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Ein Glashuttenturm auch Rauchgaskegel oder englischer Turm genannt ist ein bis zu 35 Meter hoher Schachtofen der wahrend des 18 und 19 Jahrhunderts Glashutten in Europa zur Erzeugung von Glas diente In Deutschland waren die kegelformigen Bauten vor allem im Raum der mittleren Weser verbreitet Die beiden letzten deutschen Exemplare befinden sich in der Glashutte Gernheim bei Petershagen und der Glashutte Steinkrug bei Hannover Die Turme entstanden anhand von schottischen und englischen Vorbildern wo heute noch vier Exemplare erhalten sind Dort wurden die zuckerhutahnlichen Turme als hovel oder howel heute als glasscone bezeichnet Die Glashutte Steinkrug mit Glashuttenturm um 1860 Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung und Niedergang 2 Bauweise 3 Funktionsweise 4 Erhaltene Turme 4 1 Deutschland 4 2 Grossbritannien 4 3 Frankreich 5 Nicht mehr vorhandene Turme 6 Turm der Gerresheimer Glashutte 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseEntstehung und Niedergang Bearbeiten nbsp Schema eines Glashuttenturms in Diderots Encyclopedie von 1772Der Zeitpunkt der Erfindung des Glashuttenturms lasst sich nicht mehr genau bestimmen Beschrieben und bildlich dargestellt wurde die Technik bereits von Denis Diderot in seinem 1772 erschienenen Band 10 der Encyclopedie ou Dictionnaire raisonne des sciences des arts et des metiers Die altesten Exemplare von Glasturmen lassen sich auf die Mitte des 18 Jahrhunderts datieren Nach 1850 wurden keine weiteren Turme mehr errichtet Als Grund fur die Einstellung dieser Bauten wird unter anderem die konstruktionsbedingte Beengtheit der Raumlichkeiten fur die Glasmacher angenommen Auch die industrielle Produktion mit Einfuhrung des kontinuierlich arbeitenden Wannenofens konnte eine Rolle gespielt haben Trotzdem blieben die vorhandenen Glashuttenturme bis in das fruhe 20 Jahrhundert in Betrieb vor allem fur kleinere Produktionsreihen von Glas Soweit die Turme nicht von den Glashutten fur Betriebserweiterungen abgebrochen wurden dienten sie haufig als Lagerraum Die Schliessung des letzten noch produzierenden Glashuttenturms erfolgte 1972 im schottischen Alloa im Bezirk Clackmannanshire als der Boden des Ofens einbrach Bauweise Bearbeiten nbsp Blick hoch zur Rauchabzugsoffnung im InnerenGlashuttenturme waren zwischen 13 und 35 Meter hoch ihre Grundflache hatte einen Durchmesser von etwa 10 bis 25 Metern Die obere kreisrunde Offnung zum Rauchabzug hatte einen Durchmesser von etwa drei Metern teilweise war ein kurzer Schornstein aus Metall aufgesetzt Vielfach verfugten Glashuttenturme uber mehrere ungleichmassig verteilte Tur und Fensteroffnungen die der Regulierung des Luftzuges dienten Die Turme wurden aus Ziegelsteinen Bruchsteinen oder behauenen Sandsteinen kegelformig aufgemauert Je nach Konstruktionshohe betrug die Mauerstarke im unteren Bereich etwa einen Meter oder mehr Das Steinfundament des Kegels reichte bis zu sechs Meter tief in den Boden hinein Zum Bau waren enorme Mengen an Steinmaterial notig Bei dem noch erhaltenen Turm des britischen Werks Lemington Glass Works bei Newcastle upon Tyne waren es 1 75 Millionen Ziegelsteine Ein etwa 20 Meter hoher nicht mehr vorhandener Kegelturm in Obernkirchen hatte eine Steinmasse von 1 110 m3 und ein Gewicht von 2 800 Tonnen Funktionsweise Bearbeiten nbsp Schnitt durch einen Glashuttenturm mit dem Glasschmelzofen nbsp Schurgang unter dem TurmIm unteren Bereich des Turms war der Arbeitsraum der Glasmacher die Kegelform des Turms begunstigte den Abzug von Huttenrauch Die Funktionsweise des Turms als Schachtofen beruht auf dem Kamineffekt Die heissen Verbrennungsgase des Kohlefeuers wurden in der Kegelform nach oben zur runden Offnung geleitet Durch die Sogwirkung des Luftzuges liessen sich hohere Temperaturen und kurzere Schmelzzeiten bei besserer Energieausbeute erreichen Die Feuerstelle mit dem Glasschmelzofen befand sich am Boden des Glashuttenturms Um die Luftzufuhr zu steuern wurden alle Offnungen des Turms geschlossen und die Luft stromte durch den unterirdischen Schurgang ein Da der