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Der Ursprung des Kunstwerkes ist eine Abhandlung des Philosophen Martin Heidegger aus den Jahren 1935 36 in welcher er sich mit der Frage auseinandersetzt was die Kunst als Kunst ausmacht Was die Kunst ist soll also nicht durch wissenschaftliche Disziplinen wie etwa die Psychologie erklart werden noch anhand soziologischer Ansatze welche die Rolle der Kunst in der Gesellschaft untersuchen Auch mochte Heidegger keine traditionell asthetische Theorie der Kunst geben welche normative Massstabe dafur gibt was als Kunst gelten darf oder welche Kunst als ein Erlebnis fur einen Betrachter beschreibt bzw gar an metaphysische Konzepte bindet Heidegger versucht anstatt dieser uberzeitlichen Erklarungen das Wesen der Kunst aus ihr selbst zu bestimmen indem er sie entschieden geschichtlich denkt Dies geschieht anhand zweier Thesen Die erste lautet im Kunstwerk habe sich die Wahrheit ins Werk gesetzt 1 die zweite das Wesen der Kunst besteht in der Stiftung der Wahrheit die Geschichte grundet 2 Die Abhandlung ist fur das Werk Heideggers von grosser Wichtigkeit da er hier seinem Begriff der Welt eine neue Dimension verleiht und dieser zugleich mit der Erde einen Gegenbegriff erhalt Gadamer erinnert sich dass dies damals eine philosophische Sensation bedeutete 3 Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 1 1 Entstehung und Quellenlage 1 2 Seinsdenken 1 3 Uberwindung der Asthetik 2 Inhalt 3 Literatur 3 1 Ausgaben 3 2 Sekundarliteratur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenEntstehung und Quellenlage Bearbeiten Nach Heideggers eigenen Angaben begann die Vorarbeit zu dem Thema bereits in den Jahren 1931 und 1932 4 Diese Entwurfe wurden in den Heidegger Studien erstmals 1989 veroffentlicht 5 Andere verstreute Aufzeichnungen die in das Umfeld gehoren wurden ebenfalls in den Heidegger Studien abgedruckt 6 Die Zweite Ausarbeitung wurde am 13 November 1935 in der Kunstwissenschaftlichen Gesellschaft in Freiburg unter dem Titel Vom Ursprung des Kunstwerkes vorgetragen und im Januar 1936 in Zurich wiederholt 7 Die in der Vortragssammlung Holzwege Martin Heidegger Holzwege GA 5 veroffentlichte Fassung ist die Zusammenfassung dreier erweiterter Vortrage die Heidegger 1936 in Frankfurt am Main gehalten hat 8 Zunachst erschien der Text allerdings im Reclam Verlag 1960 Diese Ausgabe weicht in einigen Stellen geringfugig von jener der Holzwege ab Da die erste Ausarbeitung des Themas in die Jahre 31 32 fallt also genau die Zeit in welcher sich in Heideggers Denken eine Kehre vollzog bieten sich zwei Lesarten des Textes an Die eine sieht ihn als eine Ausarbeitung der in Sein und Zeit dargelegten Auffassung von Wahrheit und Welt die andere ordnet ihn bereits Heideggers gekehrtem Denken zu Seinsdenken Bearbeiten Die Metaphysik bzw Ontologie gab seit Beginn der Philosophie eine Vielzahl von Bestimmungen des Seins beispielsweise Alles ist Materie Materialismus alles ist Geist Idealismus die Welt ist von Gott erschaffen Ontotheologie alles ist Objekt fur ein Subjekt Subjektivismus Unter diese philosophischen Bestimmungen fallt auch jene welche sich an der neuzeitlichen Naturwissenschaft orientiert wie dies der Neukantianismus tat Auch er bringt ein bestimmtes Vorurteil daruber mit was ist und auch dieses bestimmt sein Verstandnis der Kunst Indem er der wissenschaftlichen Erkenntnis den Vorzug gab erschien ihm das Kunstwerk nur als ein physischer Gegenstand der daruber hinaus eine symbolische oder allegorische Bedeutung hat Dass das Kunstwerk auch ein Ding ist und nur uber sein Dingsein hinaus noch etwas anderes bedeutet als Symbol auf etwas verweist oder als Allegorie etwas anderes zu verstehen gibt beschreibt die Seinsweise des