www.wikidata.de-de.nina.az
Die Geschichte der tibetischen Astronomie ist die Darstellung der Entwicklung einer im historischen Tibet verbreiteten Wissenschaft tib rig gnas Ort des Wissens uber den Aufbau der Erde und des Weltalls uber die Errechnung der Struktur und der Bestandteile des tibetischen astronomischen Kalenders uber die Berechnung der Bewegung der in Tibet bekannten zehn Planeten einschliesslich Sonne und Mond sowie des Kometen Encke und uber die Berechnung von Sonnen und Mondfinsternissen Durchgefuhrt wurden die astronomischen Berechnungen mit dem tibetischen Sandabakus Buddha als Verkunder der Kalacakra Lehren der Lehren vom Rad der ZeitDie Tibetische Astronomie ist indischen Ursprungs da sie auf den astronomischen Lehren des ersten Kapitels des Kalachakra beruht eines indischen tantrischen Lehrtexts dessen Sanskrit Textversion nicht vor 1027 entstanden sein kann und der in der 2 Halfte des 11 Jahrhunderts erstmals ins Tibetische ubersetzt wurde Inhaltsverzeichnis 1 Ursprung nach mythologischer buddhistischer Tradition 2 Ubersetzung ins Tibetische 3 Anfange der Herausbildung einer eigenen Wissenschaft der Astronomie in Tibet 12 Jahrhundert und Beginn des 13 Jahrhunderts 4 Erste astronomische Lehrbucher tibetischer Autoren 2 Halfte des 13 Jahrhunderts 5 Kommentierung der Programmtexte der praktischen Rechenbucher 14 Jahrhundert 6 Die Entstehung der Phug pa Schule der tibetischen Astronomie 15 Jahrhundert 6 1 Theorie der mittleren Bewegung aller in Tibet bekannten Planeten 6 2 Die grosse Konjunktion und die Korrektur der Anfangswerte 6 3 Die Beobachtung der Sonnenwenden und die Krise der buddhistischen Astronomie 6 4 Grundlegende Veranderung der Rechenvorschriften fur die Kalenderrechnung und Astronomie 7 Die Blutezeit der Phugpa Schule 17 18 Jahrhundert 8 Die Entwicklung der Tshurphu Schule der tibetischen Astronomie 15 18 Jahrhundert 9 Literatur 10 WeblinksUrsprung nach mythologischer buddhistischer Tradition Bearbeiten nbsp Die tantrische Gottheit vom Rad der Zeit nbsp Sucandra Konig von Shambhala empfangt die Kalacakra Unterweisungen nbsp Jamyang Drag Konig von Shambhala und Verfasser des Kalacakratantra nbsp Pema Karpo Konig von Shambhala und Verfasser des Kommentarwerks VimalaprabhaNach tibetischer Uberlieferung wurde das tantrische Lehrsystem Kalacakra Rad der Zeit vom historischen Buddha kurz vor oder nach seinem Tod an dem sudindischen Stupa von Dhanyakaṭaka vor einer mythischen Zuhorerschaft auf Bitten von Sucandra tib zla ba bzang po einem Konig des sagenhaften Konigreiches Shambhala gelehrt Sucandra soll diese Lehren in einem 12 000 Verse umfassenden Wurzel Tantra Mulatantra genannten Werk niedergeschrieben haben Das von Sucandra verfasste Wurzel Tantra soll jedoch bis auf einige Zitate in spateren Werken verloren gegangen sein Der fur die Entwicklung der tibetischen Astronomie massgebliche Text ist das erste Kapitel des als Kalacakratantra bekannten Werkes das einem anderen mythischen Konig von Shambhala namlich Jamyang Dragpa tib jam dbyangs grags pa zugeschrieben wird und eine verkurzte Version des verlorengegangenen Wurzel Tantra sein soll Der tibetische Titel dieses Werkes lautet mChog gi dang po sangs rgyas las phyung ba rgyud kyi rgyal po dus kyi khor lo Der von Buddha dem ersten der Allerhochsten offenbarte Konig der Tantras das Rad der Zeit Das erste Kapitel dieses Werkes enthalt eine Beschreibung der Kosmografie und der Durchfuhrung astronomischer Berechnungen wie sie in zahlreichen praktischen Rechenbuchern der indischen Astronomie und Kalenderrechnung ublicherweise dargestellt werden In Sanskrit werden solche Rechenbucher Karana bzw spater im Tibetischen byed rtsis Praktisches Rechnen genannt Die verwendeten Rechengrossen zur Erleichterung der praktischen Durchfuhrung der Rechnungen sind in solch einem Werk verkurzt bzw aufgerundet So wird beispielsweise