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Gabriel Tarde auch Gabriel de Tarde 12 Marz 1843 in Sarlat 13 Mai 1904 in Paris 1 war ein franzosischer Kriminologe Soziologe und Sozialpsychologe Nach einem Studium der Rechtswissenschaft in Toulouse und Paris arbeitete er neunzehn Jahre lang als Richter in seiner Heimatstadt Sarlat 1894 wurde Tarde dann zum Leiter der kriminalistischen Abteilung ernannt Diese Position vertrat Tarde jedoch nur sechs Jahre lang bis er einer Berufung zum Professor der Philosophie am College de France folgte Gabriel TardeSeine Hauptwerke entstanden schon wahrend seiner Zeit als Justiziar Zentral sind die beiden Werke La criminalite comparee 1886 und Les lois de l imitation Die Gesetze der Nachahmung 1890 Das zweitgenannte Buch machte ihn schliesslich beruhmt Hier vertrat und begrundete Tarde eine philosophische Soziologie die den sozialwissenschaftlichen Bemuhungen und Erkenntnissen um die Schule Emile Durkheims gegenuberstand Seine Soziologie beruht auf kleinen psychologischen Wechselbeziehungen zwischen Individuen deren grundlegende Einflusse die Nachahmung und die Innovation sind Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Die Gesetze der Nachahmung 2 1 Erfindung Entdeckung 2 2 Nachahmung 3 Schriften 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenZunachst durchaus erfolgreich und angesehen z B bei Ferdinand Tonnies wurde Tarde durch den Einfluss der Durkheim Schule an den Rand gedrangt und blieb lange Zeit fast vergessen Erst durch den prominenten Platz den er im Werk von Gilles Deleuze und Felix Guattari einnimmt wurde er wiederentdeckt Auch Bruno Latour und Peter Sloterdijk beziehen sich auf Tarde 2 Seine Position lasst sich am ehesten als Theorie der vorrationalen leidenschaftlichen affektiven sozialen Energien und Krafte charakterisieren er betont die kollektive und pluralistische Dimension in jedem gesellschaftlichen Zusammenschluss jeder sozialen Institution jeder Sprache und jedem Code wobei diese uberindividuell energetische Dimension dennoch nicht als abstraktes Soziales zu denken ist das dem Rational Individuellen gegenuberzustellen ware Dieser Gedanke fuhrt Tarde zu einer Analyse derjenigen Gesetze der Vergesellschaftung die zwischen dem verobjektivierten sozialen System und den individuell bewussten Entscheidungen oder Zwangen auf einer sozusagen chaosmotischen Ebene angesiedelt sind wie z B die Gesetze der Nachahmung der Wellenbewegung oder der universalen Wiederholung Tardes Werke werden in Frankreich seit 1999 unter der Leitung von Eric Alliez neu herausgegeben Die Gesetze der Nachahmung BearbeitenDie beiden wichtigsten Begriffe in Tardes Theorie der Imitation sind Erfindung Entdeckung und Nachahmung Damit lasst sich Tardes Theorie in groben Zugen charakterisieren Erfindung Entdeckung Bearbeiten Definition nach Tarde Unter diesen beiden Begriffen verstehe ich jede beliebige Neuerung oder Verbesserung in jeglicher Art von sozialen Phanomenen wie Sprache Religion Politik Recht Industrie oder Kunst Tarde 2003 26 Die Erfindung hat eher zufalligen Charakter und ist grundsatzlich kontingent Das heisst die Erfindung hatte so oder anders oder auch gar nicht passieren konnen Entscheidend ist aber dass eine Erfindung die Moglichkeiten weiterer Erfindungen gleichzeitig strukturell beschrankt aber auch erweitert Es geht darum dass gleichzeitig immer mehrere Erfindungen moglich waren und dass jede Erfindung die Bandbreite des moglichen Anschlusses begrenzt aber zugleich auch erweitert und damit Neues bis dahin nicht Mogliches moglich macht Die Erfindung wird von Tarde als Zentrum bezeichnet von dem aus die Nachahmung ihren Ausgang nimmt Meist kann man beim Auftauchen der Erfindung ihre Bedeutung noch nicht abschatzen Das heisst erst durch die nachahmende Ausbreitung entstehen neue soziale Sachverhalte Ein Beispiel Wenn eine Erfindung im stillen Kammerlein gemacht wird und noch vor ihrer kommunikativen Verbreitung zerstort wird besitzt sie uberhaupt keine soziale Relevanz Nachahmung Bearbeiten Grundsatzlich spricht Tarde von unterschiedlichen Formen der Nachahmung naive uberlegte Nachahmung Belehrung Erziehung Gehorsam Diese bilden die Grundeinheit der Gesellschaft Die Gesellschaft wird durch sogenannte Nachahmungsketten definiert Nachahmung wird in diesem Kontext als sehr umfassender Begriff verwendet Er besagt nicht nur dass Ideen nachgeahmt