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Der Schimpansenkrieg von Gombe in den Jahren 1974 bis 1978 war eine gewalttatige Auseinandersetzung zwischen zwei Schimpansengruppen Pan troglodytes im Gombe Stream Nationalpark in Tansania Beteiligt waren die Kasakela Gruppe im nordlichen Teil des Parks sowie die Kahama Gruppe im sudlichen Teil 1 Beide Gruppen gingen aus derselben Gemeinschaft hervor die an Mitgliederzahl zugenommen hatte und sich schliesslich teilte 2 Beobachtet wurde das Geschehen hauptsachlich durch die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall Anhand ihrer Aufzeichnungen wurden computergestutzte Analysen erstellt die zeigten dass es innerhalb der ursprunglichen Gemeinschaft bereits 1971 zu grosseren Spannungen gekommen war die in die Bildung zweier rivalisierender Gruppen mundeten 3 Die Kahama Gruppe im Suden bestand aus sechs ausgewachsenen sowie einem jugendlichen Mannchen unter ihnen die von Goodall benannten Hugh Charlie Goliath und Sniff und drei ausgewachsenen Weibchen mit ihrem im Kindes oder Sauglingsalter befindlichen Nachwuchs 2 Die Kasakela Gruppe bestand hingegen aus zwolf erwachsenen Weibchen mit Jungtieren sowie acht ausgewachsenen Mannchen 2 Inhaltsverzeichnis 1 Der Krieg 2 Auswirkungen auf die Primaten Ethologie 3 Interdisziplinare Bedeutung 3 1 Evolutionsbiologie 3 2 Philosophische Anthropologie 4 Bibliographie 5 Weblinks 6 BelegeDer Krieg BearbeitenZum ersten Angriff mit todlichem Ausgang kam es am 7 Januar 1974 4 als sechs der Kasakela Mannchen den auf einem Baum befindlichen Schimpansen Godi der Kahama Gruppe umstellten angriffen und zu Boden geholt so lange auf ihn einschlugen traten und bissen bis er an den Verletzungen starb 1 Dies stellt die erste dokumentierte Situation dar in der Schimpansen einen Artgenossen toteten 4 In den folgenden vier Jahren wurden alle Mannchen der Kahama Gruppe durch die Mannchen der Kasakela Gruppe getotet 5 Auch eines der Weibchen fiel den Angriffen nachweislich zum Opfer zwei andere Weibchen gelten als verschollen und drei wurden in die Kasakela Gruppe integriert 5 Im Ergebnis gelang es den Kasakela Mannchen das Territorium der Kahama Gruppe zu ubernehmen 5 Dieser Raumgewinn blieb jedoch nicht von Dauer da das Gebiet nun direkt an das Territorium einer weiteren Schimpansengruppe der Kalande Gruppe grenzte 6 und nach einigen Auseinandersetzungen mit dieser sich als deutlich uberlegen erweisenden Gemeinschaft grosstenteils wieder aufgegeben wurde 6 Auswirkungen auf die Primaten Ethologie BearbeitenDie gewalttatigen Aktionen schockierten Goodall die bis dahin davon ausgegangen war dass das Verhalten der Schimpansen zwar dem menschlichen ahnle jedoch deutlich netter sei 7 In Verbindung mit einer kannibalistischen Kindstotung im Jahr 1975 durchgefuhrt von einer ranghohen gegen eine niederrangige Schimpansenmutter deutete Goodall ihre Beobachtungen als die dunkle Seite des Verhaltens unserer primatischen Verwandten In ihren Memoiren Through a Window My Thirty Years with the Chimpanzees of Gombe schrieb sie dazu For several years I struggled to come to terms with this new knowledge Often when I woke in the night horrific pictures sprang unbidden to my mind Satan one of the apes cupping his hand below Sniff s chin to drink the blood that welled from a great wound on his face old Rodolf usually so benign standing upright to hurl a four pound rock