zur Vereinfachung der Rechnungen mit weniger Zahlen hinter dem Komma gerechnet als exakt erforderlich ware Die praktischen Rechenbucher sind vor dem Hintergrund grosser systematischer indischer Abhandlungen uber astronomische Rechnungen entstanden die Siddhanta genannt werden und in denen mit komplizierteren Zahlenwerten und langen Zeitperioden gerechnet wird Fur den taglichen Gebrauch wurde dies nicht als notwendig erachtet Aus Sicht der Wissenschaftsgeschichte der indischen Astronomie hat der astronomische Inhalt des Kalacakratantra deshalb keine herausragende Bedeutung Das erste Kapitel des Kalacakratantra diente jedoch dazu einen Grossteil des sehr weit entwickelten astronomischen Wissens der Inder nach Tibet zu exportieren wo es mit der Bewertung autoritative Verkundung des historischen Buddha zu sein eine hohe Wertschatzung und eine eigentumliche Weiterentwicklung erfuhr Astrologische Inhalte finden sich im ersten Kapitel des Kalacakratantra so gut wie gar nicht Von grosser Bedeutung fur die Entwicklung der tibetischen Astronomie war das Kommentarwerk Vimalaprabha Makelloser Glanz zum Kalacakratantra das ebenfalls einem mythischen Konig von Shambhala namlich Pema Karpo tib padma dkar po dem Nachfolger Jamyang Dragpas zugeschrieben wurde Dieses Kommentarwerk enthalt zahlreiche Zitate aus dem Wurzel Tantra die fur die spatere Entwicklung der tibetischen Astronomie bedeutsam waren Dem Verfasser der Vimalaprabha sind folgenschwere Fehleinschatzungen bei der Kommentierung zuzuschreiben die aus einer offenkundigen Unkenntnis des Verhaltnisses von Karana und Siddhanta Werken der indischen Astronomie resultierten So findet sich in der Vimalaprabha der Hinweis Unglaubige hatten die im Wurzel Tantra enthaltene wahre vom Buddha gelehrte Astronomie in boswilliger Absicht verfalscht und diese Verfalschungen im ersten Kapitel des Kalacakratantra verbreitet Diese Hinweise sowie die Angabe einiger fur korrekt gehaltener abweichender Werte aus dem Wurzel Tantra waren ein wesentlicher Antrieb fur die Entwicklung der tibetischen Astronomie die sich letztendlich als Rekonstruktion der wahren von Buddha gelehrten Siddhanta Astronomie verstand und im Tibetischen als Grub rtsis bezeichnet wurde Die Vimalaprabha stellt insbesondere zwei Werte heraus die fur die Astronomie des Wurzel Tantra wesentlich gewesen sein sollen Der eine Wert ist der Faktor zur Umrechnung der Lange eines mittleren solaren Monats bzw eines mittleren Zodiak Tages in mittlere lunare Monate bzw mittlere lunare Tage der mitA 1 2 65 67 65 displaystyle 1 frac 2 65 frac 67 65 nbsp angegeben werden kann Dieser Wert besagt dass 67 mittleren synodischen bzw lunaren Monaten 65 solare Monate entsprechen Der zweite Umrechnungsfaktor betrifft das Verhaltnis der zeitlichen Lange eines mittleren lunaren Tages zu der zeitlichen Lange eines naturlichen Tages Hiernach entspricht einem mittleren lunaren TagB 1 1 1 707 64 displaystyle 1 frac 1 frac 1 707 64 nbsp naturliche Tage Ubersetzung ins Tibetische Bearbeiten nbsp Drolo Sherab DragDas Kalacakratantra wie auch die Vimalaprabha stammen in ihrer vorliegenden Fassung aus dem 11 Jahrhundert Beide Werke wurden in der zweiten Halfte des 11 Jahrhunderts von dem indischen Gelehrten Somanatha und dem tibetischen Ubersetzer Drolo Sherab Drag tib bro lo shes rab grags ins Tibetische ubersetzt Anfange der Herausbildung einer eigenen Wissenschaft der Astronomie in Tibet 12 Jahrhundert und Beginn des 13 Jahrhunderts Bearbeiten nbsp Sakya Paṇḍita Schuler des Sakyasribhadra Er war einer der ersten tibetischen Gelehrten die eine grundliche praktische Ausbildung in Astronomie absolvierten nbsp Nyinphugpa Chokyi Dragpa tibetischer Ubersetzer des KalacakravataraDie Uberlieferung indischen astronomischen Wissens im Rahmen des tantrischen Meditationszyklus Kalacakratantra nach Tibet hatte zunachst weder irgendeine