Kunstwerks von dem ontologischen Modell aus das durch den systematischen Vorrang der wissenschaftlichen Erkenntnis gegeben ist Was eigentlich ist das ist das Dinghafte die Tatsache das den Sinnen Gegebene das von der Naturwissenschaft einer objektiven Erkenntnis entgegengefuhrt wird Die Bedeutung die ihm sc dem Kunstwerk zukommt der Wert den es hat sind dagegen zusatzliche Auffassungsformen von nur subjektiver Geltung 9 Heideggers Seinsdenken stellt den Versuch dar sich im Philosophieren all dieser Bestimmungen zu enthalten Es geht stattdessen der Frage nach wie die philosophischen oder wissenschaftlichen Bestimmungen des Seins uberhaupt entstehen Damit ist Wahrheit kein uberzeitlicher und ewiger Zustand mehr sondern ein Geschehen Nach Heidegger ist es nicht Aufgabe des Denkens ewig gultige Seins und Wahrheitsbestimmungen hervorzubringen sondern daruber nachzudenken wie diese Bestimmungen sich historisch ereignen Das Sein selbst ist dann als Geschehen der Wahrheit zu begreifen Hierzu darf gerade nicht im Vorhinein eine bestimmte Auffassung als wahr angenommen werden die dann ruckblickend allem historischen Geschehen untergeschoben wird Uberwindung der Asthetik Bearbeiten Die metaphysischen Bestimmungen der philosophischen Tradition haben nach Heideggers Auffassung auch die traditionelle Asthetik gepragt weshalb er in ihr eine metaphysische Kunstlehre sah 10 da sie einerseits mit Begriffen wie Sinnbild Allegorie Metapher Gleichnis die platonische Trennung von Sinnlich Materiellem und Geistigen reproduziere andererseits alle Kunstwerke als Objekte fur ein Subjekt auffasste Entsprechend der programmatischen Ablehnung der Metaphysik strebte Heidegger auch eine Uberwindung der Aesthetik an Die Abhandlung Der Ursprung des Kunstwerkes kann daher als ein Beitrag zu diesem Programm angesehen werden In den Beitragen zur Philosophie GA 65 notiert Heidegger Die Frage nach dem Ursprung des Kunstwerks will nicht auf eine zeitlos gultige Feststellung des Wesens des Kunstwerks hinaus die zugleich als Leitfaden zur historisch ruckblickenden Erklarung der Geschichte der Kunst dienen konnte Die Frage steht im innersten Zusammenhang der Aufgabe der Uberwindung der Aesthetik und d h zugleich mit einer bestimmten Auffassung des Seienden als des gegenstandlich Vorstellbaren Die Uberwindung der Aesthetik wiederum ergibt sich als notwendig aus der geschichtlichen Auseinandersetzung mit der Metaphysik als solcher 11 Damit dies gelingt entwickelt Heidegger sein Kunstdenken aus seinem Seinsdenken heraus Betont Heidegger dass die Besinnung auf das Wesen der Kunst nur aus der Frage nach dem Sein bestimmt sei dann spricht er darin allein seinen Anspruch aus dass hier die philosophische Frage nach der Kunst auf einen neuen Grund gestellt wird der in der Ausarbeitung der Seinsfrage gewonnen wird 12 Wenn also das Seinsdenken auf diese Weise danach fragt was die Kunst in ihrem Wesen ausmacht dann kann auch im Falle der Kunst nicht im Voraus eine wahre Bestimmung des Seins angesetzt werden Viel mehr wird sich zeigen dass die Kunst selber ein Verhaltnis zum Sein bzw der Welt als dieses Bedeutungsganze darstellt Im Kunstwerk wird also nicht bloss etwas erfahrbar das vorher nicht erkannt war sondern mit dem Kunstwerk selbst tritt ontologisch etwas Neues ins Dasein 13 das nicht durch eine zuvor festgesetzte metaphysische oder wissenschaftliche Wahrheit beschrieben werden kann Aus diesem Grund mochte Heidegger auch von einer Kunsttheorie loskommen welche die Kunst als asthetisches Erlebnis beschreibt und dadurch den Betrachter in den Mittelpunkt ruckt Es geht ihm darum die ontologische Struktur des Werks unabhangig von der Subjektivitat seines Schopfers oder Betrachters zu verstehen 14 Denn der Vorrang des Betrachters