werden also etwas gleich wie das andere wiederholt wird sondern auch dass Ideen immer an schon dagewesene Ideen anschliessen Neue Ideen Entdeckungen Erfindungen sind aus Elementen fruherer Nachahmung aufgebaut und aus diesen Zusammensetzungen die wiederum selbst nachgeahmt und zu neuen Elementen von komplexeren Zusammensetzungen werden ist zu schliessen dass es einen Stammbaum dieser gelungenen Initiativen gibt Tarde 2003 69 Nachahmungen verlaufen Tarde zufolge in aller Regel von einem Inneren zu einem Ausseren d h zuerst andern sich innere Einstellungen der Nachahmenden erst spater wandeln sich auch ihre Ausserungen in Riten Moden und Werken So uberlebt in dieser asthetischen rituellen oder rein gewohnheitsmassigen Simulation von vergangenen Uberzeugungen oder Bedurfnissen das Aussere der Nachahmung deren Inneres Es lebt aber noch an der Oberflache weiter wobei es jedoch fortwahrend verkleinert und zerstort wird bis unvermutet eine neue Seele in Erscheinung tritt Tarde 2009 227f Zur Gewinnung sozialer Gesetzmassigkeiten soll sich der Sozialwissenschaftler daher an diesen Ideenketten orientieren und nicht an herausragenden Ereignissen Entscheidend am vorliegenden Konzept der Nachahmung ist seine hohe Inklusivitat Jeder soziale Sachverhalt kann als Nachahmung interpretiert werden So konnen nicht nur Ahnlichkeiten sondern gerade auch Unterschiede durch die Nachahmung erklart werden In diesem Zusammenhang wird von Nachahmung mit negativem Vorzeichen 3 gesprochen Schriften BearbeitenLa criminalite comparee 1886 La philosophie penale 1890 Les lois de l imitation 1890 Deutsche Ausgabe Die Gesetze der Nachahmung Aus dem Franzosischen ubersetzt von Jadja Wolf Suhrkamp Frankfurt am Main 2009 ISBN 978 3 518 29483 3 Les transformations du droit Etude sociologique 1891 Monadologie et sociologie 1893 Deutsche Ausgabe Monadologie und Soziologie Aus dem Franzosischen ubersetzt von Juliane Sarnes und Michael Schillmeier Suhrkamp Frankfurt am Main 2009 ISBN 978 3 518 29484 0 La logique sociale 1895 Fragment d histoire future 1896 L opposition universelle Essai d une theorie des contraires 1897 Ecrits de psychologie sociale 1898 Les lois sociales Esquisse d une sociologie 1898 Deutsche Ausgabe Die sozialen Gesetze Skizze einer Soziologie Aus dem Franzosischen ubersetzt von Hans Hammer Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Arno Bamme Metropolis Verlag Marburg 2009 ISBN 978 3 89518 739 1 L opinion et la foule 1901 Online Deutsche Ausgabe Masse und Meinung Aus dem Franzosischen ubersetzt von Horst Bruhmann Konstanz University Press Konstanz 2015 ISBN 978 3 86253 062 5 La Psychologie Economique 1902 Literatur BearbeitenArno Bamme Gabriel Tarde und die Gesetze der Nachahmung in Tonnies Forum Jg 18 2009 H 1 S 5 28 Arno Bamme Hrsg Die sozialen Gesetze Skizze einer Soziologie Metropolis Christian Borch Urs Staheli Hrsg Soziologie der Nachahmung und des Begehrens Materialien zu Gabriel Tarde suhrkamp taschenbuch wissenschaft Frankfurt am Main 2009 ISBN 978 3 518 29482 6 Pietro Semeraro Il sistema penale di Gabriel Tarde Padua 1984 Realino Marra Tra pena infamante e utilita del reato Tarde contro Durkheim ovvero l espiazione della colpa a fondamento del diritto criminale in Dei Delitti e delle Pene III 1 1985 S 49 92 Jurgen Howaldt Ralf Kopp Michael Schwarz Zur Theorie sozialer Innovationen Tardes vernachlassigter Beitrag zur Entwicklung einer soziologischen Innovationstheorie Beltz Juventa Weinheim Basel 2014 ISBN 978 3 7799 2727 3 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Gabriel Tarde Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Gabriel Tarde im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Digitalisierte Werke mehrsprachig PDF DateienEinzelnachweise Bearbeiten Die kleine Enzyklopadie Encyclios Verlag AG Zurich 1950 Band 2 Seite 726 Gabriel Tarde und das Ende des Sozialen 1 PDF 178 kB von Bruno Latour Hartmann Tyrell Intelligenz ist wenn man klaut in Frankfurter Allgemeine Zeitung 25 September 2003 S 38Normdaten Person GND 11894357X lobid OGND AKS LCCN n50016860 NDL 00475948 VIAF 7397446 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Tarde GabrielALTERNATIVNAMEN Tarde Gabriel deKURZBESCHREIBUNG franzosischer SoziologeGEBURTSDATUM 12 Marz 1843GEBURTSORT SarlatSTERBEDATUM 13 Mai 1904STERBEORT Paris Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gabriel Tarde amp oldid 216599659