Bedeutung fur den tibetischen Kalender noch bewirkte sie eine nennenswerte Beschaftigung von Tibetern mit Fragen der komplizierten Berechnungen der indischen Astronomie Hierzu bedurfte es der Herauslosung des astronomischen Wissens aus dem Tantrazyklus Kalacakra und der Darstellung in eigenen astronomischen Texten Diese Aufgabe ubernahmen im 11 und zu Beginn des 12 Jahrhunderts wiederum zwei an der Astronomie interessierte indische buddhistische Gelehrte die in Tibet an der Verbreitung des Buddhismus mitwirkten Der erste dieser beiden Gelehrten war Abhayakaragupta 1084 1130 in Tibet unter dem Namen Lobpon Lehrmeister Abhaya bekannt der unter dem Titel Kalacakravatara die astronomischen Inhalte des Kalacakratantra in einer eigenstandigen Abhandlung darstellte und anschliessend an der Ubersetzung dieses Werkes ins Tibetische durch den Nyinphugpa Chokyi Dragpa tib nyin phug pa chos kyi grags pa 1094 1186 mitwirkte Der zweite dieser beiden Gelehrten war der beruhmte kaschmirische Gelehrte Sakyasribhadra 1127 1225 der drei auf den Lehren des Kalacakratantra basierende Schriften zur Astronomie verfasste in denen er die Kalenderrechnung die Berechnung der Sonnen und Mondfinsternisse und der Bewegung der funf Planeten Merkur Mars Venus Jupiter und Saturn behandelte Sakyasribhadra besuchte Tibet im Jahre 1204 und hielt sich dort bis 1214 auf Er wurde einer der herausragenden Lehrer des Sakya Paṇḍita Kunga Gyeltshen 1182 1251 Aus der Biographie Sakya Paṇḍita Kunga Gyeltshens ist zu entnehmen dass er eine grundliche praktische Ausbildung zur Kalenderrechnung und Astronomie des Kalacakratantra absolviert hat Er war somit der erste der Sakya Hierarchen von dem wir wissen dass er eine solche Ausbildung erhalten hatte Zu dieser Ausbildung gehorte unter anderem die praktische Durchfuhrung der Addition Subtraktion Division und Multiplikation mittels des Sandabakus die Berechnung der funf Komponenten der Kalenderrechnung die Berechnung von Sonnen und Mondfinsternissen der Langen der 5 Planeten und der Position des Kometen Encke Eigene Beitrage zur tibetischen Astronomie und Kalenderrechnung wurden von Sakya Paṇḍita nicht verfasst Erste astronomische Lehrbucher tibetischer Autoren 2 Halfte des 13 Jahrhunderts Bearbeiten nbsp Chogyel Phagpa einer der ersten tibetischen Verfasser autochthoner tibetischer Schriften zur Astronomie und Kalenderrechnung nbsp Karmapa Rangjung Dorje er verfasste 1318 sein erstes Lehrbuch zur tibetischen Astronomie Angesichts des zunehmenden Interesses an der rechnenden Astronomie entstanden bald erste Lehrbucher tibetischer Autoren zu diesem Thema Der erste tibetische Autor von dem uns solche Schriften vorliegen war der beruhmte tibetische Geistliche Chogyel Phagpa 1235 1280 Chogyel Phagpa verfasste neun Abhandlungen zur Kalenderrechnung und Astronomie In allen Fallen handelt es sich hierbei um praktische Rechenbucher Die Abhandlungen Chogyel Phagpas sind die altesten der uns bisher bekannten Darstellungen der Kalacakra Astronomie in tibetischer Sprache die keine Ubersetzungen aus dem Indischen darstellen Inhaltlich folgt Chogyel Phagpa noch weitgehend den Darlegungen des Kalacakratantra Der auf dem Kalacakratantra basierende Kalender wurde durch ihn in Tibet eingefuhrt und als der massgebliche von Buddha gelehrte Kalender etabliert Insofern legte Chogyel Phagpa politisch die Basis fur die spatere eigenstandige Entwicklung der tibetischen Astronomie und Kalenderrechnung Ein weiterer bedeutender Geistlicher der zur Verbreitung des astronomischen Wissens in Tibet beitrug ist der 3 Karmapa Rangjung Dorje 1284 1339 Rangjung Dorje verfasste 1318 das erste von zwei Lehrbuchern die die Astronomie und Kalenderrechnung sowie die Astrologie behandeln Auch die Lehrbucher des Rangjung Dorje sind praktische Rechenbucher die voll in der Tradition des Kalacakratantra stehen und somit