und des Erlebens ist selbst ein sich in der Neuzeit und parallel zur Subjektphilosophie ausbildender der nicht ruckwirkend auf beispielsweise die antike Kunst angewandt werden kann Inhalt Bearbeiten Im Werk der Kunst hat sich die Wahrheit des Seienden ins Werk gesetzt Heidegger Holzwege Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 21 Im Mittelpunkt des heideggerschen Interesses am Ratsel der Kunst steht dabei nicht mehr das Ideal der Asthetik des Klassizismus die Schonheit sondern das Verhaltnis von Kunst und Wahrheit Gleichwohl erweist sich Schonheit als eine der wesentlichen Weisen wie sich Wahrheit ins Werk setzt Der Vortrag ist wie der Titel schon anzeigt eine Ursprungs Theorie wobei Ursprung nach Heidegger das bedeutet woher eine Sache ihr Wesen hat Der Begriff des Wesens fasst wiederum das was und wie eine Sache ist unter sich zusammen Fur Heidegger zeigte sich jedoch bei der Suche nach dem Ursprung dass der Kunstler nur ist indem er Kunstwerke hervorbringt das Kunstwerk aber nur weil es durch den Kunstler gefertigt wurde Der Kunstler ist der Ursprung des Werkes Das Werk ist der Ursprung des Kunstlers Keines ist ohne das andere Beide haben ihren Ursprung in der Kunst 15 Somit wird die Frage nach dem Ursprung des Kunstwerkes zur Frage nach dem Ursprung der Kunst Zwei Thesen entfaltete Heidegger in seinem Vortrag zum einen die dass sich Wahrheit ins Werk setze zum anderen die dass der Kunst durch die Stiftung der Wahrheit eine geschichtsgrundende Macht zukomme Fur Heidegger war ein Kunstwerk nicht etwas Abstraktes weshalb er ausserst ausfuhrlich die Dinghaftigkeit des Kunstwerkes erlauterte Die Werke werden verschickt wie die Kohle aus dem Ruhrgebiet Holderlins Hymnen waren wahrend des Feldzuges im Tornister mitverpackt wie das Putzzeug 16 Aber das Kunstwerk scheint uber dieses Dinghafte hinaus noch etwas mehr zu sein Zunachst muss aber verstanden werden was ein Ding ist Heidegger schlug drei Interpretationen vor die er jedoch als unzureichend kritisierte Ein idealistisches Dingverstandnis welches im Ding ein aus Substanz und Akzidenzien Zusammengesetztes sieht Hier wird die Struktur der Sprache Substanz Kopula Akzidenz auf das Ding ubertragen es wird gleichsam uberfallen Ein materialistisches bloss sinnliches Dingverstandnis das Ding ruckt uns auf den Leib welches das Ding als Summe der Sinnesdaten begreift Heidegger kritisierte hieran dass niemals Sinnesdaten wahrgenommen werden vielmehr H oren wir den Sturm im Schornstein pfeifen Wir horen im Haus die Ture schlagen und horen niemals akustische Empfindungen 17 Ein Dingverstandnis welches Stoff und Form unterscheidet also dem Begriffsschema schlechthin fur alle Kunsttheorie und Asthetik folgt 18 Fur Heidegger war der einzig akzeptable Ort dieses Begriffspaares das Zeug also Gegenstande des Gebrauchs Hier wird Stoff in eine Form zwecks Dienlichkeit gebracht meist ist zudem die Verwendung des Stoffs von der zu erreichenden Form abhangig Den ersten beiden Punkten ist gemeinsam dass es ihnen am richtigen Abstand zum Ding fehlt Die erste Auffassung ist zu theoretisch die zweite klebt zu sehr an den Sinnesdaten Um das Kunstwerk gegenuber der dritten Auffassung und gegenuber dem Zeug abzugrenzen definiert Heidegger das Werk nicht uber seine Eigenschaften sondern unterscheidet es der Seinsweise nach vom Zeug Ihm kommt eine eigene Seinsregion zu die durch den Prozess des Sich ins Werk setzen der Wahrheit bestimmt ist Heidegger macht somit nicht die asthetische Erfahrung wie bei Kant und Nietzsche zum Grundbegriff sondern das Werk Nachdem Heidegger vorgreifend die Kunst durch das Ins Werk Setzen der Wahrheit bestimmt hat ist der eigentliche Vortrag der Untermauerung dieser Ansicht gewidmet Die Argumentation