Luftzug wichtig war wurden Glasturme ahnlich Windmuhlen haufig auf Anhohen errichtet Die vielfach zu findenden halbkreisartigen Offnungen an den Seiten der Turme stammen von Mauerwerkdurchbruchen an die eingeschossige Nebengebaude mit Satteldach angebaut wurden Darin befanden sich Streck und Kuhlofen fur die weitere Glasverarbeitung Erhaltene Turme BearbeitenDeutschland Bearbeiten In Deutschland befinden sich noch folgende zwei Exemplare von Glashuttenturmen Name Ort Baujahr Material Hohe Durchmesser BildGlashutte Gernheim Petershagen Ovenstadt 1826 Ziegelstein 25 m 15 m nbsp Turm der Glashutte GernheimGlashutte Steinkrug Bredenbeck Steinkrug 1839 Sandstein 13 m 10 m nbsp Turm der Glashutte SteinkrugGrossbritannien Bearbeiten In Grossbritannien sind folgende vier Turme erhalten geblieben Name Ort Baujahr Material Hohe Durchmesser BildCatcliffe Glass Cone Catcliffe South Yorkshire 1740 Ziegelstein 20 m nbsp Red House Cone Wordsley Metropolitan Borough of Dudley 1790 Ziegelstein 27 m 18 m nbsp Lemington Glass Cone Lemington Newcastle upon Tyne 1797 Ziegelstein 35 m 21 m nbsp Alloa Glass Cone Alloa Clackmannanshire 1825 Ziegelstein 24 m nbsp nbsp Fruhere Glashuttenturme der Koniglichen Kristallerie im franzosischen Le CreusotFrankreich Bearbeiten Die ersten Glashuttenturme in Frankreich gehorten zur Koniglichen Kristallerie 1 in Le Creusot die ab 1787 fur Marie Antoinette errichtet wurde Die beiden erhaltenen Turme sind heute Teil des dortigen Glasschlosses nbsp Nicht mehr vorhandene Turme der Glasfabrik Schauenstein in Obernkirchen um 1860Nicht mehr vorhandene Turme BearbeitenDie Anzahl einst vorhandener Glashuttenturme in Deutschland ist nicht mehr bekannt da die Konstruktionen vielfach den Modernisierungen von Glashutten zum Opfer fielen Als altester Glashuttenturm in Deutschland gilt eine nicht mehr bestehende Konstruktion von 1758 in Essen Steele Von ihr gibt es nur noch eine neuere Zeichnung anhand eines verschollenen Gemaldes 1827 entstand in der Glasfabrik Schauenstein in Obernkirchen ein Glashuttenturm Die Errichtung wird auf Einflusse aus England uber den damaligen Besitzer Caspar Hermann Heye vermutet 1842 entstand auf dem Gelande der Glasfabrik ein zweiter Glashuttenturm Die Turme wichen in den 1960er Jahren neueren Betriebsgebauden des Unternehmens Heye Glas das heute ein Produktionsstandort von Ardagh Glass ist In Gersweiler im Saarland verfugte die Glashutte Sophiental im 19 Jahrhundert uber einen Glashuttenturm der nach einem Sturmschaden 1922 abgerissen wurde Im britischen Rotherham wurde 1946 ein Turm abgebrochen Im nordenglischen Monkwearmouth im Bezirk Sunderland war ein Turm bis 1959 in Betrieb der im selben Jahr abgebrochen wurde Aufgrund der seit 2011 bis heute 2020 anhaltenden archaologischen Untersuchungen wird vermutet dass die Glashutte Klein Suntel einen Glashuttenturm besass Turm der Gerresheimer Glashutte Bearbeiten nbsp Moderner verglaster Turm der ehemaligen Gerresheimer GlashutteDie Gerresheimer Glashutte war eine der grossten der Welt Nach der Schliessung verblieben der markante Glasturm sowie zwei historische Gebaude als Industriedenkmaler auf dem Gelande Als Relikt der bekannten Glashutte wird auch dieser Turm als Glashuttenturm bezeichnet wenn auch nicht in der Funktion der in diesem Artikel beschriebenen Bauform Literatur BearbeitenRudolf Gunther Rauchgaskegel auf alten Huttengebauden in Glastechnische Berichte vom Dezember 1961Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Glashuttenturm Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Historische Fotos der Glashuttenturme in Obernkirchen Catcliffe Glass Cone als Artikel in der englischen Wikipedia Red House Cone als Artikel in der englischen Wikipedia Fotos und Konstruktionszeichnungen vom Glashuttenturm im schottischen Alloa Neue Hinweise zur Glashuttenarchitektur des 19 Jahrhunderts am Beispiel einer unbekannten Zeichnung der Glashutte Sophienthal in Gersweiler pdf 3 2 MB Einzelnachweise Bearbeiten The Royal Crystal Factory Abgerufen am 18 August 2022 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Glashuttenturm amp oldid 238288861