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Das Gedicht Die zwei Gesellen wurde im Jahr 1818 von Joseph von Eichendorff verfasst Es wird teilweise auch unter dem Titel Fruhlingsfahrt gefuhrt und ist unter diesem Namen 1840 von Robert Schumann vertont worden op 45 no 2 in Romanzen und Balladen Inhaltsverzeichnis 1 Text 2 Interpretation 2 1 Einleitender Uberblick 2 2 Einzelanalyse der sechs Strophen 2 2 1 Ausgangssituation I und II 2 2 2 Unterschiedliche Lebenswege III bis V 2 2 3 Kommentar des lyrischen Ich VI 2 3 Ubergreifende Gesamtdeutung 3 Bezuge 3 1 Biografische Bezuge 3 2 Literarische Bezuge 3 3 Musikalische Bezuge 4 Literatur 5 WeblinksText BearbeitenDie zwei Gesellen Es zogen zwei rust ge Gesellen Zum erstenmal von Haus So jubelnd recht in die hellen Klingenden singenden Wellen Des vollen Fruhlings hinaus Die strebten nach hohen Dingen Die wollten trotz Lust und Schmerz Was Rechts in der Welt vollbringen Und wem sie vorubergingen Dem lachten Sinnen und Herz Der erste der fand ein Liebchen Die Schwieger kauft Hof und Haus Der wiegte gar bald ein Bubchen Und sah aus heimlichem Stubchen Behaglich ins Feld hinaus Dem zweiten sangen und logen Die tausend Stimmen im Grund Verlockend Sirenen und zogen Ihn in der buhlenden Wogen Farbig klingenden Schlund Und wie er auftaucht vom Schlunde Da war er mude und alt Sein Schifflein das lag im Grunde So still war s rings in die Runde Und uber die Wasser weht s kalt Es singen und klingen die Wellen Des Fruhlings wohl uber mir Und seh ich so kecke Gesellen Die Tranen im Auge mir schwellen Ach Gott fuhr uns liebreich zu dir Anmerkungen 1 Schwieger Schwiegermutter 2 Grund Abgrund TiefeInterpretation BearbeitenEinleitender Uberblick Bearbeiten Zunachst I bis V wird eine Geschichte erzahlt deren Hauptpersonen zwei Gesellen sind Darunter kann man sich zwei junge Manner vorstellen die ihre berufliche wahrscheinlich handwerkliche Grundausbildung abgeschlossen haben und sich nun in der Welt erproben und Erfahrungen sammeln wollen Das Wort Geselle konnte in fruheren Sprachstufen aber auch einfach nur Bursche oder Gefahrte bedeuten Die beiden begeben sich gemeinsam auf die Wanderschaft und gehen spater getrennte Wege In der letzten Strophe kommentiert ein lyrisches Ich die unterschiedlichen Schicksale Das Gedicht besteht aus sechs funfzeiligen Strophen mit dem Reimschema abaab wobei jeweils die drei Zeilen mit den a Reimen klingende Kadenzen haben z B Gesellen hellen Wellen und die mit den b Reimen stumpfe z B Haus aus So liegt dem gesamten Text ein grundsatzlicher Wechsel aus Vorwartsdrangen und leichtem Einhalten zugrunde Wegen des uberzahligen Verses mit klingendem a Reim uberwiegt das dynamische Element Alle Verse haben drei Hebungen die Senkungen sind teils zweisilbig z B Es zogen zwei rustge Gesellen teils einsilbig z B Zum ersten Mal von Haus man kann also von daktylischen und jambischen Versfussen sprechen sodass sich auch in dieser Hinsicht ein Wechsel ergibt und zwar zwischen fast tanzerischem Schwung und einem ruhigeren festeren Schritt Die beschriebenen Phanomene zeigen auf dass ein enger Zusammenhang zwischen inhaltlichen und formalen Elementen besteht sodass man sie nicht getrennt voneinander betrachten sollte Einzelanalyse der sechs Strophen Bearbeiten Ausgangssituation I und II Bearbeiten Die erste Strophe die den Aufbruch der Gesellen schildert ist von Schwung und Enthusiasmus gepragt Es ist Fruhling die Kalte und die Dunkelheit des Winters sind endlich uberwunden sodass man der monotonen Enge des Hauses entfliehen kann Fur die beiden Protagonisten geht es daruber hinaus um die Losung aus festen Bindungen und Gewohnheiten Ihnen eroffnen sich weite Perspektiven und zwar sowohl