wissenschaftsgeschichtlich im Vergleich zu den Werken von Chogyel Phagpa bis auf eine Ausnahme wenig Neues bieten Auf ca 4 Seiten erlautert er rechnerisch verkurzte Berechnungen zu der mittleren Bewegung von Sonne Mond der Planeten und der Mondknoten Dies ist der fruheste bisher bekannt gewordene Versuch die Umlaufzeiten dieser Himmelskorper bzw die mittlere Veranderung ihrer ekliptikalen Langen pro bestimmter Zeiteinheit zu berechnen Ausserdem etablierte er mit seinen beiden Abhandlungen die Kalacakra Astronomie und Kalenderrechnung in der Kagyu Schule Zur inhaltlichen Weiterentwicklung der tibetischen Astronomie leistete er noch keinen nennenswerten Beitrag Kommentierung der Programmtexte der praktischen Rechenbucher 14 Jahrhundert Bearbeiten nbsp Buton Rinchen Drub links der grosse Kommentator zur tibetischen AstronomieDie praktischen in Versen geschriebenen Rechenbucher der sich in Tibet allmahlich ausbreitenden Astronomie waren allesamt Programmtexte mit Rechenanweisungen fur den Sandabakus die kaum Erklarungen daruber abgaben was eigentlich warum berechnet wurde Hierzu bedurfte es bis zum Beginn des 14 Jahrhunderts der mundlichen Unterweisung eines Lehrers Dies anderte sich auch fur die Darstellungen in den spateren praktischen Rechenbuchern bis in die Neuzeit nicht Um die Problematik deutlich zu machen wird im Folgenden der im Zusammenhang mit den Rechnungen mit dem Sandabakus vorgestellte Programmtext noch einmal erlautert wobei die interpretierenden Begriffe aus der Astronomie durch die wortliche Bedeutung der tibetischen Bezeichnungen ersetzt wurden 1 Platziere die reine Monatszahl auf funf Stellen 2 Von oben multipliziere nacheinander mit Auge 2 Himmelsrichtung 10 Schlangengott Sinnesorgan 58 Korper 1 Mond Planet 17 3 Von oben addiere nacheinander Sosein 25 Schatz 8 Null Korper 10 Veden 4 Zahne 32 4 Nach oben Umrechnung durch die Stellenwerte Berg Geschmack 67 Jahreszeit 6 Himmel Geschmack 60 Null Zwischenhimmelsrichtung 60 Rad 27 5 Der Rest nach Loschen der hochsten Stelle ist die mittlere Sonne Dem tibetischen Schuler der Astronomie wurde von seinem Lehrer mundlich erklart was reine Monatzahl namlich die Zahl der zuvor errechneten vergangenen synodischen Monate oder was mittlere Sonne namlich mittlere Langer der Sonne am Ende des betreffenden synodischen Monats bedeutet in den praktischen Rechenbuchern findet sich dazu aber keine Erklarung Das Gleiche gilt fur die Bedeutung der Zahlengrossen die nach der obigen Rechenvorschrift zu addieren oder zu multiplizieren sind Die erste umfassende Erklarung der astronomischen Inhalte der astronomischen Rechenbucher lieferte einer der bekanntesten Gelehrten des tibetischen Mittelalters namlich Buton Rinchen Drub Buton verfasste mehrere Werke zur Astronomie und Kalenderrechnung Hervorzuheben ist insbesondere das erste grosse in Prosa geschriebene Kommentarwerk zur Kalacakra Astronomie und Kalenderrechnung mit dem Titel Lehrbuch uber die Kalkulationen des Kalacakra etwas das die Gelehrten erfreut tib dpal dus kyi khor lo i rtsis kyi bstan bcos mkhas pa rnams dga bar byed pa welches er am 14 November 1326 fertigstellte Mit diesem Werk das 244 Seiten umfasst liegt die erste bisher bekannt gewordene Abhandlung zur Astronomie und Kalenderrechnung vor die nicht die blosse Form eines praktischen Rechenbuches hat sondern in grossem Umfang versucht den Sinn der durchzufuhrenden Rechenoperationen zu erklaren Insofern war Butons Werk bahnbrechend fur die systematische Entwicklung der Tibetischen Astronomie und der tibetischen Kalenderrechnung Buton waren die zahlenmassigen Verkurzungen im Kalacakratantra und deren Deutung als boswillige Verfalschungen durch die Vimalaprabha sehr gut bekannt Entsprechend finden sich bei ihm auch erste Versuche in Anlehnung an die ubermittelten sogenannten wahren Werte neue Rechnungsmethoden einzufuhren Gelungen ist