www.wikidata.de-de.nina.az
Als Gossensche Gesetze bezeichnet man zwei volkswirtschaftliche Gesetze die auf der Annahme beruhen dass individuelle Praferenzen in Form von Nutzen quantifizierbar sind Demnach kann dem Grad der Bedurfnisbefriedigung eines Individuums ein Wert zugewiesen werden der in Nutzeneinheiten berechnet und ggfs mit verschiedenen Nutzeneinheiten verrechnet werden kann Die Gesetze sind von dem deutschen Volkswirt Hermann Heinrich Gossen 1810 1858 1854 in seinem Werk Entwickelung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fliessenden Regeln fur menschliches Handeln aufgestellt worden blieben lange unbeachtet und wurden erst spater als Gossensche Gesetze oder Gesetzmassigkeiten der Bedurfnisbefriedigung bezeichnet Entdeckt wurde das Werk nach dem Tod Gossens von einem Kollegen von Stanley Jevons der sich zu dieser Zeit noch mit Leon Walras darum stritt wem die Urheberschaft der wesentlichen Uberlegungen der subjektiven Wertlehre zufallen sollte Jevons Arbeit datiert auf 1871 Walras 1874 Nachdem sie von Gossens Werk erfahren hatten erkannten aber beide dessen Prioritat an 1 Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Erstes Gossensches Gesetz 2 1 Bedeutung 3 Zweites Gossensches Gesetz 4 Geltungsbereich und Kritik 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenAusserhalb der Rechtswissenschaft hier gibt es formale Gesetze spricht man in den ubrigen Wissenschaften von einem Gesetz oder einer Gesetzmassigkeit wenn aus einer Theorie orts zeit und kulturunabhangige allgemeingultige Aussagen abgeleitet werden die weltweit dauerhaft aber nicht immer ausnahmslos gelten Naturgesetze sind in der Naturwissenschaft dagegen ausnahmslos geltende Regeln fur den Ablauf des Geschehens 2 Die Gossenschen Gesetze beruhen auf Erfahrungswerten und gelten deshalb nicht ausnahmslos 3 Erst Friedrich von Wieser 1884 4 und Wilhelm Lexis 1890 5 bezeichneten sie erstmals als Gossensche Gesetze 6 Erstes Gossensches Gesetz Bearbeiten nbsp Abnehmen des Grenznutzens u Nutzen Du Grenznutzen q konsumierte Menge Das erste Gossensche Gesetz auch Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen oder Sattigungsgesetz lautet Die Grosse eines und desselben Genusses nimmt wenn wir mit Bereitung des Genusses ununterbrochen fortfahren fortwahrend ab bis zuletzt Sattigung eintritt 7 Das Gesetz besagt also dass der Konsum eines Gutes mit zunehmender Menge einen immer geringeren Zusatznutzen Grenznutzen stiftet Das erste Gossensche Gesetz greift damit unter der Annahme kardinal messbaren Nutzens die fur die meisten Aktivitaten als gultig erachtete Hypothese auf dass die erste Aktivitatseinheit mehr zusatzlichen Nutzen stiftet als die zweite die zweite mehr als die dritte die dritte mehr als die vierte und so weiter Reprasentiert man Praferenzen uber den Konsum nur eines Gutes durch eine differenzierbare Nutzenfunktion so besagt das erste Gossensche Gesetz dass die zweite Ableitung der Nutzenfunktion negativ ist Paradebeispiel ist der Konsum von Nahrungsmitteln bei denen typischerweise Sattigung eintritt und in der Folge der Grenznutzen auch negativ werden kann So stiftet der Genuss eines ersten Glases Wasser durch einen Durstigen einen sehr hohen Nutzen wohingegen das zweite bereits einen etwas geringeren das dritte wiederum etwas weniger zusatzlichen Nutzen bringt und das vierte vielleicht schon Vollegefuhl