im raumlichen als auch im zeitlichen Sinne denn die Welt und die Zukunft liegen vor ihnen Ihr Jubel uber die neu gewonnene Freiheit steht im Einklang mit dem Uberschwang der Natur Dies alles spiegelt sich in den formalen Mitteln wider Die Vokale sind uberwiegend hell die Enjambements beschleunigen das Tempo die Wellen symbolisieren Dynamik die Attribute suggerieren Fulle besonders der Schlagreim der Partizipien klingenden singenden I 4 Das etwas altmodische Adjektiv rustig I 1 das die beiden Gesellen charakterisiert ist hier in seiner ursprunglichen Bedeutung zu verstehen Sie sind gut gerustet fur das was ihnen begegnen wird sie sind den Anforderungen die auf sie zukommen gewachsen Die zweite Strophe zeigt dass es ihnen nicht nur um die Freiheit von etwas geht also die Befreiung von Einengungen und Zwangen sondern dass fur sie ausdrucklich die Freiheit zu etwas im Vordergrund steht also die Moglichkeit etwas Konstruktives zu leisten Dieser Aspekt wird durch die Anapher und den parallelen Satzbau in den ersten beiden Zeilen deutlich hervorgehoben Die strebten Die wollten II 1 2 In dieser Hinsicht wirken sie ernsthafter als der Taugenichts in Eichendorffs gleichnamiger Erzahlung der ziemlich leichtfertig reagiert als sein Vater ihn vor die Tur setzt Nun wenn ich ein Taugenichts bin so ists gut so will ich in die Welt gehen und mein Gluck machen Die beiden Gesellen dagegen streben nach hohen Dingen II 1 sie haben offensichtlich Ideale die uber die Befriedigung der eigenen Bedurfnisse hinausgehen Die Formulierung Was Rechts in der Welt vollbringen II 3 unterstutzt einerseits diesen hohen Anspruch relativiert ihn aber zugleich ein wenig denn etwas Rechtes ist etwas Ordentliches etwas Realisierbares nicht unbedingt etwas Aussergewohnliches und Geniales So ergibt sich eine Ausgewogenheit zwischen idealistischem und realistischem Streben Wer die beiden Gesellen sieht betrachtet sie wohlgefallig II 4 5 und so befinden sie sich nicht nur im Einklang mit sich selbst und der Natur vgl I 3 5 sondern sie erfahren daruber hinaus auch gesellschaftliche Akzeptanz Man kann also ihre Ausgangssituation in jeder Hinsicht als ausserst gunstig bezeichnen Lediglich die Formulierung trotz Lust und Schmerz II 2 enthalt eine kleine Einschrankung Interessant ist dabei die Parallelisierung von Lust und Schmerz die normalerweise eher als Gegensatze betrachtet werden Die Gemeinsamkeit besteht darin dass sie eine grundsatzliche Schwache der menschlichen Natur darstellen die sich durch vorubergehende Gefuhle und Befindlichkeiten seien sie positiv oder negativ zu leicht von vorgesteckten Zielen abbringen lasst Wenn also hier eine ganz leichte Besorgnis in Bezug auf das spatere Schicksal der beiden Gesellen aufkommt so betrifft sie nicht diejenigen Hindernisse und Gefahren die ihnen in der Aussenwelt begegnen konnten sondern sie bezieht sich auf das was jedem Menschen immanent ist ihm also von innen von seinem eigenen Wesen her droht Unterschiedliche Lebenswege III bis V Bearbeiten Schon bald trennen sich die Wege der beiden Gefahrten was nicht negativ gewertet zu werden braucht weil solche Trennungen zu den naturlichen Elementen der Ablosungsphase gehoren in der die beiden Protagonisten sich befinden Dritte Strophe Der Weg des ersten Gesellen scheint schnell in einem Erfolg zu munden der dem anspruchsvollen Streben gerecht wird denn die Liebe III 1 ist ein hohes Ideal die Grundung einer Familie III 3 und die Bewirtschaftung eines Hofes sind etwas Rechts Die Rolle der Schwiegermutter lasst allerdings leichte Bedenken aufkommen III 2 War da ein wenig Bestechung ihrerseits und ein wenig materialistischer Opportunismus von Seiten des ersten Gesellen im Spiel Auf der