Heideggers ist dabei wie folgt Das Wesen des Werkes liegt darin dass es eine Welt aufstellt Hierdurch stellt es die Erde her Erde und Welt sind im Streit der Vollzug dieses Streits findet im Werk statt Der Streit besteht zwischen Lichtung und Verbergung und ist somit ein Urstreit Als Prozess vollzieht sich dieser Streit durch das Ins Werk setzen der Wahrheit hierdurch stiftet er gleichzeitig Wahrheit Entsprechend seinem schon in Sein und Zeit ausgearbeitetem Welt Begriff bezeichnet dieser auch hier eine Welt als verstandene Bedeutungsganzheit deren Sinnbezuge sich uns vor allem im praktischen Umgang durch den Vollzug erschliessen Es ist ein rein formaler Begriff weshalb Heidegger analog zum umgangssprachlichen Gebrauch auch von der Welt der Bauerin oder der Welt der Griechen sprechen konnte Wenn nun das Kunstwerk eine Welt eroffnet dann bedeutet dies dass es die im praktischen Weltbezug stets unthematisch bleibende Bedeutungsganzheit eigens in den Blick bringt Es stellt dem Betrachter seine sinnhafte Totalitat von Bezugen und Verweisungen vor Augen nbsp Vincent van Gogh Stillleben Ein Paar SchuheWie sich zum Beispiel die Welt einer Bauerin im Kunstwerk eroffnen kann demonstriert Heidegger anhand eines Bildes von Van Gogh welches des Kunstlers ausgetretene Schuhe zeigt die Heidegger falschlich fur zwei Bauernschuhe halt Aus der dunklen Offnung des ausgetretenen Inwendigen des Schuhzeuges starrt die Muhsal der Arbeitsschritte In der derbgediegenen Schwere des Schuhzeuges ist aufgestaut die Zahigkeit des langsamen Ganges durch die weithin gestreckten und immer gleichen Furchen des Ackers uber dem ein rauer Wind steht Auf dem Leder liegt das Feuchte und Satte des Bodens Unter den Sohlen schiebt sich hin die Einsamkeit des Feldweges durch den sinkenden Abend In dem Schuhzeug schwingt der verschwiegene Zuruf der Erde ihr stilles Verschenken des reifenden Korns und ihr unerklartes Sichversagen in der oden Brache des winterlichen Feldes Durch dieses Zeug zieht das klaglose Bangen um die Sicherheit des Brotes die wortlose Freude des Wiederuberstehens der Not das Beben in der Ankunft der Geburt und das Zittern in der Umdrohung des Todes Zur Erde gehort dieses Zeug und in der Welt der Bauerin ist es behutet 19 Die Welt der Bauerin zeigt sich als eine sinnhafte Beziehung zwischen Acker Wind Boden Korn Feldweg und Zeug Schuhen Die sinnhafte Beziehung zeigt sich als Dienlichkeit des Zeugs Das Zeug dient in der Welt zu etwas Der Sinnbezug des Zu setzt aber die Verlasslichkeit des Zeugs voraus also die erdhafte Grundlage des Zeugs Sie halt erst die Welt zusammen Nur im Zeug sind Welt und Erde da nur hier zeigen sich Beziehung und deren Voraussetzung Damit ist das Wesen des Zeugs gefunden aber nicht durch eine Beschreibung des Zeugs sondern des Bildes von Van Gogh Mit einem gemalten Paar Schuhe kann man nicht gehen Stattdessen eroffnet das Werk auf seine Weise einen neuen Bezug zur Welt Das Werk hat gesprochen In der Nahe des Werkes sind wir jah anderswo gewesen als wir gewohnlich zu sein pflegen Es ist die Eroffnung dessen was das Zeug die Bauernschuhe in Wahrheit ist Dieses Seiende tritt in die Unverborgenheit des Seins heraus Im Werk ist ein Geschehen der Wahrheit am Werk 20 Wesentlich fur den Wahrheitsbegriff als Lichtung ist dass Heidegger ihn mit der Verbergung verknupfte Das Verbergen gehort zum Wesen der Wahrheit Dies deshalb da unser Verstandnishorizont kein fester absoluter Grund ist von dem aus alles Seiende in seinem Was auszulegen ware Verstandnishorizonte andern sich die Welt als Bedeutungsganzheit eroffnet sich in verschiedener Weise Damit konnen wir aber Wahrheit nicht mehr einzig auf unseren Verstandnishorizont zuruckfuhren sondern sind auf das Seiende angewiesen darauf dass