oder Ubelkeit verursacht d h der Grenznutzen schlagt ins Negative um Der Extremfall konnte so weit gehen dass man im Wasser ertrinkt falls zu viel davon da ist Die mathematische Formulierung des 1 Gossenschen Gesetzes Abnehmender Grenznutzen wenn man den Nutzen u displaystyle partial u nbsp zweier Guter x 1 displaystyle x 1 nbsp und x 2 displaystyle x 2 nbsp betrachtet lautet wie folgt u x 1 x 2 x 1 gt 0 u x 1 x 2 x 2 gt 0 2 u x 1 x 2 x 1 2 lt 0 2 u x 1 x 2 x 2 2 lt 0 displaystyle begin aligned frac partial u x 1 x 2 partial x 1 gt 0 frac partial u x 1 x 2 partial x 2 gt 0 frac partial 2 u x 1 x 2 partial x 1 2 lt 0 frac partial 2 u x 1 x 2 partial x 2 2 lt 0 end aligned nbsp Die erste Formel berucksichtigt den positiven die zweite den negativen Grenznutzen Bedeutung Bearbeiten Das Gesetz erscheint als empirische Regelmassigkeit unmittelbar plausibel ist aber in weiten Bereichen der mikrookonomischen Theorie verzichtbar Es ist weitgehend durch die Annahme ersetzt dass die Bessermengen einer Praferenzrelation konvex sind anschaulich abnehmende Grenzrate der Substitution zwischen je zwei Gutern Eine Ausnahme bilden stochastische Modelle in denen Wirtschaftssubjekte Entscheidungen treffen deren Konsequenzen zufallsbehaftet sind Hier ist die Annahme eines abnehmenden zunehmenden Grenznutzens einer zufallsbehafteten Auszahlung bzw die strenge Konkavitat Konvexitat der Nutzenfunktion aquivalent zur Annahme risikoaversen risikoaffinen Verhaltens da der Nutzen des Erwartungswertes der moglichen Auszahlungen bei einer solchen Nutzenfunktion grosser kleiner ist als der Erwartungswert der jeweiligen Nutzen der moglichen Auszahlungen Beispiel Mogliche Auszahlungen 0 displaystyle 0 nbsp und 100 displaystyle 100 nbsp Wahrscheinlichkeiten Jeweils 0 5 displaystyle 0 5 nbsp Erwartungswert der Auszahlungen 0 5 0 0 5 100 50 displaystyle 0 5 cdot 0 0 5 cdot 100 50 nbsp Bei abnehmendem Grenznutzen steigt der Nutzen U displaystyle U nbsp unterproportional zur Auszahlung z B U 0 0 U 50 3 U 100 4 displaystyle U 0 0 U 50 3 U 100 4 nbsp Hier ware dann der Nutzen des Erwartungswertes der Auszahlungen U 50 3 displaystyle U 50 3 nbsp grosser als der Erwartungswert der Nutzen der Auszahlungen E U 0 U 100 E 0 4 0 5 0 0 5 4 2 displaystyle operatorname E U 0 U 100 operatorname E 0 4 0 5 cdot 0 0 5 cdot 4 2 nbsp Man beachte die Ahnlichkeit zu Johann Heinrich von Thunens Gesetz des sinkenden Grenzertrags Zweites Gossensches Gesetz BearbeitenAndere Bezeichnungen sind Equimarginalprinzip Grenznutzenausgleichsregel Gesetz vom Ausgleich der gewogenen Grenznutzen gossensches Grenznutzenausgleichsgesetz und Genussausgleichsgesetz Der Mensch dem die Wahl zwischen mehren sic Genussen frei steht dessen Zeit aber nicht ausreicht alle vollaus sich zu bereiten muss wie verschieden auch die absolute Grosse der einzelnen Genusse sein mag um die Summe seines Genusses zum Grossten zu bringen bevor er auch nur den grossten sich vollaus bereitet sie alle teilweise bereiten und zwar in einem solchen Verhaltnis dass die Grosse eines jeden Genusses in dem Augenblick in welchem seine Bereitung abgebrochen wird bei allen noch die gleiche bleibt 8 Hermann Heinrich Gossen 1854 Beim zweiten Gossenschen Gesetz geht es um die Verteilung des Einkommens auf eine Vielzahl von Bedurfnissen um einen hochsten Gesamtnutzen zu erzielen Ein Haushalt befindet sich demnach