inhaltlichen Ebene findet man keine weiteren Hinweise die bei der Entscheidung helfen aber die Analyse der formalen Mittel fuhrt zu einem wenig erfreulichen Ergebnis Die Diminutivformen Liebchen Bubchen Stubchen III 1 3 4 ironisieren den Lebensstil und ziehen ihn ins Lacherliche die Unreinheit der Reime Trubung des hohen reinen i zum u lassen die Echtheit der Liebe fragwurdig erscheinen die Dynamik der eingangs beschriebenen Wellen I 4 wird auf das Wiegen des Kindes III 3 reduziert Der kurzatmige Zeilenstil uberwiegt Es findet sich nur ein einziges schwaches Enjambement III 4 5 das dazu dient den recht begrenzten Blick aus heimlichem Stubchen ins Feld hinaus zu illustrieren Dieser Geselle hat einen zu kurzen Bogen geschlagen was sich auch in der Wiederaufnahme von Reimwortern widerspiegelt III b entspricht I b Haus hinaus Er ist direkt aus der Geborgenheit des Elternhauses I 2 in die Gemutlichkeit des von der Schwiegermutter gekauften Hauses III 2 gezogen um sich dort zu etablieren und er ist vollig zufrieden mit seiner gesicherten Existenz und seiner festen Einbindung in die Familie Dieses Gluck wurde man ihm vielleicht gonnen wenn er seine Ideale II 1 3 nicht so leicht und schnell verraten hatte ohne sich dessen uberhaupt bewusst zu werden Vierte Strophe Die Rolle die beim ersten Gesellen das Liebchen und die Schwieger spielen ubernehmen beim zweiten Gesellen die Sirenen IV 3 deren betorendem Gesang sogar der kluge und erfahrene Odysseus nur dadurch widerstehen konnte dass er sich von seinen Gefahrten am Mast des Schiffes fest binden liess Der naive Geselle im vorliegenden Gedicht aber unterliegt ihren Verlockungen Die symbolische Bedeutung der Sirenen bezieht sich nicht nur auf den sinnlichen Bereich es gibt durchaus auch geistige Verfuhrungen so konnen die Sirenen als verkleidete Ideale auftreten die hohen Dinge konnen zu gefahrlichen Ideologien pervertiert sein Es gelingt also auch dem zweiten Gesellen nicht seine ursprunglichen Plane zu realisieren dennoch legt er wohl den weiteren Weg zuruck und dementsprechend wird auch der Darstellung seines Schicksals mehr Raum gewidmet namlich zwei Strophen In IV werden die dynamischen Elemente der ersten Strophe aufgegriffen und variiert Sein Leben ist reicher bunter dynamischer abenteuerlicher als das seines ehemaligen Gefahrten Das spiegelt sich in den extrem starken Enjambements und in der Fulle von Attributen wider die noch etwas starker als in I in Form von Partizipien auftreten Das akustische Element das in III vollig fehlt taucht in gesteigerter Form wieder auf und gipfelt in der Synasthesie farbig klingend IV 5 sodass ein ganzheitliches Erlebnis aus Bewegung Farbe und Klang entsteht Zugleich aber wachst die Gefahr Die dynamischen Wellen I 4 werden zu bedrohlichen Wogen IV 4 der durchgangige Hakenstil illustriert die Sogwirkung das Uberwiegen von dunklen Vokalen suggeriert Unheil und Untergang Zu welcher erbarmungslosen Enge sich schliesslich die Welt fur ihn reduziert verdeutlichen die harten b Reime Grund Schlund Er ist in eine Falle geraten und als sie sich wieder offnet und ihn freigibt was sich in der Milderung der Reime widerspiegelt Grunde Schlunde V 1 3 ist es zu spat Die funfte Strophe beschreibt dieses Scheitern des zweiten Gesellen welches ihm im Gegensatz zum ersten Gesellen deutlich bewusst wird Es ist ihm nicht gelungen Herr uber sein Leben zu werden und es in sinnvolle Bahnen zu lenken Der Schwung ist zerstort der Lebensmut ist gebrochen Das spiegelt sich darin wider dass nun abgesehen von einem einzigen muden Enjambement V 1 2 der Zeilenstil benutzt wird Das Bild des Seefahrers fuhrt der Dichter fort indem er von Schifflein V 3 spricht Im Gegensatz zum Stubchen