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Erinnerungsarbeit ist ein Prozess der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der sowohl eine ethische als auch eine historische Dimension hat 1 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte und Gedachtnis 2 Pierre Nora uber Erinnerungsarbeit 3 Jacques Derrida uber Erinnerungsarbeit 4 Barbara Gabriel uber Gedachtnisarbeit 5 Kunstlerische und aktivistische Erinnerungsarbeit 6 Postkoloniale Sichtweisen 7 Siehe auch 8 Einzelnachweise 9 BibliographieGeschichte und Gedachtnis BearbeitenDie Pramisse fur Erinnerungsarbeit oder travail de memoire ist dass Geschichte keine Erinnerung ist Wir versuchen die Vergangenheit in der Gegenwart durch Erinnerung Geschichte und Archive zu reprasentieren Wie Paul Ricœur argumentierte ist das Gedachtnis allein fehlbar 2 Historische Darstellungen sind immer partiell und potentiell falsch da Historiker nicht mit nackten uninterpretierten Fakten arbeiten Historiker konstruieren und benutzen Archive die Spuren der Vergangenheit enthalten Allerdings bestimmen Historiker und Bibliothekare welche Spuren bewahrt und gespeichert werden Dies ist eine interpretierende Tatigkeit Historiker stellen Fragen auf die das Archiv antwortet was sie zu Fakten fuhrt die in singularen diskreten Satzen behauptet werden konnen die gewohnlich Daten Orte Eigennamen und Verben von Handlungen oder Zustanden enthalten 3 Individuen erinnern sich an Ereignisse und Erfahrungen von denen sie einige mit einem Kollektiv teilen Durch gegenseitiges Rekonstruieren und Nacherzahlen wird das kollektive Gedachtnis rekonstruiert Individuen werden in einen familiaren Diskurs hineingeboren der bereits einen Hintergrund von gemeinschaftlichen Erinnerungen bietet vor dem individuelle Erinnerungen geformt werden Das gemeinschaftliche Gedachtnis einer Gruppe wird zu ihrem gemeinsamen Wissen das ein soziales Band ein Gefuhl der Zugehorigkeit und Identitat schafft Historiker versuchen das kollektive Gedachtnis zu bekraftigen zu korrigieren oder zu widerlegen Erinnerungsarbeit bedeutet dann eine ethische Komponente hinzuzufugen die die Verantwortung fur die Aufarbeitung verzerrter Geschichten anerkennt und dadurch das Risiko sozialer Ausgrenzung verringert und die Moglichkeit des sozialen Zusammenhalts von Risikogruppen erhoht Das Konzept der Erinnerungsarbeit das sich von der Geschichte als Erinnerung unterscheidet findet im Vichy Syndrom wie es von Rousso beschrieben wird einen lehrbuchhaften Fall 4 In seinem Titel verwendet er die medizinische Lexik um sich auf das Geschichtsgedachtnis zu beziehen das von der bewussten Arbeit mit unbewussten Erinnerungen abhangt um die Darstellung der Geschichte zu revidieren Dies erfordert ein erweitertes Archiv das die mundliche und volkstumliche Uberlieferung 5 sowie die normalerweise mit den Archiven verbundenen schriftlichen Uberlieferungen umfasst Pierre Nora uber Erinnerungsarbeit BearbeitenPierre Nora fuhrte vor ca 25 Jahren den Begriff lieu de memoire ein und fuhrte den Aufschwung der Erinnerungsarbeit auf der Ebene des Nationalstaates auf die Aufarbeitung der verzerrten Geschichte des antisemitischen Vichy Frankreich 1940 1944 nach dem Tod von Charles de Gaulle im Jahr 1970 6 Strukturelle Veranderungen ergaben sich aus dem Ende der Bauernschaft und dem dramatischen wirtschaftlichen Einbruch mit dem weltweiten Anstieg der Olpreise 1974 Lieu de memoire schloss Perspektiven um das kulturelle Gedachtnis besser zu verstehen anstatt Perspektiven zu offnen Er assoziierte Erinnerung mit Ort und Lage Bei der Erinnerungsarbeit ist der Prozess der Herstellung eines Bildes oder das was wir als die Produktion des Imaginaren bezeichnen zentral Der Schlussel in der Analyse der erinnerten Geschichte sind daher Widerspruche 7 Jacques Derrida uber Erinnerungsarbeit BearbeitenNachdem er sich 1966 an der Yale University kennengelernt hatte war Jacques Derrida ein Kollege und Freund von Paul de Man 8 bis zu de Mans Tod 1983 1984 hielt Derrida drei Vorlesungen darunter eine an der Yale University uber die Kunst der Erinnerung In Memories for Paul de Man Derrida 1986 beschrieb er die Beziehung zwischen Erinnerungsarbeit und Dekonstruktion in dieser oft zitierten Passage Die eigentliche Bedingung einer Dekonstruktion kann im Werk innerhalb des zu dekonstruierenden Systems am Werk sein Sie kann bereits dort angesiedelt sein bereits am Werk Nicht im Zentrum sondern in einem exzentrischen Zentrum in einer Ecke deren Exzentrizitat die solide Konzentration des Systems sicherstellt das an der