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Die Lehrlinge zu Sais ist der Titel eines naturphilosophischen Romanfragments von Novalis Friedrich von Hardenberg Es wurde im Zeitraum von 1798 bis 1799 verfasst und erschien posthum 1802 herausgegeben von Friedrich Schlegel und Ludwig Tieck Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung und Einflusse 2 Struktur und Inhalt 3 Das Marchen von Hyacinth und Rosenbluthe 4 Deutung 5 Ausgaben 6 Literatur 7 WeblinksEntstehung und Einflusse BearbeitenDas grundsatzliche Thema des Romans der als achtsinnbildlicher Naturroman geplant war ist der Zusammenhang von Geist und Natur bzw von Selbsterkenntnis und Naturerkenntnis sowie die Ausbildung des Sinnes des Menschen fur die Natur Der Begriff Natur bezeichnet die Natur nicht nur im physischen Sinne sondern das gesamte In der Welt sein des Menschen Ein Bezug zu Schillers 1795 veroffentlichtem Gedicht Das verschleierte Bild zu Sais ist offensichtlich Im Gegensatz zu Die Lehrlinge zu Sais scheitert der Bildungsprozess in Schillers Gedicht jedoch da die Hybris des Junglings seine Wissensgier bestraft wird Novalis stellte die Fertigstellung der Lehrlinge zu Sais zugunsten der Arbeit an seinem bekanntesten Werk Heinrich von Ofterdingen zuruck Ein weiterer Grund fur die Unterbrechung der Arbeit an den Lehrlingen zu Sais waren die neuen naturmystischen Gedankengange Hardenbergs die durch die Beschaftigung mit den Schriften Jakob Bohmes angeregt worden waren Sie hatten eine Umarbeitung des Romans notwendig gemacht Aufgrund seines fruhen Todes am 25 Marz 1801 konnte Novalis jedoch das Werk nicht mehr vollenden Zur Entstehungszeit studierte Novalis an der Bergakademie Freiberg und beschaftigte sich eingehend mit naturwissenschaftlichen und naturphilosophischen Fragestellungen Dies hatte einen grossen Einfluss auf den Roman Struktur und Inhalt BearbeitenDer Text besteht aus zwei Teilen Einem ersten kurzeren Teil Der Lehrling und einem zweiten langeren Teil mit dem Titel Die Natur Der Roman beinhaltet kaum aussere Handlung sondern grosstenteils Gesprache bzw Aussagen zu einem gemeinsamen Thema Schauplatz des Geschehens ist der Tempel zu Sais Die beiden Teile des Fragments bestehen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Stimmen die sich in verschiedener Art und Weise uber die Natur und die Erkenntnis der Natur aussern Die Grundidee des Romans ist diese Vielzahl an naturphilosophischen Vorstellungen in ein Gesprach untereinander umzuformen Eine Sonderstellung nimmt das im zweiten Teil erzahlte romantische Kunstmarchen von Hyacinth und Rosenbluthe ein Sowohl Der Lehrling als auch Die Natur konnen in ein triadisch strukturiertes Schema gebracht werden I Der Lehrling Sprachreflexion Lehrer Kind und Ungeschickter LehrlingII Die Natur Triade Naturreflexion Vier mogliche Ansichten der Natur Verwirrung des Lehrlings Triade Marchen von Hyazinth und Rosenbluthe Triade Selbstaussprache der Natur Zweimal vier Ansichten der Reisenden SchlussgespracheDie Einteilung der Triaden die keine Synthesen bieten wird jedoch in der Forschung unterschiedlich vorgenommen und sollte als offene Struktureinteilung gesehen werden Teil I 1 beinhaltet eine sprachtheoretische Reflexion uber die Chiffrenschrift der Natur In Teil I 2 treten der Lehrer das Kind und der Ungeschickte auf Teil I 3 besteht aus dem Selbstgesprach des Lehrlings der den zuvor geausserten Ansichten eine Absage erteilt und die