at Godi s prostrate body Jomeo tearing a strip of skin from De s thigh Figan charging and hitting again and again the stricken quivering body of Goliath one of his childhood heroes 8 Ich hatte jahrelang Probleme mit diesem neuen Wissen klarzukommen Oftmals wenn ich in der Nacht aufwachte sprangen mir unaufgefordert entsetzliche Bilder in den Kopf Satan einer der Affen wie er seine Hand unter Sniffs Kinn halt um das Blut zu trinken das aus der grossen Wunde in seinem Gesicht fliesst der alte Rodolf normalerweise so gutig aufrecht stehend um einen Vier Pfund Stein auf den ausgestreckten Korper von Godi zu schleudern Jomeo wie er einen Streifen Haut von Des Oberschenkel reisst Figan wie er auf den angeschlagenen zitternden Korper von Goliath einem seiner Kindheitshelden wieder und wieder losgeht und einschlagt nbsp Beobachtungsstation welche Goodall zum Futtern der Gombe Schimpansen nutzteAls Goodall der Fachwelt von den Ereignissen in Gombe berichtete wurde ihre These naturlich auftretender Kriege unter den Schimpansen zunachst angezweifelt Die wissenschaftlichen Modelle jener Zeit gingen davon aus dass es zwischen menschlichem und tierischem Verhalten allenfalls geringe Gemeinsamkeiten gebe 9 Einige Wissenschaftler warfen Goodall daher exzessiven Anthropomorphismus vor 9 andere nahmen an dass ihre Anwesenheit und Gewohnheit die Tiere zu futtern den gewaltsamen Konflikt in einer sonst friedlichen Gesellschaft erst ausgelost hatten 10 Spatere Forschungen begannen in der Konsequenz ganz bewusst die Tiere moglichst unbeeinflusst zu lassen also auch nicht zu futtern Denn tatsachlich hatte Goodalls Idee die Schimpansen mit Bananen anzulocken die Vermehrungsquote begunstigt und dadurch unwissentlich zum Ausbruch des Konflikts beigetragen Dennoch konnte bestatigt werden dass kriegsahnliche Auseinandersetzungen sowohl mit fremden Gruppen als auch intern im Zusammenhang der Spaltung zu gross gewordener Gemeinschaften zum naturlichen Territorialverhalten unserer nachsten genetischen Verwandten gehoren 10 11 Eine erganzende Bestatigung erfuhr Goodalls Interpretation des Geschehens schliesslich durch ein von ihr unabhangig unternommenes Projekt Die Primaten Ethologen David Watts und John Mitani erforschten und filmten fur eine Dauer von uber zwanzig Jahren eine Schimpansenhorde die zuletzt aus mehr als 200 Individuen bestand Ort des Geschehens Ngogo im Kibale Nationalpark Uganda 12 13 Ergebnis Die ausgezeichnete Ernahrungslage in ihrem ungewohnlich fruchtbaren Gebiet hatte die Gruppe stark wachsen lassen jedoch scheint die Mitgliederzahl eines mannlichen Teams auf ein Maximum begrenzt Mindestens ein Trupp der Mannchen hatte angefangen sich tendenziell von den anderen abzuspalten und regelmassig Angriffe auf eine benachbart lebende fremde Schimpansenhorde zu unternehmen Schliesslich wendete sich ihr territorialer Kampfinstinkt todlich gegen Mitglieder der eigenen Horde offenbar weil ihnen nicht gelungen war der fremden Horde genugend Raum zum Auswandern von Ablegern ihrer eigenen ehemaligen Gemeinschaft abzuringen Interdisziplinare Bedeutung BearbeitenEvolutionsbiologie Bearbeiten Wie die mannlichen Exemplare der Gemeinen Schimpansen sich zu Kampfverbanden organisieren um die von ihnen besetzten Reviere gegen Fressfeinde und arteigene Konkurrenz zu behaupten die eroberten Frauengemeinschaften ihren Nachwuchs betreuen und dieser seinerseits