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Als Eigenschwingungen der Erde oder Eigenfrequenzen der Erde umgangssprachlich auch Erdbrummen genannt wird die andauernde Bewegung der Erde durch die Uberlagerung niederfrequenter Schwingungen bezeichnet Nur bestimmte Frequenzen tragen zu den Eigenschwingungen der Erde bei da sich die Wellen so uberlagern mussen dass sie beim Umlaufen der Erde stehende Wellen ausbilden 1 Prinzipiell sind die Eigenschwingungen der Erde unabhangig von Einzelereignissen und jede Bewegung des Erdkorpers fuhrt zu Eigenschwingungen Messbare Veranderungen der Schwingungen werden fur gewohnlich durch grossere Ereignisse wie z B Erdbeben verursacht Ein dem Erdbrummen ahnlicher Effekt wird ebenfalls bei anderen Planeten wie etwa dem Mars vermutet weshalb auch allgemein von Planetenbrummen gesprochen wird Nachgewiesen sind solche Eigenschwingungen ausserdem fur die Sonne Inhaltsverzeichnis 1 Begriff 2 Eigenschaften 2 1 Allgemeines 2 2 Arten 2 2 1 Spharoidale Schwingungen 2 2 2 Toroidale Schwingungen 3 Ursachen 3 1 Allgemeines 3 2 Jahreszeitliche Effekte 4 Erforschung 4 1 Ziele 4 2 Vorgeschichte 4 3 Geschichte und Methoden 5 Musik 6 Literatur 7 Weblinks 8 QuellenBegriff BearbeitenIm Englischen werden die Eigenschwingungen der Erde fachsprachlich als Free Oscillations of the Earth bezeichnet Auch wird das Wort hum englisch fur Brummen verwendet das allerdings mehrdeutig ist Darunter werden einerseits niederfrequente Brummgerausche verstanden die lokal abhangig sind und nicht von jedem gehort werden siehe Brummton Phanomen Andererseits wird auch die allgemeinere Mikroseismik englisch microseisms die Bodenunruhen zwischen den eigentlichen seismischen Ereignissen umfasst und somit die Eigenschwingung der Erde mit einschliesst im Englischen hum oder Earth hum genannt Eigenschaften BearbeitenAllgemeines Bearbeiten Die gemessenen elastischen Eigenschwingungen der Erde liegen zwischen 0 3 54 min und etwa 20 mHz 50s wobei die obere Grenze von 20 mHz nur durch das gewahlte Auswerteverfahren gegeben ist 2 Schon im Bereich von 3 bis 7 Millihertz uberlagern sich etwa 60 verschiedene Frequenzen die ein Gemisch in dem vom Menschen mit dem Gehor nicht mehr wahrnehmbaren Infraschallbereich bilden Die Schwingungen sind zudem so schwach dass sie nur mit hochempfindlichen Messgeraten registriert werden konnen Eine wichtige Eigenschaft dieses Frequenzgemisches besteht darin dass es sich nicht um eine Obertonreihe handelt wie sie entsteht wenn etwa eine Glocke angeschlagen wird sondern vielmehr um eine Mischung unterschiedlichster Frequenzen ahnlich einem Orchester Arten Bearbeiten Es existieren zwei Arten von Schwingungen spharoidale und toroidale Beide Schwingungsarten tragen je etwa die Halfte zum Gesamteffekt bei Spharoidale Schwingungen Bearbeiten Spharoidale Schwingungen sind Deformationen der Erdoberflache die als Folge einer Interferenz von P Rayleigh und vertikal polarisierten S Wellen entstehen Die resultierenden Schwingungen sind tangential und vertikal 3 Sie treten im Takt von Minuten auf Die Ausschlage betragen wenige Zehntel Mikrometer Toroidale Schwingungen Bearbeiten Toroidale Schwingungen sind Verdrehungen der Erde die infolge der Interferenzen von Love und horizontal polarisierten S Wellen entstehen Die resultierenden Schwingungen sind ausschliesslich tangential 3 Toroidale Schwingungen treten ebenfalls im Minutentakt auf Ursachen BearbeitenAllgemeines Bearbeiten Wahrend man heute glaubt spharoidale Schwingungen gut zu verstehen geben die toroidalen Schwingungen noch Ratsel auf Als Ursache der spharoidalen Schwingungen gelten bisher Druckschwankungen wie sie die Bewegungen von Meer und Atmosphare bewirken Ursache der toroidalen Schwingungen sind Scherkrafte deren Herkunft jedoch bisher unklar ist Es gibt zahlreiche Vermutungen die aber alle bisher spekulativ sind und allenfalls kleine Teile der toroidalen Schwingungen erklaren Topographische Effekte durch Tiefseegebirge wurden angenommen so sollen Berge am Meeresgrund Druck in Scherkrafte umlenken Ebenso soll eine unsichtbare Kopplung Bewegungsenergie zwischen beiden Schwingungsformen ubertragen Diese Kopplung beruht auf der