ihm dies letztendlich nicht da er die mathematischen Schwierigkeiten der entsprechenden arithmetischen Rechnungen mit dem Sandabakus nicht losen konnte Die Entstehung der Phug pa Schule der tibetischen Astronomie 15 Jahrhundert Bearbeiten nbsp Der Astronom Phugpa Lhundrub Gyatsho 1 Halfte des 15 Jahrhunderts nbsp Der Astronom Norsang Gyatsho 2 Halfte des 15 Jahrhunderts Das 15 Jahrhundert war fur die Entwicklung der tibetischen Astronomie ein ausserordentlich fruchtbarer Zeitraum Einer der bedeutendsten Vertreter dieser Entwicklung war der Gelehrte Phugpa Lhundrub Gyatsho tib phug pa lhun grub rgya mtsho Nach ihm wurde die wichtigste Schultradition der tibetischen Astronomie die Phugpa Schule tib phug lugs benannt In seinem 1447 fertiggestellten in Prosa verfassten Padma dkar po i zhal lung Unterweisung des Konigs von Shambhala Padma dkar po stellt er die neuen Ansatze eines astronomischen Gesamtbildes vor Erganzt wurden die umfangreiche Abhandlung des Phugpa Lhundrub Gyatsho durch mehrere Erganzungstexte des Astronomen und Mathematikers Norsang Gyatsho tib nor bzang rgya mtsho Damit war ein Lehrgebaude geschaffen dass sich durch folgende Hauptschwerpunkte auszeichnete Theorie der mittleren Bewegung aller in Tibet bekannten Planeten Bearbeiten Mit der Theorie der mittleren Bewegung aller in Tibet bekannten Planeten genannt Analyse der Bewegung der Planeten nach den drei Tagesarten tib zhag gsum rnam dbye wurden zum einen mathematisch korrekte Rechenvorschriften zur Bestimmung der siderischen Umlaufzeiten tib dkyil khor fur alle Planeten einschliesslich von Sonne Mond und Mondbahnknoten in naturlichen Tagen Zodiak Tagen und lunaren Tagen vorgelegt Fur Sonne und Mond wurden dazu einzig und allein die aus der Vimalaprabha ubernommenen WerteA 1 2 65 67 65 displaystyle 1 frac 2 65 frac 67 65 nbsp undB 1 1 1 707 64 displaystyle 1 frac 1 frac 1 707 64 nbsp verwendet und mit 360 A displaystyle 360 cdot A nbsp die Umlaufzeit der Sonnen in lunaren Tagen und mit 360 A B displaystyle 360 cdot A cdot B nbsp die Umlaufzeit der Sonnen in naturlichen Tagenberechnet wobei mit 360 die Umlaufzeit der Sonne in solaren Tagen angegeben wurde Fur die siderischen Umlaufzeiten der Planeten Merkur Venus Mars Jupiter und Saturn wurden die in naturlichen Tagen angegebenen Werte des Kalacakratantra verwendet Zum anderen enthalt dieser Teil der Astronomie der Phugpa Schule Berechnungen zur Veranderung der mittleren ekliptikalen Langen tib rtag longs aller Planeten pro naturlichen Tag Zodiak Tag und lunaren Tag Die grosse Konjunktion und die Korrektur der Anfangswerte Bearbeiten Nach den Vorstellungen der indischen Astronomie findet die Weltgeschichte in grossen Zeitzyklen auch Weltzeitalter vgl Kalpa genannt statt an deren Anfang alle beweglichen Himmelskorper die ekliptikale Lange 0 besitzen also gleichsam am festgelegten Anfangspunkt der Ekliptik standen und der Zeitpunkt auf den 1 Tag des 1 Monats des 1 Jahres eines Jahres Zyklus fiel Das Kalacakratantra als praktisches Rechenbuch verwendet als Epoche allerdings einen weniger weit zurucklegenden Zeitpunkt namlich den Beginn des Monats Caitra tib nag zla ba des Jahres 806 Die fur diesen Zeitpunkt im Kalacakratantra angegebenen Anfangswerte waren somit naturlich nicht gleich 0 Gleichwohl enthalt das Kalacakratantra Angaben zu Zeitperioden an deren Anfang eine grosse Konjunktion stattgefunden haben soll Phugpa Lhundrub Gyatsho konnte zunachst mathematisch nachweisen dass mit den Anfangswerten des Kalacakratantra das Ereignis einer grossen Konjunktion tib stong jug Eintritt in die Leere niemals stattfinden konnte Diesen grundsatzlichen Mangel im Zahlenwerk des Kalacakratantra erklarte er in Anlehnung an die Vimalaprabha damit dass die boswilligen Unglaubigen die Zahlenangaben des Buddha verfalscht hatten In Konsequenz schlug er eine Anderung der Anfangswerte vor was