es sich so zeige wie es ist Das Seiende ist also Bedingung fur die Wahrheit Da es aber auch als Schein trugen kann liegt in der Bedingung fur die Wahrheit gleichermassen Lichtung und Verbergung Dies meinte Heidegger wenn er vom Urstreit von Lichtung und Verbergung sprach Im Kunstwerk zeigt sich dieser Streit Zum Wesen der Wahrheit als der Unverborgenheit gehort dieses Verweigern in der Weise des zwiefachen Verbergens 21 Dem Menschen ist nun immer schon faktisch ein Verstandnishorizont gegeben innerhalb dessen Seiendes als sinnhaftes begegnet Wenn sich der Urstreit nun konkret vollzieht so tut er dies als Streit von Welt und Erde Dabei ist Welt nun die einem konkreten Volk zum Beispiel den antiken Griechen gegebene Welt Das Beispiel der Bauernschuhe konnte nahelegen dass Heidegger an eine Nachahmungstheorie anknupft Um sich jedoch hiervon abzugrenzen wahlte Heidegger ausserdem das Beispiel eines griechischen Tempels denn mit welchem Wesen welchen Dinges soll denn ein griechischer Tempel ubereinstimmen 22 Statt nachzuahmen ist die Wahrheit im Tempel als etwas Sammelndes im Werke Der Tempel eroffnet einen Ort fur Tod und Geburt Sieg und Schmach Ausharren und Verfall also die Sphare der menschlichen Welt nbsp Das Erechtheion auf der Akropolis in Athen Durch sein Herausragen in die naturliche Umwelt die fysis physis schafft er zugleich eine Offenheit in der erst Pflanzen Tiere und andere Naturerscheinungen ihren Ort haben Er lichtet dieses Worauf und Worin der Mensch sein Wohnen grundet die Erde Der Tempel gibt erst das Ganze frei innerhalb dessen das Einzelne begegnen kann Heidegger dachte also das Ganze nicht als Summe seiner Teile vielmehr gerade umgekehrt Wir kommen dem was ist eher nahe wenn wir alles umgekehrt denken 23 Die Welt ist also nicht eine Anhaufung von Dingen sie ist kein einzelner Gegenstand sie ist nur als geschichtliches Geschehen Welt weltet und damit Teil der menschlichen Angelegenheiten Ihr Gegensatz ist die Erde Im Offenhalten der Welt war das Werk fur Heidegger zugleich herstellend aber nicht im Sinne eines Produzierens Wahrend im Zeug der Stoff in der Dienlichkeit aufgeht und verschwindet lasst das Werk den Stoff erst erscheinen Der Fels kommt zum Tragen und Ruhen und wird so erst Fels der Ton zum Klingen das Wort zum Sagen 24 Dies dadurch dass das Werk sich zurucknimmt in die Erde so lasst es die Erde eine Erde sein Nur in der Kunst kommt so die Erde als das was sie ist zum Erscheinen Die naturwissenschaftliche Erkenntnis vermag dies nicht zu greifen So ist z B die Farbe nur im Aufleuchten erfahrbar Wenn wir sie verstandig messend in Schwingungszahlen zerlegen ist sie fort Sie zeigt sich nur wenn sie unentborgen und unerklart bleibt 25 Hier zeigt sich das Wechselspiel von Verbergung und Lichtung Entweder versteht man Farbe und ihre Bedeutung in der Welt der Bauerin oder wir zerlegen die Farbe in elektrodynamische Schwingungen wodurch ihr Bezug zur Welt jedoch abreisst Dieses der Erde eigentumliche Verschliessen im Entweder oder wird durch den Streit im Werk in die Offenheit gebracht Der Stein der als blosses Masseding betrachtet und dessen Gewicht erfasst wird zeigt sich nur als vorhandener kein Weg des Verstehens fuhrt von dort dahin ihn als Last zu begreifen Lastig ist er nur in einer sinnhaften Welt in welcher er sich dem menschlichen Tun durch seine Last in die Quere stellt Ein Kunstwerk unterscheidet sich somit von anderen bedeutungshaften Gebilden gerade dadurch dass es die Bedeutung selbst explizit macht Die Bedeutung also Bewandtnis eines Hammers erschliesst sich gerade durch den praktischen Umgang mit ihm und verschliesst sich somit zugleich da sie unthematisch im Hintergrund bleibt Im Betrachten eines Kunstwerks vollzieht sich der Streit von