Gestalt der Erde die keine exakte Kugel ist sondern an den Polen leicht abgeplattet Erdbeben sollen die toroidalen Schwingungen anregen Sogar die grossraumige Rotation der Luft um Tiefdruckgebiete wurde bereits verantwortlich gemacht Die Schwierigkeit die toroidalen Schwingungen zu erklaren liegt auch in der Schwierigkeit sie zu messen Lokale Luftdruckschwankungen uberlagern die toroidalen Eigenschwingungen der Erde Um sie zu messen sind deshalb Untertage Observatorien notwendig welche die Messgerate gegen derartige Schwankungen isolieren Jahreszeitliche Effekte Bearbeiten Die spharoidalen Schwingungen unterliegen jahreszeitlichen Effekten Am starksten sind diese wenn auf der Nord oder Sudhalbkugel jeweils Winter herrscht Von Dezember bis Februar kommen die starksten Schwingungen aus Nordwesten von Juni bis August aus Suden Eine mogliche Erklarung hierfur liefert eine Theorie die 2004 von Junkee Rhie und Barbara Romanowicz von der University of California at Berkeley aufgestellt wurde Danach kamen Sturme als Ursache infrage Starke Sturme toben im Winter uber die Meere und erzeugen Wellen die bis zum Meeresboden reichen und diesen durchkneten Ist auf der Nordhalbkugel Winter toben diese Sturme vor allem auf dem Nordatlantik und dem Nordpazifik Im Winter der Sudhalbkugel toben sie hauptsachlich in den Meeren um die Antarktis herum 4 Die toroidalen Schwingungen konnen durch diesen Effekt jedoch so nicht erklart werden Erforschung BearbeitenZiele Bearbeiten Neben der Erklarung der toroidalen Schwingungen verspricht man sich von der Erforschung des Erdbrummens vor allem ein besseres Verstandnis uber das Zusammenwirken von Atmosphare festem Erdkorper und Meeren und hieraus wiederum verbesserte Klimamodelle Daneben erhofft man sich auch neue Erkenntnisse uber den inneren Aufbau der Erde aber auch anderer Planeten etwa Mars Vorgeschichte Bearbeiten Bereits in der griechischen Antike existierte die Vorstellung einer Spharenharmonie Die Bewegungen der Planeten sollten fur den Menschen unhorbare Planetentone erzeugen Noch 1619 postulierte der Astronom Johannes Kepler in seiner Harmonice Mundi eine solche Spharenharmonie Obwohl inzwischen wissenschaftlich uberholt findet die Idee der Spharenharmonie noch immer Interesse in Kunst und Esoterik nbsp Nachbau des Seismoskops von Zhang HengDer chinesische Astronom Zhang Heng erfand 132 n Chr das erste bekannte Seismoskop Schon in dem damaligen Gerat kam ein Pendel zum Einsatz 1794 begrundete Ernst Florens Friedrich Chladni die moderne Akustik Er zeigte dass akustische Schwingungen unabhangig von der Luft materialbezogen zu betrachten sind Damit bereitete er der modernen Seismologie den Weg da seismische Wellen letztlich nichts anderes sind als die Schwingungen der Materialien aus denen die Erde besteht Luigi Palmieri erfand um 1856 den elektrischen Seismographen nbsp Seismograph nach Emil Wiechert1897 entwickelte Emil Wiechert den ersten Seismographen der fur Untersuchungen des Erdinnern geeignet war 1898 wurde er Professor an der Universitat Gottingen Noch im gleichen Jahr wurde sein Institut in das weltweit erste Institut fur Geophysik umgewandelt Ab 1899 fuhrte er in der Sternwarte Messungen mit Pendeln und Lichtzeigern durch ab 1902 in der neugegrundeten Erdbebenwarte Gottingen der altesten noch in Betrieb befindlichen Erdbebenwarte der Welt Er schrieb Bucher und machte wichtige Entdeckungen Wiechert wurde damit zum Begrunder der modernen Seismologie 1960 entdeckte der amerikanische Physiker Robert B Leighton die Eigenschwingungen der Sonne und begrundete damit die Helioseismologie Traditionell lag der Schwerpunkt der Seismologie immer auf der Registrierung von Erd und Seebeben Vulkanausbruchen sowie kunstlich ausgelosten Erschutterungen siehe Seismik nicht zuletzt auch weil solche Ereignisse weit starkere Schwingungen hervorrufen als das Erdbrummen Im Laufe der Zeit wurden aber immer empfindlichere Messgerate entwickelt Pendel Seismometer und Gravimeter aber auch leistungsfahige Computer welche schliesslich die technischen Voraussetzungen schufen fur die Entdeckung und Erforschung des Erdbrummens Geschichte und Methoden Bearbeiten nbsp Streckeisen STS 2 Seismograph