in einem Haushaltsoptimum wenn seine Grenznutzen fur alle Guter jeweils geteilt durch den Preis des Gutes ubereinstimmen Andernfalls konnte er seinen Nutzen steigern da sich eine Umstrukturierung des Konsums so vornehmen liesse dass eine Ausgabenreduzierung bei einem Gut weniger Nutzeneinbusse als eine entsprechende Ausgabenerhohung bei einem anderen Gut Nutzenzuwachs bedeutet Das zweite Gossensche Gesetz gilt sowohl fur ordinale als auch fur kardinale Nutzenmessung wobei Gossen selbst von kardinaler Nutzenmessbarkeit ausging Die Aussage dass im Haushaltsoptimum das Preisverhaltnis je zweier Guter mit dem Verhaltnis ihrer Grenzrate der Substitution Steigung der Indifferenzkurve ubereinstimmen muss ist zum zweiten Gossenschen Gesetz aquivalent Bezeichnet man die Konsumgutermengen der n displaystyle n nbsp einem Individuum zur Verfugung stehenden Guter mit x 1 x n displaystyle x 1 ldots x n nbsp seine differenzierbare Nutzenfunktion mit u u x 1 x n displaystyle u u x 1 ldots x n nbsp und die Preise der Guter mit p 1 p n displaystyle p 1 ldots p n nbsp so lasst sich das zweite Gossensche Gesetz mathematisch wie folgt darstellen u x 1 x n x 1 p 1 u x 1 x n x n p n displaystyle frac partial u x 1 ldots x n partial x 1 p 1 ldots frac partial u x 1 ldots x n partial x n p n nbsp Geltungsbereich und Kritik BearbeitenGossens Werk die Entwickelung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fliessenden Regeln fur menschliches Handeln beschreibt den Konsum in einer Naturwirtschaft in der das Individuum nur fur sich produziert Der Konsum wird dabei nach der subjektiven Wertschatzung der Guter geplant Der Wert hat bei Gossen einen rein individuellen Charakter In Gossens Gesellschaft spielen weder kollektive Arbeit und Arbeitsteilung noch Warenproduktion fur den Tausch eine Rolle Insofern beschreibt Gossen eine psychologische Nutzen Theorie des isolierten Individuums statt den Verkehr in der Waren produzierenden Gesellschaft seiner Zeit in der industriellen Revolution Literatur BearbeitenHermann Heinrich Gossen Entwickelung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fliessenden Regeln fur menschliches Handeln Braunschweig 1854Weblinks BearbeitenVolkswirtschaftslehre Das 1 Gossensche Gesetz gehostet bei vimeo Gossensche Gesetze Definition im Gabler Wirtschaftslexikon gossensche Gesetze Artikel bei der Bundeszentrale fur politische BildungEinzelnachweise Bearbeiten Ulrich van Suntum Die unsichtbare Hand 3 Auflage Springer 2005 S 36 ISBN 9783540252351 Max Apel Peter Ludz Philosophisches Worterbuch 1958 S 110 ISBN 9783110067293 Duncker amp Humblot Hrsg Schriften des Vereins fur Socialpolitik Band 183 1931 S 187 Friedrich von Wieser Uber den Ursprung und die Hauptgesetze des wirtschaftlichen Wertes 1884 S 1 ff Wilhelm Lexis Grenznutzen in Verlag G Fischer Hrsg Handworterbuch der Staatswissenschaften Band I 1890 S 422 432 Dr Th Gabler GmbH Hrsg Gabler Volkswirtschafts Lexikon 1990 S 317 Hermann Heinrich Gossen Entwickelung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fliessenden Regeln fur menschliches Handeln Braunschweig 1854 S 4 f Hermann Heinrich Gossen Entwickelung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fliessenden Regeln fur menschliches Handeln Braunschweig 1854 S 12 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gossensches Gesetz amp oldid 236311457 Erstes Gossensches Gesetz