Notwendigkeit einsieht den eigenen Weg zu finden Die Figur des Lehrlings stellt moglicherweise ein Selbstportrat Novalis zu seiner Freiberger Studienzeit dar in der Figur des Lehrers kann sein Professor Abraham Gottlob Werner 1750 1817 gesehen werden Die Triaden in Teil II sind in sich wieder aufgegliedert Der erste Teil der 1 Triade kann nach romantischem Triadenmuster aufgegliedert werden Ausgangspunkt ist ein alter einfacher Naturzustand in dem die Natur noch verstandlich war Darauf folgt ein Zeitalter der Entfremdung von Mensch und Natur Der dritte Teil ist die mogliche Wiederkehr eines goldenen Zeitalters die Wiederherstellung des Urzustandes auf einem hoheren Niveau Es wird somit eine Spiralbewegung vollzogen Im zweiten Teil der ersten Triade werden vier verschiedene teils miteinander konkurrierende naturphilosophische Konzepte geaussert Hier werden unter anderem Anspielungen auf den Rationalismus und auf Johann Gottlieb Fichtes Philosophie deutlich Der dritte Teil der ersten Triade zeigt die Verwirrung des Lehrlings der allen geausserten Ansichten etwas Wahres abgewinnen kann Es tritt nun ein heiterer Gespiele auf der sagt dass der Philosophie die Stimmung Liebe und Sehnsucht fehle Diese Figur erzahlt das Marchen von Hyacinth und Rosenbluthe Die dritte Triade beginnt mit einer Selbstaussprache der Natur die sich uber das fehlende Gefuhl der Menschen fur die ursprungliche Einheit beklagt Anschliessend folgen vier Ansichten von Reisenden zur Annaherung von Mensch und Natur die jeweils einmal modifiziert werden Mit der dritten Stufe der dritten Triade bricht der Roman ab Hier treffen die Reisenden der Lehrling und der Lehrer zusammen Die Reisenden berichten von ihrer Suche nach der Ursprache die sie nach Sais gefuhrt hat Der Lehrer erzahlt von seinen Bemuhungen die Anlagen in seinen Lehrlingen zu erkennen und zu pflegen Das Marchen von Hyacinth und Rosenbluthe BearbeitenHyacinth und Rosenbluthe leben in ihrer Kindheit glucklich und in Liebe zueinander Dieses Verhaltnis wird gestort als ein fremder alter Mann auftaucht der Hyacinth drei Tage lang von fremden Landern und wunderbaren Sachen erzahlt Nach dem Besuch des Mannes erkrankt Hyacinth an der romantischen schon seit dem 18 Jahrhundert literarisch vielfach thematisierten Krankheit der Melancholie Er lebt still und einsam vor sich hin bis eine alte Frau im Wald ihm eines Tages erzahlt wie er Heilung finden kann Er zieht nun von zu Hause fort und wandert durch die Natur auf der Suche nach der verschleierten Jungfrau Die zunachst entfremdete Natur wird ihm im Laufe seiner Wanderung immer vertrauter und schliesslich erreicht er den Tempel der Isis und schlaft dort ein Im Traum gelingt es ihm nun den Schleier der Gottin zu luften und er erkennt das hohere Selbst seiner geliebten Rosenbluthe was zugleich sein hoheres Ich meint Mit ihr lebt er von nun an glucklich bis an sein Lebensende Durch die Liebe vermag Hyacinth somit hinter den Schleier zu blicken Er hat eine Entwicklung durchgemacht und am Ende steht die Erkenntnis Die Gottin und seine Geliebte verschmelzen in einer Mischung aus Traum und Realitat Das Romantisieren kann hier verdeutlicht werden Das unbekannte Heilige die Gottin wird logarithmiert und wird zu Rosenbluthe In der Umkehrung jedoch wird Rosenbluthe zur Gottin potenziert Dieses Marchen kann als die Quintessenz von Die Lehrlinge zu Sais angesehen werden Die Grenzen zwischen den Individuen und der