Verbergung und Lichtung dadurch dass sich der Betrachter einerseits auf die im Kunstwerk dargestellten sinnhaften Gebilde die in der Welt verschwinden zunachst einlassen muss um uberhaupt eine Welt zu verstehen andererseits macht aber das Kunstwerk die Welt als sinnhafte Totalitat gerade explizit Das Schaffen des Kunstlers ist ein Hervorbringen aber nicht zu verwechseln mit der Anfertigung von Zeug Als texnh techne bedient es sich zum Hervorbringen in die Unverborgenheit der fὐsis Das Wesen des Schaffens wird also vom Wesen des Werkes her bestimmt Wie bereits erwahnt ist aber die Wahrheit nicht etwas dessen sich der Mensch bedienen konnte Wahrheit geschieht nur so dass sie in dem durch sie selbst sich offnenden Streit und Spielraum sich einrichtet 26 Eine Weise dieses Sich einrichtens ist das Sich ins Werk setzen der Wahrheit und so liegt auch in der Wahrheit ein Zug zum Werk Das Geschaffensein des Werkes ist der in die Gestalt gebrachte Streit Mit diesem Begriff streifte Heidegger die zu jener Zeit im Schwange befindliche Gestaltpsychologie Das Festgestelltsein der Wahrheit ist die Gestalt Es tritt nun das Geschaffensein des Werkes an diesem hervor jedoch bedeutet dies nicht dass erkennbar ist dass ein Kunstler es angefertigt hat sondern es zeigt sich ein Stoss ins Sein Ebendieses dass es ist kommt dem Kunstwerk als etwas Besonderes zu Je einsamer das Werk festgestellt in die Gestalt in sich steht je reiner es alle Bezuge zu den Menschen zu losen scheint um so einfacher tritt der Stoss dass solches Werk ist ins Offene 27 Wahrend das Dass Sein des Zeugs meist bei dessen Verwendung fur uns verborgen bleibt indem es in der Bewandtnisganzheit aufgeht sind fur Heidegger Dinge gerade dadurch gekennzeichnet dass sie in ihrem Dass Sein besonders hervortreten Dies gilt ganz besonders fur Kunstwerke weshalb Heidegger ihr Dass Sein als Stoss ins Sein bezeichnet Aber auch das Werk braucht den Rezipienten als Bewahrer um die durch es eroffnete Offenheit zu erbringen Diese man wurde wohl sagen asthetische Empfindung fasste Heidegger als das ekstatische Sicheinlassen des existierenden Menschen in die Unverborgenheit des Seins 28 Nur hierdurch wird das Werk nicht durch den Rekurs aufs Subjekt und dessen Empfindungen zum Erlebniserreger herabgesetzt Nach Heideggers Vorstellung soll das Werk ausserdem die Menschen zum Miteinandersein fuhren Fur Heidegger war der Kunstler nicht geniales Subjekt sondern er schopft im kunstlerischen Schaffen aus der Geschichtlichkeit des Menschen Die Geschichte verschenkt ihr Zuviel an Wahrheit sie stiftet Neues und das Neue ist wiederum Aufgang von Geschichte Darin liegt die geschichtsgrundende Macht der Kunst als Ursprung Heidegger sah keine besondere Rolle des Kunstlers dieser tritt vielmehr gegenuber dem Kunstwerk zuruck Der Prozess der Kunstproduktion gleicht einem im Schaffen sich selbst vernichtenden Durchgang fur den Hervorgang des Werkes 29 Das Kunstwerk bringt sich nur im Vollzug zur Geltung also dadurch dass es dem Betrachter seine Welt als sinnhafte Totalitat eroffnet Herausgerissen aus diesem Kontext wird es aus seinem Wesensbereich entfernt Daher sah Heidegger die Welt der vorhandenen Werke als Zerfallene die Werke sind ortlos und nur noch als Gewesene Heidegger kritisiert den sich daraus ergebenden Umgang mit den Werken im Kunstbetrieb mit Kunstkennern Kunstrichtern Kunstgenuss Kunsthandel und Kunstgeschichtsforschung Das Kunstwerk stirbt gleichsam wenn es in Sammlungen versetzt und so aus seinem Wesensbereich herausgerissen wird Im Anschluss an Hegel der bereits das Ende der Kunst festgestellt hatte sah Heidegger die Zukunft der Kunst daher uberaus kritisch sollte es nicht gelingen einen Zugang zu ihr abseits der nur auf das Kunsterlebnis