III 4 des ersten Gesellen hat die Diminutivform hier aber keinen ironischen Unterton sondern wirkt eher mitleidig und traurig Wahrend man also die dritte Strophe geradezu als Parodie auf die Hochstimmung des Anfangs betrachten konnte wird man hier mit einer Tragodie konfrontiert Selbstvertrauen Einklang mit der Natur und gesellschaftliche Akzeptanz sind verloren es bleiben Resignation V 2 Kalte V 5 und Einsamkeit V 4 Besonders eindrucksvoll ist der Hinweis auf die Stille die in bitterem Kontrast steht zu dem Jubeln Singen und Klingen das eingangs geschildert wird Durch das einleitende so weist Eichendorff ausdrucklich auf den Bezug hin So jubelnd So still I 3 V 4 Positiv werten lasst sich das Bewusstsein des Scheiterns Der zweite Geselle ist zwar physisch und psychisch zerstort hat jedoch eine hohere Reflexionsstufe erreicht als der erste Kommentar des lyrischen Ich VI Bearbeiten Die sechste Strophe hebt das Geschehen auf eine andere Ebene da nun das lyrische Ich das sich bisher auf die Beschreibung der Handlung beschrankt hat in Erscheinung tritt und seinen Kommentar abgibt Zugleich greift diese letzte Strophe auf den Anfang des Gedichtes zuruck sie stellt das Gegenstuck zur ersten dar und zwar in einer fast spiegelbildlichen Verkehrung sodass es zu einer doppelten Umrahmung des gesamten Gedichtes kommt Den inneren Rahmen bilden I 3 5 und VI 1 2 Hier wird der Fruhling geschildert der reprasentativ fur die Welt steht Der aussere Rahmen wird durch I 1 2 und VI 3 5 gebildet und befasst sich mit dem Aspekt von Aufbruch und Heimkehr Die deutlichen inhaltlichen und die kaum merklichen stilistischen Unterschiede die sich bei aller Ahnlichkeit ergeben manifestieren die Weltanschauung des lyrischen Ich In I sind die Gesellen die Handlungstrager abgesehen von dem vorgezogenen grammatischen Subjekt es sie wandern hinaus in die Wellen des Fruhlings die also eine Ortsangabe darstellen An der entsprechenden Stelle in VI werden dagegen die Wellen zum Handlungstrager wahrend der Mensch hier das lyrische Ich in die Ortsangabe verdrangt wird In I werden die Gesellen als rustig bezeichnet in VI dagegen als keck die Einschatzung hat sich also sehr geandert Die Welt ist entschieden machtiger als sie auf den ersten Blick scheinen mag und wer meint seinen Lebensweg souveran wahlen und gestalten zu konnen uberschatzt sich selbst und ist hybrid Hybris So wird also durch stilistische Feinheiten bereits angedeutet was dann durch die Tranen des lyrischen Ich illustriert wird Die Schlusselfrage Woruber weint das lyrische Ich lasst sich so beantworten Die Tranen gelten nicht nur dem unglucklichen zweiten Gesellen sondern auch dem ersten der bedauernswert ist obwohl er sich selbst fur glucklich halt Daruber hinaus gilt die Wehmut des lyrischen Ich allen Gesellen VI 3 und das abschliessende Stossgebet zeigt dann dass die Gesellen hier reprasentativ fur alle Menschen stehen denn in die Bitte Ach Gott fuhr uns liebreich zu dir VI 5 schliesst das lyrische Ich sich selbst ausdrucklich mit ein und wenn man uber die fiktive Ebene des Gedichtes hinausgeht sogar den Leser Ubergreifende Gesamtdeutung Bearbeiten Wahrend es also zunachst nur um zwei Einzelschicksale zu gehen scheint stellt sich am Schluss heraus dass es tatsachlich um die grundsatzliche Gefahrdung des Menschen in der irdischen Welt geht Der tief religiose Eichendorff sieht die Einkehr im Grunde sogar Ruckkehr in die himmlische Heimat als eigentliches Ziel und erbittet von Gott eine liebevolle Fuhrung auf dem Weg dorthin Aber auch fur den weniger oder gar nicht religiosen Leser ist die Darstellung relevant denn die Grundproblematik ist allgemeingultig und weder an eine bestimmte Religion noch an eine