Natur verschwimmen Fremdes und Vertrautes sind aus dem gleichen Stoff gemacht und die Liebe wird als hochste Erkenntnis erfahren Es folgt somit dass vollkommene Naturerkenntnis hohere Selbsterkenntnis ist Dieses Marchen ist nach dem bereits beschriebenen romantischen Triadenmuster gegliedert Der anfangliche Zustand der Einheit wird zerstort es folgt eine Phase der Entfremdung Am Ende steht das goldene Zeitalter und Hyacinth lebt auf hoherer Ebene mit Rosenblute zusammen Es hat somit eine Spiralbewegung stattgefunden Deutung BearbeitenJegliche Interpretation und Auslegung der Lehrlinge zu Sais ist stets unter dem Vorbehalt zu sehen dass es sich bei dem betrachteten Text um ein Fragment handelt uber dessen endgultige geplante Form trotz zahlreicher uberlieferter Paralipomena keine letztendliche Gewissheit besteht Der gesamte Roman ist eine Komposition aus Bruchstucken Verschiedene Ausserungen werden zusammengestellt aber keine der Ausserungen bringt die letztendliche Wahrheit zu Tage Die Einheit des Werkes liegt vielmehr in seiner Stimmenvielfalt Die einzelnen Abschnitte weisen zahlreiche Beziehungen und Verknupfungen untereinander auf Dieses multiperspektivische Verfahren ermoglicht wechselseitige Erganzungen und Relativierungen Wie Faden weben Leitmotive und Leitgedanken zusammen ein grosses Gewebe Dieses Kompositionsprinzip gleicht der Zusammensetzung der Natur Somit spiegelt der Roman die Einheit der Natur wider Die Bedeutung des Romans muss daher besonders in seiner Form gesehen werden Dieses Gewebe ist jedoch nicht abgeschlossen sondern das ganze Universum wird als ein ewiges Gesprach der Stimmenvielfalt gesehen Der Leser ist also eingeladen dieses im Roman begonnene Gesprach fortzufuhren und somit ein erweiterter bzw erweiternder Autor zu sein Das Ziel hierbei ist die Integration des Menschen in den Organismus der Natur Dies bedeutet das Einswerden mit der Natur Ausgaben BearbeitenFur eine Ubersicht uber die verschiedenen Ausgaben siehe den Artikel Novalis und die Internationale Novalis Bibliographie URL unter Weblinks Literatur BearbeitenJurgen Daiber Experimentalphysik des Geistes Novalis und das romantische Experiment Vandenhoeck und Ruprecht Gottingen 2001 ISBN 3 525 20811 1 Ulrich Gaier Krumme Regel Novalis Konstruktionslehre des schaffenden Geistes und ihre Tradition Max Niemeyer Tubingen 1970 ISBN 3 484 10131 8 Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte 4 Elke Heidenreich Die Lehrlinge zu Sais In Walter Jens Hrsg Kindlers neues Literaturlexikon Kindler Munchen 1988 1992 Hermann Kurzke Novalis Beck Munchen 1988 ISBN 3 406 32436 3 Beck sche Reihe 606 Autorenbucher Reinhard Leusing Die Stimme als Erkenntnisform Zu Novalis Roman Die Lehrlinge zu Sais M und P Verlag fur Wissenschaft und Forschung Stuttgart 1993 ISBN 3 476 45033 3 Lothar Pikulik Fruhromantik Epoche Werke Wirkung Beck Munchen 1992 ISBN 3 406 36787 9 Arbeitsbucher zur Literaturgeschichte Herbert Uerlings Friedrich von Hardenberg genannt Novalis Werk und Forschung Metzler Stuttgart 1991 ISBN 3 476 00779 0 Herbert Uerlings Novalis Friedrich von Hardenberg Reclam Stuttgart 1998 ISBN 3 15 017612 3 Reclams Universal Bibliothek Nr 17612 Literaturstudium Weblinks BearbeitenDie Lehrlinge zu Sais im Projekt Gutenberg DE Internationale Novalis Bibliographie Memento vom 10 Juni 2007 im Internet Archive Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die Lehrlinge zu Sais amp oldid 230127605