insbesondere die Einschaltung von Schaltmonaten im tibetischen Kalender veranderte Die Phugpa Schule errechnete schliesslich fur den Zeitraum der zwischen zwei grossen Konjunktionen liegt die fantastische Zahl von 279 623 511 548 502 090 600 Jahren Dies sind in Zahlennamen ausgedruckt 279 Trillionen 623 Billiarden 511 Billionen 548 Milliarde 502 Millionen 90 Tausend und 6 Hundert Jahre Die Beobachtung der Sonnenwenden und die Krise der buddhistischen Astronomie Bearbeiten Fur die tibetischen Astronomen spielte die Beobachtung des Sternhimmels eine vollig untergeordnete Rolle Systematische Beobachtungen des Sternhimmels fanden jedenfalls nicht statt wurde doch uber ein von Buddha gelehrtes Rechensystem verfugt mit dem die Veranderungen am Sternenhimmel berechnet werden konnte Diese Einstellung wurde auch nicht durch die Tatsache getrubt dass die uberlieferte Astronomie zahlenmassig verfalscht war Zwei Phanomene gab es allerdings bei denen man sich der Beobachtung nicht entziehen konnte Das eine war die Beantwortung der Frage ob die errechneten Sonnen und Mondfinsternisse auch tatsachlich stattfanden was gelegentlich nicht der Fall war Da das Eintreffen von Sonnen und Mondfinsternisse wegen ihrer grossen astrologischen Bedeutung durch offentliche Anschlage vorher bekannt gemacht wurde waren Fehlprognosen fur die Astronomen ausserordentlich peinlich In der zweiten Halfte des 17 Jahrhunderts belegte die tibetische Regierung unter Sanggye Gyatsho Astronomen die bezuglich der Sonnen und Mondfinsternisse falsche Ankundigungen machten mit Sanktionen Als Reaktion hierauf wurden die offentlichen Vorankundigungen durch die Astronomen eingestellt Ein weiteres astronomisches Phanomen das traditionell beobachtet wurde waren die Winter und Sommersonnenwenden Nach dem Kalacakratantra findet die Wintersonnenwende mit dem Eintritt der Sonne in das Tierkreiszeichen Steinbock und die Sommersonnenwende mit Eintritt der Sonne in das Tierkreiszeichen Krebs statt In seinem in der ersten Halfte des 12 Jahrhunderts geschriebenen Werk Kalacakravatara hatte der indische Lehrmeister Abhayakaragupta 1084 1130 eine Methode beschrieben nach der anhand eines als Gnomon tib thur shing bezeichneten Messstabes der Zeitpunkt der Sonnenwenden gemessen werden konnte Entsprechende Messungen ergaben nun dass die Wintersonnenwende mit dem Eintritt der Sonne in das Tierkreiszeichen Schutze und die Sommersonnenwende mit dem Eintritt der Sonne in das Tierkreiszeichen Zwillinge stattfand Im Dezember 1466 und im Dezember 1467 fuhrte Norsang Gyatsho begleitet von Zeugen erneut Messungen zur Bestimmung der Wintersonnenwenden durch Er ermittelte dass die Wintersonnenwende in beiden Jahren am 22 Dezember stattfand und zwar genau 7 Tage nach Eintritt der Sonne in das Tierkreiszeichen Schutze Diese gemessenen Abweichungen in den Zeitpunkten der Sonnenwenden von den Angaben im Kalacakratantra waren nicht mit dem Argument der Verfalschung durch Unglaubige zu erklaren War somit die von Buddha offenbarte Astronomie fehlerhaft Die Losung der damit gegebenen Glaubwurdigkeitskrise ergab sich durch eine nahere Betrachtung des eigentumlichen Weltmodells der tibetischen Astronomie Hiernach kreisten Sonne und Mond um einen zentralen Weltberg vgl Meru in dessen Suden der dreieckige Kontinent Jambudvipa tib dzam bu gling mit den Landern Shambhala China Tibet und Indien usw lag Sommer und Wintersonnenwenden wurden dadurch erklart dass die Sonne im Sommer hoch im Norden in der Nahe des Weltberges stand wahrend sie im Winter tiefer im Suden in grosserer Entfernung um den Weltberg kreiste Das hieraus entwickelte Modell der Sonnenbewegung fuhrte zu dem Schluss dass Winter und Sonnenwenden in Ost West Richtung also entsprechend der geographischen Lange variierten Obwohl dies mit der Realitat nicht in Einklang steht versuchten die tibetischen Astronomen