beschrankten Rezeption zu finden Literatur BearbeitenAusgaben Bearbeiten Der Ursprung des Kunstwerkes Paginierung identisch mit der Reclam und Gesamtausgabe Mit der Einfuhrung von Hans Georg Gadamer und der erneut an der Handschrift uberpruften ersten Fassung des Textes von 1935 herausgegeben von Friedrich Wilhelm von Herrmann Klostermann Frankfurt am Main 2012 ISBN 978 3 465 04163 4 Der Ursprung des Kunstwerkes Reclam Universal Bibliothek Ditzingen 1986 ISBN 978 3150084465 Holzwege Klostermann Frankfurt 2003 ISBN 978 3465032380 Gesamtausgabe Band 5Sekundarliteratur Bearbeiten Renate Maas Diaphan und gedichtet Der kunstlerische Raum bei Martin Heidegger und Hans Jantzen Kassel 2015 ISBN 978 3 86219 854 2 David Espinet Tobias Keiling Hrsg Heideggers Ursprung des Kunstwerks Ein kooperativer Kommentar Frankfurt am Main 2011 Gottfried Boehm Im Horizont der Zeit Heideggers Werkbegriff und die Kunst der Moderne In Walter Biemel und Friedrich Wilhelm v Herrmann Hrsg Kunst und Technik Frankfurt am Main 1989 S 255 286 Jacques Derrida Die Wahrheit in der Malerei Wien 1992 Hans Georg Gadamer Zur Einfuhrung In Martin Heidegger Der Ursprung des Kunstwerkes Stuttgart 1960 S 102 125 Hans Georg Gadamer Kunst als Aussage In Gesammelte Werke Bd 8 Tubingen 1993 Friedrich Wilhelm v Herrmann Heideggers Philosophie der Kunst Frankfurt am Main 1980 2 uberarb u erw Aufl 1994 Andrea Kern Der Ursprung des Kunstwerkes Kunst und Wahrheit zwischen Stiftung und Streit in Dieter Thoma Hrsg Heidegger Handbuch Stuttgart 2003 S 162 174 Philippe Lacoue Labarthe Die Fiktion des Politischen Heidegger die Kunst und die Politik Stuttgart 1990 Tilmann Muller Wahrheitsgeschehen und Kunst Zur seinsgeschichtlichen Bestimmung des Kunstwerks bei Martin Heidegger Munchen 1994 Otto Poggeler Die Frage nach der Kunst Von Hegel zu Heidegger Freiburg 1984 Otto Poggeler Heidegger und die Kunst In Christoph Jamme Hrsg Kunst Politik Technik Munchen 1992 Richard Rorty Heidegger wider die Pragmatisten In Neue Hefte fur Philosophie 23 1984 S 1 22 Meyer Schapiro The Still Life as a Personal Object A Note on Heidegger and van Gogh In Marianne L Simmel Hrsg The Reach of Mind New York 1968 S 203 209 Peter Trawny Uber die ontologische Differenz in der Kunst Ein Rekonstruktionsversuch der Uberwindung der Aesthetik bei Martin Heidegger In Heidegger Studien 10 1994 S 207 212 Wolfgang Ullrich Der Garten der Wildnis Martin Heideggers Ereignis Denken Munchen 1996 Julian Young Heidegger s Philosophy of Art Cambridge 2001 Friedrich Wilhelm von Herrmann Heideggers Philosophie der Kunst Eine systematische Interpretation der Holzwege Abhandlung Der Ursprung des Kunstwerkes Frankfurt M 1980 Christoph Jamme Dem Dichten vor denken Aspekte von Heideggers Zwie sprache mit Holderlin im Kontext seiner Kunstphilosophie in Zeitschrift fur philosophische Forschung 38 1984 191 218 Gerhard Faden Der Schein der Kunst Zu Heideggers Kritik der Asthetik Wurzburg 1986 Eric Bolle Die Kunst der Differenz Philosophische Untersuchungen zur Bestimmung der Kunst bei Martin Heidegger Friedrich Holderlin Paul Celan und Bram van Velde Amsterdam 1988 Annemarie Gethmann Siefert Martin Heidegger und die Kunstwissenschaft in Annemarie Gethmann Siefert Otto Poggeler Hg Heidegger und die praktische Philosophie Frankfurt M 1988 251 285 Walter Biemel Gesammelte Schriften Band 1 Schriften zur Philosophie Band 2 Schriften zur Kunst Stuttgart Bad Cannstatt 1996 Walter Biemel Friedrich Wilhelm v Herrmann Hg Kunst und Technik Gedachtnisschrift zum 100 Geburtstag von Martin Heidegger Frankfurt M 1989 Philippe Lacoue Labarthe Die Fiktion des Politischen Heidegger die Kunst und die Politik Stuttgart 1990 Gunther Poltner Hg Phanomenologie der Kunst Frankfurt M 2000 87 107 Reihe der Ost