Konstruktion dessen teilnimmt was es gleichzeitig zu dekonstruieren droht Man konnte dann geneigt sein zu diesem Schluss zu kommen Dekonstruktion ist keine Operation die sich im Nachhinein von aussen eines schonen Tages aufdrangt Sie ist immer schon im Werk am Werk Da die zerstorerische Kraft der Dekonstruktion immer schon in der Architektur des Werks selbst enthalten ist musste man letztlich nur Gedachtnisarbeit leisten um dekonstruieren zu konnen da dies immer schon der Fall ist Doch da ich eine genau so formulierte Schlussfolgerung weder akzeptieren noch zuruckweisen will lassen wir diese Frage vorerst in der Schwebe Derrida 1986 S 71 9 Barbara Gabriel uber Gedachtnisarbeit BearbeitenBarbara Gabriel lieferte ein Modell um die Komplexitat des Erinnerns und Vergessens zu lesen indem sie das unheimlich innerhalb der heimlich verortete in einer freudschen Freud Struktur 10 Als Ausgangspunkt untersuchte Gabriel Edgar Reitz elfteilige westdeutsche Fernsehserie mit dem Titel Heimat Reitz Arbeit war eine Reaktion auf eine grossere Bewegung in der nationalen Erinnerungsarbeit in Deutschland die zum Teil durch eine amerikanische Fernsehserie mit dem Titel Holocaust provoziert wurde die von Millionen Menschen gesehen wurde Als die europaische Kunst im Allgemeinen und die deutsche Kunst im Besonderen in den 1960er Jahren wieder auflebte erlangten Kunstler wie Gunter Grass und Edgar Reitz internationale Aufmerksamkeit da sie sich mit Fragen der Identitat in einem geteilten Deutschland nach dem Holocaust auseinandersetzten Gabriel entwickelte das Konzept eines Impulses zur nationalen Erinnerungsarbeit in Deutschland der aus der Sehnsucht eines geplagten Subjekts nach einem verlorenen weit entfernten nostalgischen Ort einer utopischen Heimat herruhrte Wie konfrontieren wir das was wir ausgeschlossen haben um zu sein sei es die Ruckkehr des Verdrangten oder die Ruckkehr des Fremden 11 Mit anderen Worten Das was wir als das Andere furchten ist durch unsere gemeinsame Menschlichkeit in uns selbst Verdrangte Erinnerungen suchen uns alle heim Kunstlerische und aktivistische Erinnerungsarbeit BearbeitenNachdem die australische Performance Kunstlerin Tanya Heyward 2005 in Kapstadt Sudafrika an einem Workshop zur Erinnerungsmethodik teilgenommen hatte der sich mit den Traumata von Zwangsumsiedlungen befasste schuf sie 2006 im Melbourner Watch House ein Performance Stuck mit dem Titel Site Sie bezog sich dabei auf ein Graberfeld in der Prestwich Street in Kapstadt Sudafrika mit dreitausend Skeletten aus der Zeit der hollandischen Kolonisation dem grossten seiner Art in Sudafrika 12 Postkoloniale Sichtweisen BearbeitenDas Konzept der Erinnerungsarbeit ist Teil einer soziologischen Vorstellung aus postnationaler Sicht In Anlehnung an Norbert Loeffler Die Idee der einen nationalen Geschichte ist nur als Frage nicht als Antwort akzeptabel Erinnerungsarbeit ist verwandt mit Identitatsarbeit die oft mit Vertriebenen in Verbindung gebracht wird Einige der provokantesten Forschungen zur Erinnerungsarbeit wurden von den Pied noir oder franzosischen Kolonialisten in Algerien verfasst die nach dem Algerienkrieg nach Frankreich zuruckkehrten Beispiele fur solche Denker sind Jacques Derrida und Helene Cixous Eine weitere bedeutende Schriftstellerin auf diesem Gebiet Julia Kristeva verliess ebenfalls ihr Geburtsland und emigrierte im Alter von 24 Jahren von Bulgarien nach Frankreich Siehe auch BearbeitenErinnerungskultur Nationales Gedachtnis Giorgio Agamben Walter Benjamin Dekonstruktion Ewige Wiederkehr Liste der Dekonstrukteure Heinrich Heine Friedrich Nietzsche Posttraumatische Belastungsstorung PostmoderneEinzelnachweise Bearbeiten 2004 Gabriel Barbara Die unertragliche Fremdheit des Seins Edgar Reitz Heimat und die Ethik des Unheimlichen in Postmodernism and the Ethical Subject hrsg von B Gabriel und S Ilcan Montreal amp Kingston McGill Queen s University Press 1955 Ricoeur Paul History and Truth Ubersetzt von C A Kelbley Evanston Northwestern University Press 2 Auflage 1965 2000 Ricoeur Paul La Memoire l Histoire l Oubli l ordre philosophique Editions du Seuil S 226 1991 Rousso Henry The Vichy Syndrome History and Memory in France since 1944 Ubersetzt von A Goldhammer Cambridge London Harvard University Press 2004 Gabriel Barbara The Unbearable Strangeness of Being Edgar Reitz s Heimat and the Ethics of the Unheimlich in Postmodernism and the Ethical Subject edited by B Gabriel and S Ilcan Montreal amp Kingston McGill Queen s University 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