auf dieser Grundlage die Abweichungen ihrer Messungen der Sonnenwenden von den Angaben im Kalacakratantra erklaren Da Buddha die Lehren vom Rad der Zeit in Sudindien verkundet hatte war die geographische Lange Tibets mit mehr als 30 Langengraden ostlich von Indien festzulegen Somit wurde also aufgrund einer falschen Annahme uber die Variation der Sonnenwenden Tibet geographisch nach Osten verlegt Diese Lageveranderung hatte zusatzlich grosse Auswirkung auf den tibetischen Kalender Grundlegende Veranderung der Rechenvorschriften fur die Kalenderrechnung und Astronomie Bearbeiten Phugpa Lhundrub Gyatsho legte zwei grundsatzliche unterschiedliche Modelle zur Durchfuhrung der Kalenderrechnung und der sonstigen astronomischen Berechnungen vor Im ersten Modell exakte byed rtsis genannt gab er eine Darstellung der Rechenvorschriften des Kalacakratantra die er aber unter Beibehaltung der Anfangswerte von allen Verkurzungen und rechnerischen Abrundungen bereinigte Die Kronung seines wissenschaftlichen Werkes aber war die Vorlage einer Kalenderrechnung und weiterer astronomischer Berechnungen die er unter der Bezeichnung grub rtsis als Rekonstruktion der wahren Rechenmethoden der von Buddha im Wurzeltantra gelehrten Astronomie vorlegte Die wichtigste Grundlage bildeten hierbei insbesondere die Ergebnisse die er im Rahmen seiner Theorie der mittleren Bewegung der Himmelskorper und im Zusammenhang mit seinen Berechnungen zur grossen Konjunktion erzielt hatte Die Blutezeit der Phugpa Schule 17 18 Jahrhundert Bearbeiten nbsp Der Astronom Pelgon Thrinle 2 Halfte des 15 Jahrhunderts nbsp Der Regent und Astronom Sanggye GyatshoIn der Nachfolge von Phugpa Lhundrub Gyatsho und Norsang Gyatsho kam es in der Phugpa Schule zunachst zu Verfeinerungen der Rechenvorschriften zur Theorie der mittleren Bewegung der Himmelskorper Zu erwahnen ist hier insbesondere der Astronom Pelgon Thrinle tib dpal mgon phrin las ein Neffe des beruhmten Phugpa Lhungrub Gyatsho Er wirkte als Hofastronom der Phagmo Drupa Herrscher und war ein ausgezeichneter Kenner der Sinotibetischen Divinationskalkulationen Von seinen zahlreichen Schriften ist insbesondere sein Werk zur Theorie der mittleren Bewegung der Himmelskorper hervorzuheben welches unter dem Titel Zhag gsum rnam dbye mkhas pa i yid phrog Analyse nach den drei Tagesarten die den Gelehrten den Verstand raubt die Grundlage fur die entsprechenden Darlegungen des Regenten Sanggye Gyatsho im 17 Jahrhundert bildete Von entscheidender Bedeutung fur den Aufstieg der Phugpa Schule zur wichtigsten Schule der tibetischen Astronomie war aber die Verbindung mit der Politik des vom 5 Dalai Lama gegrundeten neuen zentraltibetischen Staatswesens im 17 Jahrhundert Sowohl der 5 Dalai Lama 1617 1682 wie auch sein Regent Sanggye Gyatsho 1653 1705 waren Anhanger der Phugpa Schule so dass der Grub rtsis Kalender dieser Schule zum offiziellen Kalender des neugrundeten Staatswesen wurde Zudem veroffentlichte Sanggye Gyatsho mit seinem 1685 fertiggestellten Vaiḍurya dkar po eine umfassende Darstellung der Kalenderrechnung der Astronomie der Phugpa Schule Diese Veroffentlichung enthielt auch zahlreiche rechnerische Neuerungen Neben dem Vaiḍurya dkar po gibt es noch ein weiteres wichtiges Werk aus jener Blutezeit der Phugpa Schule Es handelt sich hierbei um eine Abhandlung des Nyingma Gelehrten Lochen Dharmasri 1654 1717 die unter dem Titel rTsis kyi man ngag nyin mor byed pa i snang ba Unterweisung uber Kalkulationskunde Schein des Tagmachers Sonne veroffentlicht wurde Diese Abhandlung wurde von Dharmasri im Jahre 1681 begonnen und erst 32 Jahre spater am 3 April 1713 fertiggestellt Dharmasri der auch wegen seiner 1684 verfassten Abhandlung uber Sinotibetische Divinationskalkulationen Bekanntheit erlangt hatte wurde 1717 wegen seiner Zugehorigkeit zur Nyingma Schule von den nach Tibet eingefallenen