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Die gegensatzlichen Begriffe Eigengruppe engl Ingroup und Fremdgruppe engl Outgroup werden in den Sozialwissenschaften verwendet um Gruppen zu unterscheiden denen man sich zugehorig fuhlt und mit denen man sich identifiziert und Gruppen auf welche dies nicht zutrifft vgl Gruppenkohasion Aus Perspektive der Systemtheorie sind zur Identitatsbildung des jeweiligen sozialen Systems Differenzierungen zur Umwelt funktional 1 anderenfalls droht beispielsweise ein Identitatsdilemma 2 Inhaltsverzeichnis 1 Eigengruppenbevorzugung und Fremdgruppenabwertung 2 Fremdgruppenhomogenitat 3 Entindividualisierung 4 Intergruppenbeziehung 5 Evolutionare Perspektive 6 Siehe auch 7 EinzelnachweiseEigengruppenbevorzugung und Fremdgruppenabwertung BearbeitenDer Sozialpsychologe Henri Tajfel zeigt in seiner Forschung zu Minimalgruppen dass willkurliche Unterscheidungsmerkmale binnen Minuten zu Vorurteilen Stereotypen und Diskriminierung gegenuber einer Fremdgruppe fuhren konnen Fremdgruppenabwertung Werner Herkner weist darauf hin dass der Grad der Bildung von Vorurteilen gegenuber anderen Menschen mit der eigenen Selbstzufriedenheit korreliert 3 So kann das Selbstwert Gefuhl gesteigert werden wenn positive Eigenschaften der Eigengruppe uberbetont negative heruntergespielt werden und ebenso Fremdgruppen als solche bezeichnet und abgewertet werden Die Zugehorigkeit zur Eigengruppe fuhrt hingegen zu einem Wir Gefuhl also Vertrautheit Sympathie und Kooperationsbereitschaft der einzelnen Gruppenmitglieder Durch das starke Gefuhl von Zusammengehorigkeit Loyalitat und Gruppenidentitat grenzt sich die Gruppe auch Anderen gegenuber ab 1 Es findet eine Eigengruppenbevorzugung oder engl Ingroupbias statt in der die eigene Gruppe hoher bewertet wird bzw man in Verteilungssituationen der eigenen Gruppe bewusst oder unbewusst mehr Ressourcen zuteilt Metaanalysen z B von Mullen et al 1992 4 zeigten dass der Effekt signifikant und stabil war Er wurde umso starker beobachtet je starker man sich der Eigengruppe zugehorig fuhlt 5 Ein Beispiel fur eine Gruppenzugehorigkeit ist das Geschlecht Betrachtet man die Geschlechterzugehorigkeit als Gruppe so zeigt sich dass Frauen eine vielfach starkere Eigengruppenbevorzugung zeigen als Manner 6 Die Vorstellung dass sich fremde Menschen von der eigenen Gruppe grundsatzlich unterscheiden weil sie zur Fremdgruppe gehoren Othering und dass diese Fremdgruppe ungleichwertig ist fuhrt zu einer Legitimation der vermeintlich naturlichen Dominanz der Eigengruppe und zur Benachteiligung bzw Diskriminierung der Fremdgruppe 7 Fremdgruppenhomogenitat BearbeitenDie Wahrnehmung vielmehr Behauptung nach der die Mitglieder der Fremdgruppe einander ahnlicher seien als dies tatsachlich der Fall ist Wir sind Individuen die anderen sind alle gleich bezeichnet man als Fremdgruppenhomogenitat Im Experiment von Quattrone und Jones 1980 8 wurde Studenten der Universitaten Princeton und Rutgers ein Video gezeigt auf dem ein Student seine Vorliebe fur klassische Musik oder Rockmusik aussert Der Versuchsperson wurde entweder gesagt dieser Student sei an derselben Universitat wie sie selbst oder an der anderen Universitat Die Versuchsperson sollte nun schatzen wie viele Kommilitonen denselben Musikgeschmack haben wie dieser Student Glaubte die Versuchsperson der Student sei Mitglied der Fremdgruppe also an der jeweils anderen Uni fiel diese Schatzung deutlich hoher aus als bei der Eigengruppe Dieses Ergebnis Kennt man einen kennt man alle wurde in den USA in Europa und Australien in vielen Studien reproduziert 9 Fur diesen Effekt gibt es verschiedene Erklarungsansatze Ein Ansatz besagt dass wir schlicht weniger Zeit mit Fremdgruppen oder ihren individuellen Mitgliedern verbringen und somit zu keinem differenzierten Bild gelangen konnen Doch dies scheint eine eher unzureichende Erklarung zu sein Viel mehr geht man davon aus dass wir die eigene Gruppe in Subgruppen einteilen also viele verschiedene Gruppierungen innerhalb der eigenen kennen und benennen konnen Dies ist bei Fremdgruppen nicht der Fall Allerdings ist es auch durchaus moglich und keineswegs negativ die eigene Gruppe bezuglich bestimmter Merkmale z B Intelligenz als homogen wahrzunehmen 10 Entindividualisierung BearbeitenDie Strategie der maximalen Abwertung anderer Gruppen fuhrt zur Entindividualisierung normaler Menschen Die Aufwertung von Angehorigen der eigenen Gruppe mittels der uberhohenden Bezeichnung Herrenmenschen und die Abwertung von Angehorigen der anderen Gruppe als Untermenschen etwa zur Zeit des Nationalsozialismus legitimiert aus Perspektive der Gruppe der Tater gruppenpsychologisch auf moralischer Ebene selbst die Vernichtung Ermordung der Mitglieder der anderen Gruppe 11 Intergruppenbeziehung BearbeitenUm