Ges f Phanomenologie Band 5 Christoph Jamme Karsten Harris Hg Martin Heidegger Kunst Politik Technik Munchen 1992 Gunter Seubold Kunst als Enteignis Heideggers Weg zu einer nicht mehr metaphysischen Kunst Bonn 1996 Andreas Grossmann Heidegger Lekturen Uber Kunst Religion und Politik Wurzburg 2005 Von Heidegger her Wirkungen in Philosophie Kunst Medizin Hg v Hans Helmuth Gander Frankfurt M 1991 Martin Heidegger Gesellschaft Schriftenreihe 1 ISBN 3 465 02520 2 Otto Poggeler Bild und Technik Heidegger Klee und die moderne Kunst Munchen 2002 Madalina Diaconu Der Satz der Identitat jenseits von Tautologie Alternative Identitatsmodelle des Kunstwerks im Ausgang von Heidegger und Levinas in Helmuth Vetter Hg Nach Heidegger Einblicke Ausblicke Frankfurt M u a 2003 Reihe der Ost Ges f Phanomenologie Bd 7 221 237 ISBN 3 631 39393 8 Helmuth Vetter Kunst als Mass des Politischen Anmerkungen zu Heidegger in Reinhold Esterbauer Hg Orte des Schonen Phanomenologische Annaherungen Wurzburg 2003 191 216 Wilhelm Perpeet Frank Lothar Kroll Heideggers Kunstlehre Mit einem Vorwort von Otto Poggeler Bonn 2005 Weblinks BearbeitenRafael Capurro Bauen als Denkaufgabe Zur Phanomenologie der Architektur Van Gogh Museum A Pair of Shoes Helmuth Vetter Grundriss Heidegger Ein Handbuch zu Leben und Werk Hamburg 2014 ISBN 978 3 7873 2276 3 onlineEinzelnachweise Bearbeiten Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 21 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 65 Hans Georg Gadamer Zur Einfuhrung In Martin Heidegger Der Ursprung des Kunstwerkes Ditzingen 1986 S 98 Vgl Martin Heidegger Elisabeth Blochmann Joachim Storck Hrsg Briefwechsel 1918 1968 Marbach 1989 S 87 Vgl Friedrich Wilhelm von Hermann Hrsg Heidegger Studien 5 1989 S 5 22 Erneut mit Paginierung der Heidegger Studien abgedruckt in Gunter Figal Hrsg Heidegger Lesebuch Klostermann Frankfurt am Main 2007 S 149 170 Vgl Heidegger Studien 6 1990 S 5 7 und Heidegger Studien 8 1992 S 6 12 Christoph Konig Hrsg Geschichte der Germanistik Mitteilungen Gottingen 2004 S 39 Vgl Andrea Kern Der Ursprung des Kunstwerkes Kunst und Wahrheit zwischen Stiftung und Streit in Dieter Thoma Hrsg Heidegger Handbuch Stuttgart 2003 S 162 Hans Georg Gadamer Zur Einfuhrung In Martin Heidegger Der Ursprung des Kunstwerkes Ditzingen 1986 S 103 Martin Heidegger Holderlins Hymne Der Ister GA 53 S 21 Martin Heidegger Beitrage zu Philosophie Vom Ereignis GA 65 S 503f Friedrich Wilhelm von Hermann Heideggers Philosophie der Kunst Eine systematische Interpretation der Holzweg Abhandlung Der Ursprung des Kunstwerkes Frankfurt am Main 1980 S XIX Hans Georg Gadamer Zur Einfuhrung In Martin Heidegger Der Ursprung des Kunstwerkes Ditzingen 1986 S 108 Hans Georg Gadamer Zur Einfuhrung In Martin Heidegger Der Ursprung des Kunstwerkes Ditzingen 1986 S 105 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 1 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 3 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 10 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 12 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 19 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 21 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 41 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 22 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 29 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 32 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 33 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 49 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 54 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 55 Martin Heidegger Holzwege GA 5 S 26 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Ursprung des Kunstwerkes amp oldid 239571708