interagiert ist von Interesse fur die Anthropologie wie auch die Psychologie 14 Jane Goodall war eine von drei Assistentinnen die Louis Leakey beauftragte die Formen des Zusammenlebens bei den Schimpansen Orang Utans durch Birute Galdikas und Gorillas durch Dian Fossey zu erkunden Als Palaoanthropologe erhoffte er sich aus den Ergebnissen der somit neu begrundeten Forschungsgebiete Ruckschlusse auf die Evolution des Verhaltens in der fruhen stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen ziehen zu konnen fur Goodall ein Auftrag den sie zu ihrer Lebensaufgabe gemacht hat Philosophische Anthropologie Bearbeiten Dem Homo sapiens stehen mehrere weitere Optionen zur Wahl Seine Angehorigen verfugen uber ein so weit evolutioniertes Bewusstsein dass sie prinzipiell fahig sind das Geschehen erlebter Kriege im Gedachtnis zu behalten zu tradieren und in weiser Berucksichtigung der begrenzten Oberflache des Planeten ihre Geburtenrate zu kontrollieren Nicht weniger sind sie grundsatzlich dazu imstande ihre kampferischen Impulse bewusst selbst zu bezahmen indem sie z B mit ihren Feinden Vertrage vereinbaren die den Ressourcenmangel als haufiges Resultat einer Uberbevolkerung durch friedlichen Gutertausch kompensieren Auf dieses Vermogen macht der Primatenethologe Frans de Waal aufmerksam aus Anlass eben des Eindrucks der Grausamkeit des kriegsahnlichen Verhaltens unserer nachsten Verwandten und der durch das Interview ebenfalls aufgeworfenen Fragen was wir mit ihnen teilen wodurch wir uns unterscheiden 15 Bibliographie BearbeitenJane Goodall Through a Window My Thirty Years with the Chimpanzees of Gombe Houghton Mifflin Harcourt 2010 ISBN 978 0 547 48838 7 Ian Morris War What Is It Good For The Role of Conflict and the Progress of Civilisation from Primates to Robots MacMillan 2014 ISBN 978 1 84765 454 0 Jane Goodall The chimpanzees of Gombe patterns of behavior Belknap Press of Harvard University Press 1986 ISBN 0 674 11649 6 Weblinks Bearbeitenarte Dokumentation 2016 Kampf der Kriegeraffen 20 Jahre lang filmten Anthropologen die Ngogo Schimpansen Der Dokumentarfilm gewann beim Jackson Hole Wildlife Film Festival 2017 den Preis als Best Animal Behavior Film Belege Bearbeiten a b Goodall 2010 p 121 a b c Goodall 2010 p 120 Barras Colin Only known chimp war reveals how societies splinter In New Scientist 7 Mai 2014 abgerufen am 6 Marz 2017 a b Morris p 288 a b c Morris p 289 a b Goodall 2010 S 129 130 Goodall 2010 p 128 Goodall 2010 pp 128 129 a b Bradshaw G A Elephants on the Edge What Animals Teach Us about Humanity Yale University Press 2009 ISBN 978 0 300 15491 7 S 40 a b Morris p 290 Nature of war Chimps inherently violent Study disproves theory that chimpanzee wars are sparked by human influence In ScienceDaily 17 September 2014 abgerufen am 6 Marz 2017 Kampf der Kriegeraffen Abgerufen am 17 Juni 2019 David P Watts John C Mitani Kampf der Kriegeraffen 86 Minuten Regie James Reed 2016 abgerufen am 20 September 2018 Kevin E Langergraber David P Watts Linda Vigilant John C Mitani Group augmentation collective action and territorial boundary patrols by male chimpanzees In Proc Natl Acad Sci USA 114 28 2017 7337 7342 Freier Artikel Philip Bethgen und Rafaela von Bredow Hippie oder Killeraffe In Der Spiegel Abgerufen am 26 August 2019 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schimpansenkrieg von Gombe amp oldid 229271343