Gruppen zu verstehen ist es wichtig zu betrachten wie sie in Beziehung zu anderen Gruppen stehen von denen sie sich bewusst abgrenzen Unsere Wahrnehmung wird stark durch den Vergleich der eigenen Gruppe mit einer anderen Gruppe beeinflusst Das Attribut welches der eigenen Gruppe zugeschrieben wird bezieht man ruckwirkend auch auf die Mitglieder der Gruppe Tritt nun der Fall ein dass man der eigenen Gruppe ein bestimmtes Attribut nicht mehr zuschreiben kann weil es auf eine andere Gruppe offenkundig besser passt verandert sich auch die Einschatzung innerhalb der Gruppe bezuglich dieses Arguments und es wird weniger wichtig Man beruft sich folgend auf andere Attribute Ein weiterer wichtiger Befund zu diesem Thema ist dass einem Gruppenmitglied nicht zu jedem Zeitpunkt bewusst ist dass es Mitglied einer bestimmten Gruppe ist sondern dieses Wissen Bewusstsein mitunter erst salient gemacht werden muss Dies geschieht am haufigsten wenn wir auf andere Gruppen treffen Ist ein solcher Fall eingetreten werden dadurch Gedanken Gefuhle und Verhalten vor dem Hintergrund unserer nun bewussten Mitgliedschaft verandert Evolutionare Perspektive BearbeitenMichael Schmidt Salomon weist aus evolutionar humanistischer Sicht darauf hin dass Ingroup Outgroup Phanomene inzwischen bei einigen Tierarten wissenschaftlich beobachtet und beschrieben wurden Bezogen auf die Eigengruppe zahlen dazu Kooperation Altruismus Gerechtigkeit und Moral nicht nur aber vor allem bei vielen gesellig lebenden Tierarten Gegen andere Gruppen derselben Art wurden schon mit Angehorigen der eigenen Gruppe kooperative Vernichtungsfeldzuge bei staatenbildenden Insekten wie Ameisen und Bienen oder auch bei Affen wie im Schimpansenkrieg von Gombe beobachtet was fruher als menschenspezifische Unart galt 12 Als besonders problematisch bezeichnet Schmidt Salomon das evolutionare Erbe der Menschheit wenn aus ubersteigerter Solidaritat mit der eigenen Gruppe beispielsweise in Religionen und dogmatischen Ideologien Fanatismus bis hin zur Bereitschaft zum Massenmord an den bosen anderen fuhrt 12 Kooperation und Solidaritat treten sowohl bei Menschen als auch bei anderen Tierarten nicht nur in Abgrenzung zu einer Fremdgruppe gelegentlich sogar artubergreifend auf So wurden schon zwei flugge gewordene Zaunkonige beobachtet die in einem Rotkehlchennest gelandet von den Rotkehlchen wie die eigenen Jungen gefuttert wurden 12 Beim Menschen kann sich die gegenseitige Hilfe von Gruppen uber Staat Staatengemeinschaften und schliesslich im Idealfall zur ganzen Menschheit ausweiten 13 Siehe auch BearbeitenFeindbild Intergruppenkonflikt Theorie der sozialen IdentitatEinzelnachweise Bearbeiten a b Stephan Duschek Gunther Ortmann Jorg Sydow Grenzmanagement in Unternehmensnetzwerken In Strategie und Strukturation Strategisches Management von Unternehmen Netzwerken und Konzernen Hg Ortmann Sydow Wiesbaden 2011 S 199 Kuhl 1998 Gerd Mietzel Wege in die Psychologie Stuttgart 2005 S 478 Brian Mullen Rupert Brown Colleen Smith Ingroup bias as a function of salience relevance and status An integration In European Journal of Social Psychology Band 22 Nr 2 1992 ISSN 1099 0992 S 103 122 doi 10 1002 ejsp 2420220202 Jan Skrobanek Regionale Identifikation negative Stereotypisierung und Eigengruppenbevorzugung VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2004 ISBN 978 3 8100 4104 3 S 98 f doi 10 1007 978 3 663 11281 5 Laurie A Rudman Stephanie A Goodwin Gender Differences in Automatic In Group Bias Why Do Women Like Women More Than Men Like Men In Journal of Personality and Social Psychology Band 87 Nr 4 2004 ISSN 1939 1315 S 494 509 doi 10 1037 0022 3514 87 4 494 Andreas Zick Sozialpsychologische Diskriminierungsforschung In Albert Scherr Aladin El Mafaalani Gokcen Yuksel Hrsg Handbuch Diskriminierung Springer VS Wiesbaden 2017 S 61 63 springer com PDF G A Quattrone E E Jones The perception of variability within ingroups and outgroups Implications for the law of small numbers Journal of Personality and Social Psychology 38 S 141 152 E Aronson T D Wilson R M Akert Sozialpsychologie Pearson Studium 6 Auflage 2008 ISBN 978 3 8273 7359 5 S 432 Klaus Jonas Hrsg Sozialpsychologie 6 Auflage Berlin Heidelberg 1990 ISBN 978 3 642 41090 1 Vgl Gerd Mietzel Wege in die Psychologie Stuttgart 2005 S 480 a b c Peter Kropotkin Ethik Ursprung und Entwicklung der Sitten Erstausgabe Verlag Der Syndikalist Berlin 1923 Vorwort von Michael Schmidt Salomon Alibri Aschaffenburg 2013 ISBN 978 3 86569 160 6 S 12 22 Peter Kropotkin Ethik Ursprung und Entwicklung der Sitten Erstausgabe Verlag Der Syndikalist Berlin 1923 Alibri Aschaffenburg 2013 ISBN 978 3 86569 160 6 S 267 Normdaten Sachbegriff GND 4249755 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Eigengruppe und Fremdgruppe amp oldid 234914623