historische Epoche gebunden Es geht um zwei menschliche Grundtendenzen namlich um das Bedurfnis nach Sicherheit und die Sehnsucht nach Freiheit die so gegensatzlich sind dass sie sich nur schwer vereinen lassen Wer den Aspekt der Sicherheit in den Vordergrund stellt geht feste Bindungen ein und verhalt sich moglichst gesellschaftskonform Die Geborgenheit die man gewinnt bezahlt man aber vielfach mit einer Enge und Monotonie die zu einer Art Gefangenschaft werden und zur Stagnation fuhren konnen Ist einem dagegen die Freiheit wichtiger so eroffnen sich unendliche Moglichkeiten und der dynamischen individuellen Entwicklung sind keine Grenzen gesetzt aber man ist gefahrdet und es drohen Chaos und Untergang Am Schicksal der beiden Gesellen werden zwei Extremfalle dargestellt die zum Scheitern verurteilt sind Oskar Seidlin formuliert das folgendermassen In keinem anderen Eichendorffschen Gedicht sind die Bedrohungen wahrer menschlicher Existenz engumzirktes Philisterium und allentgrenzender Selbstverlust Sich Verliegen und Sich Verlieren so scharf nebeneinandergestellt S 173 174 Die Hoffnung besteht darin dass es dem Menschen gelingt einen gangbaren Weg zwischen den Extremen zu finden Das lyrische Ich belasst es bei der Bitte an Gott der Dichter Eichendorff jedoch ist bei allem Gottvertrauen nicht so naiv dass er meint der Mensch konne sein Schicksal ganzlich in Gottes Hand geben und selbst die Hande in den Schoss legen Durch sein eigenes Leben demonstriert er den sehr aktiven Versuch einen Kompromiss zu finden zwischen dem Leben als Burger und dem als Kunstler Aber er ist sich der existenziellen Gefahrdung des Menschen immer bewusst und weiss dass die eigenen Versuche nur gelingen konnen wenn eine gutige und gnadige Vorsehung Beistand leistet Im vorliegenden Gedicht finden sich Anzeichen dafur dass Freiheit und Dynamik bei aller Gefahrdung ein wenig hoher eingestuft werden als die Sicherheit bei der die Stagnation droht Das zeigt sich einmal darin dass bei den funfzeiligen Strophen jeweils die klingenden also dynamischeren Reime gegenuber den stumpfen in der Uberzahl sind und zwar im Verhaltnis drei zu zwei Ausserdem sind dem zweiten Gesellen zwei Strophen statt nur einer gewidmet und sein Schicksal wird nicht ironisiert wie das des ersten sondern als tragisch empfunden Diese Akzentuierung kann man als typisch fur die Romantiker bezeichnen die dazu neigen den engstirnigen und selbstzufriedenen Philister bzw Spiessburger gering zu schatzen Bezuge BearbeitenBiografische Bezuge Bearbeiten Einerseits studierte Eichendorff Jura wurde Beamter und grundete eine Familie andererseits begann er schon in jungen Jahren mit dem Schreiben Er kannte also beide Lebensformen mit ihren positiven und negativen Seiten und vor allem auch die Muhe die es kosten kann beide zu vereinen Die Jahre zwischen dem Schulabschluss und seiner Heirat 1805 1815 konnte man in ubertragenem Sinne als seine Gesellen oder Wanderjahre bezeichnen vgl Eichendorff Leben Literarische Bezuge Bearbeiten In seinen Werken greift Eichendorff sowohl das Motiv des Wanderns als auch den Kontrast zwischen den gegensatzlichen Lebensformen immer wieder auf Letzteres gilt besonders auch fur seinen Zeitgenossen E T A Hoffmann der ebenfalls Jurist war und im Staatsdienst tatig Wolfgang Nehring sagt in seinem Buch uber die beiden Spatromantiker Beide sind beruflich an ein Amt gefesselt und sehnen sich aus der burgerlichen Existenz hinaus in das Reich der Poesie Der Gegensatz zwischen dem Philister und dem romantisch kunstlerischen Menschen ist ein Zentralproblem bei dem einen wie bei dem anderen S 11 Den Gegensatz zwischen dem Typ des ersten Gesellen und dem des zweiten beschreibt Eichendorff im