Dsungaren ermordet Die Entwicklung der Tshurphu Schule der tibetischen Astronomie 15 18 Jahrhundert Bearbeiten nbsp Der Astronom Dondrub Oser nbsp Das Kloster TshurphuDie Gelehrten der Phugpa Schule waren nicht die einzigen Astronomen die sich um eine Neugestaltung der tibetischen Astronomie bemuhten Insgesamt sollen von unterschiedlichen Gelehrten mehr als sechs verschiedene Losungsvorschlage zur Berechnung der grossen Konjunktion vorgelegt worden sein Die zugehorigen Werke gelten bis auf eine Gruppe namlich die Schriften der Tradition der Tshurphu Schule als verloren gegangen Die Tshurphu Schule tib mtshur lugs der tibetischen Astronomie wurde nach dem beruhmten Karmapa Kloster Tshurphu benannt Als Begrunder dieser Schule wird der oben erwahnte Karmapa Rangjung Dorje 1284 1339 angesehen der 1318 sein Kompendium der Astrologie tib rtsis kun bsdus pa verfasste Eine mit der Entstehung der Phugpa Schule vergleichbare Entwicklung dieser Lehrtradition begann aber erst im 15 Jahrhundert Zu erwahnen ist hier der Gelehrte Tshurphu Jamyang Chenpo Dondrub Oser tib mtshur phu jam dbyangs chen po Don grub od zer der zur Lebenszeit des 5 Karmapa Deshin Shegpa um 1407 zum Abt des Klosters Tshurphu ernannt wurde und der dieses Amt bis 1449 innehatte 1447 im Jahr der Fertigstellung des Padma dkar po i zhal lung durch Phugpa Lhundrub Gyatsho vollendete Dondrub Oser sein Grundwerk uber Astronomie mit dem er die ursprunglichen Kalkulationen des Wurzel Tantra zum Rad der Zeit darstellte Diese Abhandlung ist leider bis heute noch nicht aufgetaucht Einen Uberblick uber die Besonderheiten der Astronomie der Tshurphu Schule liefert ein 1732 von Karma Ngeleg Tendzin tib karma nges legs bstan dzin vorgelegtes Standardwerk dieser Schule das Ngeleg Tendzin im grossen osttibetischen Kloster Pelpung Thubten Chokhor Ling verfasste Bezuglich der Theorie der mittleren Bewegung der Himmelskorper und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen ergibt sich kein wesentlicher Unterschied zur Phugpa Schule Allerdings geht Ngeleg Tendzin bei der Berechnung der grossen Konjunktion von anderen Werten aus Dies hat zur Folge dass alle Anfangswerte seiner astronomischen Rechnungen sich von denen der Phugpa Schule unterscheiden Entsprechend unterscheidet sich auch der Kalender dieser Schule von dem der Phugpa Schule erheblich Literatur BearbeitenWinfried Petri Indo tibetische Astronomie Habilitationsschrift zur Erlangung der venia legendi fur das Fach Geschichte der Naturwissenschaften an der Hohen Naturwissenschaftlichen Fakultat der Ludwig Maximilians Universitat zu Munchen Munchen 1966 Dieter Schuh Untersuchungen zur Geschichte der Tibetischen Kalenderrechnung Wiesbaden 1973 Dieter Schuh Grundzuge der Entwicklung der Tibetischen Kalenderrechnung Zeitschrift der Deutschen Morgenlandischen Gesellschaft Supplement II XVIII Deutscher Orientalistentag vom 1 bis 5 Oktober 1972 in Lubeck Vortrage S 554 566 Zuiho Yamaguchi Chronological Studies in Tibet Chibetto no rekigaku Annual Report of the Zuzuki Academic foundation X S 77 94 1973 Zuiho Yamaguchi The Significance of Intercalary Constants in the Tibetan Calender and Historical Tables of Intercalary Month Tibetan Studies Proceedings of the 5th Seminar of the International Association for Tibetan Studies Vol 2 pp 873 895 1992 sde srid Sangs rgyas rgya mtsho Phug lugs rtsis kyi legs bshad mkhas pa i mgul rgyan vaidur dkar po i do shal dpyod ldan snying nor Blockdruck karma Nges legs bstan dzin gTsug lag rtsis rigs tshang ma i lag len khrul med mun sel nyi ma ner mkho i dod pa jo ba i bum bzang Blockdruck Phug pa Lhun grub rgya mtsho Legs par bshad pa padma dkar po i zhal gyi lung Beijing 2002Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Astronomy in Tibet Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Geschichte der tibetischen Astronomie amp oldid 229495413