nbsp GRSN Observatorien im aussersten Sudwesten das BFO nbsp Blick auf die Altstadt von Schiltach1998 wurden erstmals die spharoidalen Schwingungen von Kazunari Nawa und Naoki Suda von der Universitat Nagoya entdeckt durch die mathematische Analyse von seismischen Daten die uber mehrere Jahre hinweg gesammelt worden waren 5 Die Erforschung der toroidalen Schwingungen bereitete dagegen lange Zeit Probleme Ursache ist eigentumlicherweise die Tatsache dass diese starker sind als die spharoidalen Schwingungen Dies liegt aber an lokalen Einflussen etwa Luftdruckschwankungen Um solche lokalen Einflusse auszuschliessen werden Untertage Observatorien genutzt wie z B das Black Forest Observatory BFO nahe Schiltach in Baden Wurttemberg Die Entdeckung der toroidalen Schwingungen gelang schliesslich Dieter Kurrle und Rudolf Widmer Schnidrig am BFO nachdem diese die dortigen Messreihen mit solchen aus China und Japan verglichen hatten Die Untersuchung der toroidalen Schwingungen gestaltet sich auch deshalb schwieriger weil nur wenige Observatorien geeignete Daten liefern konnen Gibt es weltweit uber hundert Observatorien die Daten fur die vertikalen Schwingungen liefern so sind es bei den toroidalen nur vier 6 Nachfolgend eine Tabelle der Stationen und Datenkanale deren Daten fur die Untersuchung der toroidalen Schwingungen verwendet wurden Station Kurzel Land Breite Lange Netzwerk Sensor Kanal ZeitraumBlack Forest Observatory BFO Deutschland 48 33 N 8 33 O IRIS IDA STS 1 VHE 1997 2006GRSN STS 2 LHE 1996 2006Baijiantuan BJT China 40 02 N 116 17 O CDSN STS 1 VHN 1994 2006Matsushiro MAJO Japan 36 54 N 138 21 O IRIS USGS STS 1 VHE 1996 2006Takato TTO Japan 35 84 N 138 12 O F net STS 1 LHN 1999 2006Fortschritte erhofft man sich in Zukunft auch durch Simulationen mittels Supercomputern Fur die Zukunft sind auch Raummissionen geplant Das ESA Programm ExoMars sah vor 2016 auf dem Mars zu landen um dort u a auch seismische Messungen vorzunehmen Ahnliches war bereits Ende der 1990er Jahre geplant gewesen In dem CNES gefuhrten Projekt Netlander sollten an vier verschiedenen Stellen des Mars Landekapseln fur seismische Messungen ausgesetzt werden Im Jahr 2003 wurde das Projekt jedoch gestoppt Musik BearbeitenKookoon INNER EARTH Seismosonic Symphony 1999 Traumton Records CD 4492 2 Der Berliner Tonmeister und Komponist Wolfgang Loos erstellte zusammen mit dem Geophysiker Frank Scherbaum vom Institut fur Geowissenschaften der Universitat Potsdam aus Schwingungen von Erdbrummen Erdbeben und Vulkanen eine Komposition Dabei mussten mithilfe mathematischer Verfahren die an sich unhorbaren Frequenzen in den menschlichen Horbereich ubertragen werden Literatur BearbeitenWalter Zurn Rudolf Widmer Schnidrig Globale Eigenschwingungen der Erde Physik Journal Band 1 2002 Nr 10 S 49 55 OnlineWeblinks BearbeitenVisualisierung der Eigenschwingungen der Erde Interdisziplinares Labor Carnot de Bourgogne Ralf Butscher Die Sinfonie der Erde Bild der Wissenschaft 1 2009 Konradin Medien GmbH Leinfelden Echterdingen ISSN 0006 2375 Homepage des BFO Das Summen der Erde Eigenschwingungen Welt der Physik DPGQuellen Bearbeiten Dieter Kurrle Die Hintergrundeigenschwingungen der Erde Hrsg Institut fur Geophysik der Universitat Stuttgart 2009 S 19 uni stuttgart de PDF Walter Zurn Rudolf Widmer Schnidrig Globale Eigenschwingungen der Erde Physik Journal Band 1 2002 Nr 10 S 49 55 Online a b Andreas Barth Bruckenkurs Geophysik Eigenschwingungen der Erde In YouTube KIT Karlsruhe 4 Juni 2019 abgerufen am 5 Juli 2023 deutsch Rhie Junkee und Romanowicz Barbara Excitation of Earth s continuous free oscillations by atmosphere ocean seafloor coupling Nature 431 552 556 30 September 2004 ISSN 0028 0836 in Englisch Naoki Suda Kazunari Nawa und Yoshio Fukao Earth s Background Free Oscillations Science Vol 279 no 5359 pp 2089 2091 27 Marz 1998 ISSN 0036 8075 in Englisch Kurrle Dieter und Widmer Schnidrig Rudolf The horizontal hum of the Earth A global background of spheroidal and toroidal modes Geophysical Research Letters Vol 35 2008 L06304 ISSN 0094 8276 in Englisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Eigenschwingungen der Erde amp oldid 235267983