ersten Kapitel des Romans Dichter und ihre Gesellen 1834 mit vielen anschaulichen Details Auf dem Weg nach Italien besucht der Dichter Fortunat seinen ehemaligen Studienfreund Walter der Beamter geworden ist Dieser wohnt in einem Hauschen am Markte sitzt in seiner stille n Stube im Schlafrock am Schreibtische neben grossen Aktenstossen Tabaksbuchse Kaffeekanne und eine halbgeleerte Tasse vor sich Als Fortunat ihm vorschlagt ein Glas Wein im Freien zu trinken hat Walter Bedenken das sei hier nicht gewohnlich man werde in kleinen Stadten zu sehr bemerkt Schliesslich fordert der Dichter den Beamten sogar zum Mitreisen auf Was hindert denn zum Exempel dich alle den Ballast von Vor Neben und Rucksichten frisch wegzuwerfen und frei mit mir in das offene Meer zu stechen Das nennt man Pflichttreue als hatte der Mensch nicht auch die hohere Pflicht sich auf Erden auszumausern und die schabigen Flugel zu putzen zum letzten grossen Fluge nach dem Himmelreich das eben auch nicht wie ein Wirtshaus an der breiten Landstrasse liegt sondern treu und ernstlich und mit ganzer ungeteilter Seele ersturmt sein will In den Werken Eichendorffs und Hoffmanns gehoren die Protagonisten vorwiegend zum Typ des zweiten Gesellen Wahrend bei Hoffmann ein marchenhaft glucklicher Ausgang fur diesen zwar moglich ist z B fur Anselmus in Der goldene Topf muss er doch weitaus ofter die Elemente des Verwirrenden Damonischen Gefahrlichen sei es von innen oder von aussen bis zum aussersten Extrem erfahren und geht nicht selten daran zugrunde wie z B Nathanael in Der Sandmann Hoffmann Zwar finden sich auch bei Eichendorff Beispiele fur das Scheitern z B Otto in Dichter und ihre Gesellen Den Protagonisten gelingt es aber vielfach trotz aller Gefahrdungen und Umwege eine Lebensform zu finden in der sie weder zum Philister werden noch untergehen So hat z B Florio in Das Marmorbild ganz ahnliche Verfuhrungserlebnisse wie Otto bei E T A Hoffmann bei ihm gelingt jedoch die Rettung Grundsatzlich kann man sagen dass die Protagonisten aller Entwicklungsromane im weitesten Sinne Gesellen sind und mit wechselndem Erfolg versuchen einen fur sie gangbaren Weg zwischen den Extremen zu finden Musikalische Bezuge Bearbeiten Die bedeutendste Vertonung des Textes von Eichendorff stammt von Robert Schumann unter dem Titel Fruhlingsfahrt Op 45 Nr 2 Das Motiv des Gesellen findet sich auch in bekannten Liederzyklen Die schone Mullerin und Winterreise von Franz Schubert Lieder eines fahrenden Gesellen von Gustav Mahler Diese Form ist durch die Kombination von Wort und Musik besonders dazu geeignet die intensive Darstellung punktueller gleichsam exemplarischer Zustande im Rahmen einer ubergreifenden Gesamtentwicklung darzustellen In den aufgefuhrten Beispielen ist die ungluckliche Liebe entweder das Hauptthema oder zumindest der Anlass bzw Grund woraus sich die weiteren Probleme ergeben Das gilt insbesondere fur das Problem das fur den Gesellen typisch ist Er muss versuchen einen Platz in der Gesellschaft zu finden der sich zugleich mit seinen individuellen Neigungen Fahigkeiten und Zielen vereinbaren lasst sodass ein Einklang zwischen dem einzelnen Menschen und der Welt moglich ist Das gelingt in den genannten Beispielen nicht der Weg dieser Gesellen fuhrt in Einsamkeit Resignation Tod Literatur BearbeitenWolfgang Nehring Spatromantiker Eichendorff und E T A Hoffmann Vandenhoeck u Ruprecht Gottingen 1997 ISBN 3 525 01219 5 Oskar Seidlin Versuche uber Eichendorff 3 Auflage Vandenhoeck u Ruprecht Gottingen 1985 ISBN 3 525 20723 9 Weblinks BearbeitenDie zwei Gesellen In zeno org Abgerufen am 11 Oktober 2023 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die zwei Gesellen amp oldid 238067497