Studien zur Vatergeschichte Gottingen 1976 S 95 f Martin Noth Geschichte Israels 7 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht 1969 S 115 Martin Noth Geschichte Israels 7 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht 1969 S 116 Martin Noth Geschichte Israels 7 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht 1969 S 118 120 Gerhard von Rad Die Theologie der geschichtlichen Uberlieferungen Israels Theologie des Alten Testaments 1 Kaiser Munchen 1987 S 181 Hier referiert nach Rainer Albertz Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit Gottingen 1996 S 50 52 Vgl Hans Hirsch Gott der Vater In Archiv fur Orientforschung 21 1966 S 56 58 Barbara Schmitz Geschichte Israels Grundwissen Theologie 1 3 Auflage Brill Schoningh Paderborn 2022 S 126 Rainer Albertz Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit Gottingen 1996 S 56 Rainer Albertz Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit Gottingen 1996 S 53 Siehe auch BearbeitenGott der VaterNormdaten Sachbegriff GND 4125034 5 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gott der Vater amp oldid 238067930